Fliegende Blätter - Band 10 Textkorpus © fliegendeblaetter.a7111.com CreativeCommons-BY-NC-SA =========================== FB10-0217 Bild 1 Der Teufel und ein altes Weib. Eine alte Geschichte neu erzählt von C. Herloßsohn. Im Dorfe Luze (Lusche) des Chrudimer Kreises in Böhmen lebte ein junges Ehepaar, das man unbedingt glücklich nennen konnte. Mann und Frau waren jung, schön, gut von Gemüthe und reich. Sie hatten fruchtbare Felder und Tristen, ein schönes Gehöft, treue und fleißige Knechte und Mägde. Schon drei Jahre waren sie ehelich verbunden und noch hatte kein Streit, keine Meinungsverschiedenheit eine trübe Wolke auf ihre Stirne gelockt oder ihr Herz verbittert. Zwar hatte ihnen zur Zeit noch der Himmel den Ehesegen versagt; aber sie wußten selbst nicht, ob sie sich deshalb härmen sollten, denn es war ihnen, als könnte ihre Liebe beeinträchtigt werden, wenn sich erst ein drittes Wesen zwischen dieselbe drängte. Der Teufel, den dieses stille Glück, diese himmlische Frieden gewaltig verdroß, hatte bereits alles Mögliche versucht, hier sein Unkraut auszusäen; doch es wollte ihm bisher nicht gelingen: heitre Treuherzigkeit blitzte in den Augen des jungen Ehemanns, und beglückte Liebe lachte aus dem frischen Antlitz des lieblichen Weibes. Eben schlich er um das Haus herum, sah zum Fenster hinein, und gewahrte, wie das junge Ehepaar nach vollendeter Mahlzeit sich liebend umschlungen hielt, und lachend und plaudernd Kuß um Kuß tauschte, als wär’s im Anbeginn ihres Brautstandes. Er schnitt eine Fratze und sagte hufstampfend. „Das ist zum Teufelholen, daß ich hier nicht ankommen kann. — Und wer vermag mir da zu helfen, wo ich mir selbst nicht helfen kann. Wenn ich nach Haus komme und meinen Bericht erstatte, wird Meister Satanas sagen: Ich hab einen Esel ausgeschickt und der Esel ist wieder gekommen; — das sind so seine Redensarten — die kenne ich.“ — Ingrimmig wandte er sich ab, verschränkte die Arme auf dem Rücken und ging langsam das Dorf hinab. Am Ende desselben lag eine ziemlich verfallene Hütte, in welcher ein altes, böses Weib wohnte, das von der Gemeinde unterhalten wurde, trotzdem aber nur Unheil stiftete, Jedermann Schlimmes anthat, die Nachbarn verhetzte, verläumdete und erbitterte. Sie wurde geflohen wie die Sünde und gefürchtet wie der Tod: das aber war’s eben, was die Alte nur noch giftiger machte. Es schien, als müsse sie alltäglich eine gewisse Portion Galle produziren und wieder verschlucken, um existiren zu können; das war ihr gesund, das hielt ihr Leib und Seele zusammen. So eifrig nun die Dorfbewohner beteten, der Himmel möge sie von diesem Plagegeist erlösen, so wollte die Alte doch nicht sterben, und die Nachbarn selbst trugen zu ihrer Lebensverlängerung bei, indem. sie ihr aus Furcht zum Ausgedinge die fettesten Hühner und Gänse, die beste Butter, die schmackhaftesten Weizenkuchen lieferten. Als der Teufel an die Hütte der Alten gelangt war, kam ihm ein Gedanke. Die böse Hexe war seine alte Bekannte, er hatte zuweilen des Abends bei ihr eingesprochen und sich mit ihr über die Nächstenliebe unterhalten. Konnte sie ihm auch nicht helfen, dachte er, so mochte er doch sein bekümmertes Herz vor ihr ausschütten. Die Theilnahme edler Seelen gewährt Trost. Er trat in das Gärtchen hinter dem Hause, wo die Alte in der Sonne saß und sich wärmte, den großen Kater im Schooße. Sie hatte in der Hand ein Stück alte Leinwand, die zerzupfte sie Faden für Faden, — nicht um etwa für einen Verwundeten Charpie zu machen, sondern instinctmäßig, weil sie gerade müßig war, keinen Gegenstand hatte, ihren Aerger d’ran auszulassen, keinen guten Ruf, keinen ehrlichen Namen zerpflücken konnte. Und als sie mit der Leinwand fertig war, griff sie nach der Hecke an ihrer Seite und nahm ein Blätterbüschel und verfuhr mit diesem eben so. Der Teufel trat ein, machte seine Reverenz und wünschte einen schönen guten Abend. Bild 2 Sie dankte durch ein: „Gelobt sei Jesus Christus!“ — denn sie war beineben eine sehr fromme Frau und fleißige Kirchengängerin — worüber jedoch der Teufel abermals eine grimmige Fratze schnitt, denn diese Sorte von Begrüßung war nicht nach seinem Styl. Die Unterhaltung war bald im Gange, ein Wort gab das andere, und so erzählte denn auch der Teufel den Grund seiner gegenwärtigen Bekümmerniß, und fragte endlich, die Alte mehr muthwillig herausfordernd als ernstlich, ob sie sich wohl getraue, jenes junge glückliche Ehepaar, das ihm ein Dorn im Auge, zu entzweien. „Nichts leichter als das!“ kicherte die Alte und sah den Teufel mit ihrem grünen Blicke, aus welchem bewußte Ueberlegenheit blitzte, fast geringschätzig an. — „Nichts leichter als das?“ wiederholte der Teufel verdutzt, „und ich gebe mir schon seit Monaten vergebliche Mühe. Ich habe den Leuten sogar einiges Mißgeschick auf den Hals geladen, aber das hat sie nur noch zärtlicher gemacht, noch inniger aneinander gekettet.“ „Man muß die Sache nur ordentlich anpacken,“ meinte die Alte, „ich weiß, was ich sage, und verspreche nichts, was ich nicht halte. — Aber — was gebt Ihr mir für eine Belohnung, wenn ich die Sache nach Wunsch zu Stande bringe? Ihr wißt, umsonst ist der Tod.“ — „Verlangt, was Ihr wollt, — ich bin kein Knauser.“ „Ich habe mir schon längst ein Paar rothsammtne Pantoffeln mit Gold gestickt gewünscht; die Leute werden nicht wissen, woher ich den neuen Putz habe und sich ärgern. — Wenn Ihr also drauf eingeht —?“ — — „Nicht mehr als das?“ rief der Teufel verwundert. „Für solche Bagatelle nur, — ich wäre bereit gewesen —.“ „Weil es gar so kinderleicht ist. Man muß sich nicht über den Span bezahlen lassen, das ist meine Moral. Und vielleicht hätt’ ich‘s auch umsonst gethan, bloß für ein gutes Wort. — Kommt in paar Tagen wieder und Ihr sollt mit mir zufrieden sein.“ — Der Teufel war zwar noch immer ungläubig; aber die zuversichtliche Haltung der Alten imponirte ihm, sie gab ihm binnen wenig Tagen Hoffnung, und so strich er vergnügt seinen Backenbart, machte die Referenz und verabschiedete sich. --- Als am folgenden Vormittag die junge Bäuerin von der Wiese zurückkehrte, wo sie die Mägde beaufsichtigt hatte, und bei der Hütte der Alten vorüberkam, saß diese vor der Thür mit dem Kater und sonnte sich, denn des Vormittags schien die Sonne von dieser, das ist, von der Morgenseite. Sie erschrack förmlich, als sie die Hexe erblickte und wollte vorübereilen, und so thun, als habe sie dieselbe nicht gesehen. Aber die Alte kreischte: „Guten Morgen Katscha (Katharine)! Wer wird so vorüberlaufen bei einer armen alten Frau und ihren Gruß verschmähen. Ei, ei! Komm’ doch näher — auf einen Augenblick!“ „Guten Morgen, Mutter,“ versetzte die junge Frau und erblaßte, — die Furcht gebot ihr näher zu treten, „ich habe zwar Eile — denn das Essen steht am Feuer —; wenn Ihr mir aber etwas zu sagen habt —?“ „Ich hab’ nur meine Freude, wenn ich Dich sehe, Katscha! Du bist so jung, so hübsch, immer so fröhlich, so gesund. — Wie geht es Dir, meine Tochter?“ — „Recht gut, Mutter! Ich bin ganz glücklich. Ich liebe meinen Mann, er liebt mich; Sorgen haben wir nicht; — was könnte ich noch begehren!“ „Ganz glücklich? Ja, ja, — wenn das nur so immer währen möchte. Aber nichts ist flüchtiger als das Glück. — Und ist Dir denn Dein Mann auch treu?“ — „Wie Ihr nur so fragen könnt’; das ist recht abscheulich. Wir sind ein Herz und eine Seele. Er liebt keine andere als mich, und wird nie eine andere lieben.“ „Und doch, und doch,“ sagte die Alte mit einem Seufzer, „Du weißt nicht, wie veränderlich die Männer sind. — Ja, drei, vier Jahre, da halten sie aus, aber wenn das Bischen Schönheit vergeht —. Nun, Dein Mann wird auch keine Ausnahme machen von der Regel, er ist ein rechter Schelm und versteht sich auf die hübschen Weiber: Deshalb hat er ja auch Dich genommen.“ — „Wie versteht Ihr das? — Ich weiß, daß Ihr gern verleumdet und lästert.“ „Wer wird so auffahren und mich kränken. Es ist nur ein Scherz, wovon ich spreche. Als ich gestern bei der Mühle war und durch den Zaun sah, da hatte Dein Mann Getreide hingefahren, — ist’s nicht so? — Die Müllerin stand in der Thüre, und die Müllerin, das wirst Du doch eingestehen, ist eine junge schöne Frau, fast so schön, wie Du —: er streichelte ihr die Wangen, dann neckte er sie, sie lachte, und dann wollte er ihr, glaub’ ich, gar einen Kuß rauben. Es war, wie gesagt, eine Schäckerei, weiter nichts.“ „Das ist abscheulich!“ rief die junge Bäuerin und Thränen traten in ihre Augen, „Ihr lügt — Ihr seid boshaft, das weiß das ganze Dorf. Aber just will ich Euch nicht glauben und wenn Ihr mir noch zehnmal von der schönen Müllerin erzählt. Mein Mann ist mir treu: darauf lebe und sterbe ich.“ „Aber du thörichtes Kind, ich sage ja nicht, daß Dein Mann treulos ist — ich sage nur, was mit der Zeit werden könnte, und wie es die Männer zu treiben pflegen, wenn man sich nicht ihrer Treue versichert, wenn man sie nicht bindet. Und dafür gibt’s allerdings Mittel.“ — „Wie meint Ihr das?“ fragte die Bäuerin, deren Argwohn zwar noch nicht Wurzel gefaßt, deren Neugierde aber erregt worden war. „Hi, hi! — die Leute nennen mich eine Hexe — es ist zum Lachen! Ich weiß freilich so manches unschuldige Kunststückchen, was den Leuten geholfen, — aber das ist noch himmelweit von der Hexerei. Und weil ich Dich lieb habe, Dich schon von Kindesbeinen an geliebt habe, so wollte ich Dir gerne einen guten Rath geben: ob Du ihn befolgen willst, ob nicht, ist mir gleich“ — „Und das wäre?“ „Ein Mittel, wenn Du’s anwendest, daß Dir Dein Mann immer treu bleiben muß — Dich lieben muß, selbst wenn Du schon alt und häßlich geworden bist.“ — „So nennt’s doch, wenn es nichts Böses ist.“ „Nun hör’ also, mein Töchterchen! Es ist heut Sanct Medardi und gerade der wichtige Tag zur Ausführung dieses ganz unschuldigen Kunststückes. — Höre mich wohl an. Wenn Dein Mann heut Abend zu Bette gegangen und fest eingeschlafen ist, so erhebst Du Dich sachte, nimmst sein Rasiermesser und fährst ihm mit dem Rücken der Klinge dreimal leise über die Kehle. Dann sprichst Du drei Vaterunser und drei Avemaria und der Bann ist ausgesprochen: er kann Dir von da an niemals untreu werden. Daß an dem ganzen Kunstgriff nichts Böses ist, magst Du daraus erkennen, daß dabei der Schutz des Himmels und nicht der des Gottseibeiuns angerufen wird.“ — Die Bäuerin hatte mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört, sie senkte jetzt den Kopf und verfiel in Nachdenken. „Befolge meinen Rath oder nicht,“ fuhr die Hexe fort, „mir ist’s gleich. Willst Du aber Deine Besorgnisse für immer los sein, so weißt Du nun, was Du zu thun hast.“ — „Ich will mir’s überlegen,“ sagte die junge Frau, „vor der Hand habt Dank.“ — Dann ging sie langsamen Schrittes das Dorf hinauf in ihr Gehöfte. (Schluß folgt.) Bild 3 Herrn Ruhmayers halblaute Gedanken auf der Gasse. Bild 4 „S’ ist zum Teufelholen, wie der wieder aussieht! Ich muß halt allemal lachen, wenn ich so einen magern Kerl seh’! Das ist ganz g’wiß wieder so ein Kamehl, so ein Republikaner, der ohne Grundrecht rumgehen muß — man kennt’s gleich. — Mich schaut g’wiß keiner dafür an!“ — Eine Turnfahrt. Bild 5 Der Auszug. „Wir Turner, wir wandern wohl durch das Land, immer lustig, immer rüstig, heissa juchhei! und Kraft und Muth mit uns Hand in Hand, immer lustig, immer rüstig, heissa juchhei! immer lustig, immer rüstig, heissa juchhei! Turnersinn, deutscher Sinn, treu dem Vaterlande, Turnersleut, wackre Leut, immer lustig, immer rüstig heissa juchhei!“ Dr. Carganigo in Hirschberg. Bild 6 Einkehr. „Freilich gibt es viele Necker, Die wie manche Kuchenbäcker, Weil die eigne Waare riecht, Jede bessre nur verachten Und sie zu verleumden trachten, Doch das acht’t der Turner nicht.“ Bild 7 Das erste Nachtlager. „Und wenn die Sonne zur Rüste geht, Der Wand’rer am freundlichen Ziele steht, Da rasten wir nun! der Tag ist vollbracht, Nun, müder Turner, nun gute Nacht.“ Dr. Carganigo in Hirschberg. (Fortsetzung folgt.) Erinnerungen aus den Jahren 1848 und 1849. Bild 8 I. Der Mann mit dem Seitensäbel. „Nu sähn se, ’s war se schon gleich neine, ich wollte se gerade zu Stahls gehen, da trummelten se schon vorm Grimm’schen Thore. „Herr Jeses saht ich zu meiner Frau, saht ich, se trummeln schon vorm Grimmischen Thore un uf emal knallt es ooch drei Male hinter enander. Da saht’ ich zu meiner Frau! Frau, saht ich, heite Nacht gehts los — de werscht sehen. Die mente abber: laß losgehn, sahte se, wir sin ja heeme und du bist nich commandirt.“ ‘S dauerte abber nich lange, da schluken se schon an meine Thüre. „Schneemann“, schrien se, „‘s hat Generalmarsch geschlagen un vorm Grimm’schen Thore schißen se schon, du mußt ausricken, mir warten uf dich, ’s kost e Thaler Strafe, wer ausbleibt.“ „Frau saht ich, ’s kost e Thaler, wer ausbleibt, ich gehe mit, saht ich.“ „E Thaler,“ saht se, „e Thaler, das wollmer e Mal sehn, saht se, du bleibst hier un zahlst ooch kennen Thaler nich.“ — Die aber schluken immer stärker an meine Thüre, un es hulf Alles nischt — ich mußte endlich mit. Nu hatte ich mir vun Heumann’n erscht vor acht Tagen e prächtiges Büchschen kekoft — ich sage se e prächt’ges Gewehr, ’s hat mich vier Thaler gekost. So e Büchschen ham se noch gar nich gesehn, wunderscheener Damast, Patentschrauben und schießen thut se wies Luder. Die hab’ ich se geladen, natirlich mit Flaster un da saht ich zu meinen Kameraden: „Ihr werd sehn saht ich, uf jeden Schuß porzelt e Mann.“ Na mir sin in die Compagnie eingetreten, un sin vun der Seite uf de Post losmarschiert, da war’n schon enne Menge drin, unten abber ufm Platze, da ham de Aufrihrer schon e großes Feier gemacht — bei Felschen stund se abber die Barrikade, vun der schossen se runter. — Ich wees nich, es war den Abend so naßkalt — mich frors alleweile, trotzdem’s ganz warm war. Da sahte der Commandant: „jetzt macht ihr en Angriff übern Schneckenberg nüber un nehmt de Barrikade.“ Da sahte das Luder der Leidnant: „Ganz recht,“ saht er, als wenn das e Pappenstiel wär. „Angetreten“ commandirte er un fort gings ufn Schneckenberg zu. Wer in seinem Leben Nachts noch nich ufm Schneckenberg war, der wees nich was eegentlich Nacht is. Mir sahen bald enander selber nich mehr un ich befand mich uf emal ganz alleene in einer Allee. Nu fiel mer uf emal ein: Schneemann dacht ich, wenn se der am Ende bei der Barrikade dei neies Büchschen um vier Thaler abnähmen, so e Büchschen koofst de nich alle Tage. — Schneemann, dacht ich, ich dächte du gingst heeme un holst dein Seitensäbel un haust dermit. Na da bin ich se denn heeme gegangen, habbe mei Büchschen ufgehoben, eene Tasse Kaffee getrunken un denn meinen Seitensäbel umgeschnallt. Bis ich se abber über de Treppe nunter gekommen bin, habben die andern schon die Barrikade bei Felschen genommen gehabt. Na das war mer egentlich lieb, denn ich schieße se nich gerne uf de Menschen. — Uebrigens is es nich meine Schuld, daß der Schneckenberg so finster is, un nur e ganz schlechter Mensch — se brauchen gar nich zu lachen — nur e ganz schlechter Mensch sage ich se — kann behaupten, ich wäre davon gelofen, das is enne schändliche Verleimdung, enne Niederträchtigkeit enem so was nachzureden, denn de Beleichtung an dem Abend war schlecht am Schneckenberge — mer hat nischt gesehen, weil keene Laterne gebrannt hat, das kennen se mer nacherzählen, wo se wollen. — Bild 9 links Die Empfehlung. „Herr Direktor, ich empfehle Ihnen hier diesen Mann als den besten und bravsten in meiner Compagnie zur Verwendung beim Eisenbahnbetriebdienste.“ „Nun, wenn er so gut ist, warum behalten Sie ihn nicht selber?“ Sie finden sich nicht. Bild 10 links 1. Es liegen wohl viele Dukaten Gefangen in müßiger Ruh’, Die möchten gern lustig rollen In die Welt aus finstrer Truh’. Und ach so mancher Dichter Thät ihnen den Willen so gern, Er ließe wohl frei sie springen, Nur sind sie ihm leider zu fern. So paßten Dukaten und Dichter. Zusammen wie Wag’ und Gewicht: Gern thäten sich beide zu Willen, Doch leider, — sie finden sich nicht. Bild 11 2. In hoher luftiger Kammer, Da stehen der Bücher gar viel, Vom Burschen studirt zu werden, Das ist ihr einzige Ziel. Der Bursche wäre Magister Wohl für sein Leben gern, Wär nur die harte Schale Nicht um den süßen Kern. So wollten wohl Bursche und Bücher: Doch sitzt mit frohem Gesicht Der Bursche in der Kneipe, Da — finden sie leider sich nicht. Bild 12 3. Wohl Mancher wünscht mit Sehnen Ein Liebchen hold und traut, Er sucht nicht Gold, nur Liebe, Nähm’ auch die ärmste zur Braut. Und ach! manch holdes Mädchen, Schön wie der Morgenstern, Den Busen geschwellt von Liebe, Die hätt’ einen Buhlen so gern. So paßten Buhle und Liebchen Zusammen wie Leuchter und Licht, Wie würden die beiden sich lieben, Doch leider — sie finden sich nicht. C. P. T—I. Die Auswanderer Bild 13 „Zweehunnert Tagwerk fruchtbarsten Landes!“ „Ja, ja, so stehts ufm Papier. Mir scheint abber, hier is es so fruchtbar, daß es Enem übel und weh wird.“ === FB10-0218 Bild 1 Der Teufel und ein altes Weib. (Schluß.) „Die hat angebissen,“ schmunzelte die Alte, indem sie ihr mit den stechenden Blicken folgte, „die Pantoffeln sind so gut wie mein. Freilich muß erst noch er daran, und das wird schwerer halten. Indeß die Eifersucht soll auch ihn blind und rasend machen.“ — Es währte nicht lange, da kehrte der Bauer vom Felde zurück. Als er die Alte vor der Hütte erblickte, wandte er sich ab. „Jannsch, Herr Jannsch*)!“ schrie die Hexe, „geht nicht so stolz vorbei, — ich hab’ mit Euch zu sprechen.“ „Danke,“ sagte der Bauer kurz angebunden und setzte seinen Weg fort. — „So hört doch, es ist eine Sache von Wichtigkeit, eine Sache die Euch betrifft, und Ihr werdet mir’s Dank wissen. Ich kann’s nicht mit ansehen, daß Ihr blind in Euer Verderben rennt. Ihr müßt mich hören.“ „Ich muß Euch hören!“ sagte der Bauer unwirsch, indem er umdrehte, „etwas Gutes wird’s doch nicht sein; denn wie kämst Du sonst dazu. Mach’s kurz, bevor mir die Galle überläuft.“ „Wird Euch schon überlaufen, — aber nicht meinetwegen. So hört denn: Euer Weib ist Euch untreu, sie hält’s mit dem neuen Knecht, dem hübschen Blondkopf.“ „O Du Scheusal!“ rief der Bauer und seine Stimme zitterte vor Wuth, „sag’ das nicht noch einmal, oder ich erwürge Dich, Du giftiger Satan!“ — „Gemach, gemach. Erwürgt mich erst, wenn ich Euch den Beweis schuldig geblieben bin.“ „Und welche Beweise hast Du denn, Ungeheuer?“ — „Heut Nacht — hört Ihr! — vor dem Zubettegehen müßt Ihr Euch recht schläfrig stellen und Euch früher als gewöhnlich niederlegen, aber beleibe nicht einschlafen, sonst ist’s um Euch geschehen. Ihr müßt Euch nur schlafend stellen, und damit Ihr Euer Weih täuscht, tüchtig schnarchen. Durch die Augenlider könnt Ihr schon blinzeln, daß sie nichts merkt und Ihr doch Alles sehen könnt. Da wird Euer vielgetreues Weib ein Barbiermesser nehmen, leise zu Eurem Bett schleichen und —.“ „Und?“ — *) Johannes — „Euch den Hals abschneiden.“ „Alte verdammte Hexe,“ schäumte der Bauer, „das hat Dir die Hölle eingeblasen. Ich zerbreche Dir alle Glieder.“ — „Das mögt Ihr morgen thun, das erlaub’ ich Euch, wenn ich heut nicht Recht habe.“ „Und woher weißt Du denn das Alles so genau, Hexe?“ — „Weil’s der Knecht mit Eurer Fran noch vor einer halben Stunde so besprochen hat. Ich war oben bei Euch im Hof und wollte mir die Eier zum Deputat holen, die Ihr an Pfingsten vergessen habt mir zu geben. Die Thür war nur angelehnt — ich trat, da ich flüstern hörte — wie sie der Wind aufdrückte, hinter dieselbe —: nun wir alten Weiber sind einmal neugierig; wir haben ja sonst keine Freude auf der Welt, als das bischen Wißbegierde, und — da habe ich denn den ganzen Plan gehört. Ich machte, daß ich ungesehen fortkam und habe Euch hier aufgelauert. Jetzt wißt Ihr woran Ihr seid und könnt darnach handeln.“ — „Wenn aber dennoch Alles erlogen ist, Du böses, böses Weib?“ — „Freilich, wenn Ihr nicht schweigen könnt, wenn Ihr, wie ein wütender Eber nach Hause stürzt und Weib und Knecht in’s Examen nehmt: dann werden sie Beide freilich sich hoch verschwören und Alles abläugnen, und ich allein werde die Lügnerin, die Verläumderin sein. Wenn Ihr die Probe nicht bestehen könnt —“ „Ja, ich werde die Probe bestehen, Satan! aber nur um furchtbare Rache an Dir zu nehmen. Du sollst es mir büßen, daß Du mein unschuldiges Weib so schändlich verläumdet hast.“ Nach diesen Worten entfernte er sich hastig. „Vergest morgen nicht, wenn Ihr die Eier schickt, daß Ihr mir das Leben zu danken habt,“ rief ihm die Alte nach; dann kicherte sie: „Auch er hat angebissen und die Pantöffelchen wären verdient.“ Sie setzte den Kater vom Schooß recht zart auf den Boden nieder, und ging in das Haus, um ihr Mittagsessen zu bereiten. Der junge Bauer suchte sich zwar unterwegs zu sammeln; doch kam er ziemlich verstört nach Hause. Nicht daß er sofort an die Untreue seines Weibes und an eine solche abscheuliche That geglaubt hätte; aber der Zorn gegen die Alte erstickte ihn fast — sie hatte den Giftsamen des Argwohns in sein Herz gestreut, — und überzeugen mußte er sich von der Grundlosigkeit ihrer Verläumdung, nur um desto sicherer an ihr Rache zu nehmen. Eins fiel ihm doch auf, so unverfänglich es unter anderen Umständen gewesen wäre. Wie er eben in den Hof trat, hatte die Bäuerin mit dem blonden Knecht an der Gesindethür gesprochen, als sie ihn aber ansichtig ward, brach sie — so schien es ihm wenigstens — das Gespräch ab und eilte in die Küche. Der Verdacht erhielt neue Nahrung. Die Bäuerin hatte mit dem Knecht gesprochen, denn auch in ihr wucherte der Samen des Mißtrauens bereits, den die alte Hexe gestreut; sie wollte den Burschen nemlich auf eine geschickte und möglichst unbefangene Weise aushorchen, da er das letztemal mit dem Herrn in der Mühle gewesen war, und leicht etwas dem Aehnliches, wie die Alte angab, beobachtet haben könnte. Die Ankunft des Gatten aber unterbrach diese Ausforschung. — Bei Tische war der Bauer gedrückt und einsilbig, die Frau befangen. Er schützte Kopfschmerz vor, — und rührte fast keinen Bissen an. Diese unterbrochene Unterredung mit dem Knecht erschien ihm mit einem Male ungemein verdächtig. Nun — er konnte es ja abwarten: hatte die Alte wie voraussichtlich war, gelogen, so konnte er ja seinem Weibchen Alles gestehen und ihr den Verdacht abbitten. — Wie freute er sich auf die Versöhnung! Und die junge Frau: sie ging noch immer mit sich zu Rathe, sollte sie das Probestück unternehmen oder nicht. Wenn es nichts nützt, dachte sie so schadet’s ja nichts: was man mit einem Vaterunser unternimmt, das kann nichts Böses sein. Und gestehen mußte sie sich zugleich, daß die Müllerin, wenn nicht hübscher, doch wenigstens eben so hübsch wie sie selbst sei. Zudem hatte sie einen alten Mann, und es war bekannt, daß sie junge Leute anlockte und ihr Janusch war noch immer der Schönsten Einer. Jedes that sich in dieser verschiedenartigen Gemüthsstimmung Gewalt an; noch nie, seitdem sie verheirathet, war eine Mahlzeit so traurig, die Unterhaltung so einsilbig und gedrückt gewesen; kein Theil wagte dem anderen darüber einen Vorwurf zu machen, aus Furcht sich zu verrathen. Es konnte darüber zu Erklärungen kommen und gerade diese waren im Stande die Ermittelung der Wahrheit zu hintertreiben. Der Bauer war heut eine halbe Stunde später zu Tische gekommen. Das erschien ihr jetzt auch bedenklich. Das Stück Feld, worauf er beschäftigt gewesen, lag kaum einen Büchsenschuß fernab von der Mühle. Konnte er dort nicht eingesprochen, sich nach dem Getreide erkundigt, die schöne Müllerin getroffen haben, und — ihr Entschluß stand fest: besser bewahrt als beklagt, das Probestück ward unternommen; es war heut Sanct Medardi, das war dazu der passendste Tag, so hatte die Alte gesagt. Morgen war es vielleicht schon zu spät. — Der Bauer ging nach Tische statt auf’s Feld in die Schenke. Hier brütete er und zerarbeitete sich und trank ein Glas nach dem andern. Auch die Bäuerin hatte weder Ruh noch Rast, sie eilte Treppe auf Treppe ab, fing zehnerlei Arbeit an und ließ sie wieder liegen, und seufzte immer im Stillen: „Wenn nur die heutige Nacht vorbei wär’!“ Mehr als zehnmal wollte der Bauer zur alten Hexe gehen, wollte sie auf ihr Gewissen fragen ob sie wirklich nicht gelogen; er wollte ihr einen Kronthaler geben, wenn sie ihm die Wahrheit, selbst wenn sie eingestand, daß sie sein Weib verläumdet, nur um sie aus natürlicher Bosheit gegen einander aufzuhetzen; aber sein Stolz ließ dies nicht zu. Er wollte sein Weib gerechtfertigt sehen und dann der Rache freien Lauf lassen. — So kam der Abend heran, der Bauer kehrte in seine Wohnung zurück, klagte über Müdigkeit und begab sich zeitig zu Bild 2 Bette. Seine Frau machte sich allerlei außerhalb der Stube zu schaffen und konnte trotz aller Verstellung eine gewisse Unruhe nicht verbergen, die ihm nicht entging und seinem Verdacht nur neue Nahrung geben mußte. Als sie endlich lange nach zehn Uhr wieder in die Stube trat, schien er fest eingeschlafen, er schnarchte wie eine Brettsäge. Sie nahte jetzt sachte seinem Bett, beugte sich über ihn, dann trat sie an den Tisch, öffnete die Schublade, worin die Rasiermesser lagen, nahm Eins derselben, entblöste die Klinge, bekreuzte sich und schlich auf den Zehen wieder an’s Bett zurück. Dem Bauer, der durch die Wimpern blinzelte und dem keine ihrer Bewegungen entging, ward es siedend heiß unter der leichten Decke. — Jetzt beugte sie sich über ihn, jetzt brachte sie das Barbiermesser in die Nähe seines Halses und — „Mord! Mord!“ brüllte er, sprang auf, faßte sie am Arm und entriß ihr das Messer und schleuderte es an die Wand. Sie sank zu Füßen des Bettes nieder und schrie: „Um Gottes Barmherzigkeit willen, ich werde ja Alles gestehen.“ „Mörderin, Ehebrecherin!“ schrie er und trat die Flehende mit dem Fuß, dann faßte er sie an den Haaren, und warf, trotzdem daß Knechte und Mägde beisprangen, die Unglückliche zur Thüre hinaus in die finstre Nacht. Er würde den blonden Knecht, den vermeintlichen Verbrechensgenossen seiner Frau ermordet haben, wenn ihn die übrige Dienerschaft nicht überwältigt und gebändigt hätte. Die arme junge Frau flüchtete, bis zum Tode erschüttert, ein Raub der Verzweiflung, bei Nacht und Nebel zu ihrer alten Base in dem kaum zweihundert Schritt südlich von Luze entfernten Dorfe Chlumek, wo zu jener Zeit noch die Jesuiten eine Residenz hatten. Der Teufel, welche diese Scene belauscht hatte, zog ein freudiges Gesicht, rieb sich die Hände und ging noch in später Mitternacht zum Häuschen der Alten, pochte an’s Fenster und sagte, als sie hinter demselben erschien: „Ihr habt Eure Sache gut gemacht, Mutter, und ich bin Euch zu Dank verpflichtet. Kommt Morgen früh an den Koschumberger Waldesrand, ich werde Euch Euren Lohn auszahlen.“ Die Alte bat ihn doch einzutreten und ihr ausführlicheren Bericht abzustatten, sie wollte der Sittsamkeit wegen ein großes Tuch umnehmen; aber der Teufel meinte, er habe zu viel Respect. Vergeblich erzählte am folgenden Tage die junge Frau den ganzen Zusammenhang der Geschichte, sie beichtete dieselbe einem Jesuiten und nahm die Hostie darauf, umsonst bemühten sich die Nachbarn, ja die frommen Väter Jesu selbst, den Sachverhalt aufzuklären: alle Versöhnungsversuche scheiterten an dem Starrsinn des Mannes, an seinem festgewurzelten Verdachte. Bild 3 Nur so viel brachte man zu Stande, daß er nicht nach Koschumberg ins Amt ging und sein Weib auf Ehebruch und beabsichtigten Mord verklagte. In einem Jahre waren sie von Tisch und Bett getrennt: Beide unglücklich, Beide ein Opfer ihrer Leichtgläubigkeit. — Als die Alte am folgenden Morgen am Koschumberger Walde erschien, um ihre Gabe in Empfang zu nehmen, war der Teufel schon an Ort und Stelle. Er hatte im Gehölz einen Stecken von etwa sechs Fuß Länge abgeschnitten, daran steckte er die Pantoffeln und überreichte sie in gemessener Entfernung, solch‘ einen Respekt, ja so eine Furcht hatte er vor seiner Meisterin, und mußte sich gestehen, daß ein altes, böses Weib viel schlimmer als der Teufel sei. Nachdem er sich noch einmal höflichst bedankt und seine Reverenz gemacht, zog er sich in den Wald zurück und verschwand so schnell als möglich in demselben. Die Alte setzte sich auf den Stein, zog die Pantoffeln an, betrachtete sie wohlgefällig, dann rieb sie sich die Hände, summte ein Lied und pilgerte wohlgemuth in’s Dorf zurück. Noch heut aber geht im Dorf und der Umgebung der Spruch, wenn von einem alten bösen Weib die Rede ist: „Die hat vom Teufel Pantoffeln bekommen.“ — Die Auswanderer. (Fortsetzung.) Bild 4 „Is ke’ Werthshaus da herummmm — —“ Die Knödel-Kur. Bild 5 Hofdame. „Herr Doctor, ich habe Sie direct von Paris kommen lassen, weil alle Kunst der hiesigen Aerzte an mir scheitert.“ Doctor. „Was fehlt Ihnen denn, meine Gnädige?“ Hofdame. „Ach, sehen Sie nur meinen Hals an!“ Doctor. „Hm, hm, ich sehe, Sie haben da einen förmlichen Knopf! wie sind Sie zu dem Knopf gekommen?“ Hofdame. „Ach, lieber Himmel! ich mag gar nicht daran denken, es ist eben die verdammt bewegte Zeit schuld daran, wo man zu so Manchem gezwungen war! Die Prinzeß besucht das Lager und speist in ihrer allerhöchsten Herablassung von der Kost der Soldaten, ich Unglückliche mußte natürlich auch davon essen — und da ist mir ein so abscheulicher Knödel hier stecken geblieben.“ Papierschnitzeln. 1. Naive Auslegung. Professor. „Nun übersetz’ weiter: *dulce est pro patria mori!“ Schüler. „Süß ist es für das Vaterland, wenn einer stirbt!“ 2. Referat. Schreiber. „Herr Assessor! was belieben Sie über den vorliegenden Akt zu referiren?“ Assessor. „Schreiben Sie: Es ist sich zu besinnen, was zu beschließen sei.“ 3. Dichter, Maler und Musikanten, Studenten, Soldaten, Komödianten, Seiltänzer und englische Reiter, Und so weiter, und so weiter, Gott bewahre Wirth und Schneider! 4. Der Sommernachtstraum in München. „Aber, Herr Hausmaier! wie uns nur die Intendanz in der Hauptstadt mit so was plagen mag.“ „Ja, es ist sehr langweilig; aber es ist von dem Shakspeare; und der hat früher bessere Sachen gemacht. Sein Hamlet, den er vor drei Jahren geschrieben hat, hat mir ziemlich gefallen; aber es scheint, der Mann ist zurückgegangen.“ 5. Auch deutsch „Mama! — da steht in meinem Lesebuche das Wort „Muhme!“ — was ist denn so eine Muhme? — ich habe das garstige Wort noch nie gehört!“ „Das glaub ich Kind; diese ausländischen Wörter werden jetzt in Deutschland immer seltener gebraucht und man sagt darum auch nimmer Muhme, sondern Tante — was das ist, wirst Du wissen?“ „Tante? — ach wenn ich das nicht wüßte, da müßte ich mich ja schämen; die Tante ist dem Onkel seine Frau!“ 6. Sonderbare Zeche. „Schätzchen! was bin ich schuldig?“ „Sie habn an Braten mit Salat, is zwölf — und sechs Glas Bier ist achtzehn, macht dreißig — und kein Brod hab’ns net ghabt, ist einunddreißig.“ Eine Turnfahrt. (Fortsetzung.) Bild 5 Schöne Aussicht im Gebirg. „Süß ist sein Schlummer jede Nacht; Gestärket wacht er auf, Und nimmt was ihm die Zeit gebracht Mit regem Eifer auf. Frisch übersteigt er jeden Berg Nach freier eigner Wahl Und blickt nach froh vollbrachtem Werk Mit frommen Sinn ins Thal.“ Bild 6 Flußübergang. Wie Vöglein lustig weben, Durch grüne Wälder schweben, Mit lautem Sang und Klang; Mit Bächen thalwärts fliehen, Mit frischen Strömen ziehen Hinaus, hinaus, die Welt entlang. (Fortsetzung folgt.) Sammlung der beliebtesten deutschen Volkslieder. II. Der Mörder von Durlach. (Frei bearbeitet nach einem „Volksliede, gedruckt in diesem Jahr.“) Hieraus wirst Du ersehn, O wohlgebor’ner Christ, Wie unter jedem Umstand Die Habsucht schrecklich ist. In Durlach jung geboren, Im schönen Badenland, Die Fleischerzunft erkoren Als künft’ges Werk der Hand; Doch war er heimathmüde, Strebt nach Amerika. Ein Sturmwind aber treibt ihn In’s heiße Afrika. Das Schiff wird schnell geentert, Er hält sich zwar recht brav, Doch die Piratenhunde Verkaufen ihn als Sclav. — So kam er nach Marocco, Und schöpfte neuen Muth, Heiß weht dort der Sirocco, Doch er befand sich gut. Sein Herr ward ihm gewogen, Ein Fleischer jener Zeit, Der eine Tochter hatte Schön und voll Lieblichkeit. Ward ihr zu Lieb’ ein Türke, Hielt ihn wie seinen Sohn, Als Fleischer, daß er wirke, Bei ihm in Condition. Als der Alte war gestorben, Setzt’ er ihn zum Erben ein: „Gelobt sei Jesus Christus, Hier hast mein Töchterlein; Bild 7 Hier hast Du meine Schätze, Mehr als eine Million, Heirath’ die Tochter Zara, Das sei Dir Gottes Lohn!“ — Der Türke hatte aber Sein Geld erworben flott, Das Schöpfenfleisch er köstlich In frischem Oele sott. Das aßen nun die Kunden Und wurden gar nicht satt, Was auch das groß Vermögen Ihm eingebringen hatt’. — Der deutsche Mann aus Durlach, Der aber dachte fein, Um solches Fleisch zu sieden, Muß nicht von Schöpsen sein. Unmoralische Frauenzimmer Lockt er Abends zu sich her, Tödtet sie in seinem Zimmer Und dann lebten sie nicht mehr. Er schnitt ihr Fleisch in Stücke Und kocht’s in Baumöls Glut, Die Maroccaner sagten: „Masch Allah, das ist gut!“ — Sie aßen’s appetitlich, Der Mann, der wurde reich; Nur Zara, seiner Frauen, Fiel es doch auf sogleich. Bild 8 Sie legte sich auf’s Lauschen, Und einmal in der Nacht, Sah sie, wie er schon wieder Ein Weibsbild umgebracht. Sie lief sogleich zum Pascha, Nennt ihm die Gräuelthat; Der Pascha war erschrocken Ueber solch ein Attentat. „Das ist ja niederträchtig!“ Entsetzt der Herrscher schreit, „Auf diese Art tractirt uns Die löbliche Christenheit!“ Er sprach sogleich sein Urtheil, Und Neger kamen heran — „Zerschneidet mir in Stücke Hier diesen falschen Mann!“ — Bild 9 Sie schneiden ihm vom Leibe So S tück vor Stück das Fleisch, Der arme Sünder erhebet Ein schreckliches Gekreisch. Umsonst! —’s wird fortgefahren, Gesotten in heißem Oel Das Fleisch von seinem Leibe, — Gott erbarm’ sich seiner Seel’. So hat er müssen sehen, Wie man ihn behandelt hat, Die Hunde damit gefüttert, Die wurden davon satt. Die Frau hüllt sich in Trauer, Obgleich sie ihn geliebt, In einer Klostermauer Starb sie vor Gram betrübt. Hieraus kannst Du ersehen, O wohlgeborner Christ, Wie unter jedem Umstand Die Habsucht schrecklich ist! C. Herloßsohn. Links und rechts. Bild 10 „Du Nachbar, was ist denn das a Rechter un a Linker?“ „Ja weißt, der Linke streichts Haar nauf un der Rechte streichts runter!“ Der kurzsichtiger Schütz. (Anmerkung für Topicmap: vermutlich Carl Spitzweg) Bild 12 „Was will denn er da mit seinem Klaub-Holz?*) Sieht er nit, daß da gejagt werd? — Mach er, daß er weiter kimmt un’ scheer er sich aus dem Bogen’naus!!“ *) Klaub-Holz — dürres Waldreisig, was die armen Leute im Walde sammeln dürfen. — === FB10-0219 Vorschläge zur dauerhaften Pacification Europa’s. Bild 1 Mir, dem getreuen Unterthan eines deutschen Königs, möchte es das Herz in der Brust zerreißen, wenn ich sehe, wie die unheilvolle Revolution meinem armen Landesfürsten die wenigen stillen Stunden verkümmert, welche ihm die Sorge um sein geliebtes Volk übrig läßt. Um seinetwillen müssen Friede, Ordnung und Ruhe wieder hergestellt werden, und dauerhaft geschieht dies nur, wenn die Revolution bis auf den Grund vertilgt wird. Bild 2 Von diesem Gedanken ausgehend, habe ich mich zuerst gefragt, warum lebten wir früher in so idyllischen Zuständen, und wie ist der gute Geist, der unsere Väter durchschnittlich beseelte, von den Menschen gewichen? Nicht um eine oberflächliche Beantwortung dieser Frage handelte es sich für mich, sondern um dabei auf den letzten wahrhaften Grund zurückzukommen. Man ist bisher immer in dem großen Irrthume gewesen, die Keime der Revolution in der vorgeschrittenen Bildung und Aufklärung der Völker zu suchen; bei reiflichem und gewissenhaftem Forschen habe ich aber gefunden, daß dem nicht so ist und daß sich die Revolution aus rein physischen Gründen in ihrem gegewärtigen Umfange entwickelt hat. Auf diese Entdeckung wurde ich durch meine Studien über den Nationalcharakter der Italiener geführt, welche bekanntlich das zur Revolution geneigteste Volk sind. Die wirkliche Ursache dieser Geneigtheit fand ich in der geognostischen Beschaffenheit der Halbinsel, wo die innere vulkanische Entwickelung des Bodens der Art vorgeschritten ist, daß die daher rührenden tellurischen Einflüsse sich auf die Bewohner jener Strecken höchst verderblich geltend machen. Weitem ist nun die Masse der unterirdischen Gährungsstoffe so groß geworden, daß sie ganz Europa in vulkanischen Strömen durchzieht, und da jene Stoffe unausgesetzt durch die Erdoberfläche dünsten und sich nach den Gesetzen gegenseitiger Wechselwirkung den Menschen mittheilen, so finden wir die Erscheinung zur Genüge erklärt, warum diese so unruhig, gährend, heißblütig und erschütterungslustig geworden sind. Nachdem ich so über den eigentlichen Ursprung des revolutionären Elementes unter dem Volke ins Reine gekommen war, faßte in erster Reihe der Gedanke in mir Raum, daß durch Anlegung einiger neuer Vulkane eine größere Ableitung der unterirdischen Gährungsstoffe herbeigeführt und dadurch deren geheime Einwirkung auf die Bewohner der Erde vermindert werden würde. Man hätte zu diesem Zwecke einige bedeutende Berge aufführen und mit dem Haddison’schen Riesenbohrer Löcher hineinbohren müssen, und die Vulkane wären fertig gewesen. Bei näherem Umgange mit diesem Projekt ergab sich jedoch, daß es zur Anlegung besagter Vulkane an geeigneten Plätzen mangelte, schon weil die Nachbarschaft eines feuerspeienden Berges an und für sich etwas Unangenehmes hat, und daß außerdem der reich geschwängerte vulkanische Boden nie gänzlich von seinen gefährlichen Elementen befreit und mithin auch deren Einwirkung auf die Völker nicht vollständig beseitigt worden wäre. Weit radikaler stellte sich dagegen das Mittel heraus, auf welches ich im weitern Verfolg meiner Ideen verfiel und das in nichts Geringerem besteht, als das mittelländische Meer in den Vesuv hineinzupumpen. Durch diese Einpumpung werden die unterirdischen Gährungs- und Feuerstoffe ein für allemal vertilgt, deren Rückwirkung auf die Bevölkerung hören auf, der Boden wird abgekühlt, mit ihm das erhitzte Blut der Völker, das revolutionäre Gift wird zerstört, und Ordnung, Ruhe und Friede kehren wieder. Mit einem Wort, die gegenwärtige und künftige Rettung, Beruhigung und Wohlfahrt Europa’s wird durch diese großartige Pumperei erzielt. Ist es einerseits die radikale Vertilgung der revolutionären Elemente, welche dieses Projekt zu einem klassischen macht, so ist es andererseits ebenso sehr die dadurch herbeigeführte Trockenlegung des mittelländischen Meeres, ein an Folgen so fruchtbares Resultat, daß wir es noch nicht in seiner ganzen Bedeutung zu übersehen vermögen. Die bedeutendsten dieser Folgen werde ich näher hervorheben, zuvor muß ich aber einige Andeutungen über die technische Ausführung eines die Gestalt der Welt verrückenden Unternehmens machen. Gewiß ist, daß dabei mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden sind, glücklicher Weise ist jedoch die Mechanik auf einer Höhe der Vollkommenheit angelangt, wo es fast Sache des Gedankens ist, sich zu einer ebenso großen Höhe aufzuschwingen. Wäre dem aber auch anders, so hätte die Mechanik zuvorderst die Aufgabe, sich zu dem kolossalen Gedankengange des menschlichen Geschlechts zu erheben und die Realisirung aller und jeder Projekte zu ermöglichen. Indessen ist dieser Zwiespalt, wie gesagt, nicht vorhanden: die Mechanik befindet sich auf dem Niveau meiner kolossalen Idee. Nach dem Gutachten der angesehensten englischen und amerikanischen Ingenieure, wäre das Wasserpumpwerk am Vesuv nach dem bekannten King’schen Pumpsysteme anzulegen (siehe Abbildung 1), wobei nur die bei diesem bisher in den außerordentlichsten Fällen angewandte Proportion der mechanischen Triebkräfte etwa um das Zehntausendfache gesteigert werden müßte. Demnach würde eine, am Meerbusen von Neapel im großartigsten Maßstabe zu errichtende Dampfmaschine das Wasser etwa 3600 Fuß hoch, also um 200 Fuß höher als die Spitze des Vesuvs treiben. Aus einem auf dieser Höhe befindlichen Becken würde sich das hinangetriebene Wasser durch einen Kanal in den Krater des Vesuvs brausend und schäumend hineinstürzen: Ein Anblick, der jedenfalls zu den außerordentlichsten gehören würde. An der schmalsten Stelle der Meerenge von Gibraltar wäre ein ansehnlicher Damm aufzuschütten, um den Zufluß des atlantischen Meeres abzusperren. Ein anderer Riesendamm müßte von der Halbinsel Morea weg, zum mittlern Haltpunkt die Insel Kandia nehmend, bis an das Delta des Nil geführt werden, dafür aber die Landenge von Suez zu öffnen sein, um der abgesperrten Fluth des griechischen Meeres einen neuen Abfluß nach dem indischen Meere zu verschaffen. Die in das Mittelmeer jetzt sich mündenden Flüsse würden, sowie dessen Trockenlegung vorrückte, die Auffüllung und Planirung stattfände, in ihrem Laufe entsprechende Betten geleitet, und sich zuletzt theils als vereinigter Hauptstrom in das atlantische Meer ergießen, theils als mehrere Flüsse dem nach Suez zu geöffneten griechischen Meere zufließen. Erst jetzt, nachdem ich die Möglichkeit des großartigsten Unternehmens aller Zeiten dargethan, will ich einige der dadurch zu erzielenden Folgen andeuten, welche neben dem Hauptzweck, der totalen Beruhigung Enropa‘s, ebenfalls von immenser Bedeutung sind. Die Vergrößerungsgelüste der mächtigeren europäischen Staaten wird man nämlich nicht in Abrede stellen. Durch die Ausführung meines Unternehmens, welches die Trockenlegung des mittelländischen Meeres nach sich zöge, würde nun ein ungeheures herrenloses Terrain gewonnen, wo alle anwohnenden Völker auf eine für jedes andere unschädliche Weise jene Gelüste befriedigen könnten. Es wäre Raum genug da, ohne daß Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien u. s. w. wegen ein Paar elenden tausend Quadratmeilen untereinander zu hadern brauchten. England aber, das zur Stunde noch den Meister im Mittelmeer spielt, sähe seiner Macht einen empfindlichen Stoß versetzt, wodurch die europäischen Kontinentalstaaten wiederum nur gewännen, da ihre Interessen und die englischen sich zumeist feindlich berühren. Einen speziellen Vortheil fände Frankreich dadurch, daß es Algier in das Bereich seiner Landesgrenzen zöge und mithin dessen Besitz nie mehr durch eine andere Seemacht gefährdet werden könnte, wobei gleichzeitig die erleichterte Verbindung mit in Anschlag zu bringen wäre. Das Letztere gilt überhaupt von allen Staaten deren Ufer noch zur Zeit das Mittelmeer bespült; sie leiden insgesammt an erschwerter, weil auf Perioden beschränkte, Verbindung. Wie ganz anders wäre Bild 3 dies, wenn das trockengelegte Gebiet des mittelländischen Meeres von Eisenbahnen, Landstrassen und Vicinalwegen, durchschnitten würde, wenn man nach allen Seiten hin gehen, reiten, fahren könnte? Wie groß wäre z. B. gleich der Vorteil für die englisch-ostindische Ueberlandspost, welche von Suez bis Havre auf Schienenwegen geführt werden könnte und folglich nicht mehr mit den häufig die Reise verlängernden Hindernissen des nassen Elementes zu kämpfen hätte. Die Trockenlegung des Mittelmeeres würde weiter der Auswanderung nach Amerika ein Ende machen. Statt jenseits des Ozeans den Mutterländern verloren zu gehen, könnte die europäische Uebervölkerung sich hier an dieselben anlehnen, diesen ihre Kräfte erhalten und durch rastlofes Vorwärtsdringen zumal deutsche Kultur und Wissenschaft bis unter den Aequator tragen. Nicht ohne Wichtigkeit ist hierbei der Umstand, daß das dem Meere einmal abgewonnene Terrain zu einem der fruchtbarsten der Welt gehören wird, indem durch den Einfluß des Nil in das mittelländische Meer sich über dessen ganze Grundfläche seit vielen Jahrtausenden der bekannte befruchtende Nilschlamm verbreitet haben muß. Zum vollständigen Austrocknen des gewonnenen Bodens werden aber, nach erfolgter Entfernung der Wassermassen, die warmen afrikanischen Winde am meisten beitragen, und das Werk der Urbarmachung, soweit es von der Natur abhängt, beschleunigen. Bild 4 Auch die moralischen Zustände eines Theils der am Mittelmeere wohnenden Völker würden sich durch dessen Trockenlegung bedeutend bessern, denn es ist eine ausgemachte Sache, daß das von vielen Schiffen durchschnittene Wasser die Lockung zur Seeräuberei mit Gewalt hervorruft und daher die Ufer bewohner nur zu gern ihrem natürlichen Hange folgen. Dies wird aufhören, sobald das Wasser verschwindet. Ohne Wasser keine Korsaren! und diese werden sich den friedlichern Gewerben zuwenden und ruhige Staatsbürger werden. Besonders lebhaften Antheil wird aber die gesammte Gelehrtenwelt an der Auspumpung des mittelländischen Meeres in den Vesuv nehmen. Durch das Verlöschen der Vulkane in Italien und das Verschwinden der Wassermasse zwischen Afrika und Europa werden zum Theil ganz neue klimatische Verhältnisse entstehen, welche selbst die bisherigen Gesetze der Physik alteriren werden. Die Geologen und Geognosten, denen durch die Krater der ausgelöschten Vulkane das Innere der Erde sich öffnet, werden dort neue Erfahrungen und Forschungen machen. Und welche Ausbeute erwartet erst die Antiquare auf dem Grunde Bild 5 des trocken gelegten mittelländiscen Meeres; welche Schätze für sie müssen dort versenkt sein seit den Tagen des Argonautenzuges bis auf unsere Zeit herunter! Was wird der Naturforschr Alles da unten finden, was jetzt von vielen tausend Schuh Wasser überrauscht wird! Wie wird die Naturgeschichte bereichert werden, welchen Zuwachs wird die Ichthyologie und die Conchyliologie erhalten welche Aufschlüsse über das geheime Leben in der Tiefe werden zu Tage kommen, von den Wundern der Scylla-Charibde gar nicht zu reden. Bei so vielen Vortheilen zieht die Ausführung meines Vorschlags keinen einzigen Nachtheil nach sich; man müßte denndie eintretende Unbrauchbarkeit der bisherigen Landkarten und geographischen Werke für einen solchen halten. Für dieselben würden freilich ganz neue Zustände eintreten. Die Nachtheile, welche aber für einige Buch- und Landkartenhändler durch das Unbrauchbarwerden ihrer Waare entstünden, sähe man auf der andern Seite wieder aufgehoben, weil durch die veränderten Umstände auch wieder geographische Aufnahmen und Arbeiten Bild 6 nöthig würden. Mithin wäre auch dieser Nachtheil nur relativer Natur. Uebrigens wird dies Alles durch die entschiedenen Vorteile aufgewogen, deren Masse zu groß ist, um schon jetzt ganz gewahrt werden zu können. Einer der mir gerade noch so in die Feder schlüpft, ist z. B. auch der: Wie ärgerlich ist es jetzt nicht für einen Handwerksburschen, wenn er, auf der Wanderschaft begriffen, an das mittelländische Meer kommt und nun zu Fuß nicht weiter vorwärts kann! Ein Uebelstand, der in der Folge natürlich wegfällt. Als einen der nächstliegenden Vortheile hebe ich jedoch die Beschäftigung hervor, welche viele Hunderttausende finden, sobald mein Unternehmen in Angriff genommen wird. Weit mehr noch als an dem kolossalen Wasserpumpwerke, das am Bild 7 Vesuv, und je nachdem vielleicht auch am Aetna zu errichten wäre, würden eine Anzahl Hände durch die Arbeiten beschäftigt werden, die sich, im Verhältniß als bei dem fortgesetzten Pumpen das Wasser abnähme und dadurch Terrain gewonnen würde, nach und nach über den ganzen Umfang des mittelländischen Meeres ausdehnen würden. Die Erdarbeiten, Planiren, Auffüllen, Abtragen, Ableiten der sich setzenden Wässer, Kanäle, Dämme etc. könnten Millionen von Menschen beschäftigen, und da es nächst den unterirdischen vulkanischen Einflüssen auch der Mangel an Beschäftigung ist, welcher die untern Klassen des Volkes revolutionssüchtig gemacht hat, so kämen wir auch hier schon auf den Hauptzweck meines Unternehmens, der Beruhigung Europa’s hin. Indem dieses große Ziel uns vor Allem andern anspornen muß, verlieren wir jedoch die damit verknüpften weitern Resultate nicht aus den Augen. Man denke sich nur, statt mit nichtsnutzigem Wasser angefüllt zu sein, die ganze Fläche des Mittelmeeres, also gegen 40,000 Quadratmeilen, der Kultur, der Civilisation gewonnen, urbar gemacht, dem Boden den ganzen Reichthum seiner vegetabilischen Schätze entlockt; Felder und Wälder, Wiesen und Triften, da wo jetzt unheimliches Wasser rauscht; Wohnsitze für viele Millionen Menschen, diese in Dörfern, Flecken und Städten heimisch, während dort jetzt nur Seeungethüme herumschleichen und das gräuliche Gewürm des Meeres kriecht. Wo jetzt die geschuppten Ungeheuer ihr Wesen treiben, wird dann der Handwerksbursche lustig singend dahinziehen; wo der Seekrebs und die Seespinne herumlungert, wird der Hirt unter dem Klange der Schallmeien seine Heerde weiden; wo die Auster ihr beschauliches Leben führt, wird der Ackermann die fruchtkeimenden Körner der Erde anvertrauen. Den Augen rollt sich im Geiste ein Bild auf, das uns zaubrisch entgegenlacht, und wir stellen es her, indem wir ganz einfach das mittelländische Meer in den Vesuv hineinpumpen, dadurch zunächst das große Wehe unserer Zeit, den revolutionären Geist, bewältigen, und dem erschütterten Europa, nebst der Ruhe und dem Frieden, neue Bedingungen zu künftiger, unermeßlicher Wohlfahrt geben. Louis Vogel. Gelungenes Urtheil. Bild 8 General. „Ich möchte dieses Bild ein wohlgelungenes nennen; das Einzige jedoch, was meiner Ansicht nach daran auszusetzen wäre, besteht darin, daß Sie zu Ihrem gekreuzigten Christus in dem Stabstrompeter eine zu gemeine, subalterne Person, als Modell genommen haben, und dadurch das Fleisch etwas derb und plebejisch geworden ist. Meine vollkommene Ansicht geht dahin, daß zu einem solchen erhabenen Sujet wenigstens, ja, ich sage wenigstens, ein Seconde-Lieutenant zu Modell hätte genommen werden müssen.“ — Verfehlte Bestimmung. Bild 9 „Jroschen, Jroschen, du wolltest dir versaufen? Pfui Selbstmörder! schäme dir — das hieße die Bestimmung verfehlt haben! — Versoffen werden sollst du — aber nich im Rinnsteen!“ — Der Baumeister. Bild 10 rechts Granada liegt schimmernd im Abendstrahl, Es wogen die Straßen und wallen; Da reitet frohgrüßend zum fürstlichen Mahl Der König mit seinen Vasallen. Und als er genossen die Speisen fein, Und als er getrunken von feurigem Wein Im Kreise holdseliger Frauen, Da sendet der Abend sein letztes Licht, Das rosig und flimmernd am Söller sich bricht; Und der König begehrt es zu schauen. Und zum hohen Balkon zieht die fürstliche Schaar. Wie fluthet tief unten im Grunde Der Bergstrom im abendlich goldenem Talar Mit rauschend geschwätzigem Munde. Und drüben am Berge der düstre Coloß, Das alte maurische Königsschloß, Alhambra, die stolze Ruine: Wie schaut es, ein Sinnbild der Zeiten, herab, Der maurischen Größe verfallendes Grab, Mit geisterhaft trotziger Miene! Und den König ergreift es im Herzen tief, Und er ruft in die lauschende Menge: „Die Kunst, die dort oben begraben schlief, Soll erwachen mit neuem Gepränge. Ihr Ritter und Herren, hinauf in’s Land, Bis Einer von Euch den Meister fand, Der es wagt, Alhambra zu bauen! Den Meister erwartet ein fürstlicher Lohn, Den soll ihm reichen am Königsthron Die allerschönste der Frauen!“ Und die Ritter zieh’n aus mit ihrem Troß, Den hohen Meister zu finden; Und sie reiten auf andalusischem Roß Wildjagend nach allen Winden, Und künden des spanischen Königs Geheiß, Und nennen den reichen, den lockenden Preis, Den Kranz, den die Schönheit gewunden. Umsonst! Die Zeit, die leichtfüßige, schwand: Die Ritter, sie reiten zurück in’s Land: Und noch ist kein Meister gefunden. Die Monden verstrichen, der König ward stumm, Als er wieder Alhambra erschaute: „Wohl gäb’ ich mein halbes Leben darum, Wenn ein Meister zu Ende dich baute!“ Und kaum noch spricht er die Worte zu End’, Da nah’n sich die Ritter und Frauen behend’ Mit freudig beflügeltem Schritte: Ein maurischer Meister in fremder Tracht Mit blitzendem Auge, schwarz wie die Nacht, Der schreitet in ihrer Mitte. Und der Maure tritt vor den Königsthron: „Wohl will ich Alhambra vollenden, Doch begehr ich als Preis einen würdigen Lohn Aus Euren fürstlichen Händen. Wenn auf’s Neue die Hallen des Schlosses erstehen, Und die Thürme, vollendet, in’s Weite seh’n, Dann mögt Ihr vom Throne steigen, Und in der lieblichen Frauen Kreiis Des Meisters verdienten und lachenden Preis, Die Krone Granada’s, mir reichen!“ Der König lächelt und sinnt und spricht: „Noch will ich die Krone behalten!“ Doch breiten sich über sein Angesicht Des Unmuths verdüsternde Falten: „Gern hätt’ ich des Baues Vollendung erlebt, Bevor meine Lippe hinsterbend erbebt Und sich schließen die brechenden Lider!“ Der König spricht es, und keck und frei Tritt wieder der maurische Meister herbei: „Wohlan denn, mein Herr und Gebieter.“ „Und will Euch behagen nicht mein Begehr’, Dann mögt Ihr mich lohnen mit Gnade, Auf daß ich Euch baue, stolz, prächtig und hehr, Dort drüben die Colonnade. Noch heute beginn ich den riesigen Bau Und in drei Monden, drob achtet genau, Will ich dankend zum Himmel d’rin beten. Doch begehr’ ich als Lohn für den Säulenpalast Das nächste Maultier mit seiner Last, Das dort unten den Hof wird betreten!“ Und der König spricht freudig: „wohlan es sei! Gewährt sei des Meisters Begehren! Ihr Ritter und Herren und Frauen, herbei, Dem nächsten Maultier zu Ehren. Und Alle schau’n eilig und voller Hast In den Hof, und die Neugier erdrückt sie fast; Da öffnet das Thor sich, das große, Und ein Maultier sprengt in den Schloßhof herein, Auf dem Rücken des Königs Töchterlein, Schön wie die knospende Rose. Und der König blickt um sich, gedankenschwer, Und es staunen die Frau’n und Vasallen; Nur Einer blickt selig im Kreis umher, Der Glücklichste, Reichste von Allen. Nun schwinden die Monde nun wölbt sich der Stein, Nun wachsen die trotzigen Säulenreih’n, Nun ist die Arbeit zu Ende. Der Meister drückt jubeind sein Weib an die Brust, Und drüber breitet in fröhlicher Lust Der König die segnenden Hände. C. O. Sternau. Das Nordlicht. Bild 11 Maler. „Ja, das ist aber kein Nordlicht, hier habe ich den ganzen Tag die Sonne, da ist es unmöglich zu arbeiten.“ Frau. „O mein lieber Herr, Sie san gwis net von hier, sonst müßtens wissen, daß hier z’Müncha d’ Sunn’s ganz Jahr net scheint, und Nordlichter san a so selten, daß i scho seit’n Jahr keins mehr gsegn hab; bin a froh drum, denn sobald a so a Liecht auftaucht, das bedeut nie was Guats.“ Die Aristokratie der Kunst. Bild 12 „Du kannst betteln und magst betteln und verstehst’s Betteln und hast’s Betteln gelernt und du willst so a Lumpenmensch mit zwei Tausend Gulden nehmen! Daraus wird Nix!“ — Eine Turnfahrt. (Fortsetzung.) Bild 13 Nicht darf die Sonn’ uns wecken, Wir fliehn die Daune weich; Uns können süße Schlecken Nicht machen reich noch bleich. Wir zieh’n zu Felde, zu Walde, Zum schäumenden Silberfall, Und klimmen zur steilen Halde Und singen dem Wiederhall. Maßmann. Doch im kräftig sich regenden Spiele, Da giebts der Freuden noch viele In dem Feld; Aufs Roß wir uns schwingen Und führen die Klingen Und werfen den Stein In die Wolken hinein. Wer mag wohl die Dinge all’ zählen, Die muthige Turner sich wählen In dem Feld: Die Glieder zu recken, Den Muth zu erwecken, Mit kräftigem Gewinn Zu stärken den Sinn. Ferd. August. (Schluß folgt.) === FB10-0220 Bild 1 Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle. Aufzeichnet durch Wilhelm von Chezy. Glück herein! Gott ehr ein ehrbar Handwerk, Meister und Gesellen. Mit Vergunst: ich verachte kein Handwerk, sei’s groß oder klein, aber mein’s ist mir das liebste und dünkt mich das vornehmste. Warum? Merke: es ist uralt. Der Vater Noah hat das erste Faß gebunden, um das Wasser abzuhalten; dann hat er wieder eins gemackt, um den Wein aufzuhalten; so war er der erste Kufer. Merke zum andern: wenn bei einem großen Herrn der Storch einlegt, so erhält das junge Stücklein Fleisch in der heiligen Taufe mehr Namen, als einer ihm auf die Haut schreiben könnte; so ist nichts vornehmer, als viele Namen zu führen, und kein Handwerk trägt ihrer mehr, als die edle Binderei. Merke drittens: das vornehmste Getränk ist der Wein, das wackerste Naß ist das Bier; für beide macht des Küfers kunstreiche Hand nicht nur Wohnung und Lager zurecht, sondern er bettet sie auch hinein und sorgt für sie, wie die Amme für das Kind; nur mit dem Unterschied, daß es mit dem Schenken umgekehrt gehalten wird, denn im Keller drunten gibt das Wickelkind uns zu trinken. Unsere Liebe zum Pflegling ist auch viel aufrichtiger, als die Liebe der meisten Wärterinnen zu ihrer Krabbelwaar’ *); wie manche sagt: „Ich hab’ dich zum Fressen lieb!“ und thut’s doch nimmermehr, — sag ich aber zum Kastelberger: „Ich hab’ dich zum Saufen lieb!“ so geschieht’s Bigott auch. Ein Druck, ein Schluck, da zischt’s wie der Tropfen auf dem heißen Stein, und ein Bettelbub’ liegt in der Höll’. Gut das! Der Steinbacher hat darum völlig Recht gethan, daß er ein Küfer geworden ist, wie sein Vater einer war. Er hat eigentlich Nepomuck geheißen, und zum Geschlecht ist er Halberstunger geschrieben worden, von seinem Urgroßvater her, der ein Kaffer von Halberstung gewesen, lang vor der Stadtverbrennung vom sechszehnhundertneunundachtziger Jahrgang. Mein Muckele hätt’ einen Zimmermann geben sollen. Drum hat der Meister Halberstunger noch zwei Buben gehabt, einen auf der Wanderschaft, den andern in der Schuld und das Muckele war auf Ostern zum Nachtmahl gegangen. Des Zimmermanns Kunst ist auch nicht zu schelten; wo’s ein Loch gibt, schlägt er einen Zwickel ein. Dazu war des Meisters Geschwisterkind an einen Zimmermeister zu Achern verheiratet. Selbiges Ehevolk hat nicht Kind noch Kegel gehabt, und hätte den Kleinen an Sohnesstatt angenommen. Wenn einer aber nicht will, so mag er eben nicht, und des Vetters Hab’ und Gut ist an den dritten Buben, an den Aloys gekommen. So ist’s doch in der Freundschaft geblieben. Der alte Nepomuck hat aber dazumal den jungen mit einem Seilstutumpen tapfer abgeschmiert, dann hat’s geheißen: „Bei mir kannst du nicht bleiben. Sie sagen freilich, ein Meisterssohn brauche nicht aufgedingt zu werden. So mag ich aber nicht. Dein Bissel Pösteln und Schnitzeln nehm’ ich nicht für baare Münz’. Du mußt ein Ziegenschurz sein, wie ein andrer auch, sonst wird nichts Rechtes aus dir, und du bleibst all dein’ Lebtaags ein Reisenmörder und Holzverderber.“ Gut das! Der Muckele ist nach Rastatt zum Hofküfer gekommen und nach alter Ordnung aufgedingt worden. Ein Meister soll eigentlich nicht mehr, als einen Ziegenschurz auf einmal bei sich in der Lehr haben, aber in der Hofküferei war übrig Platz und Gelegenheit für ihrer zwei. Die gnädigste Herrschaft hat selber viel Reben gehabt und unmenschlich viel Zehnten *) Krabbelwaar’, oberrheinischer Ausdruck für kleine Kinder; andere landesübliche Redensarten lasse sich der geneigte Leser auch ohne Erläuterung gefallen. eingenommen, und die Amtskeller haben das beste Gewächs immer zu Hof geliefert. Warum? Der Markgraf hat gern ein gutes Tröpfle Landeskraft verkostet, und sein ganzes Hofgesind’ hat tapfer mitgehalten, vor allen eine hochlöbliche Jägerei. So wackere Räusche gibt’s bei Hof nimmermehr, als es damals auf der Fabrik und im Mäsontschaß*) gesetzt hat. Natürlich, dazumal war das Getränk gut und hat die Zecher nichts gekostet; jetzt sind die Schlösser zu Wirtshäusern geworden, die Gäste werden geschnürt, daß ihnen die Augen übergehen, und der Wein ist erst nix nutz; wo käm’ da der Muth her, sich die Nase zu begießen? Des Muckeles Gespann war einer von Beuern hinter dem Frauenkloster, des Grafen-Nazi-Nazeles-Naz. Merk: sein Vater und Großvater waren Ignaz getauft, wie er selber auch, und Graf haben sie von Natur geheißen, wie einer Kaiser, König, Herzog, Fürst, Prinz, Edelmann, Bauer, Papst, Bischof, Türk oder Vogel heißen kann. Der Müller zu Altschweier heißt Weber, und der Weber zu Neusatz schreibt sich Müller. Die Namen treffen nicht immer zu, außer in der Gesellschaft**), denn der Würzburger kommt aus Würzburg und der Landshuter unfehlbar von Landshut. Gewöhnlich können die Lehrbuben einander nicht schmecken, wie Hund und Katz’, und wenn sie in einem Haus beisammen sind, thut’s vollends kein gut. Beim Muckele und beim Naz war’s grad umgetehrt. Leibliche Brüder haben sich nicht so lieb, wie die zwei beiden. Der Beuermer**) Ziegenschurz war aber auch danach, ein Kerl wie ein Mädel, lenksam und sanft wie ein zahmer Kanarivogel, *) Landesüblich für Favorite und *maison de chasse. **) Der Handwerksbursch der frühern Zeit nannte seines gleichen „Gesellschaft.“ Hier heißt’s recht: Les extremes se touchent; zu deutsch: Die Schlange beißt sich in den Schwanz. ***) Beuermer für Beuerner. (Die Verwechslung des m für n in Heirathsnamen erstreckt sich bis zur Schweiz hinauf.) Bild 2 ein rauhes Wort trieb ihm die Thränen in die Augen, als hätt’ ihn im März der trockne Schwabenwind angeblasen. Er war der weiche Stein, und Muckele der harte. Das Ding hatte auch sonst noch seinen Hacken, wie Alles in der Welt; dasmal hieß der Hacken Xaver Daul und war des Hofmetzgers Lehrling. Selbiger war so ein recht altbadischer Gutedel vom Herrengut hinter dem Bademer Schloß, wo die Holzdiebe und Wildfrevler wachsen. Der Xaveri konnte den Naz schon von Kindesbeinen nicht ausstehen, und war gewohnt, das Büble zu schlagen, zu treten und zu zobbeln*), wie er’s nur beim Kopf sah; wo er’s daheim gelassen, wollt’ er zu Rastatt wieder anfangen, aber mein Muckele legte sich drein, und wer die Wichs bekam, war der Metzgersbub. Der Daul war eigentlich älter und stärker und größer als die andern, wenn er jeden allein hatte, aber den beiden mitsammen war er nicht gewachsen, und die Furcht vor ihm half ihre Liebe zusammenhalten, wie ein guter Reif die Dauben ineinander treibt und nimmer weichen läßt. Die liebe Noth ist ein ausgelernter Küfer, so wahr als sie alle Handwerke versteht, Eisen bricht und Wackersteine verdaut. Gut das! Erst kommen die Knöpf’ und dann die Rosen. Der Daulen-Xaveri ist losgesprochen worden und auf die Wanderschaft gegangen, und da hat’s so ziemlich Ruh’ gegeben mit dem Zanken und Händeln. Bald drauf ist’s mit dem Schleifen an unsere Reifenmörder gekommen. Was es mit dem Schleifen auf sich hat, davon weiß das junge Volk nichts mehr. Vor Zeiten war die Küferei ein zünftiges Handwerk, wie die allermeisten Gewerbe, und jede Innung hat ihre absonderlichen Gebräuche gehabt, um die Lehrlinge aufzudingen und loszusprechen, wie um den Gesellen zum Meister zu machen. Wenn aber der Bub’ einen Gesellen hat geben sollen, war’s überall das größte Halloh: der Metzger hat seinen Lehrling getunkt, der Jäger ihm mit einer Maulschelle aufgewartet, und nirgends ist es ohne Utz*), selten ohne Prügel abgelaufen. Das kommt noch von Ritterszeiten her, wo’s auch Wichs beim Lossprechen gesetzt hat. Solches Utzen und Drillen hieß nun bei den Küfern das Schleifen, weil die Bürschle gleichsam fertig gemacht wurden wie die Eisen, bevor wir sie zur Arbeit in die Hand nehmen;’s ist ein Sinn drin, wenn ihn auch nicht jeder faßt. Da gab’s einen Schleifpathen, der mußte den Ziegenschurz schleifen und ihm den ehrlichen Namen gesegnen, um den Holzverderber, Reifenmörder, Pflastertreter und Gesellenverräther zum ehrlichen Gesellen zu machen. Die Binderei verlangt freilich Achselschmalz und macht schwielige Hände, dennoch ist’s ein feines nachdenkliches Handwerk, wobei einer den Kopf und seine fünf Sinne beisammen behalten muß; drum eben war auch der Witz beim Schleifen nicht mit ungebrannter Asche gepfeffert oder sonst mit grober Handschrift geschrieben, sondern bestand in spitzigen scharfsinnigen Redensarten, und wer ein rechter Gesellenpfaff sein wollte, der mußte ein gutes Gedächniß und seiner Frau Mutter Maulwerk haben. Im Uebrigen kam der Ziegenschurz mit einem Bischen Zobbeln davon. Mit einer Haarhusche, wie der Bruder Böttiger sagt: der Schäffler heißt’s Schopfbeuteln. *) Zobeln: zausen. **) Utz: Hänselei, Neckerei. Das Muckele und der Naz sprachen zu einander: „Wir wollen zusammen auf die Wanderschaft ziehen und uns nicht verlassen, denn wir können keiner ohne den andern leben.“ Solches hörte der Hofküfer und sagte: „Seid ihr erst frisch geschliffen und wollt selbander ziehen? Das gehört sich nicht. Ein rechter Kerl muß allein wandern, um zu zeigen, daß er Schneid’ hat. Was hat euch der Schleifpfaff vom Auszug gesagt? Vor dem Thor findest du der Wege drei, redete er, einer zur Linken, einer zur Rechten, einer in der Mitte grad aus. Den in der Mitte mußt du gehn, denn rechts und links führt’s zu einem andern Thor wieder hinein, und das wär’ eine kurze Wanderschaft. Ferner hieß sein Wort: auf dem Dunghaufen sitzen drei schwarze Raben, die krächzen: kehr’ um, kehr’ um! Da sollst du denken: des Freimanns Tauben dürfen nicht meine Boten sein! Vor dem Dorf stehen drei alte Weiber, die kreischen: wie ist’s so gut daheim auf der Ofenbank, geh’ zurück zu deiner Mutter, Junggesell, sonst kommst du in den großen Wald, der vor lauter Bäumen nicht zu sehen ist; darin verirrst du dich, daß kein Auge mehr dich erblickt! Da sollst du denken: die Vetteln schwätzen mir gut bis zum Nimmermehrstag! Und hinter dem Dorf klappert die Mühle: zurück, zurück, zurück! Du aber sprichst: Mühle, klappre deinen Klang, ich wandre meinen Gang! Ihr müßt nicht meinen, daß solche Reden lauter Scherz und Gaukelwerk gewesen. So ein junger Gesell zum erstenmal der Heimath den Rücken kehrt, um in die weite Welt zu laufen, da wird ihm gar bang ums Herz, und mehr als die drei Rathgeber rufen und mahnen ihn zur Umkehr. Er aber soll gleich Aufangs ein mannhaftes Gemüth bewähren. und nicht einen Gespann mitnehmen wie ein Büble, das sich allein im Dunkeln fürchtet. Und darum, Gesellschaft, laufe du von Beuern über den Berg auf Gernsbach und das Murgthal hinauf zu den Gelbfüßen; und du, Gesellschaft, kannst meinetwegen der Nase nach auf Freiburg und Basel wandern. Der eine von hinnen, der andre von dannen, so gehört sich‘s.“ Die Gesellen gaben dem Meister Recht, aber nur in’s Gesicht: das erste war gut, das andre desto übler, weil sie gleich mit Trug und Lug ihre Wanderschaft begannen. Der Naz zwar nahm seinen Weg auf Freudenstadt, wie ihm geheißen worden, doch nur, weil ihm sein Bruderherz verheißen, durch‘s Bühlerthal über den Blättig nach Forbach zu kommen. Zu Forbach im Löwen haben sie einander getroffen und sind dann mitsammen fortgewandert, innerlich zufrieden wie ein Liebespaar, das hinter dem Rücken der Alten sich hehlings findet. Es ist ihnen aber übel gerathen, wie ihr gleich vernehmen sollt. Zuerst haben sie keine Arbeit überkommen. Anfangs waren sie selber schuldig dran; für einen wär’ etlichemal Platz gewesen, doch nicht für zwei, und da zogen sie immer selbander weiter, weil keiner ohne den andern bleiben mochte. Später, wo sie gern nachgegeben hätten, traf sich gar nichts mehr, so daß sie jämmerlich mit Fechten und Betteln sich durchschlagen mußten. Das ist arg für schöner Leute Kind, besonders im Anfang. (Fortsetzung folgt.) Eine Turnfahrt. (Schluß.) Bild 3 So wirbt der Turner um Muth und Kraft Mit Frühroths freundlichem Strahl, Bis spät sich senket der Sonne Gluth, Und Nacht sich bettet im Thal. Und klingt der Abendglocke Klang, Dann ziehn wir nach Hause mit fröhlichem Sang: Hurrah! du fröhliche Turnerlust. Bild 4 Wenn des frohen Tages Stunden Unter Freud und Lust verschwunden, Bis die Nacht am Himmel schwebt, Turner, eh’ wir dann uns trennen Laßt uns Alle froh bekennen; „So ein Tag war deutsch verlebt.“ Ultra-Conservatismus. Bild 5 Patient spricht: Ach, Herr Doctor, bin so leidend Alles, Alles thut mir weh’! ... Au weh!... Bald im Bauch, bald in den Hüften, Bald im Kopf, bald in der Zeh; ... Au weh!... Schmerzen, Schmerzen, nichts als Schmerzen, Ob ich sitze, ob ich steh’! ... Au weh!... Gibt’s denn nicht für dies, Herr Doctor, Irgend einen — leichten Thee? ... Au weh!... Was?’ne ganze, lange Kur? Das allein, Herr, hilft mir nur? Habe so was nie probiert, — Weiß, wie derlei sehr geniert, — Liebte stets: Commodite — ... Au weh!... Eh ich aus der Ordnung geh’ — ... Au weh!... Sei’s auch nur für eine Stund’ — Werde ich... Au weh! Au weh!... Lieber — gar nicht mehr gesund! Ultra-Radikalismus. Bild 6 Daß der Zopf mir nimmer wachse Soll ich einzeln, nach und nach, Jedes Härlein mit der Wurzel Ziehen? — O wie seid ihr schwack!. — Reiße gleich den ganzen Zopf Mir auf einmal aus dem Kopf! — Sprach’s Herr Michel, führt es aus, — Reißt den ganzen Zopf heraus. Mit dem Zopfe ging die — Haut, Daß man nackt die Knochen schaut, Und den Michel, kühn und edel, Schmerzt nun sehr der blut’ge Schädel! Und er seufzt: „Ach könnte heften Mir die Haut wer an den Kopf, Selbst auch, wenn’s geschehen müßte, Mit dem unglücksel’gen Zopf! — Ein Tag aus dem Leben eines Hamburger Bürgers oder Ueberall preußische Pickelhauben! Bild 7, Bild 8, Bild 9, Bild 10, Bild 11, Bild 12, Bild13, Bild 14 Bleibt im Vaterlande! Wenn mit den dunklen Flammenküssen Die Fluren scheidend grüßt der Tag, Da wird in manchem deutschen Herzen Ein bittres, bittres Leiden wach. Und sehnend schaut es dann nach Westen, Wo still die Sonnenscheibe sinkt, Und in dem dunklen Männerauge Wohl eine Thräne heimlich blinkt. „O könnt’ ich Sonne jetzt dir folgen, Weit über’s Meer jetzt mit dir ziehn Hin zu dem Strand, wo frisch und duftend, Der jungen Freiheit Blüthen glühn.“ „Dort, deutsche Jugend, wirst du finden, Was du so oft dir heiß ersehnt, Der irrt, wer hier noch Freiheit hoffet, Wer noch für Deutschland Rettung wähnt.“ Bild 15 O Lied, o könnt’ ich in dich hauchen, Was jedes deutsche Herz bewegt, Den Zauber unsres deutschen Landes, Den nur der deutsche Boden trägt. Verwehe, wenn du einen wieder Dem deutschen Herde zugewandt, Wenn du in einem wieder wecktest Die Liebe für das deutsche Land. Jenseits des Meeres wollt ihr dienen Der Göttin, die ihr hier verlaßt? Ihr wollte statt muthig mitzukämpfen, Dem Feind entfliehen, den ihr haßt? O wehe Euch! der wahre Kämpfer Der Freiheit hoffet noch auf sie, Er weiß es, daß sie muß erscheinen, Daß sie verloren, glaubt er nie. Ihr gleicht dem lebensmüden Pilger, Der selbst den Dolch in’s Herz sich senkt, Auch ihr, beim Himmel, nicht die Schlechtsten, An die das Herz mit Wehmuth denkt. Nein Brüder, bleibt in Deutschlands Gauen, Nein Brüder, nein, verlaßt uns nicht: O glaubt dem Sänger, wenn auch ferne, Es dämmert doch der Freiheit Licht. Karl Bedra. === FB10-0221 Bild 1 Dess Altgesellen Erinnerungen und Einfälle. (Fortsetzung.) Wenn einer gewohnt ist, auf ganzen Sohlen zu laufen und in jeder Kapelle zu beten, woraus unser Herrgott den Arm herausstreckt, wie sauer kommt’s ihn an, barfuß einherzuwandeln, und statt der Kellnerin mit dem Zinndeckel zu klopfen, den Hut nach einem Heller auszustrecken. So einer hat nur den einen Vortheil, das er nicht schwer am Ränzel schleppt und Morgens keine Federn aus den Haaren kämmen muß. Unsere beiden Bürschle hatten nicht einmal die Ränzel mehr, geschweige denn ein Stückel Gepäck, als sie gen Ulm kamen: doch nicht auf dem geraden Weg, denn sie waren durch sieben Herren Länder gekommen, rechts und links, kreuz und quer. Ulm war damals eine freie Reichsstadt, wie Frankfurt oder meinetwegen Hamburg; jetzt gehört sie zum Königreich aller Schwaben, steht aber immer noch am alten Fleck an der Donau, hat ein feines Münster und noch feinere Leckerle. Ich selber bin niemals dort gewesen, drum weiß ich das Wahrzeichen nicht, aber das Ulmer Brod muß gut sein, wenn’s wahr ist, daß ein König zu Ritterszeiten ein halbes Königreich damit verschleckt hat*). Wie die zwei in die Stadt kommen, ist ein gewaltiges Menschenspiel in allen Gassen, daß sie schier nicht durchkommen mögen. Zu Ulm soll’s so schon wenig Platz und viele Leut’ haben. Die zwei fragen zuerst nach der Herberg’, doch da ist kaum an einen Bescheid, vielweniger an ein Durchkommen zu denken. Dem Strom müssen sie folgen, sie mögen wollen oder nicht, und mit einemmal stehen sie, sie wissen selber nicht wie, an einem End, wo die Welt mit Brettern vernagelt ist, will sagen mit Hatschieren. Selbiger Hag hat aber kein Rosengärtlein gehütet, sondern ein hochnothpeinliches Halsgericht eingefaßt. Und wer steht vor den schwarzen Herrn im weißen Armensünderhäß **) mit den dunkeln Schlüpfen? Der Daulen-Xaveri, wie er leibt und lebt. Was hat er denn geboßt? Ihr sollt’s erfahren, doch erst müßt ihr wissen, was es mit dem hochnotpeinlichen Halsgericht für eine Bewandtniß hat, will sagen: gehabt hat. Es war ein Sinn drin. Vor alten Zeiten wußten die Leute, daß sie Mäuler zum Schwätzen, Ohren zum Hören hatten, und wenn einer gemordet, gezünzelt***), gestohlen oder gefrevelt, so stellten sie ihn unter freiem Himmel vor allem Volk zur Rede. Danach ist in der lieben Gotteswelt die Lumperei immer größer worden, und weil aus Lumpen Papier gemacht wird, so hat das überflüssige Parier seinen geweisten****) Weg gehen müssen. Drum haben die Leut’ angefangen, mit den Augen zu hören, mit drei Fingern und einer Feder zu reden, darüber endlich mit der Muttersprache auch den Mutterwitz verlernt, und so ist denn die Schreibstubenherrschaft entstanden. Das hochnotpeinliche Halsgericht war aber noch ein Restchen von der Urvätersitte, gleichwie einer, der aus Noth seines Ahnherrn goldne Kette versetzt, ein Gleich oder zwei zum Andenken zurückbehält. Wenn die Schreiber und ihre Gesellen über einen armen Sünder genug Papier verschmiert hatten, so führten sie ihn vor’s Rathhaus, um auf offenem Markt ihm das Urtheil zu sprechen und den Stab zu brechen. Endlich ist auch das Restchen noch verloren gegangen, doch hat’s nichts zu sagen, da wir allgemach die Goldkette wieder einlösen mögen. Warum? Darum weil wir nimmer soviel Papier zu verschreiben brauchen, seitdem schier mehr verdruckt wird, als der Papiermüller herschaffen kann. Am Rathhaus flatterten roth die Blutfahnen, die Richter *) Felix Faber erzählt, daß ein Graf von Werdenberg die Grafschaft Albeck zu Ulm in Lebkuchen „verfressen“ habe. **) Häß: Gewand. ***) Zünzeln: mit Feuer spielen; (hier für mordbrennen gebraucht). ****) Geweist: gewiesen. saßen an schwarzbehangener Tafel, jeder mit einem entblößten Schwerte vor sich. Der Blutrichter gebot Stille; keine Maus regte sich; mit klarer Stimme rief er: „Bürgermeister und Rath meiner des Reiches freien Stadt zu Ulm, ich frage euch: ist das hochnothpeinliche Halsgericht nach kaiserlicher Satzung und nach unsern offenen Briefen besetzt?“ „Ja,“ hieß die Antwort. Der Blutrichter rief abermals: „Bürgermeister und Rath meiner des Reichs freien Stadt zu Ulm, ich frage wiederum: in wessen Namen ist dieses hochnothpeinliche Halsgericht zu hegen?“ Die Antwort lautete: „Im Namen des allmächtigen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes: im Nameu kaiserlicher Majestät; im Namen eines edeln Rathes meiner des Reiches freien Stadt zu Ulm sollt ihr dieses hochnothpeinliche Halsgericht hegen.“ Die dritte Frage hieß: „Ist es gerechte Zeit, diesem hochnothpeinliche Halsgericht zu hegen?“ „Ja, es ist gerechte Zeit,“ war der Bescheid. Nun hob der Blutrichter auf’s neue an: „Alldieweil die Gerichtsbank besetzt ist nach kaiserlicher Satzung und unsern offenen Briefen, und da es gerechte Zeit ist, den Blutbann zu hegen, so eröffne ich im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, im Namen kaiserlicher Majestät, im Namen eines edeln Rathes meiner des Reiches Stadt und kraft meines Amtes dieses hochnothpeinliche Halsgericht, und gebiete Stille bei Haut, Haar, Hand und Hals.“ Die Waibel wiederholten das Gebot, nach allen vier Winden hinausschreiend, und bedrohten jede Störung mit schwerer Strafe; welche Drohung ganz überflüssig war, da niemand in ganz Ulm daran dachte, sich des armen Sünders anzunehmen. Der Blutrichter rief: „Das hochnotpeinliche Halsgericht ist eröffnet. Tritt vor, armer Sünder. und sage, wie du heißest?“ Mein Xaveri trat vor, aber nicht wie ein armer Sünder, sondern frech und unverschämt, wie er immer gewesen, und redete mit trutziger Miene: „Was soll mir das Geschwätzwerk? Ich hab’s euch oft genug gesagt, wer ich bin, und wenn ihr’s nicht behalten könnt, so schreibt’s euch auf ein Zettele.“ In sanften Worten verwies ihm der Richter sein unziemliches Betragen. „Ist das Reu und Leid?“ fragte er: „hast du vergessen, was du dem hochwürdigen Herrn verheißen?“ Der Flegel antwortete: „Ich werde selber bald ein Feldbischof sein, der euch mit den Füßen seinen Segen erteilt. Aber damit ihr Fried’ gebt, will ich noch einmal sagen, was ihr wissen möchtet; doch geschieht’s zum letztenmal. Ich bin der Daulen-Xaveri vom Herrengut, meines Zeichens ein Metzger; mein Vater ist ein Seilerbub’, meine Mutter eine Grasdirn’ gewesen, bevor sie Mann und Weib geworden. Jetzt sind meine Brüder Seilerbuben, meine Schwestern Grastrampel. Ehrlich geboren bin ich, das könnt ihr in meiner Kundschaft lesen, sterben werd’ ich Bigott nicht so ehrlich, aber das gilt mir ebenzumehr gleich, denn Kreuz ist Kreuz, Tod ist Tod und glatt geschliffen bald gewetzt. Höher als an den Galgen henkt ihr mich doch nicht.“ „Es wäre ein Thun,“ meinte der Richter: „und meine Herrn würden für dich heillosen Strolch keinen eigenen Galgen zimmern lassen, wenn überhaupt vom Henken die Rede wäre.“ Da schrie der Xaveri: „Was, ihr wollt mir den Kopf abschlagen? An den Galgen will ich, da gehör’ ich hin. Mein Vater hat mir’s immer verheißen, mein Mütterle hat mir’s vermacht, und ich wär’ sonst auch längst ersoffen. Mein erster Schatz war eines Seilers Tochter, mit ihrer Schwester will ich Hochzeit halten.“ Es kostete viele Mühe, den bösen Buben zum Schweigen zu bringen, daß er sein Urtheil anhöre, das ihn um eines doppelten Raubmordes willen zum Rad von unten auf verdammte. Damals galt noch überall das Radbrechen, und ihr werdet wohl vernommen haben, wie’s ungefähr dabei zuging; der Henker zerschlug dem armen Sünder Arm’ und Bein’. Nur in Preußen allein hat sich dergleichen in unsern Tagen noch zugetragen, es ist keine sieben Jahre her, und wer kann wissen, wie bald es wieder vorkommt*)? Mit dem Xaveri ging die Welt um und um, als er vom Rädern vernahm. Der Richter warf ihm den zerbrochenen Stab vor die Füße, schrie Zeter und Wehe über ihn und rief den Freimann, daß er den Verurtheilten hinwegnehme, um zu thun an ihm, was Rechtens. Der war alsbald zur Hand, und befahl seinen Knechten, den armen Sünder zu knebeln. Dem redeten indessen der Blutrichter und der Galgenpater ganz beweglich zu: er möge jetzo in Angesicht des Todes, und bereit, vor den ewigen Richter zu treten, seine Helfer bei der That nennen. Er schnauzte sie ab: „Geschwätzwerk und kein End’. Bin ich nicht Manns genug. so ein paar armselige Landfahrer abzufangen? Wär’ wohl der Mühe werth gewesen, um der zehn oder zwölf Neuthaler willen selbander zu kommen oder gar zu dritt. Ich hab’ eure Folter ausgestanden, und ihr dürft mir wohl zutrauen, daß es mir nicht an Herzhaftigkeit und nicht an Stärke fehlt.“ Dem Muckele trat bei diesen Worten das Herz auf die Zunge. „Bigott,“ rief er aus: „der verzweifelte Kerl wär’ auch für ihrer drei genug, obschon wir ihn oft gewichst haben.“ — „Still da unten,“ mahnte der Waibel. Der Beuermer aber stieß seinen Gespann in die Seite und raunte ihm zu: „O du leiser Ueberlaut, denkst du schon wieder mit dem Maul?“ Voll Schrecken verstummte der Steinbacher, aber es war zu spät. Der Bademer hatte sich nach den beiden umgeschaut, sie auf den ersten Blick erkannt, und ein arger Einfall stieg in ihm auf. Die Erinnerung an die Prügel ärgerte ihn, der so schon ein Boßnickel und Giftmichel war. Drum fuhr er ganz leise in seiner Rede fort, so daß kaum der Richter und der *) Der Altgesell wird wohl irren. Gewiß ist der Mörder des Bischofs von Ermeland nur darum gerädert worden, um die Abschaffung der Strafe des Radbrechens auch aus dem Gesetzbuch vorzubereiten. Anm. d. Eins. Geistliche sein Wort vernahmen: „Wenn den Herrn aber gar so viel daran liegt, meine Spießgesellen zu wissen, so könnt ich‘s für Geld und gute Worte schon sagen.“ „Was willst du mit dem Geld?“ „Mich vom Rad loskaufen.“ „Du bist nicht feil.“ „Vielleicht doch, wenn ich den Galgen mit in den Kauf nehme.“ Der Vorschlag ließe sich hören, meinten die Herrn vom Rath, und wurden richtig handelseins mit dem armen Sünder, daß sie ihm acht Tage Frist schenken, und ihn vom Rad zum Strang begnadigen wollten. Voll Neugier schaute das Volk zum Gerüst empor und fragte sich, was die geheimnißvolle Verhandlung wohl bedeute? Dem Nepomuck aber sammt seinem Begleiter ging, das Grausen dabei auf. Zwar hatten sie das sauberste Gewissen, aber sie kannten die boshafte Sinnesart des Bademers, und wären lieber durchgebrannt, wenn sie sich vom Fleck hätten rühren können.“ .Jetzt sprach Xaver ganz laut zu den Herrn: „Dumm genug seid ihr, das muß wahr sein. Merkt ihr nicht, wenn einer sagt, daß ich leicht ihrer drei erschlüge, weßhalb er so schwätzt? Die zwei Lumpen dort, der Halberstunger-Muck und der Grafen-Naz haben mir geholfen und wollen’s doch nicht sein.“ „Greift sie, fangt sie,“ schrie das Volk, und es gab ein fürchterliches Halloh. Gegriffen und gefangen waren die armen Schlucker so schon, auch mehr todt als lebendig. Gewiß wären sie zerquetscht oder zertreten worden, hätten die Hatschiere sie nicht gepackt und in den Ring gezogen. So wurde selbigen Tag der Bademer nicht gerichtet, aber die Leute murrten nicht darüber; hatten sie doch sonst genug zu schwätzen, und wenn ihnen für dasmal die große Ergötzung und Unterhaltung entging, war es nicht Ersatz genug, daß sie statt des einen armen Sünders in kurzer Frist ihrer drei sollten abthun sehen? So etwas ist schon des Wartens werth. Die zwei Küfer lagen im Thurm, und es erging ihnen hinderlich, obschon sie eigentlich keine lange Weile hätten zu spüren brauchen. Alle Fingerslang hatten sie Besuch oder wurden zum Besuch geführt Die vornehmsten Herrn aus der Stadt redeten ihnen zu, gütlich zu bekennen, daß sie mit dem Xaver die zwei Krämer auf der Landstraße erschlagen. Sie wollten dagegen zu selber Zeit just zu Lindau gewesen sein, oder zu Kempten. Das half alles nichts. Um nach Lindau oder Kempten zn schreiben, war die Zeit viel zu kurz, weil in acht Tagen alles fertig sein sollte. Es wär’ auch übel gewesen, den Räuber ohne seine Gesellen hinauszuführen; aber eben so schlimm, ihn über die gegebene Frist am Leben zu lassen. Da gab’s denn Risse und Schmisse nach Noten, und unter dem Farrenschwanz bekannten die Gefangenen, was der Richter nur zu hören verlangte. Sie hätten sich schuldig bekannt, den Mond gestohlen zu haben, so satt waren sie der Prügel, so überdrüßig des Hungers, des Durstes und der übrigen Martern. Kurz: das Leben war ihnen verleidet, und so machten sie sich nicht viel draus, dem Henker Kopf und Schopf zu lassen. (Fortsetzung folgt.) Aufrichtige Belehrung. Bild 2 links „Papa! was ist denn das eigentlich mit die Kuh, Kälber, Ochsen und Stier?“ „Ja siehst de — des will ich dir schont sage. Das Kalb, das is das Kind — un die Kuh, das is alls die Mutter und der Stier is der Vater.“ „Ja, was is denn nachher der Ochs?“ „Ja der Ochs! nu — der Ochs — siehst de? ja der Ochs, nu das is ebe der Onkel.“ Nebukadnezer. Bild 3 Erster Gast (ruft den Kellner.) „He! Nebukadnezar.“ Zweiter Gast. „Herr Wirth! heißt denn ihr Marqueur wirklich so?“ Wirth. „Na! wissn’s — er heißt eigentlich Neb; aber die Herrn heiß’n ihn halt kurzweg: Nebukadnezar.“ Puppen- und Soldatenspiel Bild 3, 4, 5, 6, 7, 8 1. Das Mädchen liebt das Puppenspiel Und macht der Puppe ein Bettchen, ein Pfühl, Und trägt und führt sie spazieren; Der Knabe schultert und präsentirt Und zieht den Degen und kommandirt Und läßt Regimenter marschiren. 2. Das Mädchen wird Jungfrau und herzt mit Lust, Der künftigen Bestimmung ahnend bewußt, Die kleinen lebendigen Puppen; Der Knabe wird Jüngling und Soldat Und streckt die Schultern und steht gerad Und ißt spartanische Suppen. 3. Die Jungfrau geht im Mondenschein, Sie möchte beim fernen Erkornen sein Und fühlt ein unendliches Lieben; Der Jüngling steht auf der kalten Wacht So einsam in dunkler Mitternacht: Ob hold und treu sie geblieben? 4. Das Mädchen wird Frau und wiegt auf dem Schooß Ihr Püppchen und zieht es in Züchten groß, Und hält den Mann in Ehren; Der Manu schafft Brod und hütet den Herd, In der starken Rechten das männliche Schwert, Der Knechtschaft der Heimath zu wehren. 5. Die Großmutter putzt wieder Puppen an, Näht Mützchen und setzt die Spitzen dran, Die Enkelin zu erfreuen; Der Großvater kauft ein hölzernes Schwert, Ein blankes Gewehr, ein Schaukelpferd, Den Enkel zum Krieger zu weihen. 6. So währt Soldaten- und Puppenspiel Von Lebens Beginne bis an’s Ziel Durch des Alters steigende Stufen: Und herzt das Mädchen die Puppe nicht mehr, Und setzt der Knabe zur Ruh das Gewehr, Hat Beide der Tod gerufen. Erinnerungen aus den Jahren 1848 und 1849. ll. Auszug aus den Papieren des Arbeiters Dieterich über die Sommermonate des Jahres 1849. — — Drüben war ich leicht. Wie denn? Ich kaufte mir’n’ Blouse, un das war da’n’ besserer Paß, als’n’ Brief von Heckern selber, wie denn? weil ihn jedermann lesen konnte. Da in Ludwigshafen war es sehr scheen, ich sah Blenkern und Bild 9 links seine Frau — sah aus wie’n’ Amazonin, mit ihrer Büchse — die hing sie übern Rücken. Herr Jeses! da fällt mir die Landauer Jeschichte ein: die hab ich Dir’mal tüchtig mitjemacht, Blender war auch dabei — der hat’nen scheenen dicken langen Bart. Iberhaupt ärgerte es mich immer tüchtig, wenn ich die Gerl’s ansah mit ihren grossen scheenen Heckerbärten. Wie denn? Ich habe auch von der lieben Natur nich’n’ Stümpchen Haare in’s Jesicht jeflanzt bekommen, und wer da nich’ so’n’ recht tücht’gen Bart anhatte, da war’s nischt, der konnte revolutioniren so viel er wollte, kein Hund hatte Respekt davor. Aber da wegen Landau, das jetrau’ ich mir tüchtig zu behaupten, wenn es da anders jejangen wäre, so hätten wir das Landau selbiges mal wirklich jenommen. Wie denn? Da hatten wir 3000 Sensen und drei scheene Kanonen, un der Blenker, der hatte noch beim Abmarsch Bild 10 eine Kanonenkugel requirirt, die war in’nem Kaufladen als Jewicht verwendet un hatte’n Henkel. Nu — als es bei Landau zum Losschießen von den drei Kanonen kommen sollte, da dacht’ ich: wenn so’n’ Luder zerspränge und stellte mich rückwärts auf. Aber das war jar nicht nöthig — wie denn? Da war für die drei Kanonen’n’ einzige Kugel da: die mit’n Henkel, un die war zu jroß; da war’s mit’n Schieß’n nischt, ich lief deßhalb nach Neustadt. Überhaupt, was ich auch jleich einjesehen habe, wars nischt mit der ianzen Patisserie — wie denn? es war nichts Revolutioneres daran. Die Beamten liefen herum un’ hattet ihre Köpfe noch auf und ich war wohl an drei Wochen in der Falz un’ hatt nich’n’ Thaler Jeld zu Jesicht bekommen, von n’ Ferd will ich nu jar nischt reden. Bei der Revolution hielt ich es auch nich lange aus und ging nach Straßburg, später nemlich. Bild 11 Zuerst aber da hatt’ ich noch’n’ versfluchten Strauß zu bestehen. Wie denn? das war in Ladenburg, wo wir die Hessen angriffen, nee — ich glaub die Hessen uns — doch das ist nu wurstig! — kurz — da sitz ich so zu Tische in mein Quartier, denn damals waren wir immer einjequartirt, draussen schießen sie auf einander los nu wie verrückt — pumps! sliegt’n Bombe zum Fenster herein, un gerad in die Suppenschüssel: sie war zum Glück von Zinn, glaub ich, sonst wäre sie richtig hin gewesen, so aber löschte das Zündloch in der Suppe aus Bild 12 Ich erschrack tüchtig, und sind mir damals die Haare so hinausjestanden. Darnach aber verlor ich den Appetit und jing wirklich nach Straßburg zu Struve’n in’n’ Rebstock; un ich hatte gerade Zeit jehabt — wie denn? — kaum fünf Wochen später sah ich vom Münster aus die Preußen in Kehl einziehen. Schreiberlied. Bild 13 Sachte geht’s auf die Kanzlei, Sachte, sachte, sachte! Traurig ist die Schreiberei Lieber Gott — schon achte. Kommt doch gleich der Schmiererei Dreschen in der Scheune! Ist der Morgen bald vorbei? Ach, es schlägt erst neune. Kratzen, ach, den ganzen Tag, Wie man drüber gähne. Tönt der Mittagsglockenschlag? Nein, es schlägt erst zehne. Mittagsglocke längst ersehnt Uns zur Ruh verhelfe, Lange haben wir gegähnt Und da schlägts — erst elfe. Federn an die Wand und fort, Hungrig wie die Wölfe Brechet mitten ab im Wort, Denn jetzt schlägt es zwölfe! Stadtuhr gönne dir noch Rast Mit dem grillen Schreie, Daß du keine Ruhe hast, Ach, schon schlägt es zweie. Mein ich, daß der Abend heut Weggeschnitten seie, Wie ein Sumpfpfuhl schleicht die Zeit, Lieber Gott, erst dreie! Ruft denn noch die Glocke nicht Uns zum braunen Biere, Nun so horcht denn, was sie spricht, Ach! sie sagt erst viere. Doch jetzt muß es sechse sein, Ein! zwei! drei! vier! fünfe! — Ei so schlag das Wetter drein, Wiederum erst fünfe! Angewurzelt an den Platz Fest wie ein Gewächse, Reißt euch los vom halben Satz Denn es hämmert sechse! Kunststraßen. Bild 14 „Sakra! Donner und Wetter, mich schmeißt’s schier vom Wagerl runter, Herr Selchhuber!“ Ja, mein lieber Herr Kernstuch, das sind eben unsere Kunststraßen, da is a Kunst drauf z’fahren, ohne daß man Hals und Bein bricht.“ Die Auswanderer. Bild 15 „Herr Jeses, das is also unsre Farm. Wo ist denn da das Wohnhaus?“ „Ja, das is ebe das Wohnhaus!“ „Un’ der Stall?“ „Das is ebe der Stall!“ „Un’ die Scheuer?“ „Frage se doch nich so dumm, das is ja die Scheuer!“ „Allso scheint mir das: Wohnhaus, Scheuer un Saustall in eener Person zu sin. Vivat Amerika!“ === FB10-0222 Bild 1 links Amerikanische Geschichten. In einer Gesellschaft sprachen die anwesenden Damen von den Vorzügen ihrer Papageie und es kamen die wunderlichsten Dinge zum Vorschein. „Meine Damen!“ begann ein Herr, „keiner von Ihren Papageien möchte trotz der aufgeführten Beispiele von Verstand und Geschicklichkeit einen Vergleich mit dem aushalten, den ich einst kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Mehrere der anwesenden Herren wissen, daß ich mich vor etlichen und zwanzig Jahren in P., wohl zweihundert Meilen von hier gegen Süden, bei der reichen Familie St... aufhielt, welche dort ausdehnte Besitzungen hatte. Diese Familie hatte einen Papagei, der mit den Kindern des Hauses aufgewachsen war, und alles kannte und wußte, was in dem Hause vorging. Sie werden mich der Anführung von anderen Beispielen überheben, wenn ich Ihnen sage, daß er mit der Familie, die sehr pietistisch war, täglich die treffenden Psalmen und alle Lieblingslieder der Hausbewohner sang, und zwar mit eben so schöner Stimme, wie irgend Eines ans der Familie. Da brach, wie sie insgesammt wissen, der fürchterliche Krieg aus, ich griff zu den Waffen, die Familie floh und die Besitzungen wurden im darauffolgenden Jahre von den Insurgenten niedergebrannt. — Jahre waren verflossen, der unselige Krieg war vorüber, da kam ich nach so langer Zeit wieder an den Ort, wo die Besitzungen gelegen, wo ich so schöne Stunden verlebt hatte. Traurige Erinnerungen erfüllten meine Seele und als ich mich, ermüdet von meiner Wanderung unter dem Schattendache eines Baumes niederließ, war ich bald entschlummert. Da wecken mich auf einmal merkwürdige Töne, so hehr und feierlich, wie die einer Orgel, ich springe auf und sehe — eine Schaar Papageien, fliegend, den bewußten Alten aus dem Schlosse an der Spitze, die mitsammen das Lied singen, was ich selbst hundertmal dort mitgesungen: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ Sie können sich mein Erstaunen denken, meine Damen, und die Verwunderung über den alten Papagei, der, beim Brande wahrscheinlich entkommen, in den Urwäldern seine Collegen jenes Lieblingslied seiner Wohlthäter gelehrt hatte.“ — Bild 2 „Ich ritt,“ so erzählte mein Freund, „von der Stadt B. nach St. G., wo ein Freund von mir eine große Pflanzung besaß. Es war ein reizender, köstlicher Abend. Die Sonne vergoldete im Scheiden die Gipfel hundertjähriger Platanen, die zur Seite der Straße standen, und Tausende von Vögeln ließen ihre Lieder oder ihr Geschrei ertönen. Ganz in der Beschauung dieser großartigen Natur versunken, ließ ich mein Pferd wohlgemuth und gemächlich weiter traben, ohne besonders darauf zu achten; da verspürte ich auf Einmal etwas an meinem rechten Fuße, ich sah hinab, und — o Himmel — ich gewahrte eine der giftigsten Vipern, die eben im Begriff war. sich an meinem Beine heraufzuwinden. Obwohl im ersten Augenblicke mich der Schrecken fast lähmte, hatte ich doch Geistesgegenwart genug, mit meiner Reitpeitsche einen kräftigen Hieb nach derselben zu führen, so daß sie todt zur Erde fiel. Auf diesen Schrecken ward es mir unheimlich und ich spornte mein Pferd zu einem schnelleren Laufe; ich hatte mich jedoch bald wieder erholt und versank in die alten Träumereien, in die ich durch die reizende Stimmung in der erhabenen Landschaft verseht wurde. Da verspüre ich wieder Etwas an meinem Fuße; diesmal war es jedoch ein anderes, ein beengendes Gefühl: ich seh’ mit Bangen hinab, und gewahre, daß der Steigbügel, in dem mein Fuß stand, zu einer bedeutenden Höhe angeschwollen war. Ich war Anfangs in Zweifel, wovon das herrühren möge, und erst allmählig wurde es mir klar, daß die Viper, wahrscheinlich schon im Todeskampfe, noch in den Steigbügel gebissen haben müsse und so das Aufschwellen desselben bewirkt habe. Ich aber schätzte mich glücklich, so mit heiler Haut durchgekommen zu sein, und bewahre den Steigbügel dessen Geschwulst sich seit dieser Zeit wieder gesetzt hat, als meinen Lebensretter dankbar noch heut zu Tage in meinem besten Schranke.“ — Die beiden Helden. Griechische Tragödie in drei Akten. Bild 3 Erster Akt.. Erste Scene. Erster Heros. „Es naht des Mißgeschickes Wolke schon, Hernieder steigt sie von Olympos Höh’n.“ Zweiter Heros. „Hernieder steiget von Olympos Höh’n Des Mißgeschickes schwarze Wolke schon.“ Zweite Scene. Chor. „Wehe! o Jammer! von Olympos Höh’n Steigt des Unglücks Wolke schon.“ Bild 4 Zweiter Akt. Erste Scene. Erster Heros. „Es kommt schon näher von Olympos Höh’n Die schwarze Wolke des Mißgeschickes nun.“ Zweiter Heros. „Die schwarze Wolk’ des Mißgeschickes kommt Nun näher schon von des Olympos Höh’n.“ Zweite Scene. Chor. „Weh, weh, weh, Näher kommt von Olympos Höh’n Nun des Unglück’s Wolke schon.“ Weh’, weh. Bild 5 Dritter Akt. Erste Scene. Erster Heros (laut heulend). „Da ist des Mißgeschickes Wolke nun Genahet schwarz von des Olympos Höh’n.“ Zweiter Heros (ebenso). „Genahet schwarz von des Olympos Höh’n Ist da des Mißgeschickes Wolke nun.“ — S ch l u ß ch o r. „Weh, weh, weh, weh, Erreichet hat die beiden Helden jetzt Des Mißgeschickes schwarze Wolke, die Herniederstieg von des Olympos Höh’n.“ Der politische Flüchtling in der Schweiz. Bild 6 Flüchtling. „Um Gotteswillen, retten Sie mich vom Hungertode; seit Sonntag hab’ ich nichts mehr gegessen und heut haben wir bereits Mittwoch.“ Comitevorstand. „Nur Geduld! Nächsten Dienstag haben wir wieder Comitesitzung und da werde ich Ihre Angelegenheit zur Sprache bringen.“ Nachbarhilfe. Bild 7 „Um Gotteswillen, Hausherr, kommens’rauf, der Vater schlagt die Mutter halber todt!“ Bild 8 Hausherr. „Mir scheint, da brauchts meine Hilfe nimmer.“ Kurzsichtigkeit. Bild 9 „Aber hören Sie, decken Sie sich doch besser zu, Sie verkälten sich ja erschrecklich!“ „Bitte, sehen Sie doch gefälligst nach, ob es auch meine Füße sind, ich kann es bei meinem kurzen Gesichte auf diese Entfernung wirklich nicht unterscheiden.“ Die commode Staude. Bild 10 „Aber Herr Brandl, jetzt stehen’s schon vierzehn Tag da drüben und haben noch nicht ein einziges Mal geschossen, warum gehen’s denn nicht weiter hinauf oder hinunter?“ „Ja, ich weiß freilich, daß ich da nichts schieße, aber die Stauden da is halt gar commod.“ Orientalische Frage. Bild 11 „Jesus, Maria und Joseph, ich glaube, jetzt lassen die ihre Wuth wegen den Grundrechten und der Reichsverfassung noch an uns armen Türken aus!“ Die Vögela. Bild 12, 13 Es ischt doch währle wunderbar, Wia au’s kloischt Vögele So nett sein Neschtle baua ka Mit seinem Schnäbele. So lang es baut, fluigt’s ab und zua, Und hot da ganza Ta koi Ruah. Bald trait’s vo Heu a Hälmle hoi Und bald a Feaderle, Bald isch‘s a Roßhoor bald a Müas, Und so woißt’s Vögele A jedes Dingle zu benütza, Daß jo sei Jungs reacht guat soll schütza. Do pickt’s und flickt’s und plogt se a Als schaffet’s im Akkord, B’sieht’s bald von ussa bald von in, Macht ohverdrossa fort, Und dreht se hundertmal drinn rum, Bis daß des Nescht sei Form bekomm. Und wenn es noh airscht Junage hat, Wia geut sich‘s do a Müah, Und suacht dia Hecka ein und aus Und ruaht und raschtet nia; Thät selber liaber Hunger schterba, Als daß’s de Junge ließ verderba. Ih wüßt so mancha Muater, dia Vom Vogel lerna könnt, Dia, wenn nu sie wolleaba ka Deam Kindle nix vergönnt. Und währet des im Dreck vergoht Nu alleweil vor’m Putztisch schtoht. Und in Visita’s Geld verspielt, Schtatt daß sie Schtrümpfla schtrickt, Und ganze Nacht am Ballschtaat näht, Schtatt daß se d’ Lumpa flickt. Will gar des Kind vor Hunger schreia, No thuat sie’s mit der Rutha bläua. Ja, Rabamuater, schau nu zua Deam Vogel uf’m Ascht, Und wenn’s der no uf’s Herz net fällt, Als wia a Zentnerlast, Bischt schleachter als des liabe Vieh, Kommscht währle in da Himmel nie. Kurtz. Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle. In acht Tagen war die bestellte Arbeit fix und fertig. Die armen Buben meinten zu träumen, als über sie selber das hochnothpeinliche Halsgericht gehegt wurde, das sie vor so kurzer Zeit noch als ein seltsames Schauspiel angegafft. Als der Stab gebrochen war und sie mitsammen hinauf geführt wurden, that der Steinbacher wie unsinnig; je mehr er aber schalt und schimpfte, um so spöttlicher redete ihm der Bademer zu. Statt auf den Geistlichen zu hören, zankten die zwei miteinander, und wären ihre Hände nicht gebunden gewesen, sie hätten Bigott einander geschlagen. Dazwischen jammerte der Muck, daß es einen Stein hätte erbarmen mögen; nicht über sein junges Leben, sondern weil er durch seine unbedachte Rede schuld sei an des Nazi Verderben. Was that indessen des Grafen-Nazi-Nazeles-Naz? Der betete fleißig mit dem Geistlichen und kümmerte sich um nichts weiter. Weshalb auch der Xaveri zum Nepomuck sagte: „Was greinst du nur um den? Unser Herrgott braucht einen schönen Engel und könnte gar keinen bessern finden.“ Draußen auf der Richtstätte wandte sich der Beuermer plötz lich vom Galgenpater ab und redete den Metzger-Xaveri an: „Horch, Bruder Bademer, ich verzeihe dir von ganzem Herzen, daß du mit falscher Inzicht mich um mein junges Leben bringst; und du, Bruder Steinbacher, vergib ihm auch. Wir sind drei Feinde gewesen unser Leben lang, das war unchristlich; so laßt uns’ wenigstens als Christen sterben, um uns nach so bitterm Tod eine fröhliche Urständ zu bereiten.“ Mein Muckele wollte zuerst nichts von Versöhnung hören, aber sein Gespann gab nicht luck und hielt inständig mit Bitten an, bis ihm der Steinbacher endlich den Willen that. Wie der Xaver solches inne ward, kam es wie eine menschliche Regung über ihn. Nun meint ihr vielleicht. er werde in die Knie gesunken sein, um reumüthig vor Gott und Welt sein schnödes Unrecht zu bekennen? Weit gefehlt. Zu den Beiden sagte er: „Verzeiht ihr mir euern unschuldigen Tod, so verzeih’ ich euch, womit ihr mich geärgert, und wir sind wett.“ Mit lauter Stimme fügte er hinzu: „Aber die von Ulm sind die einfältigsten Schwaben, die mir noch vorgekommen. Auf das Zeugniß eines verdammten Straßenräubers hin henken sie ein paar unschuldige Bürschlein mir nichts dir nichts an den lichten Galgen. Das unschuldige Blut komme über euch, ihr Tröpfe, nicht über mich. Ich habe die Krämer allein abgeschlachtet, ich, der Daulen-Xaveri. Ihr habt’s gehört, und nun laßt’ uns ein End’ machen.“ Jetzt gab’s ein noch ärgeres Halloh als acht Tage zuvor auf dem Marktplatz. Die Herrn wollten die armen Sünder frischweg abthun lassen, weil die Leitern doch einmal gelehnt stünden. Das schreiende Volk ließ solches nicht zu, sondern verlangte neue Untersuchung für die zwei Küfer. Jetzt sollte die ganze Handlung verschoben werden, doch auch das durfte nicht gelten, denn der Xaver schrie überlaut: „Ich hab’ das Ding satt, mag mich nimmer vom Ponzi zum Pilatus schicken lassen. Henkt mich, oder ich thu nimmer mit.“ „Henkt ihn, henkt ihn!“ brüllte das Volk. Die Herrn vom Rath willigten zuletzt ein, weil sie nicht anders konnten. Von der Leiter rief der arme Sünder noch: „Bruder Beuermer, wenn sie daheim nach mir fragen, so sage nur, ich hätte mit eines Seilers Tochter Hochzeit gehalten und du dabei getanzt.“ Die zwei Küfer lagen etwa noch zehn bis zwölf Wochen im Thurm, dann wurden sie der Haft entlassen, weil ihre Unschuld sich vollkommen bewährt hatte. Meine Herrn vom Rath reichten ihnen einen Zehrpfennig und schärften ihnen ein, binnen drei Jahre sich nicht im Weichbild der Stadt betreten zu lassen, bei Strafe des Staupenschlags. Ich denke, sie werden kein sonderlich Heimweh nach Ulm empfunden haben. Als sie an den nächsten Kreuzweg kamen, sprachen der Steinbacher und der Beuermer zu einander: „Wir haben für unsern Ungehorsam gegen die Satzungen eines ehrsamen Handwerkes schwer gebüßt. Die harte Zurechtweisung soll wenigstens nicht verloren sein. Geh du von hinnen, Gesellschaft, ich will von dannen gehn. Behüt dich Gott, Bruderherz, bis wir uns wiedersehen.“ Sie drückten einander die Hände und gingen jeder seines Weges, ohne sich umzuschauen; was hätte auch das Umschauen genützt, da sie vor lauter Wasser nicht aus den Augen sehen konnten? — — Wenn uns Gott das Leben schenkt und wir wieder zusammen kommen, sollt ihr vernehmen, was sich mit den Beiden ferner zugetragen hat. Zweites Stück. Hast du dir schon einen Zahn ausziehen lassen? Es thut abscheulich weh, und danach bleibt eine Lücke wie ein Scheunenthor: wenigstens meinst du, wenn du mit der Zunge daran stoßest, daß ein beladener Heuwagen leicht hindurchfahren würde. Aerger noch ist’s, wenn dir ein Schatz aus dem Herzen gerissen wurde, am ärgsten aber, so dein trauter Bruder dir abgeht; da gibt’s ein Loch als wie mit Stückkugeln geschossen, und du bildest dir ein, die ganze Welt vermög’ es nimmer auszufüllen. Aber nur Geduld, allgemach heilt’s von selber zu, und wenn dir kein neuer Zahn wächst, an neuer Liebe wird’s schwerlich fehlen, und etwa auch wieder ein Bruderherz sich finden. Unser Herrgott verläßt keinen Deutschen! Dem Steinbacher war seit der Trennung am Kreuzweg hinter Ulm längst wieder wohl geworden; er hatte mancherlei Freuden und auch andre Leiden durchgemacht, abwechselnd getanzt, geschmaust und gehungert, sich toll und voll gesoffen und Durst gelitten, mit Sechsbätznern nach den Spatzen geworfen und Bettelbrod gekostet, kurz: Sonnenschein und Regen durchgemacht. Es war aber auch seitdem viel Wasser den Rhein hinabgeronnen. Mein Muckele kam vom Wald *) herab und lief Freiburg zu, er wußte selber nicht recht, weßhalb, und hätte sich eben so gut auf Basel wenden können, denn um’s Heimgehen war’s ihm gar nicht zu * Schwarzwald. Bild 14 thun. Zu Haus hatte er eigentlich nichts zu suchen, so er nicht als Gesell bei seinem Alten arbeiten wollte. Meister konnte er zu Steinbach nicht werden; das väterliche Geschäft gehörte seinem Bruder zum Erbteil, eine Meisterstochter ohne Bruder war nicht vorräthig, und die Küferei eine beschlossene Zunft. Damals ging’s nicht zu, wie heutzutag; sobald die Plätze besetzt waren, wurde keiner mehr zugelassen, just wie im Eilwagen. Gut für die, welche einmal saßen, und so waren doch etliche wohl daran, während sich jetzo alle übel behelfen müssen. Doch ist es christlicher, sein Stücklein Brod zu theilen, als sich zu mästen, wenn der Bruder verhungert. Hinter Freiburg liegt in tiefer grüner Thalschlacht Günthersthal, zu selbiger Zeit noch ein Frauenstift. Vom Stift her führt die Straße am Waldhorn vorüber, das gewöhnlich das Siebentodsünden-Häusel genannt wird, ein großes weitläuftiges Gehöft, hart am Waldrand und an der Bergecke gelegen, etwa tausend Schritte vor der Stadt draußen. Dort kam der Steinbacher herunter, mit schwerem Ränzel, doch leichten Fußes und noch leichtern Sinnes. Aus dem Waldhorn tönte lustig Blechmusik, zimdera, bumdera! und der Bärentanz lockte den Gesellen mächtig an, so daß er Lust spürte, einen Hopser oder zwei zu wagen. Was ihn abhielt, war grade nur ein Husar auf der Thürschwelle, ein Kerl in blauem Dolman und rothen Hosen, über und über mit Schnüren und Tressen besetzt, mit Klunkern behängt, von Gold und Silber starrend, im Maul eine Staatspfeife mit einem Meerschaumkopf, so groß wie ein Schoppenglas. Nicht als ob der Goldstrotzende den Ankömmling abgewiesen hätte; im Gegentheil „Nur herein, Brüderl,“ sagte er so recht auf österreichisch: „hier wird umsonst aufgehaut und der Tanz kostet dich nix.“ „Dank’ gar schön,“ antwortete der Steinbacher: „ich mag’s nicht so gut haben.“ Der Husar wollte sich so nicht abspeisen lassen, ein Wort gab das andre, und endlich sagte Nepomuck: „Ich bin weit in der Welt umhergekommen, mein guter Herr Soldat, und weiß, wie ihr Werber eure Gimpel fangt. Wenn man euch hört, da freilich hat die Kaiserin Maria Theresia keine andern Musketierer, als eitel Husaren zu Pferd: sie gehen alle in Gold und Silberzindel einher und werden mit Schnepfendreck gemästet. Beim Regiment sieht’s aber ganz anders aus und ich mag einen frohen Tag und etwa eine wilde Nacht dazu nicht mit Ach und Jammer und mit einem rothgestriemten Rücken bezahlen.“ Der bunte Lockvogel lachte überlaut, so daß er sich den Bauch halten mußte. „Du bist ein Hauptkerl,“ rief er aus: „so wahr ich Gobelsperger Toni heiße. Du kennst dich aus und wir wollen gute Freunde sein. Da, reich‘ mir die Hand auf gute Brüderschaft.“ „Nepomuck prallte zwei Schritte zurück: er kannte die Gefahr, dem Werber einen Handschlag zu geben. Toni lachte wo möglich noch lauter, und fragte dazu. „Woher kommst du?“ „Aus dem Land, das nicht mein ist.“ „Wie heißest du?“ „Des Niemandeles Ueberallundnirgends.“ „Wohin gehst du?“ „Nach Trippstrill, wo die Gäns’ Haarbeutel tragen.“ Weiter stand der Steinbacher nicht Rede, sondern zog seiner Straße, gefaßt auf einen Platzregen von Schimpfworten und Flüchen; statt deren rief ihm Gobelsperger nach: „Sei kein Kind, Gesellschaft, ich fress’ dich nicht, aber zehn Thaler kannst du verdienen, wenn du mir einen rechten Kampel in’s Garn jagst. B’hüt Gott.“ „Schon recht,“ antwortete Muck: „ich bin des Seelenverkäufers Dicker.“ — — Die liebe Stadt Freiburg trägt einen lustigen Gürtel von lauter Weingärten, die ihr im Sommer ein gar frohmüthiges Aussehen verleihen; dazumal schon waren die alten Wälle, Gräben und Schanzen keine Festungswerke mehr, sondern mit Reben bepflanzt, doch sahen sie noch ganz festungsmäßig aus, wovon jetzt freilich wenig mehr zu merken ist. In meinen jungen Jahren hab’ ich die Wälle noch ziemlich alle gesehen. Wenn ihr aber wissen wollt, wie meines Großvaters Mutterschwester die Stadt gekannt hat, so geht zum Herrn Pfarrer. Im Wohnzimmer hängt an der Wand ein sauberer Aufriß vom Jahr 1744, da schaut der Münsterthurm über lauter steinerne Basteien, und dem Schloßberg läßt sich anmerken, weßhalb er Schloßberg heißt. Jetzt geht’s damit wie mit den Eggensteiner Apfelkücheln; man sagt nur so dazu, denn Aepfel sind keine drin. — Am Schwabenthor schaute der dicke Zöllner durchs Schieberle, seine rothe Nase funkelte wie der Morgenstern, wenn er den heiligen drei Königen voranleuchtet. Der Steinbacher, als ein gereister Bursch, ließ sich nicht lang erst ausfragen, sondern gab sein Bescheid und wollte sein Ränzel ablegen. Es war nämlich an den meisten Orten herkömmlich, daß der Geselle erst das Zeichen auf der Herberge holen mußte, eh er sein Felleisen in die Stadt tragen durfte. „Behalt’ dein Bündel, Gesellschaft,“ sagte der Zöllner: „hier brauchst du nur deine Kundschaft aufzuweisen; wir können, Gott sei Dank! Geschriebenes lesen. So; alles in Ordnung. Tritt in des Himmels Namen ein, und merke fein auf die Wahrzeichen: ein Kirchthurm ohne Dach, in jeder Gass’ ein Bach, auf jedem Thor’ne Uhr, und ein Pacem an jeder Schnur. Und wenn dir Sonntags einmal zu wohl ist in deiner Haut, so brauchst du das Vierte Wahrzeichen nur falsch zu berichten. Gott befohlen, Gesellschaft! „ „Schönen Dank für des Herrn Thorschreibers guten Rath,“ versetze Nepomuck: „aber ich hab’s allweil so gehalten: zu Weilheim frag’ ich nach dem Villinger Speian*), zu Villingen erzähl’ ich Weilheimer Stückle, und zu Ebersteinburg nenn’ ich keinen einen Buhvogel.“ Somit ging er der Herberg’ zu. Als ein wohlgeschliffener Knabe klopfte er fein bescheiden an die Stubenthür, und sagte auf der Schwelle: „Gott zum Gruß und guten Tag, haben nicht die Küfergesellen ihre Herberg’ hier?“ „Alleweil,“ antwortete der Meister, der grad selber daheim war. Der Steinbacher hob wieder an: „Glück herein, Gott ehr’ ein ehrsam Handwerk, Meister und Gesellen. Wollt’ den Herrn Vater angesprochen haben von wegen des Handwerk’, ob er mich und mein Ränzel heut’ woll’ herbergen, mich auf die Bank, das Felleisen unter die Bank? Ich bitt’, der Herr Vater wolle mir nicht den Stuhl vor die Thür’ setzen; will mich auch halten nach Handwerksbrauch, wie’s einem ehrlichen Gesellen zukommt.“ Worauf der Meister: „Gottwilche**) mein frommer Sohn, tritt nur herein.“ *) Spion. **) Gottwillkommen (allemannisch). Also that der Steinbacher. Nun weiß ich nicht, ob außer der Frau Mutter auch noch Bruder oder Schwester in der Stube waren; sind sie dagewesen, so hat der Gesell ihnen gewiß die Zeit geboten. Wollt ihr wetten? Es gilt eine Maß vom Federweißen. Daß ich‘s aber recht sage: der Steinbacher schob sein Ränzel unter die Bank zunächst der Thür’ und setzte sich nieder, um zu warten bis es Essenszeit sein würde. Merk: die Herberg’ war kein freioffenes Wirthshaus, wie jetzt, wo jeder für sein Geld klopst und pocht; das Handwerk bezahlte den Schlafgroschen und einen Zehrpfennig, und wollte der Herr Vater einem etwas Warmes zu essen geben, so war’s sein guter Wille. Ein besonderes Würstlein ist da keinem gebraten worden, der Gesell aß eben am Tisch mit den anderen, und wenn er Geld hatte, so zahlte er eine Maß Wein oder Bier, je nach des Ortes Gelegenheit. Gut das! Mein Muckele ließ sich nicht lumpen, sondern zog den Beutel, legte einen blanken Zwölfer auf den Tisch und sagte dazu: „Mit Gunst, Herr Vater, und wenn’s dem Herrn Vater recht wär’, so wollten wir das Kopfstückle mitsammen vertrinken.“ „Mir ohne Leid,“ antwortete der Meister: „aber dem Altgesellen wird’s nicht lieb sein.“ Nepomuck schaute um und um, wo denn der Altgesell sei? „Ha, Narr,“ hob der Meister wieder an: „was suchst du ihn hier? Er arbeitet beim Meister Hubbauer, aber alle Abend stelzt er daher und fragt, ob keine Gesellschaft angekommen?“ (Fortsetzung folgt.) Bild 15 Der wahre Mensch trinkt immerdar So viele Tag es gibt im Jahr: Dreihundert fünfundsechzig. Und wenn das Jahr ein Schaltjahr ist Trinkt er als Biedermann und Christ Dreihundert sechsundsechzig. J. S. === FB10-0223 Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle. Bild 1 „Jetzt versteh’ ich den Herrn Vater schon gar nicht,“ meinte der Steinbacher. „Wie dumm!“ lachte der Meister: „du hast noch Mutterpfennige im Säckel und wirst nicht einstehen mögen.“ Wie der Herbergvater so schwätzte, kam just der Altgesell zur Thür herein und vernahm die Rede. Selbiger war vom Niederrhein, ich glaube ein Mainzer, und da er den Meister das vom Nichteinstehen sagen hörte, rief er aus: „Fall’ ab, deine Zeit ist um. Der Rothegger zieht mir seit einer Woche schier die Haut ab um einen Gesellen, und wenn er erfährt, daß einer dagewesen, so bin ich meines Lebens nimmer getröstet.“ So ging es eine Weile fort, bis dem Steinbacher endlich des Dinges zuviel wurde. „Horch, Gesellschaft,“ rief er: „ich mein’ als, zu Freiburg spielt ihr verkehrte Welt. Anderswo spricht der Gesell den Altgesellen an, daß er ihm um Arbeit schaue; doch weil’s einmal so ist, gut, setz’ dich her und wichs’ einen kühlen Trunk auf, ich will dir zu Willen sein und beim Meister Rothegger einstehen.“ Der Mainzer oder was er war, lachte mit dem ganzen Gesicht. „Den Wein trinken wir mitsammen in der Wolfshöhle beim Rothegger,“ sagte er freundlich, wie ein Ohrwürmchen: „er führt einen guten und hat mir davon verheißen, sobald ich ihm einen tüchtigen Küfer zubringe. Laß’ uns Kundschaft machen, Gesellschaft. Wo hast du dein Handwerk gelernt?“ „Zu Rastadt in der Hofküsterei; ist dir der Meister ehrlich genug?“ „Alleweil. Bist du aber des Handwerks auch ehrlich geschliffen?“ „Ha ja. Mein Schleifpathe war der Mannheimer, meine zwei Schleifgöthen der Rostocker und der Königsberger; auch sonst viel ehrsame Meister und Gesellen sind dabei gewesen. Da hat mir der Pathe seinen und meinen guten Namen gelassen, dazu einen steifen Trunk Bühlerthaler und einen tapfern Zobbler*).“ “Womit du wohl angeschrieben stehst bei Meistern und Gesellen. So bedanke dich denn fein beim Herrn Vater für sein gutes Essen und komm’ mit mir.“ „Heute schon?“ „Freilich, so bist du morgen auf dem Fleck, und kannst dir gleich das Geschirr nach der Hand schleifen.“ — Die Wolfshöhle ist ein enges krummes Gäßchen, nicht gar weit vom Schwabenthor. Dort wohnte in einem schmalen Häuschen Meister Sebastian Rothegger, der Küfer und Buschwirth. Merk’: wo der Wirth einen Busch oder Strauß aufsteckt, wird nur ausgeschenkt und höchstens ein Stückel Käs oder so’was hergegeben: wo ein Kranz heraushängt, kannst du warme Kost bekommen, das Herbergen aber ist nur den rechten Wirthen erlaubt, die eine Schildgerechtigkeit haben, wie zum römischen Kaiser, zum wilden Mann, zum Engel, zum Mohren, zum Löwen, zum Lamm, zum Kameel, zum Bären und wie sie sonst noch heißen. Wo viele Gäste hinkommen, fehlen auch die Wirtshäuser nicht. Die ganze „Rotheggerei“ war vorn gegen die Gasse hinaus kaum zehn Stritte breit, die Zechstube darin ein enger dumpfer düstrer Stall, doch immer mit Gästen vollgepfropft. Warum? Zweimal darum: der Meister hatte immer den besten Wein zum billigsten Preis, drum lagen bei ihm die Jungen und die Alten auf; die Meisterin hatte ein gar feines Töchterlein, drum kamen die Alten und die Jungen. Die Anna war ein Blitzmädel, prächtig wie ein Apfelbaum in voller Blüthe, lustig wie der Zeisig, der auf besagtem Blüthenbaum den blauen Himmel und die goldene Sonne ansingt. Sie führte ein paar schwarze Augen im Kopf, du hättest die Pfeife d’ran anfeuern können, und war so flink wie eine Eidechse. Von ihrem wohlbestellten Mundstück will ich weiter kein Rühmens machen; sie trug eine Schürze und war in der Schenke aufgewachsen, was braucht’s da mehr? Umgekehrt wär’s ein Wunder zu nennen. Der Steinbacher war auf seiner Wanderschaft alles gewesen, nur nicht verliebt. Der Tanz zu Ulm auf des Bademers Hochzeit hatte ihm vermuthlich allen Uebermuth vertrieben, oder er auch sonst keine Gelegenheit zum Löffeln gefunden. Was aber mein Großvater seliger gesagt hat: daß selbigesmal *) Von Zobeln: Zausen, zupfen, rupfen. die Leut’ ernsthafter gewesen wären und die Liebe nicht auf die leichte Achsel genommen hätten, das glaub’ ich nimmermehr. Es hat seiner Lebtag’ kein knitzeres’*) Volk gegeben, als Mannsleut’ und Weibsleut’ mitsammen, vor tausend Jahren wie heut, nur daß sie sich bald so, bald anders dazu anstellen. Gut das. Wie eben mein Muck die Anna nur beim Kopf sieht, da ist’s aus und vorbei. Auf der Stelle spürt er zum erstenmal, daß er ein Herz hat, weil er nämlich merkt, daß er’s nimmer hat. Und die Jungfer lacht ihm auch gleich ganz freundlich zu mit ihren feurigen Schelmenaugen, mit ihren karfunkelrothen Lippen, mit ihren Zähnen so gleißend wie Birkenrinde. Gut für den Steinbacher, daß er ein Küfer war, ein ausgelernter, sonst hätt’ er’s nicht verstanden, ein Bissel Luft zu machen, und wär’ richtig geberstet, und zerplatzt. Nämlich so: er sprach die Jungfer herzhaft an, und sie gab ihm fein ordentlich Antwort. Warum auch hätte sie ihm nicht zulachen sollen? Für’s erste war der Muck ein saubrer Knabe von Angesicht, Gestalt und Häß**), groß, stark und flink, von raschem Wesen und rascher Zunge, wiewohl, was die Zunge betrifft, er sich das Lautdenken so ziemlich abgewöhnt hatte. Er wußte schon, weßhalb? Für’s zweite hatte der Vater Basti die größte Freud an dem schmucken Burschen; just nicht der Schönheit wegen, wohl aber weil er nothwendig eines Gesellen bedurfte, denn es gab viel Arbeit und die Leute waren selten. Der Krieg fraß gar zu viele weg, und die Werber stellten keinen mehr nach, als den Küfern, weil der Küfer ein starker gesunder und anstelliger Kerl ist. Wenn er jemals einen Hauptfehler hat, so ist’s allein der, daß er sich einbildet, es gäbe des Weines zu viel in der Welt, und er könne nicht halb genug Fäßer machen; so stirbt er denn, eh’ er die andre Hälfte im eigenen Leib hat versorgen können. Nun sag’ ich: wenn die Anna einmal mit dem Steinbacher lachte, so hat sie schon mit ihm reden müssen; auch war’s bei ihr so: einen Kronthaler konnte sie manchmal nicht gleich wechseln, aber sonst hatte es mit dem Herausgeben bei ihr keine Noth. Die Art von Jungfern stirbt zu Freiburg nicht aus; ich kenne selber eine, sie heißt auch Anna und hat mir manchen wackern Schoppen mit ihrer feinen weißen Hand gereicht. Sie müßt’ ich haben, wenn mein Vater mein Großvater wär’. Mit der Lieb’ ist’s ein eigenes Ding, jeder kennt sie, keiner hat sie noch ergründet. Sie ist ein Gewässer, wohinein der eine unversehens plumpst, während der andere nach und nach hineingeht, wie ein furchtfames Büble in’s kalte Bad; doch kommt’s am Ende auf Eins heraus: sie stecken bis zu den Ohren drin, und wohl auch sammt den Ohren, seien die noch so lang. Mein Muckele von Steinbach also war kopfüber hineingestürzt und befand sich ganz wohl dabei; drum bildete er sich ein, die Anna sei ihm hold, wie er ihr. Selbige Einbildung wuchs von Tag zu Tag. Die Jungfer war aber auch gar so freundlich mit ihm, sagte ihm guten Morgen und *) Knitz oder knütz: nichtsnutzig. **) Häß: Gewand. gute Nacht, als wären sie mitsammen aufgewachsen, und ließ sich‘s gar zu gern gefallen, wenn er ihr Abends nach der Feierstunde in der Wirtschaft zur Hand ging, statt sich wie seine Mitgesellen auf’s Ohr zu legen. Das war noch keine zwei Wochen gegangen, da träumte dem Gesellen in der Nacht vom Freitag zum Samstag, die Anna hab’ ihm ein Schmätzle *) gegeben und einen Tanz zugesagt. Darüber ist er verwacht**) und Anfangs ganz betrübt gewesen, daß ihn der Tranm zum Narren gehalten. Hernach hat er sich getröstet und den Traum für ein gutes Zeichen ausgelegt. „Fass’ ein Herz, Muck,“ redete er zu sich selber; „und schmiede das Eisen so lang es glüht. Zuerst mußt du die Jungfer um’s Tanzen ansprechen. Ist nicht am Sonntag Musik im Schwanengarten zu Herdern? Sie schlägt’s dir nicht ab, und beim Heimgehen mußt du dein Wort gehörig anbringen. Eine warmgetanzte Dirne läßt mit sich reden. Hernach wollen wir vom Fleck weg heirathen, eh etwas dazwischen kommt. Das***)Anna ist des Rotheggers einziges Kind, und will es mich, so müssen die von Freiburg mich als Meister annehmen. Ich will ihnen auch einen Daubenthurm bauen, der bis zu den Wetterhähnen hinanreicht.“ Merk’: hinten am Münster sind zwei kleine Thürme mit gelben Wetterhähnen; wenn ich aber klein sage, so halte sie nicht für niedrig, denn manche Stadtkirche könnte stolz sein, wenn sie nur einen von dem Hahnthürmen hätte, die neben dem großen Thurm so winzig dastehen. Der Steinbacher griff an selbigem Samstag seine Arbeit oft verkehrt an wie ein rechter Reißer, der Holz und Reifen nicht schont, weil er nur daran dachte, wie er’s angreifen müsse, um die Anna zum richtigen Schatz zu gewinnen. Er brachte auch fein ordentlich alles in seinem Kopf zusammen; doch wie er am Feierabend in die Wirthschaft kam, war’s erst nichts, und er hatte die Reifenmörderei umsonst getrieben. Ihr meint nun vielleicht, das Herz sei ihm zu den Kniebändern gesunken, so von freien Stücken, wie’s Verliebten öfters geschieht? Gott bewahr. Aber die Anna stand ganz vertraulich bei einem jungen Gesellen, in den sie hineinschaute wie in einen Spiegel. Da loderte und flackerte der Muck in heller Eifersucht auf, wie das Pech im Faß beim Ausbrennen, und durfte sich‘s doch nicht merken lassen. Hehlings verfluchte er den Kerl in der Hölle tiefsten Abgrund, der aber schnellte von der Bank auf, fiel dem Steinbacher um den Hals, und wie der recht hinschaut, ist’s sein Bruderherz, der Beuermer. „Du hier, Muck?“ „Du hier, Naz?“ „Was machst du hier?“ „Ich steh in Arbeit beim Rothegger.“ „Prächtig, ich trete ein und wir schaffen wieder miteinander. „ *) Schmätzle: Kuß. **) verwachen für erwachen. ***) Das für Die, sehr häufig bei Mädchennamen. So ging’s fort mit Fragen und Antworten, wobei viel gesprochen und doch nur wenig gesagt wurde, vom Beuermer aus herzlicher Freude, die ihm wie ein Rausch immer mehr zu Häupten stieg, vom Steinbacher weil sein Vergnügen vom Wiedersehen nur zur Hälfte aufrichtig war, und er sich fürchtete, deutlich ausgesprochen zu hören, was ihm nicht lieb war. Die Eifersucht hat scharfe Augen und ein feines Gehör, und Nepomuck merkte schon, daß der Ignaz nicht von heute erst mit dem Jüngferle bekannt war, weßwegen er nichts weiter zu erfahren begehrte. Als es Schlafenszeit war, sagte der Beuermer: „Morgen nach der Vesper wollen wir mitsammen hinauswandeln in Gottes frische Luft und ein vernünftiges Wörtlein schwätzen. Ich habe dir allerhand zu erzählen, und du gewiß mir auch. Drum wollen wir uns den Nachmittag für uns vorbehalten. Die Mitgesellen werden dir’s nicht übel nehmen, und ich will mein Theil auch schon verantworten.“ Er schaute dabei die Jungfer gar bedeutsam an. „Ganz recht,“ sagte sie: „es wär’ von euch beiden nicht schön, wenn ihr es anders machtet.“ Anna fügte noch einiges hinzu, doch der Steinbacher hörte es nicht, weil ihm ganz übel und schwindelig wurde, sobald er nur verstanden, daß Ignaz gleichsam Urlaub begehrte und sie ihn erteilte. Muckele sagte ganz trutzig gut’ Nacht und ging schlafen; ich wollte sagen: zu Bett. Mit dem Schlafen wars nichts in selbiger Nacht. Wenn einer von der gelben Eifersucht einmal recht gepackt wird, so wär er leicht im Stande, zum heiligen Laurenzi zu sagen: „Du, wir wollen die Lagerstätte tauschen:“ und der auf seinem glühenden Rost würde sich erst noch besinnen, ob er’s thun sollte. Der Steinbacher dachte nicht an der Vergangenheit Freud’ und Leid, nicht an die alte Brüderschaft, nicht an den bittern Abschied; vergessen hatte er, daß der Grafen-Naz ihm das Leben gerettet, nämlich durch das milde Wort, wodurch des Bademers verhärtetes Gemüth sich ein wenig erweicht hatte. Er sah im Bruderherz gerade nur den Todfeind, der ihm seinen Schatz abspannen wollte, so zu sagen schon abgespannt hatte, nämlich bevor der Muck nur gewußt, daß die Jungfer auf der Welt sei. Er dachte allein an Mord und Todtschlag, brütete über finstern Gedanken, und dermaßen hatte die böse Leidenschaft sein Gewissen betäubt, daß er, der Abends zuvor als ein ehrliches Blut sich niedergelegt, Morgens als ein hartgeschlagener Böswicht aufstand, ein greuliches Bubenstück fix und fertig im Sinn, sammt dem festen Vorsatz, es auszuführen. Während der Nacht hatte er sich gleichsam die Hölzer zurecht geschnitzelt und gelegt; am Tag setzte er das Faß darauf zusammen. Nach der Vesper sagte er zum Beuermer: „So laß’ un’ denn gehen.“ Sie gingen, doch kamen sie nicht weiter als zum nächsten Kranz oder Busch. Zwar der Naz wollte vorübergehen. „Wir können draußen vor dem Thor einkehren,“ meinte er: „wo wir ungestört schwätzen dürfen.“ Dem Muck war’s aber gar nicht darum zu thun, Herzensergießungen auszutauschen, und weil sein sanfter Gespann ohnehin gewohnt war, sich seinem Willen zu unterwerfen, so geschah’s auch diesmal. Aus dem gleichen Grunde mußte Nazi sich bequemen, mehr zu trinken, als ihm gut that, und merkte gar nicht, daß sein Bruderherz nicht ehrlich mithielt. „Jetzt aber laß uns gehen,“ drängte nach jeder Maß der Beuermer; derweil hatte der falsche Bruder schon wieder geklopft, sagte jedoch alleweil dazu: „das soll Bigott die letzte sein.“ So kamen sie nicht gar bald auf die Gasse, und dort nicht weiter, als grade nur zum nächsten Weinzeichen. Als sie das Thor durchschritten, dämmerte schon der Abend, und der Beuermer war so voll, daß er gar nicht wußte, wohin ihn der andere führte. Lallend fragte er darnach. „Ha, Narr, nach Ebnet in den Löwen, entgegnete Muck: „dort wollen wir einen Bellinger trinken, der sich darf sehen lassen.“ „Ach ja, ich verdurste schier,“ meinte Naz: „Wein her.“ Dabei konnte er nicht mehr das Gleichgewicht halten, so daß der andre ihn führen mußte. Je weiter sie kameu, desto wüster ward es im weintollen Kopf; dennoch merkte er, daß sie rechts gingen statt links. „Da geht’s ja nach Günthersthal und nicht auf Ebnet,“ sagte er einmal um’s andremal. Nepomuck wußte ihn immer wieder zu beschwichtigen, bis sie das Waldhorn erreichten, woraus sich die Tanzweisen vernehmen ließen. Jetzt hupfte Naz zurück wie ein stätiges Pferd, und murmelte halblaut: „Das ist ja das Todsünden-Hüsle*) Oder...? „Warum nicht gar, das ist der Löwen**) zu Ebnet.“ „Schelm du. Aber im Ernst, lass’ uns umkehren, daß wir in der Lasterhöhle nicht Schaden leiden an Leib und Seel’. Denk’ an die Ermahnungen deiner frommen Mutter.“ Bei diesen Worten des unschuldigen Knaben durchzuckte etwas wie Reue des Steinbachers Herz, aber die Regung dauerte nicht lange, weil der Beuermer hinzufügte: „Sieh dort das dundersnette Maidli im Hausgang, und was es für ein paar Augen an uns hinmacht. Komm’, lass’ uns fliehen. Was würde meine Holdschaft dazu sagen?“ Der Steinbacher sprach zu sich selber: „Des Teufels Holdschaft eher, als deine;“ zum Gespann aber: „voran, einfältiger Tropf, sonst halten dich die Leute für einen blöden Ziegenschurz.“ Mit diesen Worten schob er den Ignaz in den Hausgang, wo die Dirne den Trunkenen am Arm packte und mit sich zog, als wäre sie eigens dazu bestellt. Wird ungefähr auch so gewesen sein. *) Hüsle für Häuslein. **) Der Löwen für der Löwe; bei Wirthshausnamen gewöhnliche Wendung. So sagt man auch: der Salmen, der Bären u. s. w. (Schluß folgt.) Wenn ich ein reicher Engländer wär. Bild 2 Wenn ich ein reicher Engländer wär, So wollt ich euch das beweisen, Zum Gukuk flöge dann Nadel und Scheer, Zum Gukuk mein Bügeleisen. Bild 3 Wenn ich ein reicher Engländer wär, Und die Meisterin käm’ mir mit Rüben, Die Schüssel mit sammt den Rüben wär. Im Hui in der Pfütze da drüben! Bild 4 Wenn ich ein reicher Engländer wär, So ein rechter, vornehmer, reicher, Da thät ich mich bedanken sehr, Zu liegen auf dem Speicher. Bild 5 Wenn ich ein reicher Engländer wär, So ging ich in Sammt und Seiden, Zu Fuße liefe ich auch nicht mehr, Sogar ins Bett thät ich reiten. Bild 6 Wenn ich ein reicher Engländer wär, So trüg ich am Hemde Spitzen, Und eine Brustnadel centnerschwer, Und ließe die Ricke sitzen. Bild 7 Wenn ich ein reicher Engländer wär, Verraucht ich die feinsten Cigarren Und trüg ein Glas im Aug daher Gleich dem allergrößten Narren. Bild 8 Wenn ich ein reicher Engländer wär, Ich trüg einen Frackrock mit Flügeln, Und käm der Schweinfurter mir daher, So thät ich ihn verprügeln. Bild 9 Wenn ich ein reicher Engländer wär, So trüg ich gewichste Galoschen, Und käm der Meister von ohngefähr So würd’ er tüchtig verdroschen. Bild 10 Wenn ich ein reicher Engländer wär, So nennt mich einen Tropfen, Wenn ich den Polizei-Commissär Nicht sündlich thäte verklopfen. Wenn ich ein reicher Engländer wär, Da macht ich mir manchen Blauen, Und früge nach den Meistern nichts mehr Und ihren geizigen Frauen! Bild 11 Wenn ich ein reicher Engländer wär, Da hätt ich wenig zu schaffen, Da müßten mir Möpse und Pudel her, Und ein paar Dutzend Affen! Wenn ich ein reicher Engländer wär, Da kauft ich sechs Papagayen, Und hielte, daß gut besorgt er wär, Für jeden einen Lakayen. Bild 12 Wenn ich ein reicher Engländer wär, Verschafft ich mir auch einen Bären, Und daß er nicht schwitzte, der arme Bär Ließ ich ihn im Sommer scheren. Wenn ich ein reicher Engländer wär, Ich äß nichts als Torten und Kuchen, Und beten thät ich auch nicht viel mehr, Aber entsetzlich viel fluchen. Wenn ich ein reicher Engländer wär, Da hielt ich Rappen und Schimmel, Die dürften trinken kein Wasser mehr Sondern lauter Doppelkümmel. Bild 13 Wenn ich ein reicher Engländer wär, Und wieder einmal übersäße, Ich ging mit dem Vogt in den Thurm nicht mehr, Sondern führ’ dahin in der Chaise. Wenn ich ein reicher Engländer wär, Ich ließ mir noch manches behagen. Doch jetzt ist meine Zunge zu schwer, Ich will es euch morgen sagen. Selbstwerthschätzung. Bild 14 „Edler Volksfreund, möchten Sie mir nicht gefälligst gegen Bezahlung meinen Koffer in die Theresienstraße hinunter auf einem Schiebkarren fahren?“ „Wos glaubens denn; ich werd doch net durch d’ Residenzstadt’nen Schubkarrn fahrn; die Schand möcht i meinen Kindern nit anthun, auf die Achseln will ich ihn Ihna munter trag’n.“ Guter Rath. Bild 15 „Alle körperlichen Allusionen auf meine Waden von Seite Ihres gnädigen Mopses muß ich mir aufs feierlichste verbitten!“ „Bitte sehr, wenn man meinem Vinettchen mit einem Bröckerl *boeuf a la mode oder Wurstzipferl freiwillig (Semmel frißl er nicht) zuvorkömmt, beißt er Niemand nicht.“ — Letztes Mittel. Bild 16 Bauern. „Sie wenn’s doch so gut wären, und thäten unsere Wahlzettel ausfüllen, — wir können nit schreiben.“ Herr. „Recht gerne; was soll ich denn für Namen herschreiben?“ Bauern. „Vor Allen einmal unsern neuen Herrn Assessor —“ Herr. „Wo denkt Ihr denn hin? Der ist ja ganz unpopulär!“ Bauern. „Ja, das hat seine eigene Bewandtniß; sehen’s, wir haben schon Alles Mögliche probirt, um ihn anzubringen, aber es hilft nichts. Da haben wir beschlossen, ihn als Abgeordneten zu wählen, dann sind wir doch sicher, daß wir wenigstens auf ein halbes Jahr von seinen Grobheiten befreit bleiben, denn der heurige Landtag dauert lang, wie man hört.“ — Die Auswanderer Bild 17 Die Reisenden fangen an, sich in ihrem Wohnhause einzurichten, wobei sie eigenthümliche Begriffe von der amerikanischen Baukunst erhalten. Bild 18 === FB10-0224 Bild 1 Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle. (Schluß.) Während dessen wandte der Judas sich um und floh wie ein Mörder von dannen. Nun die böse That geschehen, erhob das Gewissen seine Stimme. Vergebens sagte er zu sich selbst: „Nix Bruder imSpiel, und die Liebe ist ein Spiel. Ich verleide nur der Anna den liederlichen Tropf, der ein so schlechtes Haus besucht. Warum? Ich kann ohne die Anna nimmer leben.“ Unerbittlich sprach dagegen das Gewissen: „Du weißt so gut, wie irgend wer, daß im Todsündennhäuschen die kaiserlichen Werber liegen. „— „Ah bah,“ dachte der Leichtsinn: „der Tapp wird sich doch nicht anwerben lassen?“ — „Freilich wird er,“ beschied das Gewissen: „Du weißt recht gut, daß einer den Werbern schwerlich entkommt, der seiner Sinne nicht mächtig, in die Höhle taumelt. Du hast auch nur darum den Bruderherz voll gemacht, und möchtest dir nun selber etwas vorlügen. Geh, schäme dich, Verräther und Judas. Meinst du, weil du die zehn Thaler verschmähst, du bist darum kein Seelenverkäufer? Deine Freundschaft ist verlumpt, deine Redlichkeit geht betteln.“ In solchem Tone reihte sich Vorwurf an Vorwurf, bis der Muck vor sich selber bekannte: „Ich bin der elendeste Tropf, nicht werth, daß die liebe Sonne mich bescheine, Gut, es bleibt dabei! Aber ich kaufe damit das Annele, und wär’s noch zu thun, ich thät’ es wiederum.“ Wie der Gesell so mit sich redete, flüsterte aus des Herzens dunkelster Ecke ein schadenfroher Quälgeist: „Wie aber, wenn du deine Seele dem Bösen umsonst verschrieben hattest? Wie leicht geschieht es, daß die Anna dich erst nicht nehmen mag.“ Jetzt standen dem Steinbacher die Haare zu Berg. „Nein. nein, nein,“ dachte er: „sie muß mich nehmen, ich habe sie theuer erkauft und richtig bezahlt. Sie wird das Milchgesicht bald vergessen, und meinen Batzen gelt’ ich ohnehin bei ihr.“ Mit solchen Gedanken trat er in die Rotheggerei, und da bekam er die Antwort drauf, eine Antwort, daß er meinte, der Donner hab’ ihn zehn Klafter tief in den Erdboden hinunter geschlagen. Wenn Abends zuvor der Steinbacher sich entsetzt, weil Anna bei einem jungen Gesellen stand, wie ward ihm erst zu Muthe, da er sie nun bei einem sitzen sah, der sie frank und frei vor aller Augen um die Mitte umspannt hielt. Mein Nepomuck wußte im Augenblick nicht, wie er selber sich vorkam; ich weiß es auch nicht anders zu sagen, als durch ein Gleichniß. Es ist eine gar alte Geschichte. Ein buckliges Männle hatte ein schönes Weib und war eifersüchtig wie ein Mohr. In der Stadt gab’s noch zwei Buckelige, die grade so aussahen, wie er selber. Die stellten alle zwei dem Weibe nach, vermutlich weil sie meinten, wenn eine ein Ungethüm zum Ehemanne habe, so gehöre ihr ein Scheusal zum Holderstock. Die schöne Frau aber war eine falsche Schlange und bestellte einen nach dem andern zu sich. Kaum war der erste da, so hieß es: „Mein Mann kommt, steck’ dich in die Truhe!“ Dem zweiten gings eben so. Beide erstickten im Versteck. Da holte die Magd einen armen Fischer, der sich, durch hohen Lohn verblendet, bereit zeigte, einen Todten in’ Wasser zu tragen. „Mach’ aber, daß er nicht wiederkommt,“ sagte die Frau; und der Fischer: „Will ihn schon versorgen.“ Wie er nun kam, um den Lohn zu holen, zeigte ihm das Weib den zweiten und schalt über die schlechte Besorgung. Nun trug der arme Mann auch den fort, und warf ihn hinein, wo das Wasser am tiefsten war. Wie groß aber war sein Schrecken, da er zum Haus hinkam und den buckeligen Kerl lebendig über die Gasse laufen sah. Just so war dem Steinbacher auch zu Muthe, nur daß er’s nicht machen konnte, wie der Fischer, sonst hätte er wohl gern den Burschen in den Maltersack gesteckt und zum Wasser getragen, um ihn mit einem Mühlstein am Hals zu versenken. Nepomuck riß die Augen weit auf, stellte sich breit vor das Paar hin, und starrte alle Beide an, wie die Kuh das neue Thor. Die Jungfer lachte ihm in’s Gesicht. Gar Ernst war’s ihr mit der Lustigkeit eigentlich nicht, aber sie merkte, daß der neben ihr sich erzürnen wollte. „Schau er nur recht her, Steinbacher,“ sagte sie: „Das ist Hubbauers Martin, der heute von der Wanderschaft zurückgekommen, mein Schatz und bald mein Hochzeiter.“ Kreideweiß stotterte Muck: „Was wird der Beuermer dazu sagen?“ „Der Grafen-Naz?“ fragte Martin entgegen: „meiner Schwester Liebster? Meinst du den, Gesellschaft?“ Der Steinbacher gab keine Antwort, weil ihm alle Sinne schwanden. „Was hat der Kerl?“ rief Martin. Zu seinem Ohr geneigt, flüsterte Anna: „Merkst du’s nicht? da müßtest du ja dümmer, als ein Heuwagen sein.“ „Ja so,“ lächelte der Bräutigam alsbald beschwichtigt. Vor der Hochzeit läßt einer sich ohne Müh’ um den kleinen Finger wickeln, und wär’ er sonst so grob wie ein eichener Dreiling. — Der Steinbacher hatte richtig seine Seele umsonst hintangegeben. Rotheggers Anna und Hubbauers Kätherle waren von Kindesbeinen Herzensfreundinnen, und Anna seit Jahresfrist die Vertraute eines Liebeshandels zwischen dem Beuermer und dem Kätherle. Naz stand in Arbeit beim Bastian und war vor Kurzem heimgewandert, um seiner Eltern Segen zu heischen und was sonst zum Freien gehörte. Nun sollte er in der Rotheggerei bleiben, bis der Martin nach Hause kehrte und seine Anna heirathete. Das Gewerb wollte Meister Hubbauer mit der Tochter seinem Schwiegersohn übergeben und sich auf den Auszug setzen, weil Bastian es seinerseits eben so zu machen vorhatte. Jetzt denkt euch, wie dem Nazi zu Muthe war, als er Morgens erwachte, zur Besinnung kam und inne ward, daß er im Netz des Werbers stack, wogegen alles Zappeln nichts half. Wie das Alles gekommen, wußte er nicht; verworrene Erinnerungen an Verrätherei, an gewaltige Tränke über Nacht, an Tanz und Löffelei, an Karten und Würfel schwirrten ihm nebelhaft durch den Sinn. Ich sage weiter nichts, als: der Montag kam ihm gar nicht blau vor. Zum Glück sollte er’s aber noch werden; denn wie der Verzweifelte eben daran dachte, sich ein Leides auzuthun, und nur nicht recht wußte, ob er sich den Hals abschneiden, oder zuschnüren sollte, wer trat in die Kammer? Der Werber mit dem Steinbacher. „Du bist los und ledig, Milchsuppengesicht,“ sagte Gobelsperger: „der da steht für dich ein. Bei allen Karthaunen, Bomben und Granaten, kaiserliche Majestät machen hiemit einen guten Handel.“ Ignaz fiel dem Bruderherz weinend um den Hals. „Du?“ schluchzte er: „Du befreist mich, und ich Elender hatte dich im Verdacht, du hättest mich verkauft? Ich kann dein Opfer nicht annehmen.“ Beschämt senkte Nepomuck den Blick zu Boden, keines Wortes mächtig. Gobelsperger aber, welchem der breitschultrige große Steinbacher besser gefiel, als der andre, packte ohne Umstände den Beuermer beim Kragen, und schuckte*) ihn zur Thür hinaus, indem er rief: „Muttersöhnchen, mach‘ daß du heim kommst, eh’ die Suppen kalt wird. Bin selber froh, daß ich deiner ledig gehe, du katzenjämmerliche Schneiderseele.“ Da sprang der Beuermer davon, wie von sieben Hatzrüden verfolgt. Zum Steinbacher aber sprach der Werber: „Nun mein lieber Niemandeles Ueberallundnirgends, welcher du da kommst aus dem Lande so nicht dein, hast du den Weg nach Trippstrill nicht finden können? Desto besser für dich. Dem Soldaten gehört die Welt, besonders wenn er ein weißes Röckel trägt. Mach‘ nur kein so trübseliges Gesicht, das ziemt sich nicht für einen, der alle Tage Gefreiter werden *) Schucken. stoßen. kann. Komm’, wir haben doch gestern einen Affen heimgetragen, ich seh’s an deinen rothen Augen; da taugt nix besser, als Hundshaar’ auslegen. Heut heißt’s noch im Waldhorn: schnapp’ auf und schnapp’ nieder, sauf’ aus und klopf’ wieder! Morgen gehts rumdibum hinter dem Kalbfell her.“ — — So ist der Steinbacher ein Soldat geworden. Er und Sie. G r o ß e R o m a n z e. Es waren einmal Sie und Er, Die liebten sich seit lange her; Er diente bei der Infanterie Und eine Näh-Mamsell war Sie. Und eine Näh-Mamsell war Sie, Der manchen Reiz Natur verlieh, Ein schmucker Bursche war auch Er In Ober- und in Unterg’wehr. Bild 2 In Ober- und in Unterg’wehr Einst durch die Straß’ marschirte Er, Es war des Sonntags in der Früh Da stand am Fenster grüßend Sie. Da stand am Fenster grüßend Sie So schön wie Er sie sah noch nie, Nie fühlte solche Liebe Er, Als jetzt sein Herz entflammte sehr! Als jetzt sein Herz entflammte sehr Bracht’ ihm zu nah die Büchse Er, — Geladen scharf war leider sie, — Der Schuß ging los — er wußt nicht wie! — Der Schuß ging los — er wußt nicht wie, Traf in den rechten Aermel Sie!! Sie schrie. „Er kann mich schießen — Er?“ Und stürzte sich in ihre Scheer’. Bild 3 Sie stürzte sich in ihre Scheer’, Da zog den scharfen Säbel Er, Stieß ihn ins Herz sich bis ans Knie, So starben elend Er und Sie! So starben elend Sie und Er. O Mädchen, nehmt es Euch zur Lehr: Wollt Ihr nicht geschossen sein wie Sie Gebt mit der Lieb’ Euch keine Müh’. Gebt mit der Lieb Euch keine Müh’ Und thut sich’s ja nicht ohne sie, So wählt — ich warn’ Euch — Euern Er Nur ja nicht aus dem Militair! Der schöne Emil. Bild 4 „Mein Herr, so sehr Sie mir von der Frau Hofräthin empfohlen worden sind, deren sämmtliche Familie Sie nach Wunsch getroffen haben, so muß ich Sie doch aufmerksam machen auf die Eigenthümlichkeiten meines kleinen Engels.“ Portraitmaler. „Gnädige Frau, ich bin ganz Ohr.“ „Die Augen meines lieben Emils wollen Sie ums Kennen etwas blauer machen, die Stirne unmerklich höher, die Nase ein klein wenig kürzer, und übersehen Sie ja nicht den geistreichen Zug, der um seine Mundwinkel spielt, wenn er „Zuckerplätzchen“ spricht.“ Herr Petermann und sein Hund Tiras. Bild 5 Zimmerdressur; erste Lection. Vorkehrungen zur nöthigen Reinlichkeit. Bild 6 Zimmerdressur; zweite Lection. „Couche Tiras! couche, cou — che mei Hund!“ Bild 7 Zimmerdressur; dritte Lection. Studien mit dem Apportirholz. Tiras macht Fortschritte und apportirt das Holz bereits meisterhaft. Bild 8 Zimmerdressur; vierte Lection. Studien mit der Bratwurst. Tiras scheint die Vorstudien mit dem Apportirholze doch nicht recht aufgefaßt zu haben. Bild 9 Zimmerdressur; fünfte Lection. „Obs du gleich auslaßt, Tiras’chen, couche! — Teufelsviech! — Ich derschlag dich gleich, wann’s d’ Peitschen nit auslaßt.“ Bild 10 Erholung in den Freistunden. „s’ macht nix, Franzi, lasse sie den Hund nur gehn — a Hühnerhund, der nit stiehlt, wird sei Lebtag nix.“ Bild 11 Erholung in den Freistunden. Tiras macht Privat-Studien über die Behandlung des Haarwildes an der Perücke seines Herrn. Bild 12 Eintritt ins praktische Leben. Tiras scheint ausgezeichnet auf Hühner zu sein. (Schluß folgt.) Der Friedensstifter. Bild 13 „Seid einig! — gebt den Hader auf — ich rat’s Ench als guter Freund, haben thu’ ich so wie so nix davon.“ Skizzen aus Sachsen Nro. 1. S’ wird gewiß was Wichtiges verhandelt. Zu den frühern Landtagen wurden in Sachsen aus jeder Stadt Abgeordnete gewählt. Nun ist Rabenau bei Dresden auch eine Stadt, die Rabenauer behaupten es wenigstens, obgleich sich die Schuljugend auf dem Marktplatz im Grase herumwälzt, und Rabenau hatte also auch das Recht, einen Abgeordneten zum Landtag zu wählen. Der Kaufmann Mäder war ein „Luder,“ wie man im Wirthshaus sagte: der konnte also nicht gewählt werden. Der Müller? Das war erst ein „recchtes Luder“ — also auch nicht — den Schulmeister brauchte man — den Pastor auch — der Schmid war „auch ein Luder“ — und der alte reiche Ehrlich sagte nicht gern viel und fing lieber Forellen, als daß er sich ins Ständehaus setzen wollte. Jetzt war noch der Stadtrichter da, der war reich, geizig, und hielt auf Rabenau, als ob es Wien oder Berlin wäre; er hatte einmal in der Mühle beim Bier geäußert: „die Großen wären Luders,“ war also entschiedener Volksmann, zudem war ihm in der letzten Zeit ein ausgeschlachtetes Schwein gestohlen worden, ohne daß man die Diebe entdeckt hatte: dies Alles wirkte zusammen und — er ward gewählt, mit drei Thaler Diäten des Tages. Jeder andere hätte sich nun in Dresden ein Zimmer gemiethet, hätte gefrühstückt, wäre ins Ständehaus gegangen, Bild 14 hätte dann auf der Terrasse gespeist, das Theater besucht u. s. w. Aber der Stadtrichter von Rabenau war nicht der Mann zu solchen Ausschweifungen. Ein tüchtiges Butterbrod in der Tasche und die Stiefeln am Stock auf dem Rücken, marschirte der wackre Volksvertreter alle Morgen die drei Stunden nach Dresden hinein, und Abends wieder heraus. Wenn er drin ja Mittags essen mußte, so ging er lächelnd an der Terrasse vorüber und zum Gastwirth Mange. Da speiste man für fünfzehn Pfennige, zwar unter Schiffern und Steinmetzen, aber was kümmerte sich der Magen darum, wenn der nur gefüllt war. Der Stadtrichter war auch eines Tages muthig hineinmarschirt, die Hosen hinaufgeschlagen bis ans Knie, denn es hatte tüchtig geregnet und war sehr schmutzig; durch Nebengäßchen und Durchgänge war er glücklich bis ins Ständehaus gekommen, und zog nun, wie alle Morgen, hinter der Bild 15 Thüre seine Strümpfe und Stiefeln an. Hierauf langte er eine Bürste aus der Rocktasche und entfernte alle Schmutzflecke sorgfältig von Rock und Hosen: dann fuhr er mit derselben Bürste einigemal durch die Haare und stand nun da, glänzend wie nur ein Volksvertreter dastehen kann. Nachdem auch der Hut einigen Strich erhalten hatte, nahm er denselben auf den Rücken, und ging stolz beim Portier vorbei, der ihm das Vorzimmer zum Sitzungssaal öffnete. Hier blieb er aber Bild 16 wie eingewurzelt stehen, denn es bot sich ihm ein Anblick dar, der ihn vor Erstaunen sprachlos machte. Es hatten nämlich sämmtliche Abgeordnete ihre Ueberschuhe hier abgezogen, und von Ueberschuhen hatte der Stadtrichter von Rabenau bisher noch keine Ahnung. Der Verblüffte glaubte daher nichts Anderes, als die Abgeordneten hätten ihre Schuhe ausgezogen und verhandelten in Strümpfen. Nachdem er etwas hin- und hergesonnen, leuchtete plötzlich sein Gesicht auf, und er äußerte pfiffig: „‘s wird gewiß was Wichtiges verhandelt!“ Ruhig setzte er sich auf einen Stuhl und zog seine Stiefeln aus, die er neben die Thür stellte; dann öffnete er die großen Flügelthüren und schlich leise, leise auf den Zehen hinein in den Sitzungssaal. Der Redner, welcher so eben sprach, ward durch das Geräusch der Thüre etwas gestört, drehte sich nach dem Eintretenden um; statt aber in seiner Rede fortzufahren, brach er in ein lautes Lachen aus, welches die Versammlung in großes Erstaunen versetzte. Als aber die Blicke Aller denen des Redners folgten, so brach von Gallerie und Saal ein solches Gelächter los, das Fenster und Kronleuchter zitterten. Bild 17 Wer hätte auch nicht lachen sollen über den armen Stadtrichter, der da stand ein Bild des Schreckens und der Verwunderung, die Füße seiner Herrn Collegen anstarrend, an denen er statt der Strümpfe glänzend-schwarze Stiefeln erblickte. Plötzlich drehte er um, und hinaus stürmte er, die Flügelthüren mit donnerndem Krachen zuschlagend; beim Portier vorbei flog er die Treppe hinab, dieser ihm nach, denn er hatte ihn nicht erkannt, und glaubte, es sei Einer, der ein paar Stiefeln ausführen wolle: als er aber seinen Irrthum einsah, ließ er ihn laufen. Fort lief der Volksvertreter, und nicht einmal seine Strümpf zog er aus, bis er sich in Rabenau aufs Canapee warf und sagte: „Da muß der Teufel drinn sitzen.“ Klug genug war er, um Niemanden ein Wort von der ganzen Geschichte zu sagen, aber ein Unglück kömmt selten allein. Meister Eger der Schmid war auf der Gallerie gewesen und brachte die Mähr mit nach Rabenau, und als am Sonntag der Stadtrichter mit dem Pfarrer, Schulmeister und Kaufmann im Wirthshaus beim Spielchen saß, und das junge muthwillige Volk plötzlich leise, leise in Strümpfen zur Thür hereinschlich, da wurde er blaß und drückte sich durch die andere Thür hinaus unter dem Gelächter der Rabenauer. Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten; der Landtag hat dem Stadtrichter zwei schöne Felder, vier Kühe und einen neuen Schubkarren eingebracht. Der Doctor-Kutscher. Bild 18 Jäger. „Sie, ist der Herr Doktor zu Hause?“ Kutscher. „Nein, jetzt gerade nicht; wollen Sie ihm vielleicht etwas?“ Jäger. „Ja, er soll schnell zur Frau Gräfin Blanz kommen!“ Kutscher. „Was fehlt ihr denn?“ Jäger. „Ja das weiß ich nicht!“ Kutscher. „Nun, es macht nix; thun’s ihr nur einstweilen Aderlassen, der Frau Gräfin; nachher kommen wir schon selber.“ — Das Bettelkind. Bild 19 Bettelkind. „A Groschn, Sie a Groschn!“ Gast. „Ich habe keinen Groschen; kannst du mir vielleicht einen Kronthaler wechseln?“ Bettelkind. „Oja, zu dienen; wünschens die Münz in Sechsern, Vierundzwanzigern oder sonst was?“ — Jokele stand uf. Bild 20 „Jokele! stand uf,’s taget und die Spatze murret scho!“ „O laß sie murre, die hend gar gloine Göpf und könnet leicht verwache.“ Bild 21 „Jokele! stand uf, d’ Sunn’ het se scho g’strählet, und d’ Wageln fahret über de Bruck.“ „O laß se fahre, die hend gar weit na hoim.“ Bild 22 „Jokele! stand uf, d’ Supp stoht ufem Tisch.“ „Tusig sapperlott! — wo ischt mi großer Löffel?! — === FB10-0225 Bild 1 Eine Magistratssitzung in Rathhausen. (Der Präsident eröffnet die Kammer um 3 Uhr Nachmittags.) Präsident. Ich erkläre die Sitzung für begonnen, und bitte den Herrn Secretär Federhalter das Protokoll der vorigen Sitzung vorzulesen. Secretär liest. — — Präsident. Hat Niemand Etwas gegen das so eben verlesene Protokoll einzuwenden? Stimmen. Nein, nein!! Präsident. So gehe ich also zur heutigen Tages-Ordnung über. Referent liest die Tages-Ordnung in Betreff der Verwendung der für die vom jüngsten Brand-Unglücke betroffenen Bürger der beiden Vorstädte eingegangenen 7500 fl. 13 ½ kr. vor. — Präsident nimmt hierauf das Wort: Meine verehrtesten Herrn Collegas! Sie haben Alle mit höchsteigenen Augen, und gewiß mit Schmerz die fürchterlichen Verheerungen anzusehen Gelegenheit gehabt, welche kürzlich zwei unserer blühendsten Vorstädte heimgesucht haben. Meine Herrn, der Handel, das Gewerbe, die Kunst, Alles hat durch diesen Brand eine Stockung erlitten, beispiellos in den Annalen unserer innern Geschichte! Abgesehen von dem im Verhältnisse zur Größe der Brandstätte nur sehr geringen Verluste an Menschenleben, denn wir zählen glücklicherweise nur sieben und zwanzig Leichen, ist besonders der Verlust an Hausthieren, sowie an Wohnhäusern jeder Art, um so mehr schrecklich und bedauerungswürdig, als dadurch nach geringer Schätzung beiläufig 2567 Menschen an den Bettelstab gebracht worden sind! (Stimmen. Sehr gut, sehr gut!) Meine Herrn, der Gräuel der Verwüstung, der zum Himmel steigende Schrei um Erbarmen so vieler Armen, mußte das Mitleid in uns Allen rege machen, und so ist es auch kein Wunder, daß Uns alsbald von mildthätigen, wohlbekannten Händen 7500 fl. 13 ½ kr. zur Verwendung entgegenströmten! Meine Herrn, eine zweckmäßige Verwendung dieser Gelder ist um so mehr von Nöthen, als das Schicksal keinen Stand geschont, die Reichen den Armen gleich gemacht, und beide gleich stark heimgesucht hat. Es kann Uns, meine theuern Herrn Collegen, gar nicht gleichgültig sein, wie dieses Geld am Vernünftigsten anzulegen sei; daher bitte ich die hohe Versammlung, der ich vorzustehen die Ehre habe, nach reiflicher Ueberlegung mir ihr geneigtes Urtheil abgeben zu wollen, und mache daher diesen Gegenstand zur speziellen Tages-Frage für die heutige Sitzung! Herr Magistrats-Mitglied Kreppelmaier, Stellwagenbesitzer, nimmt das Wort: Meine Herrn. Der so schöne Vortrag des Herrn Präsidenten, welcher mich insbesondere zu Thränen gerührt hat, bringt mich auf die Idee, daß vor allem jedwedigen Urtheile es wohl auf die Fällung desselben von gutem Einflusse sein möchte, wenn sich der wohllöbliche Magistrat in höchst eigener Person auf die Brandstätte begeben würde, um an Ort und Stelle eine bessere Einsicht in die ganze Sachlage zu erlangen! Ich stelle den verehrlichen Mitgliedern der Versammlung gerne einen meiner Wagen gegen mäßige Vergütung zur Disposition! (Stimmen. Bravo, bravo!) (Dieser Vorschlag wird allgemein angenommen, und der Magistrat beschließt, denselben sogleich in Ausführung zu bringen; die Sitzung wird also bis 8 ½ Uhr Abends aufgeschoben.) (8 ½ Uhr Abends. Die Herrn Magisträte haben sich allmählig wieder eingefunden und die Sitzung kann gegen 9 Uhr wieder begonnen werden.) Bild 2 Maurermeister Ziegelstein, Magistrat-Mitglied, hat das Wort. Das innigste Gefühl des Mitleidens bewegt mich, Herren Collegas, zur Verhütung ähnlicher Schreckens-Ereignisse in Vorschlag zu bringen, der geehrte Magistrat, dessen Mitglied zu sein ich mir schmeichle, möge beschließen, daß nunmehr die neu zu errichtenden Wohnhäuser gänzlich aus Stein und Mauerwerk, und nicht mehr wie früher aus Holz erbauet werden mögen! Nur auf diese Art wird es den Menschen eine Möglich keit sein, eine Hemmung des so vielfältigen Uebels der Feuersgefahr in größeren Städten zu Stande zu bringen. Ich habe gesprochen. Bild 3 Magistrats-Mitglied Baumläufer, bürgerlicher Holzhändler, spricht: Ich stimme der Ansicht meines geehrten Vorgängers nicht bei! Er hat bei seiner sonst so trefflichen Rede wohl nicht in Rechnung gebracht, daß die eingegangenen 7500 fl. 13 ½ kr. nicht ausreichen würden, wenn die fraglichen Wohnhäuser ganz aus Stein, statt wie früher aus Holz errichtet werden müßten, und so dürfte also sein sonst ganz uneigennütziger Gedanke und Vorschlag wohl kaum der Ausführung möglich zu halten sein. (Stimmen. Oh, oh, sehr wahr!) Bild 4 Magistrats-Mitglied Rutschblech, realer Schornsteinfeger, nimmt das Wort. Meine Herrn! Sie haben es nur der mit der größten Lebensgefahr verbundenen menschenfreundlichen, uneigennützigen Aufopferung der wohllöblichen Schornsteinfeger-Zunft zu verdanken, daß das Brand-Unglück nicht noch weiter um sich gegriffen hat. Ich schlage daher vor, dieser Zunft eine Auszeichnung in der Art zu übermachen, daß eine gewirkte Fahne (Schreien; gehört nicht zur Sache: Schluß, Schluß etc. unterbricht den Redner, und er sieht sich genöthigt, die Bühne zu verlassen.) Bild 5 Stadtpfarrer Seelig erhält das Wort. Geliebte Brüder und Collegen! Vor allen Dingen möchte uns wohl die christliche Nächstenliebe bewegen, zunächst den höhern Gefühlen, welche heute unsere Brust bedrängen, freien Lauf zu lassen, und zwar in so fern, daß wir dem Allmächtigen unsere Danksagungen darbrächten, daß er das Unglück, welches unsere armen Mitbürger der beiden Vorstädte getroffen, von der Hauptstadt selbst abgewandt habe, allwo die Verheerungen die reichere Klasse der Bevölkerung treffen, und so eine noch größere Lücke in den Besitz des Einzelnen schlagen hätte können. Ich stimme daher dafür, einen Theil der eingegangenen 7500 fl. 13 ½ kr. für ein *Te Deum, sowie für Seelenmessen für die armen Verunglückten zu verwenden! (Heiterkeit und Gemurmel.) Bild 6 Steinmetz Rüssel, Magistrats-Mitglied hat das Wort. Meine Herrn! Erlauben Sie mir, auch mein geringes Scherflein in die Wagschaale der Vernunft einzulegen, Sie mit einem Vorschlage bekannt zu machen, den mir nur das Mitgefühl eingegeben, welcher nicht allein die jetzige Welt, sondern auch unsere Kindeskinder mit Dank erfüllen wird. (Hört! Hört! bst! bst!) Mein Vorschlag geht dahin, die eingegangeneu 7500 fl. 13 ½ kr. so zu verwenden, daß auf hiesigem Marktplatze ein monumentaler Obelisk in Stein errichtet werde, auf welchem die Namen sämmtlicher mildthätigen Geber in erhabener Schrift aufgetragen, und so der dankbaren Nachwelt überliefert würden! Diesem Monument wird der ewige Zeuge des Gefühles bleiben, welches uns in solch trauriger Stunde bewegt hat! (Stimmen. Sehr gut, wohl gesprochen, stille sein etc.) Präsident. Ich bitte den verehrlichen Redner nicht zu unterbrechen! Redner fährt fort. Dieses Monument wird das Sprichwort erhärten: „Wo die Noth am größten, ist Hilfe am nächsten!“ Es wird ferner zeigen, daß wir unseres Zeitalters würdig, unserm Berufe treu geblieben sind. Ich zweifle keineswegs, daß meine verehrten Herrn Collegen bei ihren mir bekannten Gesinnungen meiner Ansicht vollkommen beistimmen werden, und schließe in dieser Hoffnung meinen Vortrag! (Dieser Vorschlag wird mit allgemeiner Stimmenmehrheit angenommen, unter dem Beifallklatschen der Anwesenden.) (Heiterkeit, freudige Stimmung und Äußerungen der Genugthuung unterbrechen die Sitzung eine geraume Zeit lang, bis die Glocke des Präsidenten die Anwesenden zur Ordnung ruft, um das inzwischen gefertigte Protokoll anzuhören.) Bild 7 Referent liest. „Und hat der wohllöbliche Magistrat „hiesiger Stadt in der Sitzung vom 25ten *hujus mit allgemei- „ner Stimmenmehrheit beschlossen, die von mildtätigen Händen „zur Unterstützung hiesiger, vom Brand-Unglücke betroffener „Bürger der beiden Vorstädte eingegangenen 7500 fl. 13 ½ kr. „dahin verwenden zu wollen, daß auf hiesigem Marktplatze ein „monumentaler Obelisk, in Stein ausgeführt, errichtet werde, „auf welchem die Namen der mildthätigen Geber in erhabener „Schrift aufgetragen und so der dankbaren Nachwelt überlie- „fert würden! Und ist der Steinmetz Herr Rüssel mit der „Anfertigung desselben beauftragt worden!“ So gegeben, Rathhausen am 25ten des Krebsmonats glorreichen Jahres 1849 nach Christi Geburt! (Folgen die Unterschriften.) Präsident. Hat Niemand an dem so eben verlesenen Protokolle Etwas auszusetzen? Bild 8 Herr Magistrats-Mitglied Rothschläger, Vergolder, hat das Wort. Ich möchte nur noch bemerken, daß es zweckmäßig sein dürfte, zwischen die Worte „erhabener Schrift,“ noch das Wörtchen „vergoldeter“ einzuschalten, um so das Aussehen des Monumentes näher zu bezeichnen. (Wird angenommen.) (Die Sitzung ist somit gegen 12 Uhr Mitternachts beendet.) v. Tots. Moderne Pietät. Bild 9 Erster Schüler. „Das war ja dein Vater, Heiligenstätter, und du hast ihn nicht einmal gegrüßt! wenn er dich gesehen!“ Zweiter Schüler. „Pah, der Reaktionär, der Ultramontane ist zu kurzsichtig, als daß er mich erkannt hätte.“ Erster Schüler. „Er ernährt dich aber doch!“ Zweiter Schüler. „Wenn dies nicht wäre, hätte ich auch schon lange mit ihm gebrochen.“ Die Schubfuhr. Bild 10 In dem Land Chinesien Da war ich schon darein gewesien; Wo man Thee trinkt anstatt Biere, Opium rauchet nach Willkühre. Bild 11 Autikrate ist der Kaiser, Der viel Weiber hat und Häuser; In Peking der Residenze Macht ich ihm mein Reverenze. Bild 12 Allda ward ich attrapiret, Von Gensdarmen fortgeführet Auf die hohe Polizeie, Und ich ward da nicht mehr freie. Bild 13 Und zu schmalen Kerkersbrocken Ward ich grausam eingestocken, In die Heimath provisorisch Fortgeschubt ganz kategorisch. Bild 14 Kaum war ich nun aus Chinesien, Packt mich ein Gensdarm von Schlesien; Vor dem Landrath hub ich an, Zu erzählen meine Bahn. Bild 15 Länger wurden seine Ohren, Staunend, wie ein Mensch geboren, Der so langen Schub erduldet, Und doch Alles unverschuldet. Bild 16 Freie hat er mich gesprochen; Schnell bin ich nach Haus gekrochen; Frug nach meinem Mädichen — Todt war sie gewesigen. Trinkspruch Bild 17 Es ist der Kopf ein Lustgezelt Darein drei Stühle sind gestellt: Das erste Glas tritt ein als Gast. Macht auf dem ersten Stuhle Rast; Das zweite Glas kommt hinterdrein Und nimmt den zweiten Stuhl sich ein; Wenn nun das dritte kommt zuletzt So sind die Stühle rings besetzt. Da kommt das Viert’ noch wie der Blitz Sieht um sich und sieht keinen Sitz; Und weil es doch nicht stehen kann, So fängt es einen Lärmen an, Zerrt an den andern hier und dort, Doch keins will räumen seinen Ort. Da balgen sie sich ritterlich Und werfen von den Stühlen sich; Und noch ein Glück ist’s, wenn das Zelt Nicht selbst mit über’n Haufen fällt. O. B. Teutsche Titulaturen. Bild 18 „Verzeihen Ew. Wohlgeboren!“ Illustrierte Anzeigen. Bild 19 Ein Zimmer in Rococogeschmack meublirt ist an Liebhaber dieses zu vermiethen. Bild 20 Eine freundliche Sommerwohnung mit Aussicht in’s Freie ist Freunden der Landluft bestens zu empfehlen. Bild 21 Ein Mädchen wird jederzeit in Bett und Schlafstelle genommen. Bild 22 Ein Logis, das nebst vielen andern Annehmlichkeiten auch das eines Bades im Hause darbietet, steht billig zu vermiethen. Bild 23 Bei ein paar stillen Leuten kann ein ruheliebender einzelner Herr gegen mäßige Vergütung Wohnung und Aufnahme finden. Bild 24 Zum Mitgebrauch einer geräumigen Stube wird ein Stubenbursche gesucht, der ein Bett besitzt. === FB10-0226 Der Teufel zu Saltaus. Eine wahre Begebenheit. Bild 1 Die werthen Leser kennen zweifelsohne die Stadt, oder wenn Sie schmeichelhaft sein wollen, das Städchen Meran im Etschlande. Wie Sie wissen, hat es beiläufig vor zwanzig Jahren Lewald, damals noch nicht „Europa“-müde, entdeckt und der Beachtung der gebildeten Welt anempfohlen.Seitdem mit einem zahlreichen Zuspruche von hohen und höchsten Herrschaften, löblichem Militär und verehrlichem Publikum beglückt, ist es diesem anspruchslosen Orte, durch seine Eigenschaften und Talente gelungen, die Wahrheit der Behauptungen des Herrn Lewald besser zu rechtfertigen, als diesem solches an andern Stellen seines Reisehandbuches möglich werden dürfte. Daß es an Besuchern nicht gebrach, welche kurzab — manchmal schon nach einem halbtägigen Aufenthalte — die gute Stadt unausstehlich und tödtlich langweilig fanden, darf deshalb nicht befremden, denn nicht Jedem ist es gegeben, in ihrer stillen Reize Spur einzulenken. — Nicht jede Gemüthsart kann die Natur ewig jung und ewig schön finden, auch wenn es regnet, nicht jeder Magen versöhnt sich mit dem Küchenzettel altrhätischer Table d’hotes, nicht jede Phantasie erfaßt die blaue Romantik einer Burgeinsamkeit, getheilt mit blöckenden und grunzenden Insassen, nicht jeder Geist beruhigt sich mit einer Dominopartie im Cafe Paris. Am wenigsten faßt es aber ein solcher Fremdling, welch geheimnißvoller Zauber in der Atmosphäre webt, die ihm kleinstädtisch-nebeldicht und einfaltsqualmig erscheint, und niemals lernt er die Worte begreifen, die an solchen Stellen der Erde, wo Genügsamkeit und Friede ihre Hütten bauten, das Erscheinen einer Neuigkeit, — ein frischangekommener Gesprächstoff allen darbietet, die noch ein unverdorbenes, von den Genüssen der großen Welt nicht blasirtes Gemüth im Busen tragen. Wenn nicht unter den Lesern — doch unter den Leserinnen dieser Blätter fehlt es aber sicher nicht an solchen, für reine einfache Genüsse empfänglichen Seelen, und diesen dürfen wir es überlassen, sich selbst die bewegte, gehobene Stimmung auszumalen, mit welcher die Bewohner von Meran die neueste Neuigkeit aufnahmen, die sich im Anfange des laufenden Jahres plötzlich in und außer den Mauern ihrer Stadt allgemein verbreitete. Der Anklang und die Theilnahme, die sie fand, war vollkommen gerechtfertigt, — die Neuigkeit entsprach dem Verstand der Verständigeh und der Einfalt der kindlichen Gemüther. Jedermann erzählte sich darum im Vertrauen und öffentlich diese Mähre, sie lautet kurz: „Der Teufel ist in Saltaus.“ Saltaus heißt aber das einsame Wirthshaus in der Eingangsschlucht des Passeierthales, zwei Stunden von Meran und — der Teufel war hier nicht metaphorisch, sondern in seiner eigensten Persönlichkeit verstanden. Eine Nachricht wie diese, mochte für den Augenblick überraschen, — aber sicher Niemanden befremden. Nachdem im Jahre 1848 in Tirol die neueste Innsbruckerzeitung erschienen war, konnte im Jahre 49 nur mehr der Teufel erscheinen. Ehe sich die Meinungen und Vermuthungen über diesen immerhin bedenklichen Besuch in der Nachbarschaft sichten und feststellen konnten, trafen bereits mit jeder Schmalzträgerin und sonstigen glaubwürdigen Botschaftern Einzelheiten und Ergänzungen über das Auftreten und die Anwesenheit des Gastes zu Saltaus ein, und alsbald vermochte ein eifriger Sammler und kritisch vorgehender Geschichtsforscher folgende Daten zusammenzustellen. In dem genannten Wirthshause pflegte es sich häufig zu begeben, daß Abends, manchmal auch unter Tags, was eben an müssigen Mannsleuten vorhanden war, Gäste und Hausgenossen, sich mit Kartenspielen die Zeit abkürzte. Die Zeit ist in Saltaus vielleicht länger als auderswo. Der alte Schildhof, eine kühle Sommerfrische und Ruhstätte emsiger Jagdfreunde, für welche etwas nebenher ein schmuckes Schenkmädchen als Haiderröslein blühen mochte, — hat auch seine melancholischen Stunden. Seine Tannenschatten machen es dann in Haus und Stube finstrer, als es überhaupt in dieser Zone zu sein pflegt, die unstäte Passer schlürft träge durchs öde Geröll, auch der kargbemessne Antheil am Himmel, ober der Thalenge sichtbar, zieht sich nicht selten hinter allerlei Gewölk zurück und die Annehmlichkeit der Ortes beschränkt sich auf das Innere der Herberge. Die Leiter des Hotels versäumen zwar nie, die *P. T. Gäste, welche sie mit ihrem Zuspruch beehrten, zufrieden zu stellen, — in Wein und noch mehr in beliebten geistigen Getränken, in blauem Käse und nicht selten in Bockfleisch wurden Struzzer und Prügeltreiber, Viehmäkler, Holzschachrer und patriotische Wallfahrer nach Hofers Haus gut bedient. Jedoch das ermüdende Gleichmaaß der Tage, besonders wenn sie 24 Stunden lang sind, und mit Nichtsthun hingebracht werden müssen, kürzt sich unmöglich mit Essen und Trinken allein. Journale liegen in Saltaus nicht auf. Wir zweifeln, daß der Tirolerbote die Leere der Saltausischen schwarzen Stunden aufzufüllen berufen sei. Somit bleiben nur die Karten übrig, um die Schwermuth des Ortes mit Fassung zu tragen, und ein wohlgeordnetes Giltspiel, Geramse oder Berlocken kräftigt die mattgerungenen Seelen einzelner Wandrer und der Insassen an langen Winterabenden und noch längern Feiertagsnachmittagen. So spielten denn die Knechtlein und die Schenkgäste in Saltaus „ihren drittzigen Hanger“ und wie sonst die feinen Wendungen und Vorkommnisse im edlen Gilter, — dem Nationalkartenspiele der Tiroler, heißen, tagtäglich mit vielem Eifer ab, gingen immer mit größerer Lust an dies Geschäft, saßen unermüdlich stundenlange hinterm Tisch am Ofen und kannten endlich keinen andern Trost mehr, als ihr allabendliches Gilten. Dabei sollen sie auch in’s Wagen und Hasardiren hineingerathen sein und etliche erpichte Spielbrüder sollen zuletzt ein ganz besonders vierblättriges Kleeblättlein abgegeben haben, bei dessen Vergnüglichkeit es „wohl rauch“ hergegangen sei. Diese Genossensame, welche den Schildhof in Passeier beinahe in die Lage brachte, gleich den übrigen Spielhöhlen Deutschlands trotz Reichsgewalt und Parlamentsbeschluß fortzubestehen, saß eines kühlen Abends zwischen Dreikönig, und Lichtmeß bei den gewohnten bunten Papieren, von etlichen Zusehern umstellt, und war eben im besten Zuge, als mitten im Publikum ein neuer Zuwachs der Schaulustigen bemerkbar wurde in Gestalt eines Mannes, dessen Eintritt in die Stube Niemand wahrgenommen hatte. Fürs erste sahen alle nach den Karten auf dem Tische und in den Händen, oder auf das treffliche Mienenspiel, womit die Spielgenossen ihren Gespannen Wink und Zeichen geben, was sie halten oder bieten sollen; weiters mochte es auch kaum zu hören sein, daß Jemand in die Stube kam, weil das Spiel nur dann von Kundigen als gediegen durchgeführt betrachtet wird, wenn man ob dem Zurufen, Trumpfaufschlagen und Gegenschreien der Giltenden sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Der also geräuschlos eingeführte Gast war einmal für Alle ein gänzlich Unbekannter, obschon im Uebrigen des Ungewöhnlichen nichts an ihm sich spüren ließ. Er sah eben aus wie ein Schütz oder Jägersmann, hatte auch seinen Stutzen bereits an einen Wandnagel gehängt, und den Büchsenranzen, in dessen Riemen seine Arme gekreuzt lagen, bequemlich über den Bauch vorgezogen, während unter dem Hutrand eben noch so viel Nase, dünner Schnurrbart und spitzs Kinn sichtbar wurden, um vom Dampf einer kurzen Pfeife wieder stellenweise ganz verhüllt zu werden. Die Saltauser meinten einfach, einen der sogenannten Landesschützen vor sich zu haben, wie sie in letzerer Zeit seit dem wälschen Gränzrummel nicht ungern durchs Land strolchen und wohl auch mit mehr Tapferkeit und Ausdauer von Haus zu Haus fechten, als sie es gegen Piemontesen und Kreuzfahrer für nothwendig gefunden hätten. Trug der Mann doch den Lodenrock mit grünem Kragen und am Spitzhut allerlei Kokarden, Federbüschel und abgeblaßte deutsche Bändlein, kurz den ganzen Aufzugn der den Trientinern an der germanischen Gemsenwacht so wenig gefallen, von welcher sie obendrein schmählich logen, sie habe in Wälschtirol schier alle Hunde gestohlen und die kupfernen Wassereimer italischer Mägde vom Brunnen weg geholt, ohne vorher dies Verfahren durch eine Proklamation zu rechtfertigen. Der fremde Jäger verrieth alsbald eine warme Theilnahme an der Unterhaltung in der Wirthsstube zu Saltaus, schob sich so nah als thunlich an den Tisch, spähte emsig nach allen vier Akteuren des Spieles und ihren sehenswerthen Gebärden und Ausruferkünsten, und faßte zuletzt auf drr Ofenbank neben dem Matador derselben Platz. Darauf ließ er sich ein Glas Schnaps vorsetzen, drückte den brennenden Tabak in seinem Nasenwärmer fester an und qualmte unter behaglichem Schmatzen einen neuen Nimbus um sein Haupt, das er in die Hand des weit im Tische vorgereckten Armes legte, als einer, der sich’s mit Ernst und Verstand bequem macht. Man konnte ihm anmerken, daß er nicht so bald seinen Posten zu verlassen willen war. Bild 2 Seitdem aber dieser eifrige Zuseher sich ihnen beigesellt hatte, verspürten die Spielenden selbst einen neuen Sporn und Reiz zu ihrer Beschäftigung, und sie mußten sich überdies gestehen, daß sich nicht bald das Spiel so höchlich an regend und pikant, so reich an Finten, Pfiffen und seltenen Zusammentreffen der feinsten Kartenlagen und Kreuzungen gefügt und geschickt habe. Ein jeder war überzeugt, er habe noch nie so aushältig gute Karten bekommen und nicht oft so ganz aus dem Ausbund gespielt. Deßhalb immer größere Lust und Rührigkeit, immer lauteres Getöse und Gelächter, stets wachsender Geldsatz, rascherer Wechsel im Gewinn und Verlust, kurz ein gewaltiger Spaß und Rumor, bis es spät und später wurde, die Hausleute allmählig schlafen gingen, die Uhr Niemand mehr schlagen hörte, kein Mensch das Licht putzte, zum Schluß ohne es zu beachten die vier Spieler und der zusehende Schütz alleine dasaßen, und gerade als es zwölf Uhr schlug, einer aus ihnen zufällig eine Karte unter den Tisch fallen ließ. Der sagte „Mit Verlaub,“ faßte das Licht und zündete damit auf den Boden, das entfallne Kartenblatt zu suchen, brachte es auch über eine Weile herauf, zugleich aber ein ganz anderes Gesicht, — nicht mehr das rothglühende eines erhitzten, fröhlichen Spielbruders — sondern das käsebleiche, langgezogne, angsterstarrte eines zum Tod erschrocknen Menschen. Er warf darnach auch seine Karte ganz verkehrt und verwirrt in’s Spiel, brachte kaum einen Laut mehr aus der Kehle, übersah alle Winke seines Partners, und gebärdete sich, als hätte er erst in dieser Stunde Herz und Laub, Siebner und Aß unterscheiden gelernt. Sein Nachbar stieß ihm deshalb gar bald den Ellenbogen an die Rippen und schalt: „Ja wie, Zoch, was treibst du? Bist du verhext oder blind und taub, du thust ja Alles verkehrt wie der Eulenspiegel das Roß aufzäumt?“ Mit blauen Lippen und einem scheuen Blick nach der Ecke, wo der Jäger kauerte, raunte hinwieder der Gescholtne dem Kameraden zu — „Gib Ruh, Much!*) wir sind alle hin, — der dort drüben huckt ist —“ „Der Teufel.“ — das Wort hatte nicht der erschreckte Spieler, sondern der zusehende Waidmann ausgerufen, — wahrscheinlich weil eben sein nächster Nachbar einen entscheidenden Trumpf geworfen. *) Michael. (Schluß folgt). Herr Petermann und sein Hund Tiras. (Schluß). Bild 3 Nachdem Herr Petermann sich mit der durchaus jagdunkundigen Besitzerin der ersten Beute abgefunden hat, ist er genötigt, der jugendlichen Thatluft seines Tiras einige Schranken zu setzen, Bild 4 was zu neuen Conflicten und Erfahrungen führt. Tiras beurkundet seinen Haß gegen Raubthiere, Bild 5 zieht sich jedoch in Anbetracht der physischen Stärke und Uebermacht einer Viehheerde zu seinem Herrn zurück. Bild 6 Herr Petermann hält eine natürliche Stellung seines Hundes für „Stehen auf Hühner“ und beeilt sich, näher zu kommen. Bild 7 Studien in der höhern Jagd. Bild 8 Herr Petermann ist genöthigt, den übergroßen Eifer seines Tiras mit den Korallen zu bändigen. Tiras beurkundet eigenthümliche Ansichten über das Jagdgesetz und verweigert die Herausgabe des von ihm gejagten Wildes. Bild 9 Herr Petermann stößt abermals und zwar auf handgreifliche Auslegungen des Jagdgesetzes. Meister Reinecke benützt eine augenblickliche Abhaltung des Herrn Petermann, wird aber von Tiras allen Hindernissen trotzend verfolgt. Bild 10 Tiras macht sein erstes und letztes Meisterstück, er apportirt seinen Herrn. Bild 11 Ende des berühmten Hundes Tiras. Herrn Petermanns erster Schuß trifft seinen mühselig dressirten Jagdgefährten. Auch ein Waffenstillstand. Bild 11 1. Wer steht dort auf der Zinne, die Stirne trüb und kraus, Und schaut mit finstren Blicken in’s deutsche Land hinaus? Er steht in tiefem Sinnen, greift bald nach seinem Schwert, Bald hält die Faust er drohend dem Osten zugekehrt! Von seinem Haupte leuchtet weithin die gold’ne Kron’ — Sie mag ihm heute dünken wie schneidend bittrer Hohn! Von seinen Schultern wallet ein goldner Mantel weit — Wie mag ihn heute drücken dies goldne Ehrenkleid! Das ist ein deutscher Kaiser! Ein ächter deutscher Held, Er ist der Fürsten Erster wohl in der ganzen Welt — Und heute hat Tribut er den Hunnen zugesagt Und hat der deutschen Ehre die Schmach zu thun gewagt! 2. Neun Jahre sind verflossen im raschen Lauf der Zeit, Und wieder schaut der Kaiser hin auf die Lande weit; Es glänzt sein klares Auge, er hat die Hand am Schwert, Das blinkt im Sonnenglanze dem Osten zugekehrt! Viel tausend Männer blicken vertrauend zu ihm auf, Viel tausend deutsche Helden, bereit zum Siegeslauf. Sie tummeln ihre Rosse, sie schwingen Schwert und Speer — Heut gilt es zu vernichten der Hunnen zahllos Heer. Heut soll der Hunne büßen den frechen Uebermuth, Er soll den Frevel sühnen mit seinem besten Blut! Heut gilt es zu beweisen, daß mackellos und rein Noch Deutschlands Ehre strahlet mit ungetrübtem Schein! — Und von dem blutigen Felde, von Leichen unzählbar, Schwang sich im Siegesjubel der stolze deutsche Aar! Weit fliegt die Siegeskunde, bis in das fernste Land: Wie Deutschland weiß zu wahren der Ehre heilig Pfand! Papierschnitzeln. 7. Dankbarkeit. Sein vieles Gold vermachte Veit Dem Armenhaus und starb darauf, Und dieses nahm, aus Dankbarkeit Nun seine sieben Kinder auf. 8. Erster Arzt. „Was rathen Sie nun, Herr Collega? Ich habe Alles probirt, selbst Arsenik, der Krebs weicht um keinen Schritt.“ Zweiter Arzt. „Ich würde sogleich operirt haben. Schneiden Sie Alles weg, im schlimmsten Falle stirbt der Patient während der Operation.“ Erster Arzt. „Sie haben gut reden. Das können Sie im Lazareth thun; da heißt es Numero so und so viel ist gestorben, Punktum! kein Hahn kräht darnach. Aber in der Privatpraxis, da bekommt man die ganze Sippschaft auf den Hals, besonders wenn keine lachenden Erben da sind.“ 9. Offenherzige Frage. Bauer. „Na, Se meene werklich, daß ich Recht behalte, Herr Gerichtsdirektor?“ Advokat. „Gewiß, guter Freund, mach’ er’s nur so, wie ich ihm gerathen habe.“ Bauer. „Schon gut; aber was kriegen Se nu vor Ihren Rath?“ Advokat. „3 fl. 16 kr.“ Bauer (zahlend). „Hier is’s Geld! mer sind quitt; aber nu sagen Se mir doch ehrlich, ob ich Ihr’n Rath folge soll!“ 10. „Was ist die Ursache der Arretirung des Taglöhners Hammelmaier?“ „Derselbe wurde heute Vormittags, unter dem Vorwande, das er Arbeit suche, auf offener Straße betreten.“ 11. Das schlechte Metier. „Bester Herr — bitte um eine Kleinigkeit!“ — „Aber schämt er sich denn gar nicht, Mensch? — jetzt mitten in der Erndte, wo nicht Hände genug geschafft werden können, Er, ein großer, starker, gesunder Kerl, zu betteln — pfui, in die Seele hinein müßte er erröthen, wenn er nur so viel Ehrgefühl im Leibe hätte.“ „Ach lieber bester Herr — Sie haben wohl gut von Arbeiten reden,’s arbeitet sich aber schlecht, wenn’s Mehtje ganz darniederliegt — es hat reineweg ufgehört.“ „Aufgehört? was hat er denn für ein Metier, — was ist er denn?“ „Iche? — en Schneeschipper, lieber Herr.“ 12. Sohn. „Mache doch, daß du auch einmal zu einer höheren Rangstufe gelangst!“ — Vater. „Warum, mein lieber August?“ Sohn. „Um Schluß des Semesters werden an unserem Gymnasium Ehrenpreise verteilt. Deren erhalten aber immer nur die Söhne der Minister, Präsidenten, Hofräthe, des Bürgermeisters und dergleichen. Würdest du avanciren, so hätte ich doch auch Aussicht auf einen Preis!!“ — 13. Bruder Danziger. „Höre nur: da haben sie jetzt den Bruder Bolhuber, weil er jefochten hat, in seine Heimath jeschoben; und es heißt doch im Gesetze: Niemand soll seinem ordentlichen Richter entzogen werden.“ Bruder Nassauer. „Ich denke mir halt die Sache so: der Bruder Bolhuber war ein herjelaufener Junge, der nur Jesellschaften liebte, und sich deßhalb immer fremd machte; und mit einem solchen mag sich ein ordentlicher Richter jar nicht abjeben.“ Sprichwort. *De gustibus non est disputandum. === FB10-0227 Bild 1 Der Teufel zu Saltaus. (Schluß.) Alle vier Spieler aber wurden von dem Ausrufe, — — es war der erste, den der Fremde gethan — bis in die innerste Seele hinein getroffen und geschüttelt, sahen einander zugleich mit verglasten Augen an und schlugen einhellig ein rasches Kreuz. Die Stimme des Schützen hatte einen Ton, wie sie alle niemals gehört zu haben meinten. Es stach sie eiskalt durch die Ohren und brannte sie zugleich bis in die Fingerspitzen. Der Kartenverlierer wußte aber nun, daß er sich nicht geirrt, als er vorhin, seine Karte unterm Tische zwischen den Füßen seiner Gesellen hervorholend, es deutlich gesehen hatte, daß des Jägers linkes Bein — ein leibhafter Pferdfuß war, während das Ende eines Zottelschweifes aus der rechten Hose hervorguckte. Sobald sie es von ihrem Zuschauer unbeachtet thun zu können glaubten, gaben sich auch die Viere wie auf den Takt ein Zeichen des Einverständnisses, erblaßten abermals so gut es ihre braunen Gesichter erlaubten, und stießen einen Seufzer aus, der ihre trostlose Lage nur zu laut kundgab; denn der Waidgeselle hob plötzlich seinen Kopf, schob das Hütlein aus der Stirn und ließ ein paar Luchsaugen von einem zum andern kreisen mit scheelgezognem Munde halb zischelnd halb kreischend: „Wie, Bübler, — laßt’s frisch weiter gehn!“ — Worauf der zu geben hatte eben wieder blindlings nach den Karten griff und sie weiter fuhren im Spiel, und ihre Schuldigkeit als Spieler thaten, so gut sie es bei der unbeschreiblichen Seelenangst nur zu Weg’ brachten. Also saßen sie und spielten bis zum Morgen, Stunde um Stunde in qualvolleren Zustand, nur endlich etwas getröstet, als ein und der andere Laut im Hause vernehmen ließ, daß die Leute aufstünden, der und jener Dienstbote in die Stube kam, dann der Wirth mit der Frage, „ob sie denn nicht schläfrig seien“ und zuletzt die erste Spur des anbrechenden Tages vor den Fenstern graute. Sie thaten, als seien sie zu tiefest in ihr Spiel vertieft, gaben keine oder halbe Antworten und hielten die Karten wie mit Eisenzangen fest, der Schütz aber verwandte kein Auge vom Tisch und den Giltspielern, ließ sich sein Gläsl füllen und stopfte sein Pfeiflein und schien der zufriedenste Mensch auf Gottes weitem Erdboden. Das Wesen dauerte aber so fort den ganzen Tag und den Abend bis wieder in die Nacht. Kaum daß sich die Spieler Zeit nahmen, eine Schüssel saurer Suppe auszulöffeln, einen Becher Wein zu trinken oder die Pfeife frisch anzubrennen. Beim geringsten Stillstand im Spiele meldete sich der Jägersmann wieder und rief: „Lustig beim Branntewein, versäumt die Zeit nicht, ihr Mannder, —’s Leben ist kurz mit der Wurst gebunden!“ So schlecht ihnen zu Muth war, fügten sie sich in’s Unvermeidliche und mischten und trumpften drauf los, und weil sie denn doch von Haus aus eingefleischte Spielhansen waren, so kam sie sogar stoßweise wieder ein rechter Ernst und Begier an, und schrieen und tollten sie, wie sonst und ehedem, bis gählings wieder einer ihren unermüdlichen Zuschauer in’s Aug faßte und des kommenden Looses nur zu gewiß, Karten und Geld nie im Leben gesehen zu haben wünschte, und sich bereits im Geiste zu unterst in der Hölle am ewig brennenden Gilttisch sitzen sah mit glühenden Karten in der Hand. Solche Betrachtungen halfen aber zur Zeit nichts, — oder kamen mindestens zu spät, es mußte fortgespielt werden, so lang es dem verdächtigen Jäger beliebte, und ebenso wenig mochte es nützen, daß der Saltanser Hans, der Wirth, unterm öfteren fragte, ob sie denn nicht mehr aufhören wollten und unwirsch zu Bett ging und noch verdrießlicher aufwachte, als er am dritten Morgen die fünf Gesellen am alten Flecke fand. Die mischten, gaben und stachen drauf los, trotz seines Gegrolles und seiner Stichreden und muckseten nicht, der Schütz aber sagte ein einzigesmal: „Hannsele — halt dein Maul!“ und das Hännslein verstummte von Stund an, als hätte ihm einer Pechpflaster übers ganze Gesicht gepappt. Am vierten Tag unter Lichten, als gerade die Kellnerin den Leuchter und das Feuerzeug vom Ofen nahm, um Licht zu machen, langte ein Knecht, der den Spielern zusah, mit einem Fidibus zu ihr hinüber, nebenbei ihn anzuzünden — und sieh, — noch hat er die Flamme nicht erreicht, wohl aber des Jägers Juppe mit dem Spahn gestreift, so brennt dieser zischend hell auf, wie ein Schwefelfaden auf heißem Eisen, und — der Schütz sagt gelassen — „‘s brennt schon — brauchst dich nicht so zu strecken!“ Nun kam’s wohl auch den andern Leuten vor, daß es nicht mehr mit rechten Dingen zuginge bei diesem Giltspiel, und die Kellnerin steckt die Geschichte mit dem Fidibus der Wirthin, und diese dem Wirth, und der versucht sich heimlich an den äußersten Spieler zu rücken und fragt: „Mensch — ich fürcht, es geht fehl mit dem verfluchtischen Spielen“, und der Andre keucht ihm in’s Ohr „der Teufel holt uns allzusamm’, — der dort im Winkel ist’s ganz gewiß.“ Nun war kein Halten mehr und alsbald wußte es ganz Saltaus, daß der Jäger Niemand andrer als der — Gottseibeiuns, und wiederum etwas später erfuhr ganz Passeier, daß zu Saltaus der Teufel sitze, und so kam die Botschaft heraus in’s Land und die stille Stadt am Passerstrand. Es ward sofort allerwärts die Nachricht ausgebeutet, man wartete hart von Tag zu Tag auf neue Meldung, und die Freunde überirdischen Klatsches und tief infernalischer Geheimnisse fragten mit Ungeduld: „Was macht der Teufel in Saltaus — hat er sie schon geholt oder ist er unverrichteter Dinge abgestunken?“ Mit jedem Tage aber ward gemeldet, er sitze noch guten Muthes bei den Giltspielern, trinke seinen Schnaps, rauche seine Pfeife, — und die Geschichte fuhr also fort: Die vier Spielbrüder waren nun ihrer Sache gewiß, sahen sich als Fraß und Futter des leidigen Satans insgesammt an und erkannten recht gut, daß ihnen derselbe längst schon die Hälse umgedreht hätte, wären sie nicht in der Wirthsstube zu Saltaus gesessen, wo zu ihrem Glück nach chöstlichem Brauche ein Kruzifix in der Ecke hing. Offenbar lauerte der Teufel nur darauf, bis sie endlich des Spielens satt, das Haus verlassen würden, um ihnen draußen am wilden Wege den Garaus zu machen. Schon hatte er etlichemale, als der Wirth zum Aufbruch mahnte, viel sanftmüthiger und schier schmeichelhaft gesagt: „Geht nur, Bübler, — geht heim, — ich geh’ dann mit Euch!“ oder „Von mir aus könnt ihr gehen, — ich hab’ nur auf Euch gewartet!“ Wie aber die vier armen Sünder diese Reden vernahmen, blieben sie erst recht da und wäre keiner um den Preis der Welt vor die Stubenthüre hinauszubringen gewesen. Sie hatten somit die Aussicht, bis an ihr letztes Stündlein hinterm Tisch von Saltaus zu gilten, wenn nicht der Teufel durch irgend ein dringliches Geschäft oder sonstigen Einfluß veranlaßt würde, sich zu entfernen. Solch eine Dringlichkeit herbeizuschaffen war nun bereits der Wirth bedacht, denn auch ihm war der Gast, der übrigens in seinem Branntweinfäßchen gründliche Erhebungen gepflogen hatte, immerhin etwas störend und kitzlich, zumal dieser bereits anfing, sich in seiner ganzen Natürlichkeit gehen zu lassen. Schon hatte er an dem Flecke, wo er saß, in die Ofenbank ein schwarzes Loch gebrannt, so daß sich Hans erlaubte, ihm eine Steinplatte unter das Gesäß zu schieben: auch schmauchte er einen Knaster, der selbst die Geruchsorgane des Passeirerwirthes beleidigte, und einmal, da ihm vor Lachen über der gefangnen Spielratten Angst die Augen überliefen, holte er das Zottelende seines Schweifes aus den Stiefel herauf, um sich damit die Zähren abzutrocknen. Unfehlbar blieb nichts anderes übrig, als den rücksichtslosen Besuch mit guter Art hinauszumaßregeln. Die Versuche zur Beseitigung des bedrohlichen Spielliebhabers zu Saltaus wurden, wie man wissen wollte, zuerst von gewissen Händen aufgenommen, die vielleicht der nötigen Uebung in den hier anzuwendenden Griffen entbehrten. Der Jägersmann erwiderte die Annäherungen seines Gegners mit einer gutmüthig-schlauen Vertraulichkeit, und nach einem Seitenblicke auf dessen eben nicht weltentfremdete Erscheinung, lehnte er mit einem leisen freundschaftlichen Augenwinken und Mundwinkelverziehen einfach alle weitere Bemühungen von dieser Seite her ab. Hans aber sprach zu den hoffnungsbangen Spielern: „Der ist ihm nicht gewesen*)“ und sie vertrauten sich den Leistungen eines zweiten Sachkundigen. Der neue Mystiker vermochte so wenig über den störenden Gast, als sein Vorgänger. Abermals sprachen die Saltauser: „Der ist ihm auch nicht gewesen“ und „da braucht’s einen ärgern.“ Dieser Aergere sollte aber aus weiter Ferne verschrieben werden, und bis denn derselbe eintraf und mit erprobtem Höllenzwang den zähen Seelenjäger seinet Weges gewiesen hatte, mußten eben die auserkornen Opfer ruhig in ihrem Bann verbleiben und durch fleißiges Giltspielen ihren Feind und Verderber bei guter Laune erhalten, eingedenk des Sprüchleins: „Anderesl, was willst du machen „Wenn du bist in des Teufels Rachen? „Viel g’scheidter gibst dich willig drein, „Als mit dem Teufel in Feindschaft sein?“ Und also geschah es. — Sie blieben fest an ihren Bänken kleben und handhabten ihre Karten, und ruhig saß der höllische Schütze bei ihnen in seinem Gott vergnügt, — schnapsend und schmauchend. An diesem Platze — zu ewigem Spiel und ewiger Höllenangst verdammt, ließ der Volksglaube die Männer und ihren Quälgeist — sitzen. Die kühle Aufklärung aber wollte alsbald wissen, — die ganze Geschichte sei ein blödes Mährlein — und der Teufel habe auch in Saltaus keine rationelle Berechtigung. Die Leser mögen wählen unter diesen Meinungen, — nur noch zu ihrer Wissenschaft mag dienen: Hans in Saltaus hat bereits sich entschieden: er erkennt in der Teufelserscheinung auf alle Fälle eine Kabale gegen sein Wirthshaus, das als Spielhöhle verrufen werden sollte, und wuthentbrannt suchte er eines Morgens alle Karten im Hause zusammen und schob sie in den Ofen. Sein Weib aber fand letzteres sehr einfältig, weil sie meinte: die da spielen wollten, würden bald wieder neue haben. *) — Einem sein — scilicet gewachsen. Zu viel. Bild 2 „Na, Lisett’! das ist zu viel, um a halbe Bier zu holen, a ganze Stund’ auszubleiben! — das ist ein für allemal zu Viel!“ „Verzeihen’s Madam! i hav’ ja a Maß g’holt!“ Der Musterbauer. Bild 3 „Sonderbare Mode, im Frack zu ackern! Sind eure Bauern Stutzer?“ „Ah, das ist ja nur der gnädige Herr, der zum Vergnügen ackert.“ „Ah so! und der dort?“ „Das ist der Herr Verwalter, der zum Vergnügen zuschaut, ob’s der gnädige Herr recht macht.“ Berlin am 15. Oktober. Bild 4 Der Meister Glaser zu seinen Gesellen. „Jungens, heut ist des Königs Geburtstag, und da soll jeder von euch sein Vergnügen haben, — auch du, Demokrat. Mach’ nur kein so sauertöpfisch Gesicht, denn wir wollen das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Ihr zwei gehört zum Treubund; ihr helft also heut Abend die Fenster einwerfen, wo es dunkel bleibt. Du, Demokrat, hilfst die illuminirten Fenster einschmeißen. Seht ihr, Jungens, so hat jeder sein Vergnügen und ich finde rechts wie links meine Rechnung.“ Definition. Bild 5 „Was bedeutet denn das *E. V., was Sie auf die Cigarrenkisten geschrieben haben?“ „Schafskopp, dummer, begreifst du denn das nicht? E. V. — eigne Fabrik!“ Aus dem Praktikantenleben. Bild 6 Assistenzarzt. „Ich habe daher, Herr Geheimrath, da der hohe Grad von Entzündung augenblickliche Hülfe erheischte, 30 Stück Blutegel an den Unterleib appliziren lassen.“ Geheimrath. „Ganz recht, junger Mann; doch haben Sie, um eine drohende Substanzveränderung, oder durch plastische Ausschwitzung bedingte Verwachsung der Gedärme unter sich oder mit dem Bauchfelle zu verhüten, die Krankheit mit viel zu wenig Energie angegriffen. Setzen Sie daher augenblicklich noch einen Blutegel hinzu.“ — Der Augenschein. Bild 7 Ortsvorstand. „Der Herr Bruder vom Herrn Gouverneur hat von wegen dieses Steines umgeworfen, die Obrigkeit will also haben, daß der Stein wegkommt und wir sollen gewissenhaftes Gutachten abgeben.“ Bild 8 Schmid. „Ich laß den Stein nicht wegnehmen, er liegt hundert Jahr gut da, und wer ihn fürchtet, der soll in’s Dorf nicht hereinfahren oder einen Wagen darnach haben.“ Wirth. „Ja man kann grad schon Schaden leiden, wenn man die Reib’ a Bißl zu schwach nimmt —“ Schmid (still). „Gevattersmann!“ Wirth (still). „Sorg’ dich nicht, so lang dir mein Bier schmeckt, sollst deinen Stein haben. Es ist nur, daß man davon red’t.“ Ortsvorstand. „Nichts in d’ Ohren gelispelt, das bitt’ ich mir aus.“ Schmid. „No, ich kann’s auch laut sagen, ich genir mich nicht, gar nicht. An dem Stein hängt mein halbs Brod und bei’m Kauf meiner Schmiden ist mir der Stein angerechnet worden.“ Ortsvorstand. „Das gehört sich freilich nicht, aber sprecht weiter, ich bin mir schon lang genug da.“ Schmid. (leise). „Sei rechtschaffen, Müller.“ Müller. „Leben und leben lassen, sag’ ich alleweil, ich mein’ halt, wir sind einmal an den Stein gewohnt und es thät uns gewiß leid drum. Die Fremden können draußen bleiben oder ihre Wägen wieder flicken lassen.“ Wagner. „Die Arbeit ist rar und die Abgab’ stark, da muß man’s Brod nicht mit dem Federmesserl abschneiden und die Wag nach einem Hanfkörnl richten. Von dem Stein hat jeder was, der Wirth, der Schmid, der Wagner, und wir lassen dem Bauern auch wieder was zukommen. Wo fünf und sechs Nutzen haben, muß man einem Einzigen seinen Schaden lassen, er leid’t ihn für’s Vaterland.“ Schmid. „Es ist auch kein Unrecht. Wer geschickt fahren kann, dem thut der Stein nichts, und fahrt einer schlecht, so ist er selber Schuld und zahlt für seine Dummheit.“ Ortsvorstand. „Was sagen denn die Andern da hinten?“ Bauern. „Ja, der Stein ist freilich eine Sparbüchsen für den Meister Schmid, aber wir wollen keine Feindschaft und — wenn man mit dem Stein nachgibt, kommt gleich wieder eine andre Gschicht daher. So zahlen wir lieber dem Schmid sein’ Sach.“ Ortsvorstand. „Jetzt geh’n wir in’s Wirthshaus und machen’s Protokoll. Schwatz mir keiner in die Red’. Wir thun, als ob an dem Stein’l gar nix war, nachher bleibt d’ Historie wieder liegen, bis der Schmid graue Haar krieg. Geht’rein!“ Bild 9 Abdelcader. Bild 10 1. Algier! Algier! Wen’ge Jahre reichten hin zu deinem Falle! — Sieh! Der Fremden Batterien steh’n auf dem Kasaubahwalle! Von den Minarett den schlanken winkt das Christuskreuz zum Beten, Und die Muttergottes preist man in den Tempeln des Propheten. Wohl ist jetzt dein Trotz gebrochen blutge Geißel jener Meere, Welche nun herübertragen Frankreichs tapfre Kriegerheere. Dein Bazar ist ohne Waaren, deine Märkte ohne Sclaven, Seit die Flotte der K orsaren nimmer kehrt in deinen Hafen; Seit Europa seine Aermsten sendet dir als Colonisten, Und in deiner Löwen Höhlen Frankreichs Bettlerschaaren nisten. Doch den grimmigsten der Löwen will man dir entführen heute, — Und da liegst du, kannst nur staunen, ob der Feinde edler Beute. — Ruhig ist’s im Mittelmeere, und die helle, spiegelglatte Welle trägt auf Mutterarmen eine flüchtige Fregatte. In dem Tauwerk hängen lauschend braune, bärtige Matrosen Und vom Maste wallet nieder stolz die Flagge der Franzosen. Bild 11 Und sie bringt dem Mutterlande jetzt den Gruß der Colonien, Laut von Toulons festen Wällen donnern d’rauf die Batterien; *“Vive la France!“ ertönt’s dazwischen von den hohen Bastionen: Heute darfst du triumphiren, stolzeste der Nationen! Deiner Colonien Schrecken, jener grimme Leu der Wüste, Abdelcader, der Gefangne, stehet heut an deiner Küste. Durch die Reihen der Soldaten schreitet er mit den Getreuen: Sieh! Wie deine Grenadiere des Gefangnen Blicke scheuen! — Frankreich! Frankreich! darf dein König, dürfen Diplomaten brechen Deiner Feldherrn heilige Schwüre, deines General Versprechen!? Willst du nicht, was er bedungen — fest vertrauend deiner Ehre — Den Gefangenen treu geleiten in die Heimath seiner Lehre!? — Louis Philipe, stolzer König! Laß ihn denn im Kerker schmachten! Was bekümmert dich der Edlen, was des Muselmanns Ver- achten! Das nur mag dich jetzt bekümmern, daß ein Löwenblick wie dieser Nicht mit Feuerglanz sich spiegle in den Augen der Pariser. — Bild 12 II. Blutroth steiget auf am dunkeln Horizont der Pyrenäen Dort des Halbmonds scharfe Sichel, um die Feste zu erspähen. Wo der Muselmannen Perle thronet zwischen morschen Mauern, Wo in stiller, öder Zelle des Propheten Sterne trauern. Droben sitzt der Fürst der Wüste und sein Blick streift hin nach Süden, Tagelanges Seh’n und Lauschen kann sein Auge nicht ermüden; Immer blitzt es noch in Schlachten, daß die Wärter selber scheuen Ihren Pflichten nachzukommen vor dem Feuerblick des Leuen. Und er sieht den Halbmond schweben ob dem ruhigen Gefilde, Grüßt ihn mit des Koran’s Worten, labt sich an dem heiligen Bilde. „Meines Glaubens lichtes Zeichen! solltest du in Nacht ver- sinken? Soll das Christenkreuz den Völkern — blutigroth das Kreuz nur winken?! — Doch, es möge siegreich schimmern: Flüche folgen seinen Jüngern, Flüche von den Unterjochten gelten stets den Weltbezwingern! Aendre deiner Bahn Gesetze! Weiche aus dem Land der Franken Wo die Speere deiner Streiter schon vor grauen Zeiten sanken: Wo im selbstbetrog’nen Herzen man der Freiheit Güter heget, Also, daß man Freiheitskämpen in die dumpfen Kerker leget. Freiheit nennen ihre Weisen Allah’s Urgeschenk hienieden, Wenn sie andern freien Völkern eherne Sclavenketten schmieden! — Kehre um in deine Heimath, hin zum schönen Morgenlande, — Leuchte dort den freien Stämmen an Arabiens Felsenstrande! Suche nicht mit deinem Schimmer diese Gauen zu erhellen: Dorten magst du lichter glänzeu, dort in Meccas heil’gen Zellen! Ueberm einz’gen freien Volke mag zu glänzen dir genügen! Laß dich nicht den Wahn der Ahnenn. nicht den Stolz der Sieger trügen: Ueber aller Weit zu thronen laß dich nimmermehr gelüsten! Christen sind die Weltbeherrscher, und Tyrannen sind die Christen!!!! — Bild 13 Also rufet der Gefangene; und in seinem Auge funkelt Eine heiße, seltne Thräne, bis vor seinem Blick es dunkelt, Bis erschlaffend niedersinken seine Arme braun und hager, — Und er träumt sich frei und Sieger in dem Beduinenlager. — III. „Abdelcader!“ ruft es nächtlich in der Wüste — „Ab- delcader!“ Und es quillt des Schmerzes Thräne, und es schwillt des Zornes Ader; Schwarzumwölkte Augen sprühen Blitze unter dem Turbane, — Drauf im Sternenlicht und Mondglanz blitzen tausend Yatagane. In die dörferreiche Eb’ne zieh’n die Schaaren rachelüstern; Sieg und Glück erflehend dringet auf zu Allah frommes Flüstern. Und der Halbmond blicket lächelnd auf das Werk der Beduinen — Und das Morgenroth beleuchtet blut’ge, rauchende Ruinen. — Doch, gefangen — weit im Norden — weilt er, dem die Opfer gelten, Kehrt nur auf des Traumes Schwingen wieder zu der Heimath Zelten; Fern aus seines Kerkers Zellen wähnt er ferne sich den Schergen, Träumt sich glücklich, träumt sich selig nach den blauen Atlasbergen. Nimmer soll er fürder welken in Europa’s Stubenqualme, — Wüstenlüfte weh’n ihm wieder, Kühlung fächelt ihm die Palme: Oder streift er mit den Freunden, als ein kühner Löwenjäger, — Oder horcht vom Pantherfelle vor dem Zelt dem Paukenschläger. Und beim kriegerischen Klange fertigt er den Plan derSchlachten, Gönnt sich nicht mehr Ruh’, verschmähet friedlich jetzt zu übernachten, Wenn die treulos feigen Stämme von den Feinden sind ge- wonnen, Wenn Metidja’s Ebnen wimmeln von den fränk’schen Schlacht- kolonnen. Blühend winkt die Hoffnungspalme: Nochmals soll der Halb- mond siegen! Nochmals sollen des Propheten Feindes seinem Schwert erliegen. Wie der Wüstengeist so thront er hoch auf trabendem Cameele, Ob den Schaaren seiner Treuen waltet seine Heldenseele. Und er sieht die Freunde stürmen drauf mit lautem Allahrufe, Sieht wie blutgetränkt die Wüste zeiget seines Rosses Hufe. Und beim Siegesheimzug flattern ihm entgegen tausend Wimpeln, Und das Wüstenlager dröhnet von dem Jubelklang der Cym- beln. — Da erwacht der Schlachtenträumer; — doch es hat noch fortgeklungen: Bei dem Klang von Siegesmärschen, ha! wie ist er aufge- sprungen! Ha! wie rüttelt er am Fenstergitter bei dem hellen Schalle! — So erfaßt des Eisenkäfigs Stäbe wohl die Löwenkralle! Und er lauscht! — Doch sind’s nicht Psalmen, die im Wüsten- lager klingen — Nein, er hört nur fränk’sche Kehlen ihre Marseillaise singen. „Freiheit! Gleichheit!“ hört er rufen, „Tod dem letzten der Bourbonen. Bruderliebe! Völkerfreundschaft! Freiheit allen Nationen!!“ — Und er jauchzet mit den Freien, ob den schönen, hehren Worten. Doch jetzt sieht sein Blick verschlossen noch des eigenen Ker- kers Pforten; Drohend, finster lenkten wieder seiner Augen Flammenblitze, Und er fühlt es schwerer wieder, daß er noch gefangen sitze. „Wollt Ihr, pflichtvergeßne Franken, länger mich gefangen halten?! Soll, was Tyrannei ersonnen, nicht der Freiheit Schwert zerspalten?! prahlet nicht in schönen Worten! Ladet nicht zum Völkerbunde! Schweiget! Schweiget! Denn die Freiheit ist geschmäht in Eurem Munde!! Draußen jubeln Frankreichs Söhne, feiern prächtige Frei- heitsfeste; Drinnen seufzet der Gefangne einsam in der alten Feste. Seine Klagen geh’n verloren in dem lauten Siegeschore, — Und ob seines Kerkers Zinnen flattert stolz die Tricolore. A. Becker. Bild 14 Der Empfang des Großherzogs. Bild 15 Schulmeister. „Hört, Kinder, ich will Euch was sagen Wenn Seine Hoheit herankommt, werde ich Euch mit dem Hute ein Zeichen geben: dann schreit Ihr alle aus voller Kehle in einem fort: Es lebe der Großherzog! Es lebe der Großherzog! bis er abgefahren ist. — Nun schreit einmal, so sehr ihr könnt!“ Kinder. „Es lebe der Großherzog! Es lebe der Großherzog! bis er abgefahren ist!“ === FB10-0228 Bild 1 Die Stechpalmlise. Erzählt von L. S. Es war im Monate November, am Allerseelentage; die Luft angenehm wie im Frühlinge, der Himmel, hell und wolkenlos, hatte aber bereits das kalte Blaßblau der Winterzeit. Wir kamen von einer wenig ergiebigen Jagd zurück, die ich mehr der Gegend und meinem Begleiter zuliebe, der sich in derselben ergehen wollte, als in der Hoffnung auf gute Beute, mitgemacht. Am Ausgange eines engen schlichten Bergthales angelangt, hatten wir das schöne, mit Dörfern und zerstreuten Höfen geschmückte Mittelgebirg vor uns. Die Bäume waren meist entblättert, und das rothgelbe Laub lag blumengleich zerstreut am Boden. Die Zeitlose blühte mit ihren blaßvioletten Kelchen auf den abgemähten Wiesen, und die weidenden Schafe wichen sorgfältig in der Wahl ihres Futters der zarten Giftblume aus. Alles war so stille, so ländlich, so reizend, wie man das Land sich vorstellt mit seinen frommen Kirchthürmen und neidlosen Hütten, wenn man aus dem Gewühle einer großen Stadt nach Natur, nach Ruhe sich sehnt. Die Poesie einer Gegend ist so zart, so ätherisch, daß der begabteste Dichter daran scheitern muß, und es ein Trost ist, daß diese Art Landschaftsmalerei in Worten mit Salis und Matthisson zu Grabe gegangen. Wir schritten weiter, das Thal im Rücken, die schmale, vielfach durch kleine Thälchen durchschnittene Hochebene vor uns. Das Mittelgebirg lehnt sich mit seinen Wiesen und Wäldern an die vielgestaltige Gebirgskette, und zur Linken in der Tiefe breitet sich das Flußthal in bläulich kaltem Schatten aus, während wir noch im Glanze der Sonne einhergingen. Wir wollen noch vor dem Hereinbrechen der Nacht die Stadt erreichen, und ich schlug einen Fußsteig vor, der, in gerader Linie ein Thal durchschneidend, ein gutes Stück Weg erspart hätte. Unten toste ein Wildbach vorüber, ein luftiger Steg gewährte den Uebergang; ich war eben im Begriffe, meine Schritte hinabzulenken, als mein Begleiter mich zurückhielt mit dem Bemerken, er sei etwas schwindlich und gehe nicht gerne über schmale Stege. Ohne eigentlich zu wissen, wohin der Fußsteig führe, bogen wir rechts ein, und gingen ein gutes Stück vorwärts, als uns ein alter Bauer in einer Lodenjacke, mit spitzem Hute, einen Sack schwerfällig über den Rücken geschwungen, in der runzlichten Hand einen etwas massiven Birkenstock, begegnete. "Gelobt sei Jesus Christus!" und er wollte seine Wege gehen. "In Ewigkeit. Sagt mir doch, Landsmann, wo geht’s denn am nächsten zur Stadt?" "In die Stadt? Ja, da müßt ihr wieder den alten Weg zurück und über den Wildbach, da kommt ihr am schleunigsten auf die Landstraße." Wir bedeuteten ihm, daß wir diesen Weg nicht machen wollten. "Ja so! Da müßt ihr halt auf dem Steig da vorwärts gehen, und nachdem beim blutigen Herrgott links über’s Feld. Es geht schon so ein Fußsteig, ihr könnt nicht fehlen, aber ich rath’s euch nicht, heut ist Allerseelen und ihr müßt dort bei der Stechpalmlise vorbei und die ist vom Gottseibeiuns besessen." Dabei schlug er mit seinen mageren Händen ein Kreuz. Auf unsere Frage, was es denn eigentlich mit dieser Stechpalmlise, und der Gefahr, die uns in ihrer Nähe bedrohe, für eine Bewandtniß habe? erwiderte er etwas unwillig: "Ich weiß nicht, bin nicht von der Gegend. Ihr Herren von der Stadt seid alle gleich, bis euch der Teufel nicht beim Frack hat, glaubt ihr nicht daran — geht nur, behüt’ Gott!" und er machte sich weiter, den Hut zum Gruße rückend. Diese Bemerkung bestärkte uns in der Verfolgung des Fuststeiges, wir hätten gar zu gerne auf unserer ländlichen Wanderung auch noch eine Besessene gesehen. Wir verdoppelten unsere Schritte und kamen in ein dunkelgrünes Tannenwäldchen, das alle weitere Aussicht entzog und uns auf uns selbst beschränkte. "Ich muß sagen, es erregt mein Interesse im höchsten Grade, ein solches biblisches Exemplar einer Besessenen im Lande des Glaubens und der Wunder, dem ich in früherer Zeit so manche poetische Seite abgewonnen, kennen zu lernen — nicht so fast des Individuums selbst wegen; ich bin genug in Irrenhäusern herumgekommen, wohl aber um den Volksbegriff von Besessenen, wie man ihn in Tirol so eingewurzelt findet, individualisirt zu sehen:" bemerkte mein Begleiter. "Es liegt wohl in der Natur der Bergvölker, in ihrem einfachen, beschränkten und doch so poesiereichen Leben, der Glaube, ja ich möchte sagen ein Bedürfniß, an Uebernatürliches zu glauben, wo sie eine Störung des Gewöhnlichen sehen." "Wo ein Bedürfniß, eineSehnsucht nach Außerordentlichem, Ungewöhnlichem in einem Volke liegt, da findet man sicher immer am meisten Wunder. Sie dürfen sich nur etwas in Tirol herumgetrieben haben, um ein dickleibiges Buch von Muttergotteserscheinungen, von wunderbaren Heilungen, von ekstatischen Jungfrauen, von Besessenen, und allem erdenklichen Teufelsspuk aus erster Hand schreiben zu können." "Sie waren also bereits früher des längeren in Tirol?" fragte ich meinen Begleiter, den ich auf einer Reise durch die Schweiz kennen gelernt, und zu diesem etwas späten Besuch unseres Berglandes bewogen. "Ach ja! Ich habe schöne Tage in ihren Bergen verlebt, aber auch sehr Trauriges, ja ich könnte sagen Bitteres erfahren. Es hat nichts auf sich, ich kann es Ihnen wohl erzählen. Sehen Sie die Thurmspitze, die sich an jenen runden Berg anlehnt?" — "Ja wohl." — "Sind Sie bekannt im Dorfe?" — "Ich kam hie und da durch." — "Am Ende des Dorfes steht ein kleines Häuschen mit grün angestrichenen Fensterbalken neben einem steinernen Brunnen, da wohnten —" "Ah, Sie meinen wohl, jenes Häuschen mit dem Muttergottesbilde ober der Thüre, wo die zwei hübschen Mädchen wohnen und der alte weißbärtige Vater mit den langen dünnen Beinen?" — "Sie kennen also die Mädchen am steinernen Brunnen?" fuhr mein Begleiter mit gesteigertem Interesse fort. "Sagen Sie mir doch, lebt Lieschen, ist sie noch bei ihrem Vater?" — "Lieschen? Ich kenne beide Schwestern beim Namen, habe aber nie von einem Lieschen gehört, das kann ich Sie versichern, Sie haben sich vielleicht im Namen geirrt." "Es giebt Namen, die man in seinem Leben nimmer vergißt! Das arme Mädchen, sie wird im Grabe liegen," erwiderte mein Begleiter auffallend verstimmt. Ich wollte dieses Gespräch nicht weiter fortsetzen, wir gingen schweigend vorwärts, das Gehölz war zu Ende, die Gegend wieder licht und frei. Der Boden, den wir nun betraten, hatte eine felsige Unterlage, das Gras war röthlich vom Reif abgebrannt und reichlich von niederem Gestrüppe überwuchert, darunter die Stechpalme mit ihrem immergrünen zackigen Stachellaube sich besonders bemerklich machte. Nicht sehr ferne von uns stand eine ärmliche Hütte, halb Holz, halb Stein, sehr problematisch an einen Felsen angelehnt, der mit Moos und Stechpalmgesträuche bewachsen, sich ganz sommerlich ausnahm, im Gegensatze zu den schneeweißen Fernerspitzen, die vor uns die Gegend abschlossen. Den Hintergrund zu dieser Behausung bildete ein Gebüsch von jungem Nadelholze von unbedeutender Ausdehnung. Zwei Ziegen bemühten sich, dem Boden vor der Hütte einiges Futter abzugewinnen. "Sollte dies vielleicht die Behausung der Stechpalmlise sein?" bemerkte ich meinem Begleiter. — In demselben Augenblicke trat eine weibliche Gestalt aus der niederen Hüttenthüre. Wie überrascht waren wir, ein junges schönes Mädchen von höchstens neunzehn Jahren zu erblicken. Sie war von mittlerer Statur und ebenmäßigem Wuchse, das Gesicht, blaß wie Marmor, hatte den rhätischen Typus: Eine feingeschnittene Nase, große dunkle Augen, das Profil länglicht, Lippen wie blasse Rosenblätter, am Kinn ein kaum merkliches Grübchen, die Stirne fast etwas zu nieder, die Haare, vom matten Schwarz der Spielhahnfeder, hingen in zwei langen reichen Flechten zu beiden Seiten gegen vorne herab. Ein ziemlich abgetragener schwarzer Sammtspenser, fest angeschlossen, machte auf die schönen Formen des nach Landesbrauch streng verhüllten Busens aufmerksam. Ein blaßrothes Halstuch und eine grellrothe Korallenschnur ließen die Apfelblüthen gleiche Weiße des Halses noch lieblicher hervortreten. Um die auffallend schlanke Taille war eine schwarze seidene Schürze gebunden, die den dunkeln Stoff des Rockes bis auf die äußersten Zargen überdeckte. Die ganze Gestalt in ihrem Gesammteindrucke hatte etwas so Eigenthümliches, daß man in demselben Augenblicke sich angezogen und abgestoßen fühlte. Sie war lockend schön, man hoffte unwillkürlich auf ein romantisches Abenteuer, doch in ihren dunklen Augen, in ihrem leidend bleichen Gesichte lag etwas Unheimliches, das den Beschauer wie Eis berührte. Sie ging langsamen Schrittes dem Felsabhange neben der Hütte zu; ein einfaches Kreuz stand dort auf einer Art von Grabhügel, späte Herbstblumen neigten wehmüthig ihre welken Kelche darauf. Das Mädchen fiel davor auf die Kniee und hing einen Kranz von Stechpalmen, den sie in der Hand trug, um das Kreuz. Sie faltete die Hände, schaute thalwärts und schien zu beten. Von der Tiefe herauf hörte man den schrillen Ton eines Sterbglöckleins, und das dumpfe Rauschen des Wildbaches; dem Mädchen rollten die Thränen über die blassen Wangen. Ich hätte um Alles nicht den Muth gehabt, diese tief tragische Scene zu stören; ich wendete mich nach meinem Begleiter um, er sah, an einen Baum gelehnt, mit starrem Blicke auf das Mädchen. Ich richtete ganz leise einige Worte an ihn, er beachtete sie nicht. Das Mädchen wischte sich eine Thräne aus dem Auge, und saß neben dem Grabhügel nieder; einen Arm schlang sie um das Kreuz, der andere ruhte im Schooße. Sie sang. Ich stand wie angewurzelt und horchte folgendem Liede, dessen tiefgefühlte Töne ein seltenes Talent verrieten. Die Wimpel weh’n, die Segel schwellen Hurrah! Hurrah! ins weite Meer! Und alles jauchzet, alles singet — Nur Einem fällt das Scheiden schwer; Der lehnt am Mastbaum, bleicher Knabe; "Leb’ Heimath wohl, leb’ wohl mein Lieb — Du schwarzlockig, treuloses Mädchen, Das auf das wilde Meer mich trieb. Sie schöpfte Athem und schaute mit dem tiefsten Ausdrucke der Wehmutth hinab in die Thalschlucht. Eine lange Pause, dann erhob sie ihre dunklen Augen zum Himmel und sang: Die Winde heulen, Wogen schäumen, O weh! dort droht das spitze Riff! Und alles betet, alles jammert — Nur einer schweiget auf dem Schiff "Was sollt’ ich klagen, da ich das Liebste Das Theuerste längst verloren hab?" Es strandet das Schiff, es bersten die Maste — "Willkommen feuchtes, kaltes Grab!" "Ach! Dein Grab ist feucht, Heinrich! Ich war nicht untreu — nie! nie! Dort ist das Meer, dort unten wild und reißend, seht, wie er sprudelt und kocht der weiße Wildbach. Der pfeift im Buchlaub! Husch, wie kalt! O Gott! es bricht das Geländer, ums Himmels Willen, halte dich fest, Heinrich! Franz, lass’ ihn los! Sie fallen in den Bach — Jesus Maria! Heinrich! Heinrich!" Sie brach zusammen, der Kopf sank auf den Grabhügel — ich sprang augenblicklich hinzu, in der Meinung, es sei irgend Jemand in den Bach gefallen, ich sah hinab; der Steg war unverletzt, Alles stille, nur der Wildbach rauschte mit seinem eintönigen Gemurmel vorüber. Ich beugte mich zu ihr hinab, ich hielt sie für ohnmächtig, und streifte dabei den Kranz am Kreuze; sie richtete sich auf, und sah mich ohne allen Ausdruck der Ueberraschung mit ihren großen schwarzen thränenfeuchten Augen an. "Nein," sagte sie endlich leise, beständig mich ansehend, "nein, du bist keiner jener Oualgeister in schwarzen Röcken, die mir das Herz zerfleischen und von der Hölle reden. — Hast du nie Weihwasser getrunken? Man sagt, es mache vergeßlich und helfe gegen den Bösen. O, sie haben mir meinen Heinrich ersäuft, die schlechten Leute. Ja! ja! Sieh mich nur an. Der Wind pfeift im Birklaub und die Rosen sind abgefallen. Male dir welche, wenn du eine willst." "Schöngemalte Rosen Lieblich anzusehen, O wie müssen weichen Sie den duftig reichen, Die vom Strauche weh’n! Leichte Liebeslieder Mit gedrucktem Gruß, Wer wollt sie vergleichen Deinem süßen weichen Seelenvollen Kuß?" "Ja wohl, süß und weich ist frisches Moos. Komm in die Hütte, wir wollen uns niederlegen. Was schaust du ins Thal hinab? Geh doch, lass’ derlei eitle Dinge, bet’ lieber ein Vaterunser. Die Fische haben mein Herz gefressen." "Wer hat dich denn die Lieder gelehrt, Mädchen?" fragte ich befremdet über diese eigenthümliche Art Wahnsinn. "O ja! die Lieder. Sie sind alle ersoffen im Wildbach" da unten im großen Tobel unter dem Steg; siehst du? Ich habe ihn hier begraben, meinen Heinrich, daß er Ruhe hat vor den Fischen;" sie deutete dabei auf das Kreuz, nahm den Stechpalmeukranz weg und setzte ihn auf ihren dunklen Scheitel; sie winkte mir zu folgen und ging in die Hütte. Ihre Schönheit, ihr Wahnsinn machten mich so verwirrt, daß ich mir gar nichts über sie festzustellen vermochte, als dies, daß sie eben sehr schön und wahnsinnig; ich folgte. Die Hütte war geräumig, Haus und Zimmer zugleich, ohne Abtheilung, schwarz angeraucht vom Feuerherde, der durch drei Steine und die dazwischen glimmenden Kohlen von der hartgetretenen Erde des Bodens sich unterschied. Die Wände an der Feuerstätte einige Schuh hoch aufgemauert, sonst aber aus rohen Baumstämmen gefügt, mit Moos und Lehm verkittet, gaben dem Ganzen etwas alpenähnliches. Dazu die karge Einrichtung, ein Dreifuß, eine Pfanne, ein Topf und eine hölzerne Kiste, die zugleich auch als Sitz diente. Im Hintergrunde war eine Art Bank eingewandet und mit Moos belegt, das mutmaßliche Lager des armen Mädchens. "Es ist frisch, und der Reif liegt am Dach. Ich will Feuer machen, heut ist Allerseelen, heut kommt mein Heinrich; er wird naß sein, durch und durch naß, er soll sich trocknen am Feuer, der Arme! O ich will schon Reisig auslegen, daß deine Seele sich wärmen kann, Heinrich!" (Fortsetzung folgt.) Zum neuen Jahre. Nach bekannter Melodie. Bild 2 Wühle nicht! Wühle nicht! Und wenn zahllose Steuern Dir das Bischen Leben ganz vertheuern Und es dir an Salz auf’s Brod gebricht — Mensch — wühle nicht!!! Wühle nicht! Und wenn die Polizei dir Macht auch noch so viele Schererei dir, Daß der Faden der Geduld fast bricht — Mensch — wühle nicht!!! Wühle nicht! Wenn auch die Einquartirung Grob verlanget bessere Tractirung, Hast du gleich zu essen selber nicht Mensch — wühle nicht!!! Wühle nicht! Und wenn um dich Millionen Schleichen von gedungenen Spionen, Die auf jedes Wörtlein dir erpicht Mensch — wühle nicht!!! Wühle nicht! Wenn selbst Censur und Scheeren Aus dem Grabe auferstanden wären, Und verlöschten fühllos Licht auf Licht — Mensch — wühle nicht!!! Heule nicht! Heule nicht! Wenn wegen Larifari Alle Actien stehen unter Pari Und die Metalliques coursiren nicht Mensch — heule nicht!!! Heule nicht. Wenn Bauern Hasen schießen, Und die lieben Steuerboten spießen, Und den Amtmann quälen trotz der Gicht — Mensch — beule nicht!!! Heule nicht! Und wenn ein Heer von Hecker’n Einfällt bei den Wirthen und den Bäckern, Und die Kassen liebevoll erbricht — Mensch — heule nicht!!! Heule nicht! Selbst wenn Regierungssräthe Leiten der Verschwörung feine Drähte, Für die Republik ein Freiherr ficht — Mensch — heule nicht!!! Heule nicht. Auch wenn "Hochwohlgeboren" Auf dem Briefcouvert dir ging verloren, Und man dich beim Namen nennet schlicht — Mensch — heule nicht!!! Wühle nicht! Wenn auch mit Band und Orden Ungerecht du übergangen worden — Ruhe ist die erste Bürgerpflicht — Mensch — wühle nicht!!! Wühle nicht! Wenn in des Landes Kammern Edle Volksvertreter kläglich jammern, Daß die gute, alte Zeit zunicht’ — Mensch — wühle nicht!!! Wühle nicht! Auch wenn in Zeitungsblättern Steht gedruckt auf Weiß mit schwarzen Lettern, Bildungsgipfel sei das Standgericht — Mensch — wühle nicht!!! Wühle nicht! Selbst wenn des Volkes Beste Auf das Leihhaus tragen Rock und Weste Eh’ sie leisten auf ein Glas Verzicht — Mensch — wühle nicht!!! Wühle nicht! Und solltest du nicht fühlen, Wie gefährlich Vielen war das Wühlen, Merke doch die Lehr von dem Gedicht: Mensch — wühle nicht!!! Heule nicht! Wenn Titel oder Orden So verachtet und verschmäht geworden, Daß sie gänzlich kommen außer Sicht — Mensch — heule nicht!!! Heule nicht! Wenn in der Landtagssitzung Die Parteien gerathen in Erhitzung, Die Debatte führt zu Heil und Licht — Mensch — heule nicht!!! Heule nicht! Und wenn zehntausend Blousen Dir entgegenstarren gleich Medusen — Weltgeschichte ist das Weltgericht — Mensch — heule nicht!!! Heule nicht! Wenn Viele deines Gleichen Jetzo mit gesenkten Ohren schleichen, Keine Hand ein Kränzchen ihnen flicht — Mensch — heule nicht!!! Heule nicht! Der Menschheit schlimme Beulen — Werden nicht geheilet durch das Heulen — Und besonders, lies’st du mein Gedicht Mensch — heule nicht!!! Der Meerrettig. Bild 3 Hauptmann (grimmig). „Ei, da sollen doch gleich hunderttausend Donnerwetter den Kerls in den Leib fahren!“ Major. „Nun, was ist’s denn?“ Hauptmann. „Da kommt dir vorhin der Korporal Zobelmaier und bringt den MenageZettel. Wie meinst du, wie der Kerl Meerrettig schreibt?“ Major. „Nun?“ Hauptmann. „M—e— nochmal e — r nochmal r — e — t nochmal t — — — Ei, krieg die Kränk! kann der Kerl nicht sparen mit seinen Buchstaben, der Hundsfötter, derrrr — —! „ Das Deckblatt. Bild 4 „Erlauben Sie, Sie sehen mir auch aus, wie ein halber Republikaner, und mit denen mache ich keine Geschäfte!“ „Entschuldigen Sie gütigst, wertester Herr Pipping, könnten Sie mich nur aufwickeln! Echt monarchische Inlage und nur leichtes, demokratisches Deckblatt, einzig und allein der Conjunkturen wegen!“ Der Mutter Gabe. Bild 5 Wie rings die bunten Lichter flimmern! Der Baum voll Schmuck und Herrlichkeit! Es zeugt dies Glänzen und dies Schimmern Wohl von der schönen Weihnachtszeit. — Auf kaltem Lager kniet der Knabe, Schaut in die stille Nacht empor; Fleht nur um eine kleine Gabe Hinauf dort zu des Himmels Ohr. „O Mutter, die so oft im Leben Des Mangels herbe Qual vertrieb, Ach, kannst du mir denn gar nichts geben? Hast du dein Kind denn nicht mehr lieb? Vergaßest du in des Himmels Räumen Des bleichen Knaben Angesicht? Denkt man dort, wo die Engel säumen Der hinterlaßnen Lieben nicht?“ Ermattet sinket leise betend Der Knabe in des Schlummers Arm, Vergißt, des Traumes Reich betretend, Des Lebens Noth, des Tages Harm. — Ein weißer Schatten schleicht zum Lager Des Kindes hin um Mitternacht, Und neigt das Antlitz, bleich und hager, Hernieder auf den Schläfer sacht. „Dies ist der Trost, den ich dir geben, Die Hilfe, die ich senden kann: Nie störe wieder dir das Leben Den Traum, der selig dich umspann.“ „Der Mutter Gabe!“ haucht es leise, Sie küsset schnell des Kindes Mund; Und wie ein Nebel schwand die weiße Gestalt im düstern Hintergrund. Der Knabe lächelt still im Traume Nun ist wohl sein Gebet erhört — Träum’ fort in jenem stillen Raume, Wo nichts mehr deinen Schlummer stört!“ Christian Hoeppl. Kunst- und Raritäten-Sammlung (Leipziger Meßbude.) Bild 6, 7, 8 Unter vielen anderen sind besonders folgende Gegenstände höchst sehenswerth: 1) Der Frack, von welchem Hamlet nicht wußte, ob er „Sein oder nicht sein“ war. 2) Der Soldat, zu welchem Napoleon in der Schlacht bei Austerlitz sagte: Schultze, Schwärenöther, du wärscht doch niche —.“ 3) Der Stiefel, durch welchen Kopernikus zuerst auf den Gedanken kam, daß die Erde rund sei. 4) Aegyptische Finsterniß, welche Moses zum Andenken in eine Flasche füllte. 5) Die Pique, welche die Königin Elisabeth von England auf Maria Stuart von jeher hatte. 6) Goethe’s Faust in Gyps gegossen. 7) Das eine Haar, an welchem es hing, daß die Schlacht bei Leipzig von den Alliirten nicht verloren wurde. 8) Der Brief mit dem Namen der Verschworenen, welchen König Stanislaus von Polen edelmüthig verbrannte. 9) Der Stein, der vom Herzen des Reichstags-Abgeordneten Wuttke fiel, als er vernahm, daß es mit dem deutschen Kaiser Nichts werde. 10) Das Viergroschenstück, welches für Besichtigung des Poniatowsky-Denkmals in Leipzig nicht genommen wurde. 11) Einige Schuppen der großen Seeschlange, welche mehrere englische wahrheitsliebende Schiffscapitäne in der Ferne gesehen zu haben glauben. 12) Wallensteins Lager. Zimmerherrlichkeiten. Bild 9 Zimmerherr. „Ah, Mamsell Nani, verzeihens, daß ich Sie gerufen habe; ich habe Sie nur fragen wollen, ob Sie bei diesem heißen Wetter nicht Durst hätten und ich Ihnen eine Maß Bier anbieten dürfte? Magd. „Nichts lieber als das, Herr Budel!“ Zimmerherr. „Und dann ob Sie nicht eine Halbe für mich mitnehmen möchten?“ Magd. „Muß es gleich sein? — O nein, Sie können gewiß noch ein Bischen warten! Dank schön für meine Maß und Adieu Herr Budel!“ Bild 10 „Aber nein, „gnädige Frau,“ das ist doch zu arg; in drei Monaten zwei Klafter Holz verbrannt und wie oft ließ ich nicht einheizen!“ „Thun Sie, mein kostbarer Herr, den Mund nicht gar so weit auf; wenn es Ihnen auf ein Scheitlein Holz zusammengeht, dürfen Sie zu keiner Wittfrau mit sechs unversorgten Kindern ziehen!“ Bild 11 H. Itzig. „Gotteswunder, mein Ebenbild und a so a liebs G’sichtle!“ Köchin. „Aber nein, Herr Itzig, daß Sie heut schon so früh heimkommen. Hab ich gmeint, ich hätt wenigstens in Ihrem Zimmer a Ruh zum Briefschreiben, und weils so kalt war, hab ich Ihren Schlafrock angezogen. Sie sind doch nicht bös, geltens?“ H. Itzig. „Im Gegentheil, s’ freut mich. S’ Klärchen hat gewiß g’schrieben a Liebsbriefle.“ (Indem Herr Itzig dies spricht, nähert er sich dem Mädchen schäkernd, entreißt ihr den Brief und liest laut: „Ja, liebe Schwester, ich habe auch einen Zimmerherrn zu bedienen, was Garstigeres und Geizigeres als diesen alten unsauberen Kerl kannst du dir nicht denken.....“ Bild 12 Ein Funktionär. „Ah, recht guten Abend, wie gefällt es Ihnen bei mir?“ So, sind Sie der Hausherr?“ „Aufzuwarten, Herr Graf.“ „Ich bin nur Baron.“ „Also Herr Baron, ich hätte Sie gerne um eine Gefälligkeit ersucht, so zu sagen für meinen ältesten Sohn, eigentlich aber für mich...“ „Nun, so reden Sie nur!“ „Wenn Sie mir Ihren schwarzen Frack auf morgen leihen wollten.“ „Ich habe keinen Frack.“ „Dann taugen wir nicht zusammen, da müssens ausziehen, denn ich kann nur Zimmerherrn brauchen, die schwarze Fräcke haben.“ Kindlicher Vergleich. Bild 13 Der Jüngere. „Da, Joseph, schau’ a mal den Ochsen an: ich wett’ der ist so groß wie Du!“ Der Aeltere. „Ja wohl, sag’ lieber so groß wie der Vater!“ Der Jüngere. „Wo denkst Du hin? So’en großen Ochsen gibts gar nit!“ Definition. Bild 14 Lehrer: „Weißt du jetzt was ein Ketzer ist, Sepperl?“ Schüler. „A Kätzer? A Kätzer isch — isch das Männel vun eener Katz.“ === FB10—0229 Die Stechpalmlise. (Fortsetzung.) Sie sagte diese Worte so vor sich hin, während sie gebückt über die Feuerstelle bemüht war, das dürre Reisig in Flammen zu bringen. Ich stand unter der Thüre und betrachtete das Mädchen. Eine zauberische Röthe belebte die blaßkalten Wangen, ihr Auge strahlte in eigenthümlichem Glanze — sie, die kurz zuvor noch einer beweglichen Statue glich, sah nun aus frisch, blühend, mit dem Ausdrucke hoffender Liebe im Gesichte, einem einsamen Sennermädchen vergleichbar, das in süßer Sehnsucht ihrem Liebsten entgegenharrt. Das Feuer schlug in prasselnden Flammen empor, sie richtete sich auf und sah nach mir: „Du hast wohl Durst, armer Mensch, warte nur, ich will die Geise melken, du sollst Milch haben — ich mag das Wasser nicht, es ist kalt und tödtet. Aber es wird besser sein, du gehst heim; es ist nicht geheuer, wenn die Todten kommen, und ich habe viel zu reden mit meinem Heinrich. Komm ich will dich ein Lied lehren von meinem Heinrich; es war am Tag vor er gestorben, da hat mirs der Andere heimlich in die Hand gedrückt, und einen Brief dazu mit Bleistift geschrieben. Komm, wir setzen uns aufs Bett, ich wills dir vorsingen. Sie zog mich am Rocke zur Lagerstätte, ich ließ es mir gefallen, obgleich ungern. Die Nähe einer Wahnsinnigen hat immer etwas Unheimliches, und selbst Schönheit ist nicht im Stande, dieses Gefühl zu beseitigen. „So setze dich näher zu mir her, biege deinen Arm um meinen Leib, meine Hand leg‘ ich auf deine Schulter. So sind wir gesessen an jenem Abend bei der Quelle zwischen den zwei Fichten. Es war Mondschein und warm, viel wärmer als heute, wir hatten gerad das letzte Heu eingebracht.“ — Sie sah nach diesen Worten traurig vor sich hin, dann blickte sie wie begeistert auf und sang: „Einst saßen an einem Baume Zwei Liebende beisammen Und schnitzten prophetisch verschlungen In den Stamm ihre süßen Namen. Da perlten viel goldene Thränen Hervor aus der Fichtenwunde, Da kamen viel süße Worte Aus rosigem Mädchenmunde. — Die Thränen, die sind vertrocknet, Die Worte, die leben als Traum — So steh‘ ich mit blutendem Herzen Am vernarbten Fichtenbaum. Eine Thräne rollte bei der letzten Strophe aus ihren schönen Augen. „In der Au, dort steht der Baum: „Heinrich — Lise — wo sind sie? Hat Jemand ein Kreuz auf ihr Grab gesteckt? Nur sprengt mir kein Weihwasser darauf — um des Himmels Willen nur kein Weihwasser! Ihr könntet mir sie ersäufen! Gelt Heinrich, du hast keinen Durst? Setze dich besser zu mir her. Hast du mich denn wirklich noch gern Heinrich, wie damals unter dem Fichtenbaum? Ach wir küßten uns zu süß. Es war wohl nicht Sünde Heinrich? Weißt du noch, ich gab dir zu trinken vom frischen Quell, aus der Hand gab ich dir zu trinken. Pfui über das Wasser! Es ist so kalt, es machte dir das Leben gefrieren. Und dein Herz hat geblutet, schriebst du mir, an jener Stelle, wo ich dich geküßt und geweint, süße Thränen — Ach! die Thränen sind ja Wasser; ich will nie mehr weinen, Heinrich!“ Sie fiel mir um den Hals, ich versuchte mich loszumachen, sie sah auf: „Das ist nicht mein Heinrich. — Der ist todt, und Gott ist auch todt und Alles wird zu Wasser! Geh fort von mir, armer Mensch, heute ist Allerseelen, heute gehen die Todten um. Hörst du wie der Wildbach saust? Mein Heinrich steigt aus dem Bache. Ach mein Gott! Todt — todt — naß und kalt — ertrunken, ertrunken!“ Sie stützte den Kopf auf ihre Hände und schluchzte laut. Ein Geräusch vor der Thüre erregte unsere beiderseitige Aufmerksamkeit; die Thüre ging auf, der Wind blies in die Flammen, daß eine helle Lichte die ganze Hütte beschien, und eintrat mein Begleiter, den ich über das überraschende Vorausgegangene ganz vergessen hatte. Er sah bleich und angegriffen aus wie Einer, der von einem heftigen Schreck sich langsam erholt. Er wankte sichtlich beängstigt auf uns zu — das Mädchen sprang mit dem Schrei: „Mein Heinrich!“ vom Bette herab gegen ihn mit ausgebreiteten Armen, doch ehe sie dieselben noch um seinen Hals schlingen konnte, fiel sie ohnmächtig nieder, gerade zu seinen Füßen. Wir sprangen der Armen bei und legten sie auf das Moosbett, alles Beengende entfernend. Mein Begleiter deckte seinen Mantel über das Mädchen, und bat mich, ihn allein zu lassen. Ich war überrascht über diese Anforderung; mein Begleiter, dies bemerkend, sagte: „Ich bitte Sie, haben Sie kein Bedenken. Es ist meine Elise, diese Unglückliche.“ Es lag so viel Wahrheit im tieferschütterten Tone, mit dem er dies sagte, daß ich, so sonderbar mir auch dies Zusammentreffen war, keinen Zweifel in seine Worte setzte, obgleich ich vom Zusammenhange so vieler Seltsamkeiten kein Wort verstand. Ich zauderte dennoch fortzugehen, ohne zu wissen, warum. Er zog am Halse eine Schnur herauf, wies mir ein kleines Bild und sagte: „Sie sehen, daß es so ist. Lassen Sie uns allein, es hängt Alles davon ab, daß sie bei ihrem Erwachen Niemanden sieht außer mir; vielleicht ist sie noch zu retten. In unserem Gasthause treffen wir uns heute Nacht. Leben Sie wohl, Sie sollen Alles erfahren.“ Es war wirklich das Bild des Mädchens, was er am Halse trug, schön, Blühend, nichts als Glück auf den sanftgerötheten Wangen — der Gegensatz zu ihrer jetzigen Erscheinung, aber dennoch auf den ersten Blick durch das charakteristische ihres Ausdruckes kenntlich. Aufs Höchste überrascht, fast willenlos, folgte ich seinem Wunsche, und ging, ohne zu überlegen was besser wäre. Dieses sonderbare Ereigniß beschäftigte mich so sehr, daß ich gar nicht bemerkte, wie ich zurück anstatt vorwärts ging. Plötzlich weckte mich das Tosen des Wildbaches aus meinen Gedanken. Ich stand in der Thalenge hart am Stege, demselben, den ich einige Stunden zuvor meinen Begleiter führen wollte. Ich sah mich ringsum. Es ist ein schauerlicher Kessel, der Bach mit starkem Gefälle windet sich durch eine gekrümmte Felsschlucht, mit dumpfem Geräusch an die Kalkwände anschlagend. Hohe Tannen und Föhren mit ihren dunklen schattigen Aesten schauen malerisch in den weißgrünen Schaum des Wildbaches. Das Ganze ist wie gemacht zu irgend einem tragischen Vor falle, der sich auch wirklich hier ereignete, wie man noch heute an der aufgerichteten Martertafel hart am Stege lesen kann. Die Malerei dieses sogenannten „Marterl‘s“ ist eben nicht sehr geeignet, die Begebenheit anschaulich zu machen. Zwei halten sich fest und schweben sammt dem Geländer des Steges über dem weißblauen Wasser, das einer Bettdecke vergleichbar darunter ausgebreitet liegt, in grauer Luft. Am Ende der Brücke neben einem Baume, den man füglich für einen aufgesteckten Kehrbesen halten kann, steht eine Figur mit über den Kopf zusammengeschlagenen Händen, an der nichts Weib ist als der Rock. Ueber der ganzen Malerei schwebt auf undurchsichtig dichten Wolken von milchblauer Färbung die heilige Maria mit dem Kindlein; der Carmin der Wangen ist kirschroth, die Haare orangengelb, der Faltenwurf des Kleides einer schlechtgezeichneten Felsenparthie nicht unähnlich, und das Kindlein wohlgenährt, rothbackig, Großes verheißend mit übermäßig großem Kopfe. Unter dieser anmuthigen Zeichnung steht die etwas verwischte Denkschrift im Votivtafelstyle genau wie folgt: „Allhier auf diese Bruck ist der ehrsame Jungxell Franz ***, nebstbei Bräutigamm und Wirth vom Steg bei einem unkristlichen Raffhandl mit einem frembden Menschen in Bach gefallen. Gott und die heilige Schmerzenmutter gnade den zwei arm Seelen. Wanderer ste still und bett. Zwei Vatterunser und zwei Avemaria.“ Die Stechpalmlise und ihr Wahnsinn, mein Begleiter, der Steg und die Martertafel, dies Alles warf sich zu einem wirren Bilde zusammen, dessen Lösung ich gespannt entgegensah. Den steilen Fußsteig jenseits des Baches hinangeklommen, kam ich auf der Landstraße an und wanderte eiligen Schrittes der ziemlich ferne liegenden Stadt zu. Im Gasthause angelangt, harrte ich des Schweizers. Die Nacht verstrich, es wurde Tag, — er kam nicht. Theils aus Besorgniß, theils aus Begierde, dieses sonderbare Räthsel gelöst zu sehen, machte ich mich mit der Sonne auf und gelangte nach ein paar Stunden an den Ort unserer Trennung. Am Kreuze hing der Stechpalmenkranz, in der Hütte war Alles wie gestern, nur das Mädchen war verschwunden. Am Grabhügel bemerkte ich eine dünne Schnur, ich versuchte sie herauszuziehen, sie war fest. Die Neugierde bewog mich nachzusehen, ich riß eine Zaunspalte aus dem Boden und grub nach. Unter einer Lage von Schieferplatten entdeckte ich ein kleines hölzernes Kästchen mit einem Schlosse versehen, und wie die halbverfaulten Ueberreste andeuteten, einst mit Sammt überzogen. Das Kästchen selbst war noch unversehrt; ich nahm es, verschlossen wie es war, in der Hoffnung, bei meiner Rückkehr den Schweizer zu treffen und es ihm einhändigen zu können. Etwas müde kehrte ich in der nächsten Dorfschenke ein und trank behaglich ausgestreckt am Chorfenster hinter einem großen runden Tische meinen Rothen. Mir gegenüber saßen zwei Bauern, der eine wohl über sechzig, der andere ein schmucker Bursche von einigen und zwanzig Jahren. Sie waren in eifrigem Gespräche, die gefüllten Schnapsgläser vor sich. „Ich sag dir, Hans, sie war von jeher nichts nutz, sonst wärs damit nie so weit gekommen. Wer unsern Herren verlaßt, den verlaßt er auch, und dem Teufel steh‘n Thür und Thor offen. Du warst auch vernarrt in das Mädel, und bist gelaufen und gesprungen wie ein Bär, wenn er über‘m Joch eine Bärin weiß. Glaubst etwa, ich wiss‘ das nicht? Kannst Gott danken und der heiligen Jungfrau, daß dich der WirthsFranzl ausgestochen; er hat‘s büssen genug müssen der arme Franzl, Gott hab ihn selig.“ „G‘rad so arg ist‘s nicht gewesen, Vetter,“ meinte der Jüngere. „Ihr wißt wohl selber, daß der Lies ihre Leut g‘schürt haben und g‘schürt, bis sie‘s nimmer hat aushalten können, und dem Franzl den Handschlag geben hat. Mir hat sie nicht viel achtgeben, das ist wahr, aber der Franzl, der hätt sie schon gar nicht kriegt, wenn ihre Leut nicht so dazugethan hätten. Aber was nicht sein will, will nicht sein! Ja Vetter, wenn sie die Ungnad vor Gott nicht hätt‘, und nicht besessen wär, Gott woll uns behüten, meiner Seel, ich wollt heut noch hingehn zu ihr und sagen: Liesl, du weißt es, ist schon wohl eine Zeit, daß ich dich gern hab, ich hab Haus und Hof und fast schuldfrei, wenn du mich magst, so haben wir Hochzeit.“ „Hans versünd‘ dich nicht. Das Weibsbild hat nie recht unter die Leut getaugt, sie hat schon von Jugend auf allezeit so lutherische Bücher gelesen, so Gedichter, wie sie‘s in der Stadt heißen, so Teufelszeug so schlechtes. Bei so einer Sach kann kein Segen sein, und die Muttergottes, wenn sie so Ding sieht, zieht auch die Hand ab.“ „Ja, ja, Vetter, ich kann euch nicht Unrecht geben, aber ein‘s bleibt doch wahr, gesungen hat sie schön und schöne Lieder hat sie auch allzeit gewußt; hättest meinen mögen woher sie‘s gelernt hätt‘. Nur das hat mich nicht schön gedünkt, daß sie einmal, es ist gerad um Weihnachten gewesen — nein am Dreikönigtag — gesagt hat, sie geh‘ nicht singen auf‘s Chor, sie könn das Geschnarr und den Singsang, von dem doch kein Mensch was versteh‘, nicht leiden. Das war ein schlechtes Wort und unser Herr hat ihr‘s aufgemerkt. Ich sag ein‘s wie‘s andere, Vetter!“ Während dieses Gespräches trat noch ein Bauer in die Wirthsstube, begehrte ein Glas Magenstärkung und setzte sich zu den Andern mit den Worten: „Hat Euch der Mesßmer Seppl noch nichts erzählt von der schrecklichen Geschichte gestern Nachts?“ „Kein Wort; ich bin auch seit vorgestern nimmer dazugekommen.“ „Gestern um halb acht Uhr Nachts, also nach Betläuten, der Mond hat so hell geschienen, daß man jeden Groschen am Weg hätt‘ aufheben können, ich bin eben heimgegangen, da haben wir beide, ich und der Meßmer, es gesehen, wie der böse Feind, Gott sei uns gnädig und barmherzig, in Gestalt eines Jagers das verruchte Weibsbild, die Stechpalmlise, geholt hat.“ Der Wirth, der gerade recht gekommen war, diese erbauliche Geschichte mit anzuhören, ließ den Schnaps, den er in der Hand hielt, mit dem der Bauer seinen Magen stärken wollte, aus reinem Schrecken fallen. Die Wirtin schlug die Hände über dem Kopfe zusammen, nachdem sie zuvor sich bekreuziget hatte; doch entging mir nicht ein ziemlich ausge drückter Zug der Schadenfreude in ihrem dunkelrothen unan genehmen Gesichte. Die zwei Kinder verbargen sich furchtsam unter ihre Schürze. Dem Bauernburschen standen förmlich die Haare zu Berge, er sprang auf mit den Worten: „Das kann doch wohl nicht sein; Ihr habet wohl etwa nicht recht gesehen?“ „Es ist aber doch so!“ entgegnete der Bauer mit einem boshaft grinsenden Gesichte. Er sah bei diesen Worten auf mich; ich nahm es für eine Aufforderung mich zu äußern und fragte: „Und wißt Ihr mir vielleicht zu sagen, welchen Weg der Teufel mit dem Weibsbilde eingeschlagen?“ Ich stellte diese Frage in aller Unschuld, aus dem einfachen Grunde, weil ich meinem Begleiter gerne auf die Spur gekommen wäre, ohne zu ahnen, in welch hohem Grade ich den Grimm des Mannes weckte. Er stand auf, nahm seinen Stock, maß mich mit tiefster, gründlicher Verachtung vom Kopfe bis zur Taille, denn weiter konnte er mich nicht sehen, weil ich hinter dem Tische saß, dann donnerte er mich in kreischendem Basse an: „Den Weg, den ihr Herren einmal gehen werdet, den ist er gegangen — in die Hölle!“ Er riß die Thüre auf, ein gewaltiger Schlag in das Schloß verkündete, daß er die Schwelle verlassen. Dieser Auftritt machte mir ein ferneres Verweilen in der Wirthsstube unbehaglich; ich bezahlte dem Wirthe, der sich noch nicht ganz von seinem Schrecken erholt hatte, die Zeche, nahm das Kästchen und ging meine Wege. — Ich war mit meinem geheimnißvollen Kästchen im Gasthause angelangt; der Kellner übergab mir einen Brief und that sehr wichtig, als er mir erzählte, mein Freund sei mit einer ganz schwarz gekleideten Dame, die nichts gegessen, nicht gesprochen und auch den dichten Schleier nie gelüftet habe, in aller Eile per Extrapost abgereist. Er selber sei sehr verwirrt gewesen, und habe ihm, dem Kellner, nur einen Zwanzger Trinkgeld gegeben. Ich ging auf mein Zimmer und erbrach gespannt den Brief: „Werthester Freund! Ich ersuche Sie dringendst, den sonderbaren Vorfall, von dem Sie Zeuge waren, geheim zu halten. Es ist sehr viel Hoffnung vorhanden, daß Lieschen, ferne von Allem, was ihr unangenehme Erinnerungen erweckt, in der blühenden Gegend meiner Heimath ganz gesunde. Sehen Sie beim Grabhügel neben der Hütte sobald möglich nach, Sie werden dort eine Chatulle mit Briefen und Gedichten von mir finden, welche das Mädchen in ihrem Irrsinne dort verscharrte. Sie können vielleicht in diesen Papieren einige Erläuterungen zu dem Geschehenen finden, die Ihnen jetzt schriftlich zu geben mir die gehörige Ruhe und Zeit fehlt. Sie werden meine Aufregung begreifen — verzeihen Sie diese Kürze, bald sollen Sie das Weitere von mir hören. (Schluß folgt.) Die Teutoburger Schlacht. Als die Römer frech geworden Zogen sie nach Deutschlands Norden, Vorne mit Trompetenschall Ritt der Generalfeldmarschall Herr Quinctilius Varus. Doch im Teutoburger Walde Hui! wie pfiff der Wind so kalte! Raben flogen durch die Luft Und es war ein Moderduft Wie von Blut und Leichen. Plötzlich aus des Waldes Duster Brachen krampfhaft die Cherusker; Mit Gott für Fürst und Vaterland Stürzen sie voll Wuth entbrannt Gegen die Legionen. Weh! das war ein großes Morden, Sie erschlugen die Cohorten; Nur die römische Reiterei Rettete sich noch ins Frei, Denn sie war zu Pferde. O Quinctili! armer Feldherr! Dachtest Du, daß so die Welt wär? — Er gerieth in einen Sumpf, Verlor zwei Stiefel und ein‘ Strumpf Und blieb elend stecken. Da sprach er voll Aergernussen Zum Centurio Titiussen; „Kamrade! zeuch mein Schwert hervor Und von hinten mich durchbohr Da doch Alles futsch ist.“ In dem armen römischen Heere Diente auch als Volontäre Scaevola, ein Rechtscandidat, Den man schnöd gefangen hat Wie die Andern Alle. Diesem ist es schlimm ergangen: Eh‘ daß man ihn aufgehangen, Stach man ihn durch Zung und Herz, Nagelte ihn hinterwärts Auf sein corpus juris. Als das Morden war zu Ende Rieb Fürst Herrmann sich die Hände, Und um sich noch mehr zu freuen, Lud er die Cherusker ein Zu ‘nem großen Frühstück. Nur in Rom war man nicht heiter, Sondern kaufte Trauerkleider. Grade als beim Mittagsmahl Augustus saß im Kaisersaal, Kam die Trauerbotschaft. Erst blieb ihm vor jähem Schrecken Ein Stück Pfau im Halse stecken; Dann gerieth er außer sich Und schrie: „Varus, schäme Dich! Redde legiones!“ Sein deutscher Sklave, Schmidt geheißen, Dacht‘: „Ihn soll das Mäusle beißen, Wenn er sie je wieder kriegt, Denn wer einmal todt da liegt Wird nicht mehr lebendig!“ Und zu Ehren der Geschichten Will ein Denkmal man errichten, Schon steht das Piedestal, Doch wer die Statue bezahl Weiß nur Gott im Himmel! Der Reserveplatz. „Du Lumpendörfer! denke dir nur, wir sollen keinen Branntwein mehr trinken. Sie sagen, das Bier sei moralischer und gesunder.“ „Nimmermehr! und hab‘ ich noch so viel Bier getrunken, das Fleckchen, wo der Branntwein hingehört, bleibt doch immer leer.“ Polizeilicher Unwillen. „Ihre Papiere sind zwar in Ordnung, aber ich begreife noch immer schwer, daß Sie wirklich nichts anders sein sollen, als ein ehrsamer Schneidermeister auf Geschäftsreisen, da Sie doch ganz wie ein Wühler aussehen.“ Der entlassene Sträfling. „Brrr—r, da hats an Schnee heraußen und a Kälten — da drin war‘s so schön warm — is das auch Humanität, einen bei so ‘nem Wetter aus dem Zuchthaus hinaus zu stoßen? — warts aber nur, i kimm scho wieder nein.“ Sinnspruch. Armes Deutschland! Du hast Soviel Räthe und keinen Rath, Soviel Rechte und kein Recht, Soviel Freiheiten und keine Freiheit, Soviel Krieger und keinen Krieg, Soviel Mächtige und keine Macht, Soviel Kräfte und keine Kraft, Soviel Einheiten und keine Einheit, Soviel Männer und keinen Mann! Tirolergruß. Gelobt sei Jesus Christ In alle Ewigkeit! Was lächelt doch das Mägdelein Im Aug‘ so schelm‘sche Lust und List? Heut‘ Abend Schatz! im Mondenschein — — Gelobt sei Jesus Christ! Der Bube lächelt schelmisch drein, Und Abends klopft er ganz gescheidt An‘s Fenster und da plaudern s‘ fein In alle Ewigkeit — — Gelobt sei Jesus Christ! Herrn Kraftmaiers sonntägliches Privatvergnügen. Morgens 5 Uhr. Muskelstärkung. Turnstudien beim Frühstück. Herr Kraftmaier geht aus. Herr Kraftmaier besucht seinen Freund Starkmaier. Beide gehen mit einander aus und machen einen gemüthlichen Spaziergang. An einem nahegelegenen Vergnügungsorte angelangt wird das antediluvianische Ballspiel aufgeführt. Hierauf wird in den Wald gegangen und botanisirt. Mit botanischen und mineralogischen Merkwürdigkeiten beladen, treten die Herrn Kraftmaier und Starkmaier am Abend den Heimweg an. = = = FB10—0230 Die Stechpalmlise. (Schluß.) Kurz nach diesen Begebnissen hatte ich Tirol verlassen, es war im Herbste des Jahres sechs und vierzig. Von Satan und der Stechpalmlise kam mir keine weitere Kunde: ich zählte das Ganze zu meinen interessantesten Erlebnissen, und konnte lange die Bilder jenes Allerseelentages nicht los werden. — Es kam eine ernstere Zeit: das Jahr achtundvierzig mit seinen März und Maitagen, eine Zeit, in der es zu handeln galt, nicht zu träumen. Im März ward gepflügt, im Mai die goldene Saat der Freiheit in die aufgelockerte, in die urbar gemachte Erde der österreichischen Lande eingestreut — und im October düsteren Angedenkens, hat sie der kalte Hagel zerschlagen. Es ist ein wunder Fleck diese letzte Katastrophe, den man nicht berühren sollte; doch der Entwicklung meiner Geschichte bin ich es schuldig, den Leser in die Jägerzeile, auf die Barrikaden zu führen, wo Proletarier mit wilden todtverachtenden Gesichtern, ein Häuflein aus der Aula, verzweifelnde Nationalgardisten und mancher Fremde, der seine Heimath verlassen, um der Idee der Freiheit als Opfer zu fallen oder Theil zu haben an ihrem endlichen Siege, in buntem Gemenge standen und mit wohlgezielten Schüssen auf die Kroaten feuerten. Auf eine dieser Barrikaden hatte der Zufall auch mich hingeführt. Wir wehrten uns alle wie Löwen, doch das Gefüge unserer Verschanzung wich der Gewalt der Kanonen; die schwarzrotgoldene Fahne hatte zum Letztenmale hoch aufgeweht durch die dunkeln Wolken des Pulverdampfes — ein Kanonenschuß zersplitterte die Stange, sie stürzte herab und mancher treue Kämpe mit ihr. Ein weißes Tuch als Zeichen der Uebergabe wurde aufgesteckt — Geschrei und Geheul, wilde Flucht — Alles war aus. Ich ging hinter den Trümmern der Barrikaden und besah mir die Todten. Auf der Fahne Deutschlands, die ihre Farben am Boden ausbreitete, lag, das Haupt auf einen Steinhügel zurückgelehnt, ein Mann im Legions–Rocke, die Augen geschlossen, todtenbleich; das Blut träufelte langsam aus einer tiefen Kopfwunde — es war Heinrich. Er gab noch Zeichen von Leben, und mit Hülfe eines Mannes brachte ich ihn in meine nicht sehr fern gelegene Wohnung. Alles Weitere nicht zur Sache gehörige, von seinen Leiden und seiner Genesung übergehend, bemerke ich blos, daß sich eines Abends unser Gespräch auf das Begebniß in Tirol wendete. Ich werde diese Mittheilungen mit seinen eigenen Worten dem Leser übergeben. „Ja wohl!“ sagte er traurig, „ich bin Ihnen noch immer die Erklärung schuldig geblieben über diese ganz eigene Geschichte. Sie sollen aber dafür nun weit mehr erfahren, als ich Ihnen damals hätte mittheilen können. Mein Herz blutet bei dieser Erinnerung, doch es mag bluten! — Sie erinnern sich wohl jenes unglücklichen Freischaarenzuges unter Ochsenbein? Es war um dieselbe Zeit, als ich meine Heimath floh und nach Tirol reiste. Ich durchstreifte die Thäler und bestieg die Höhen der Berge, die alte Fröhlichkeit kehrte wieder, es war mir so wohl in diesem Ländchen, als wäre es meine Heimath. Da kam ich eines Abends, ein müder Wanderer, zu einem einzelstehenden Bauernhofe: lustig klang darin die Zither und zwei weiche Mädchenstimmen tönten lieblich durch die kleinen beleuchteten Fenster der Stube. Ich lauschte lange einer bekannten Melodie, es war mir als ständ‘ ich auf den grünen Halden der Berneralmen — der Hof wurde zur einsamen Almhütte, und drinnen saß der Hirtenknabe und die Sennin, sie sangen das Lied von ihrer Liebe. Ich suchte in meiner Tasche nach einem Vorwande, einzutreten und öffnete, eine Cigarre in der Hand, die Thüre. Der lange schmale Hausgang war schwach erhellt vom Feuer, das munter am Küchenherde prasselte, ich ging dem Lichte nach; ein schönes Mädchen von schlankem Wuchse stand am niedern Herde, beschäftigt, die Feuerbrände abzulöschen, um das dampfende Mahl über die Glut zu setzen. Ich bot einen guten Abend, und entschuldigte mein Eintreten, indem ich die Cigarre an den glimmenden Kohlen auzünden wollte. Sie grüßte freundlich entgegen und gab mir einen brennenden Span, indem sie meinte, es ginge besser so als mit den riechenden Kohlen. Sie war freundlich und einnehmend, wer hätte da nicht gerne des längeren verweilt? Es entspann sich ein Gespräch, in dem ich erfuhr, daß sie Liese heiße, wofür auch ich ihr meinen Namen bekennen mußte, daß die beiden Sängerinnen ihre Schwestern, daß sie alle drei morgen in die Stadt zur Kirche gingen, und mehr noch von derlei Dingen, die man einem Fremden anvertrauen darf. Der alte Vater, ein freundlicher graubärtiger Mann, der bald darauf in die Küche trat, lud mich, nachdem ich ihm bereitwillig von meiner heutigen Wanderung erzählt hatte, ein, beim Abendessen mitzuhalten, indem ich wohl bei Appetit sein dürfte nach einem so weiten Weg. Ich nahm es dankbar an und er führte mich in die Stube. Die Mädchen verstummten bei meinem Erscheinen und der Zitherspieler schlug ein paar gleichgültige Akkorde an. Der Alte sagte, daß ich sein Gast wäre und von einem weiten Weg herkomme — ich mußte aus Neue meine ganze Wanderung erzählen. Ich bat hierauf die Mädchen, im Singen fortzufahren, sie lachten und meinten, es sei nur so ein Geschrei gewesen, sie könnten nicht singen, aber Liese, die könne schon mehr und noch dazu Lieder aus der Stadt. Während dieses Gespräches kam Liese und setzte erröthend den Pfannenknecht auf den Tisch, das ausgekühte Muß daraufstellend. Es wurde ein Vaterunser gebetet und man ging zu Tische; unter munterem Gespräche wurde der Maisbrei verzehrt und die frischgemolkene Milch, die daneben stand. Die Mädchen meinten lachend, die Stadtherren verstünden nicht Muß zu essen, ich machte mir nichts daraus und lachte mit. Nach dem Essen klang wieder lustig die Zither, und der Alte erlaubte uns sogar zu tanzen. Ich ließ vom nahegelegenen Wirthshause einen Krug Wein herbeischaffen und wir lachten und tanzten lustig und guter Dinge bis spät in die Nacht. Lieschen, die nach und nach die Schüchternheit ablegte, sang mit unvergleichlich wohltönender Stimme manches Lied aus den neueren deutschen Dichtern zu meinem nicht geringen Erstaunen. Endlich mahnte der Vater, daß es Zeit sei ins Bett zu gehen, er ließ mich nicht fort, und ich schlief, meinen getreuen Hund an der Seite, ganz königlich im duftenden Heu des Stadels — arkadische Träume umgaukelten mich, die Nymphen sangen an Quellen und in den Feldern; eine gefiel mir vor alleu, sie glich Lieschen, ich wollte sie erreichen, sie saß auf einem Baumstumpfe, da kam ein garstiger Faun mit langer krummer Nase, und führte mir sie weg; ich erwachte. Lieschen stand vor mir im feiertäglichen Gewande, sie bot mir lachend einen guten Morgen, es war bereits heller Tag. Nach dem Frühstücken begleitete ich die Mädchen zur Stadt und nahm an der Kirchthüre Abschied, nachdem ich das Versprechen gegeben, sie bald wieder zu besuchen. Es dauerte nicht lange, und ich war täglicher Gast, trank mit Lieschen meinen Kaffee und quartierte mich endlich in einem zum Hofe gehörigen unbewohnten Häuschen förmlich ein. Ich wußte mich bei den Leuten gerngesehen zu machen, die Liebe zu Lieschen wuchs mit jedem Tage, und auch das Mädchen war mir herzlich zugethan, mehr als ich glaubte. Des Abends gingen wir traulich Arm in Arm zur nahen Quelle; wo die dunklen Fichten ihre Zweige liebend ineinander verschränkten, dort war eine weiche Moosbank. Da saßen wir denn von der Zukunft träumend, wir bauten uns auf ländlich stillen Halden eine friedliche Hütte für uns und unsere Liebe. Oft waren wir recht kindisch, ich trank knieend aus ihrer niedlichen kleinen Hand, sie bespritzte mich mit Wasser, und so kehrten wir singend und lachend zum Hofe zurück. An einer jener Fichten können sie vielleicht heute noch die Anfangsbuchstaben unserer Namen lesen, wenn nicht auch sie unter dem Streiche der Axt gefallen. Es war ein idyllisches Leben, um mich und in mir nichts als Poesie, ich war der seligste Mensch auf Erden. Lieschen hatte herrliche Anlagen, und meine Mühe blieb nicht fruchtlos, sie war sehr bald, wenn sie gleich nicht französisch zu plappern wußte, und auch nicht auf die feine Etikette der Salons sich verstand, gebildeter als irgend ein Stadtfräulein, das Romane liest und sich den Hof machen läßt. Doch dieses trauliche Zusammensein sollte nicht ungestört bleiben. Nach vielen Wochen meiner romantischen Zurückgezogenheit machte ein hämischer Zufall die Leute auf meine Religion aufmerksam; sie erfuhren ich sei lutherisch. Ich läugnete es nicht und für mich war des Bleibens nicht länger. Die ganze Gegend gerieth in Aufruhr, ja man wollte förmlich auf mich fahnden wie auf einen Wolf, der um die friedlichen Hütten der Thalbewohner schleicht. Eines Morgens in aller Frühe wagte ich mich zum Letztenmale an Lieschens Fenster. Ich klopfte leise mit bekanntem Schlage an die rundeingerahmten Scheiben, nicht lange, so erschien das Mädchen an der Hinterthüre des Hauses, die Thränen standen ihr in den Augen, sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich beschwor sie mit mir zu fliehen, sie bat mich weinend an solche Dinge nicht zu denken, es würde dem alten Vater das Herz brechen. Da knarrte im oberen Stocke laut eine Thüre — ein Händedruck, ein Kuß und ich eilte den Hügel hinunter. Die Sterne erbleichten, die Sonne erhob sich golden über die Kanten der Berge, aber in meinem Herzen war es Nacht, tiefe Nacht. Ich reiste alsogleich fort von einer Gegend, die mir so unheilvoll geworden, ich kam nach Hamburg, um von dort in der ersten Aufregung nach Amerika mich einzuschiffen, als wäre dies das Land, das alle Schmerzen heilte. Ich schickte eilig noch einen Brief an Lieschen, und „das Lied vom jungen Matrosen“, das sie jenen Allerseelenabend vor der Hütte sang, wenn Sie sich noch erinnern; ich bilden mir ein, sie sei treulos und gefiel mir in dieser grundlosen Einbildung. Ehe noch meine Vorbereitungen zur Abreise getroffen waren, kam ein Brief, es war Lieschens Antwort. Spuren von Thränen hatten an manchen Stellen die Schrift verwischt, sie sagte mir auf ewig Lebewohl, man wolle sie zu einer Heirath zwingen mit einem Menschen, den sie nie lieben könne: sie denke nur an mich mit tiefem Schmerz, ihre einzige Hoffnung sei der Tod. — Sie können sich denken, welchen Eindruck diese Mißhandlung meiner Geliebten auf mich machte: ich reiste augenblicklich nach Tirol zurück und ging mit voller Entschlossenheit geraden Wegs nach dem Hofe. Fremde Leute waren dort aufgezogen, die früheren Bewohner hatten sich ein Häuschen am Ende eines nahe gelegenen Dorfes gekauft. Man erzählte mir, Lieschen mache eine gute Heirath mit einem reichen Wirthssohne aus der Gegend, und sei bereits das Zweitemal verkündet. Es könne höchstens eine halbe Stunde sein, seit sie mit ihrem alten Vater und einer Schwester vorbeigegangen, den „Nähensteig“ zum Wirthshause ihres Bräutigams. Ich ging düster und in mich gekehrt jenen wohlbekannten Steig, er führte an der Quelle vorüber. Unentschlossen blieb ich am Fichtenbaume stehen, in den ich unsere Namen eingeschnitten — sie waren bereit vernarbt und das Harz hatte sich thränengleich darunter angelegt. Ich schrieb, ohne zu wissen wie sie ihr zukommen sollten, einige Zeilen au Lieschen; ich bat sie, mir nur eine Viertelstunde zu schenken, ich wollte ihrer am Stege unter dem Hause ihres Bräutigams harren. Zu diesen Zeilen schrieb ich ein kleines Gedicht, das mein tiefer Schmerz mir eingab. Ich faltete das Blatt und ging. Kurz vor dem Stege begegnete mir der Zitherspieler, der mir schon von früheren Zeiten gewogen war; er war überrascht mich zu sehen, ich bat ihn, diesen Zettel Lieschen, die oben im Wirthshause wäre, heimlich zu übergeben. Er that wie ich sagte. Zitternd harrte ich wohl eine halbe Stunde an eine dunkle Tanne neben dem Steg gelehnt. Düstre Wolken zogen ober mir dahin und der Wind heulte durch die enge Felsschlucht; von Zeit zu Zeit zuckte eine Helle durch die Wolken und aus weiter Ferne grollte der Donner. Mir war unheimlich zu Muthe, ich wußte nicht warum; endlich sah ich eine weibliche Gestalt den Steig herab eilen, ein Blitz fuhr flammend herab, ich erkannte Lieschen — ein dumpfer Donnerschlag rollte lang hin an den Bergen. Ich lief ihr entgegen, sie sank mit einem Schrei in meine Arme. Ich glaube, wir haben kein Wort geredet, nur Lipp‘ an Lippe gepreßt hielt ich sie umschlungen, lautlos, unbekümmert um den Zorn des Himmels, der Blitz auf Blitz in das Thal sendete. Plötzlich faßte mich Jemand bei den Haaren, ich ließ das Mädchen los, ihr Bräutigam hatte uns überrascht. Nun ging es an ein Ringen, ich hielt ihn krampfhaft um den Leib, wir drängten und schoben uns bis in die Mitte des Steges, das Geländer brach und beide stürzten wir in den Wildbach. Ich kam heraus ohne zu wissen wie; er fand, wie ich später erfuhr, im Wildbache den Tod. Auf unbesuchten Gebirgspfaden floh ich in die Heimath. Das Uebrige wissen Sie selbst bis auf die Abreise mit Lieschen. Bald nachdem Sie die Hütte verlassen, erwachte das Mädchen aus ihrer Ohnmacht, sie hing beständig an meinem Halse, wohl hundertmal mußte ich ihr betheuren, daß ich nicht todt sei. Nachts im Mondlichte verließen wir die Hütte. Um kurz zu sein, ich führte Lieschen in meine Heimath, der Verstand kehrte dem armen Mädchen wieder und ich heirathete sie. Wir verlebten angenehme und glückliche Tage, fast so idyllische als am Hofe in der ersten Zeit unserer Liebe. Auf einmal befiel sie ein Heimweh nach den Bergen von Tirol, nach den Gegenden, wo sie ihre Kindheit verlebt. Ich fürchtete alte Erinnerungen zu wecken und sträubte mich dagegen, sie wurde von Tag zu Tag trauriger, ja es war zu befürchten, daß sie ernstlich erkranke; ich gab nach. Wir besuchten manche bekannte Stelle, auf der süße Erinnerungen ruhten, es war im Frühlinge, überall Blumenduft und Blüthen, die Vögel sangen auf allen Hecken und die laue Luft lockte ins Freie. Eines schönen Nachmittags besahen wir uns auch die Hütte, wo Liese Monate des Wahnsinnes zugebracht, nachdem man sie als vom Teufel besessen aus dem Hause gestoßen — sie war halb zerfallen, ein schmucker Hirtenknabe saß auf dem Felsen und johlte fröhlich, sich wärmend am Strahle der jungen Sonne. Lieschen war ungemein heiter und aufgeräumt, die Heimathluft hatte ihre Wangen aufs Neue geröthet, sie fühlte sich so wohl auf diesen bekannten Pfaden und hüpfte gleich einem Kinde an meiner Seite den Steig hinauf zum nächsten Dorfe, wo wir einkehrten uns zu laben. Vom Chorfenster der Wirthsstube hatten wir eine treffliche Aussicht auf die blumigen Halden und Thalgründe, und die fernen zackigen Berge. Mit dem Kaffee kam auch ein alter Bekannter zur Thüre herein — der Zitherspieler Anderl. So willkommen er mir zu jeder anderen Zeitauch gewesen sein dürfte, so unangenehm war es mir ihn jetzt zu sehen. Er erkannte mich gleich; da ging es nun an ein Fragen und Erzählen, eines gab das andere. Nach und nach wurde die Unterhaltung lebhafter, vertraulicher, man dachte früherer Zeiten, und der Zitherspieler konnte nicht genug Lieschen bewundern, die, wie er meinte, eine prächtige steife Frau geworden, allen Stadtmädeln zum Trotze. Wir verplauderten uns so, bis bereits die Nacht im Thale lag, Anderl erbot sich uns zu führen. Er brachte eine lange „Kentel“ aus Kienholz, und wir wanderten heim wärts im grellen Lichte des lustig flackernden Kiens, um uns dunkle Nacht. Man sieht, wie Jeder weiß, der je Nachts beim Scheine einer vorausgetragenen Fackel gegangen, nur einige Schritte vor sich, und kann weder Gegend noch Direction des Weges beurteilen, wenn man ihn nicht genau kennt — so waren wir mit Einemmale am Stege angelangt. Wir blieben stehen: das rothe Licht der Kentel warf seinen unheimlichen Schein auf die Martertafel; Liese sah hin, ein Schrei des Entsetzens und sie sprang in den Tobel. Wir retteten sie ein Stück unter der Brücke, doch nur für kurze Zeit, ihre letzten Worte waren Wahnsinn, sie starb in meinen Armen. Sie sehen, ich habe Alles verloren, und es war mir nicht einmal gegönnt in diesem letzten Kampfe für die Freiheit mein Leben auszuhauchen.“ L. Sll. (Anm. Ludwig Schnell) Empfehlung. Nachdem ich am heutigen Tage vom hiesigen Stadtrathe als Hochzeitbitter und Leichenbestatter verpflichtet worden bin, verfehle ich nicht, bei vorkommenden Trauerfällen der Art einem geehrten Publikum und insbesondere einem hohem Adel mich bestens zu empfehlen, und im voraus die prompteste und schnellste Bedienung versichernd, bitte ich ganz gehorsamst, mich mit einem recht zahlreichen Zuspruch gütigst beehren zu wollen. Knippeldingen, den 1. Okt. 1849. Jeremias Bitterlich Geistesgegenwart. Geh‘ ich Ihnen einmal ganz gemüthlich im Urwald spazieren, Cigarre im Mund, ein dünnes Spazierstöckchen in der Hand. Ich denk‘ an Nichts; auf einmal rauscht‘s neben mir im Gebüsch und eine ungeheure Brillenschlange schießt auf mich zu. — — — Ich war verloren, da gab mir mein guter Geist das letzte Rettungsmittel ein. Schnellentschlossen nahm ich mein Stöckchen und schlug damit der scheußlichen Schlange die Brille aus‘m Gesicht. — Das Ungethüm sah natürlich Nichts mehr und ich war durch meine Geistesgegenwart gerettet. Kriegssubsidien. Soldat (leise). „Du, die Kellnerin wartet auf‘s Geld!“ Die Geliebte. „Da nimm den Geldbeutel und zahl, gib mir ihn aber darnach gleich wieder.“ Wanderleben. Hier lieg ich unterm Birebaum Und denk‘, das Lebe is e Traum; O weh! wohin — o weh; wohin Treibst du mich noch, mein freier Sinn? Schweinfurt is meine Vaterstadt, Die so viel schöne Häuser hat: Mein Vater, der is e Schuster, Und ich — ich bin sein Sohn, uf Ehr‘! Und weil mein Vater e Schuster is, Hab‘ ich e Schuster werde gemüß: Es is das werklich e schön‘s Geschäft, Allwo die Menschheit nit barfuß läft. Mein‘ Carriere begann ich jung Als wohlgezogner Schusterjung‘; Und was e Schusterjunge is, Das wisse‘s zu Wien, wie in Paris. Und als ich druf Geselle ward, Ließ ich mir stehen en Heckerbart; Zuvor schon liebt‘ ich en Mädigen Und that mit ihr zum Weine geh‘n. Jetzt kam die Wanderzeit daher, Durch Deutschland lief ich kreuz und quer, Und laufe noch und laufe fort, Es leid‘t mich nit an einem Ort. Das Wandre wär e schönes Ding, Wenn Einem die Zehrung nit ausging‘, Und wenn die Herre Schandarm nit wär‘n. Die Einem das Fechte so erschwer‘n. Viel Städt‘ und Mensche hab‘ ich g‘sehn, Hier that‘s mir wohl, dort übel geh‘n. Am beste g‘fiel‘s zu Leipzig mir, Dort lernt‘ ich Bildung und Manier. Von dort stammt auch mein Hochdeutsch her, Das fiel mir anfangs sakrisch schwer, Auch Versle mache lernt‘ ich schön, Wie ihr aus diesem Lied könnt seh‘n. Zuletzt kam ich in‘s Badnerland, Kurz eh dort der Krawall entstand; Schnell hatte mer die Minister draus Und ware nu die Herre im Haus. Heisa, welch prächtig Regiment! Nur hatt‘ es leider bald ein End‘, Es kame alsfort die Reichssoldate Und klopfte uf uns Demokrate. Die Preuße ginge übern Rhein Und schoße mit Spitzkugle d‘rein, Sie schoße über tausend Schritt‘, — Schön‘n Dank, da thu‘ ein andrer mit. Die Preuße habe mich gefange, Gottlob! daß sie mich nit gehange, Wahrscheinlich lebt‘ ich dann nit mehr, Und es wär‘ e Schuster weniger. Itzt lieg‘ ich ach! zu LippeburgSchaum Hier unterm große Birebaum; O weh! wohin — o weh! wohin Treibst du mich noch, mein freier Sinn? A. M. Rede des Abgeordneten Schlichtweg bei Gelegenheit der Verhandlung über die deutsche Frage im Gerolsheimer Landtage. bei Gelegenheit der Verhandlungen über die deutsche Frage im Gerolsheimer Landtage. Meine Herren! „lnfantum regina jubes rinuvare dalorem!“ sagt Vergilius, und ich stelle mich auf seine Seite, wenn ich den Satz ausspreche, daß es nur eine Wahrheit gibt, nämlich die: „das Leben ist der Güter Höchstes nicht!“ — Meine Herren! Ich will kurz sein — „Unser Schuldbuch sei vernichtet!“ und „ubi bene, ubi patria!“ — Meine Herren! Ich gehe nicht vom juristischen Standpunkte aus — „Umsonst sucht ihr des Guten Quelle.“ — Meine Herren! Die Sache ist meiner Meinung nach einfach die: „Sein, oder Nichtsein, das ist die Frage, „ sagt Hamlet, und wenn ich es recht erwäge „soweit die Schifffahrt ihre Flagen sendet“ geht Alles auf den Punkt hinaus daß wir mit gutem Gewissen einst sagen können: „Hab‘ ich nichts, hab‘ ich gar nichts gerettet, als die Ehr und (auf seinen Kopf deutend) dies alternde Haupt!“ (Beifall von den Gallerien.) Meine Herren! Ich bin ein schlichter Mann nach des Dichters Worten: „Ueb‘ immer Treu und Redlichkeit“ mein Grundsatz ist: „fiat justitia et pereat mondus.“ Darauf leb‘ ich, darauf sterb‘ ich; allein meine Herren! „es lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen.“ — Ich kann nicht umhin, so ungern ich von der Sache abschweife, den Ausspruch eines unserer größten Männer hier anzuführen; Goethe sagt: „die Todten reiten schnell!“ und ich muß ihm Recht geben, wenn ich den Ausspruch eines anderen Heros unserer deutschen Literatur damit zusammenhalte: „was du von der Minute ausgeschlagen, das gibt dir keine Ewigkeit zurück!“ — Ja, meine Herren, die Wichtigkeit des Gegenstanddes ist zu groß, als daß wir nicht in Erwägung ziehen sollten, was ich irgendwo gelesen habe: „Die Welt ist vollkommen überall, wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual!“ — Nein, meine Herren! auf diesem Wege können wir nichts Gedeihliches erwarten! (Wilder Beifall von den Gallerien.) Bedenken wir, daß geschrieben steht: „Begehre nie und nimmer zu schauen, was die Götter bedecken mit Nacht und mit Dunkel!“ — Weit entfernt, meine Herren! auf den Gang der Debatte hin einwirken zu wollen, bitte ich nur zu bedenken: „Gutta caffe lapidem non vi sed saepe contendo!“ Das muß uns zur Richtschnur bei der Behandlung der vorliegenden Frage dienen. Mit leeren Phrasen wird hier nichts abgemacht, und — „es ging Feuer aus vom Dornbusch!“ Ja, meine Herren, nicht im Schatten kühler Denkungsart, nicht versteckt und heimlichoffen lassen Sie uns vor Deutschland hintreten mit den schönen Worten Freiligraths: „unser Schuldbuch sei vernichtet, ausgesöhnt die ganze Welt!“ — was zwar, ich gestehe es, vor der Hand etwas schwer sein dürfte, jedoch: „Arm in Arm mit dir, so fordr‘ ich mein Jahrhundert in die Schranken!“ rufe ich mit Herrn von Prosa und bin des Erfolges gewiß. (Hört! Hört!) Ja, meine Herren! das Volk hat nun genug gehört, es will nun auch eine That sehen, ein Faktum — „horrend, ingens, cui lumen ademtum!“ und das mit Recht, denn es kann eine That verlangen. Ich scheue mich nicht dies auszusprechen und es zu wiederholen: das Volk darf eine That verlangen. So spreche ich, ein schlichter, einfacher Mann, wenig erfahren in ästhenischer Bildung, allein mein inneres Gefühl trügt mich nicht, ich halte es mit dem Dichter: „in dir trägst Himmel, oder Hölle, und einen Richter in der Brust!“ — Meine Herren! Ich habe, meines Erachtens nach, mich strenge an der vorliegenden Frage gehalten und Sie werden nun wissen, was meine Ansicht von der Lösung der deutschen Frage ist. Andere Redner dieser hohen Versammlung können dieselbe vom gelehrten Standpunkte ansfassen „quisquis trabit studium suo“ — ich als schlichter Mann habe meine schlichte Meinung eben so schlicht ausgesprochen. „In diesen heiligen Hallen“ soll man die Rache nicht kennen, und ich gestehe es, die Lage der deutschen Frage in dieser späten Jahreszeit erinnert mich oft an das schwermüthige ächtdeutsche Lied: „o Tannebaum, o Tannebaum etc.“ und doch möchte ich zu gleicher Zeit so recht von Herzen ausrufen: „Ueberall bin ich zu Hause, überall bin ich bekannt!“ Aber nie werde ich in das Lied einstimmen, das da heißt „Friedericus Rex, unser König!“ Allein, meine Herrn: „Ein Herz, das sich mit Sorgen quält“ wird nie einen frischen, kräftigen Entschluß fassen können: folgen wir dem Zurufe des tiefgemüthlichen Sanges: „Wenn der Muth in der Brust seine Spannkraft übt etc.“ Halten wir daran fest, geben wir keine Gelegenheit, daß man auf uns Raimunds Worte beziehen könne: „Da streiten sich die Leut‘ herum etc.“ Lassen Sie uns — „Wenn alle untreu werden“ — treu bleiben, und der Schluß meiner Rede sei: „Seid einig, einig, einig!“ — Uebrigens stimme ich für Alles, was gegen meine eigene Ansicht in dieser Frage beantragt wird. Die Auswanderer, „Ach Herr Jeses, wenn nur die Bäme nich gar so dicke wären!“ “Ich thu mer leicht. Ich denk‘ halt jeder Sträch e Hofschranz, jeder Bam e Färscht.“ = = = FB10—0231 Die constitutionelle Schule zu Rathhausen 1. Verfassung. Die Schulkinder zu Rathhausen vereinbarten mit ihrem Lehrer eine Schulverfassung. Nachdem dieselbe endlich, nach vierwöchentlichem Parlamentiren, zum Schlusse gekommen, wurde selbige vom wohllöblichen Schulvorstande sanctionirt und als Gesetz publicirt. Laut derselben waren alle Schulstrafen abgeschafft, und den Schülern war unbeschränkte Freiheit gewährleistet. 2. Verbannung. Einige Tage hielt sich das souveräne Völkchen erträglich; doch währte dies nicht lange. Der Lehrer ermahnte und warnte, bat und klagte; vergebens — es half nichts. Und andere Mittel standen ihm nicht zu Gebote. Endlich verfiel er auf ein Auskunftsmittel: er wies nämlich den Störfrieden das Zimmermannsloch — er jagte sie hinaus. Dies half. 3. Protest. Der krausköpfige Lambertus, welcher auch einigemal wegen Ruhestörung aus der Schule verwiesen worden war, machte eines Tages die Entdeckung, daß in der VerfassungsUrkunde nichts von einer Verweisung aus der Schule vorkomme. Er setzte demnach einen Protest auf, worin er die Rechtlichkeit dieses Verfahrens bestritt und Verwahrung dagegen einlegte. Er veranlaßte seine Mitschüler, denselben zu unterschreiben und dem Lehrer in corpore zu überreichen. Der Lehrer las denselben und — legte ihn ad acta. 4. Barricade. Da die kleinen Rebellen sahen, daß ihr constitutioneller Lehrer ihren Protest nicht beachtete, sondern nach wie vor die „Freisinnigen“ aus der Schule jagte, glaubten sie, daß es an der Zeit sei, ihrem Proteste durch ein probates Mittel Nachdruck zu geben. Zu diesem Ende gingen sie in den Wald und sammelten daselbst Reisholz, woraus sie zur Nachtzeit vor die Schulthüre eine mannhohe Barricade errichteten. Des andern Morgens fanden sich die Kinder frühzeitig im Schulhofe ein. Allein von der Barricade war nichts mehr zu sehen, denn die Magd des Lehrers hatte sie bereits weggeräumt, und die Reiser in den Holzschuppen getragen. Nachdem nun die Schule begonnen, bemerkte der Lehrer, daß ihm Jemand in vergangener Nacht Brennholz vor die Thüre gebracht habe. Er fühle sich gedrungen, dem unbekannten Wohltäter dafür zu danken. 5. Bombardement. Die jungen BarricadenHelden sahen bei diesen Worten einander verblüfft an und knirrschten heimlich mit den Zähnen. Sie hielten jedoch ihren Aerger zurück, bis sie hinaus kamen. Dort machten sie ihrem verbissenen Ingrimm Luft, und berathschlagten sich, wie sie sich für die erlittene Schmach rächen und ihr constitutionelles Recht durchsetzen könnten. „Wißt ihr was?“ rief Lambertus, „die Fenster wollen wir einwerfen!“ Einigen schien dieser Vorschlag doch etwas zu bedenklich und sie machten Einwendungen dagegen. „Ihr Hasenfüße!“ rief er diesen Wankelmütigen zu, „was ist denn dabei zu befürchten? Strafen darf uns unser Lehrer ja nicht!“ und er ergriff einen Stein und schleuderte ihn ins Schulfenster. Mehrere liefen hierauf erschrocken fort. Die Uebrigen aber, die beherzter waren, folgten seinem Beispiele und bombardirten wacker drauf los. 6. Retirade. Als der Lehrer das Klirren und Rasseln der herunterfallenden Glasscherben hörte, eilte er hinaus, um zu sehen, was dort vorgehe. Kaum wurden die Bombardier seiner ansichtig, als sie sammt und sonders die Flucht ergriffen. Der Lehrer aber erkannte mehrere davon und notirte sich dieselben. 7. Belagerungszustand. Am folgenden Tage, nachdem die Kinder wieder in der Schule versammelt waren, nahm der Lehrer die Birkenruthe, welche laut der SchulverfassungsUrkunde in Ruhestand versetzt war, hervor und sprach also: „In Erwägung der eingerissenen Anarchie etc. erkläre ich hiermit die Schule in Belagerungszustand. Meinen getreuen Diener Birkengottfried habe ich mit der Wiederherstellung der Ordnung beauftragt. Jeder Ungehorsam und Unfug wird während der Dauer des Belagerungszustandes standrechtlich behandelt werden.“ 8. Standrecht und Execution. Nach dieser Publication nahm er Diejenigen, welche er am vorigen Tage mit Steinen in der Hand betroffen und bei der Flucht erkannt hatte, aus den Bänken hervor und verhörte sie. Anfangs zögerten sie, die übrigen Mitschuldigen zu nennen. Als indeß Birkengottfriedchen sich ihnen vertraulich näherte, rückten sie mit der Sprache heraus und bekannten. Einige wollten sich damit entschuldigen, daß sie nicht geworfen, sondern nur zugesehen hätten. „Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen!“ entgegnete der Lehrer darauf. Nachdem die Untersuchung beendigt war, wurde sofort zur Execution geschritten, wobei Birkengottfried, durch den das Urtel vollzogen wurde, eine außerordentliche Tätigkeit entwickelte. Außerdem mußte Lampertus, der Rädelssührer, acht Tage, von den Uebrigen jeder drei Tage, von Morgens bis Abends bei Wasser und Brod in der Schule bleiben. 9. Aufhebung des Belagerungszustandes. Acht Tage lang dauerte der Belagerungszustand, während welcher Zeit der General Birkengottfried die Aufrechthaltung der Ordnung, womit er betraut war, mit unnachsichtiger Strenge handhabte. Sobald sich nur Einer muckte, war er da. Die Kinder wurden hierdurch von Tag zu Tag ordentlicher und folgsamer, und endlich so zahm wie Lämmer. Der Lehrer hielt daher die über die Schule verhängte strenge Maßregel für nicht mehr nothwendig. Am neunten Tage proclamirte er: „In Erwägung etc. hebe ich hiermit den Belagerungszustand wieder auf. Ich erwarte, daß ihr mich nicht in die Notwendigkeit versetzen werdet, diese Maßregel noch einmal ergreifen zu müssen.“ Hierauf wurde die Ruthe unter lautem Jubel der Kinder wieder entfernt. Wenn später ein Kind sich wieder vergaß und anfing, unruhig oder unartig zu werden, so brauchte der Lehrer nur zu sagen: „Soll ich euch wieder in Belagerungszustand erklären?“ — N. Fischer. Wie man zu seinem Gelde kommt. Geschichte aus Thüringen. „Siehst ja rächt schlächt aus, Fritze, bist‘n krank gewäsen?“ „Nä, dos net, aber do war mer unner Balbir, där schlächte Kärl, schunt lange 25 Groschen schuldig und kunnt nischt vun em kriegen, do hob ich mich in 14 Togen ämol schräpfen und zwä Odern schlogen lossen, doß ich nur zu men Gälde kohm!“ Christnacht. Das Schneefeld schlummert still um Hof und Haus, Ein einziger Stern hält noch am Himmel Wacht, Im Hofe ruft ein Hahn den Morgen aus, Sonst Alles ruhig. — Das ist Christi Nacht. Halbträumend trat an‘s Fenster ich heran, Weil trübes Sinnen mir den Schlaf gescheucht; Wehmüthig lacht‘ der Kindheit Bild mich an Und meine Wange ward von Thränen feucht. O Kindheit, friedensvolle, goldne Zeit! — Da ich, ein liebes Spielwerk in der Hand, Einschlief und Morgens dann in Wirklichkeit, Was ich geträumt, an meinem Bettchen fand, — Wo bist du hin? — Ein Jüngling bin ich noch, Den ersten Blick in‘s Leben that ich kaum, Und doch schon ist mein Herz so schwer und doch Schon dünkt mir alles Glück ein nichtiger Traum. — Ein Glöcklein klinget silberrein und klar Herüber — chorgesang und Opferrauch Wallt in der halben Welt um den Altar — Ich sinke nieder und ich bete auch. — — E. Grundmann. Sie beißen nicht. „Guten Morgen, lieber Moewes, nu, beißen sie gut?“ „Ne, et is gar nischt mit des Angeln. Die Schifffahrt ist gar zu störsam. Wenn der Canal man erst fertig wäre.“ (Nach 5 Jahren.) „Guten Morgen, lieber Moewes nu, beißen sie gut?“ „Ne, et is gar nischt mit des Angeln. Nun sie den Canal gemacht haben, und die Schifffahrt aufgehört hat, nun kommt keen Fisch mehr.“ Der Landrichter als Jagdliebhaber. „Herr Forstmeister, i kunt halt nu a weng Streu brauche.“ „Ich hab‘s ihm ja schon gesagt daß ich nicht Forstmeister, sondern Landrichter bin.“ „Des is jo gar nit mögli. Ich bin doch a schon oft im Landgricht g‘wen, und hob Enk nit emol drin g‘sehn, un im Wald un aufm Feld seh i Enk alle Tag.“ „Das versteht Er nicht. Der Herr Forstmeister kann schon seit zwanzig Jahren nicht mehr ausgehen.“ „Ah so! Da habts also seine Stell übernomme und das Landgericht besorgen eure Leut. Richti!“ Jäger–Sprichwort. Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg! Lebt er lang. so wird er alt! Die drei Ur–Eisbären. Wahre Geschichte aus dem Leben dreier Ur–Mahnerianer. Erzählt von L. Sll. (*Anm. Ludwig Schnell) Die Menschen — wenigstens einige — sind endlich zum urinstinktlichen Urbegriff der Ur–Hygieine gekommen, durch des Ur–Gesundheitspropheten Ernest Mahner Gesetze der Ur–Gesundheitskunde. Die Welt in ihrer Verweichlichung hat viel gelacht über diesen großen Mann, und das „staunende Jahrhundert“ von München wird es einst tief bereuen und urinstinktgemäße Thränen vergießen über den vielen Hohn, den es unserem Urpropheten im englischen Garten und andern Orten angedeihen lassen. — Sie haben dich nicht gesteiniget, armer Ernest Mahner, das wäre doch noch geschichtlich gewesen, auch anderen Propheten vor dir bereits passiret; o sie thaten weit Unerhörteres in ihrer verweichlichten Urfrechheit! Sie gingen, während du vom Monopteros herunter die Auferstehung der Ur–Hygieine verkündetest, schamlos spottend an dir vorüber, stinkgiftige SchmauchkrautWürstchen im Munde, und bliesen so gottlose Wolken gegen den Monopteros, daß du und die Deinen frevelhafter Weise an der „Befriedigung des Sonnentriebes“ verhindert waren. „O heilige Natur, vergieb ihnen, sie wissen nicht, was sie thun!!!“ Gesetzestafel III. Doch dein Wort fiel nicht durchwegs auf Felsengrund, es schlug Wurzeln in drei hochsinnigen jungen Herzen, sie haben sich ganz deiner „instinktlichen Palingenesie“ ergeben, und führen ein urheiliges Urleben nach deinen zehn Gesetzen und deinem eigenen Beispiele. Sie sind deine drei Apostel geworden, ohne daß du es wußtest. Ich wage es, einen kurzen Umriß ihres Lebens aufzuzeichnen, verzeihe es, „staunendes Jahrhundert,“ wenn ich nicht ganz urmäßig mich auszudrücken im Stande bin. — Im Januar des Jahres 1849 zogen drei junge Männer, urinstinktgemäß gekleidet in weite Hosen und Segeltuchjacken, und langen unter dem Barete buschig hinabhängenden Haaren (VII. Bibl. Sacr. III. Mos. XIX., 27. „Ihr sollt Euer Haar am Haupt nicht rund umher abschneiden, noch euren Bart gar abscheeren!“) auf die Theresienwiese; es galt die Wiedererweckung des Kälte und NässeWiderstehungstriebes.“ Sie sangen in Urmelodieen ein schönes Lied der „instinktlichen Wiedergeburt“ zu Ehren, wälzten sich dann, stolz den Elementen trotzend, im Schnee, und machten in urinstinktlichem Schönheitsgefühle Abdrücke von ihren kräftigen durch Fasten und andere Abhärtung gestählten Leibern; auch stellten sie mit hohem Kunstsinne das „Alpenglühen“ dar, indem sie die Köpfe in den Schnee steckten, und den rothen Rücken gegen die aufgehende Sonne kehrten. Von dort zogen die drei Eisbären — so hörten sie sich am liebsten nennen — zur Isar, schlugen das Eis auf, und krochen, den St. Krokodillstanz tanzend, auf allen Vieren ins Wasser. Nachdem sie den „Badetrieb“ gestillt hatten, stürzten sie heraus und tanzten den heiligen Katzentanz, die Arme und Füße in die Luft schleudernd, ähnlich einer Katze, die dem Bäcker in den Semmelteig gesprungen. Hierauf wurde die „Abdampfungsmethode“ augewandt, in den vier heiligen Tänzen: dem St. Ibis, St. Osiris, St. Eisbärenund AffenTanze, worauf der Sonnentrieb gestillt ward mit Lipopathie. (Einschmierung mit Fett). Nun ging es an ein Ringen und Boxen, es wurde auf einem Fuße stürmisch gegen einander losgerannt, was man im Sagenkreise der Turner den „Hinkekampf“ nennt. Nachdem sie dergestalt der Eisbären Athletik einige Zeit gewidmet, wurde ein geeigneter Platz zur urinstinktlichen Bereitung des Mahles aufgesucht. Jeder nahm aus den Urtaschen seiner Jacke die nöthigen Bestandteil zur Bereitung der leider noch zu wenig bekannten „Urknödel.“ Einer von den dreien, ein Mediziner, der sich streng an das l. Mahner‘sche Gesetz hielt: „Du sollst die Weisheit des Urinstinktes höher halten, als der Schulen Wissen“ nahm das anatomische Scalpiermesser aus der Tasche und zerhackte vorbereitend das Ochsenfleisch, welches mit Zwiebeln und Salz gemischt und zusammengeballt, ganz roh verzehrt wird — als Urknödel. Seiner Gefälligkeit verdanken wir beigegebenes Recept, welches wir den Lesern der Fliegenden Blätter nicht vorenthalten können. *Copia. Rp. Carnis rohi bovis lib. b. Salis coqualis drach. duas Zwiebeli grandi part. tert. Zerhackertur Mischcatur. fiat. Urknödulus. D. S. Nach jedesmaligem Bade ein Stück auf Hausbrod zu nehmen. 10/1 49. Dr. Urknödulus. Das Mahl, dergestalt urinstinktlich bereitet, wurde hierauf hochfrohsinnig in liegender Stellung verzehrt. Lange Pause. Vorlesung der Mahner‘schen Gesetztafeln. Nach dem letzten Satze: „Wahrlich, ich sage euch: Mit dem Wiedererscheinen der Urhygieine wird eine neue Aera beginnen für die Menschheit und für die Wissenschaft“ entschliefen sie sanft auf instinktmäßiger Schlafstätte, der winterlichen Schneedecke. Der Himmel sendete seinen weichen Flaum herab auf die drei Eisbären, sie schliefen sanft und waren des Morgens alle drei urinstinktgemäß erfroren. Ernest Mahner, weine eine Thräne nach deinen drei besten Söhnen. Sit nix levis. + Fasten + Wasser + Geist + Der strenge Bureauchef. Rechnungsrath. „Es ist ein Viertel über acht Uhr. Junger Mann, Sie werden sich eine amtliche Rüge zuziehen!“ Unglück im Glück. Hochzeitgast. „Hansl, was fehlt dir denn, daß d‘ gar so bitterli woanst?“ Hans. „Mein‘, sand no so viel guete Sachen drin bei da Hochza‘t und i ko‘ nix mehr essen.“ = = = FB10—0232 Warum ist der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen? Es ist fünf Uhr Morgens. Der Gemeinde–Vorsteher und Krämer des Städtchens Dingsheim, Herr Zibele, hat soeben seinen Laden geöffnet, und steht im Schlafrock, die türkische Pfeife mit dem vielbesprochenen und vielbesehenen langen, ächten Weichselrohre im Munde, unter der Thüre seines Waarenlagers, und schaut, anscheinend in Gedanken versunken, gerade vor sich hin. Da kömmt ein junges Mädchen über den Marktplatz herüber auf den Laden des Herrn Zibele zu. „Recht guten Morgen, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sagt das Mädchen. „Ah! recht guten Morgen, Lisett‘!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Eine schöne Empfehlung von meiner gnädigen Frau, der Frau Rentbeamtin,“ sagt Lisett‘, „sie läßt Sie fragen, ob Sie nicht wissen, warum vorhin der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen ist?“ „So!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher und nimmt die türkische Pfeife mit dem langen, ächten Weichselrohre ans dem Munde, „so! der Herr Landrichter ist in Uniform über die Straße gegangen? Hm! zu der Tageszeit schon, ist mir unbegreiflich! — Es wäre vielleicht möglich, daß der Herr Landrichter hohe, höchste oder allerhöchste Personen erwarten, aber, da denke ich, hätten Sie doch gestern Abends auf der Post Etwas geäussert. Richten Sie der Frau Rentbeamtin meine Empfehlung aus, es thut mir leid, aber ich kann Ihr da wirklich nichts Gewisses sagen, — hm! — bin selber davon überrascht, kann mir gar nicht denken —. . .“ „Verzeihen Sie halt, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sagt die Lisett‘ drauf, „daß wir so frei waren ...“ „Bitte, bitte, Lisett,“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher, „es thut mir nur leid, daß ich der Frau Rentbeamtin nicht ...“ „Nun wünsch‘ ich Ihnen recht guten Appetit, Herr GemeindeVorsteher!“ sagt die Lisett‘. „Guten Appetit, Lisett‘! Meine Empfehlung!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. Die Lisett‘ geht, dem Herrn Gemeinde–Vorsteher aber ist seine Ruhe genommen; er geht in seinen Laden hinein, legt sein Negligee ab, wirft sich in seinen blauen Frack mit dem Sammtkragen und den goldenen Knöpfen, und begibt sich zu seinem Nachbar, dem Herrn Stadtschreiber. Der Herr Stadtschreiber liegt noch in den Federn und schnarcht. Der Herr Gemeinde–Vorsteher klopft an der Thüre, zuvor leise, dann stärker, da ruft endlich der Herr Stadtschreiber, aufwachend: „Herein!“ „Recht guten Morgen, Herr Stadtschreiber!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Ah, guten Morgen, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sagt der Herr Stadtschreiber. „Sie verzeihen, daß ich Sie schon so früh störe,“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Bitte, das macht nichts!“ sagt der Herr Stadtschreiber. „Herr Stadtschreiber! Etwas von höchster Wichtigkeit treibt mich zu Ihnen; sonst hätte ich mir nicht erlaubt, Sie so früh schon in Ihrem Schlafe zu stören! sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „So! was denn? fragt der Herr Stadtschreiber, fährt aus seinen Bette heraus und in seine Hose hinein, „ich bitte, erzählen Sie doch, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ „Es war Morgens fünf Uhr,“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Ich stehe unter der Thüre meines Ladens und rauche ans meiner türkischen Pfeife mit dem langen, ächten Weichselrohre und denke eben an gar nichts. Da kommt die Lisett‘, das Stubenmädchen der Frau Rentbeamtin über den Platz herüber auf meinen Laden zu. „Recht guten Morgen, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sagt die Lisett‘. „Ah! recht guten Morgen, Lisett‘!“ sag‘ ich. „Eine schöne Empfehlung von meiner gnädigen Frau, der Frau Rentbeamtin,“ sagt die Lisett‘, „sie läßt Sie fragen, ob Sie nicht wissen, warum vorhin der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen sei?“ „So!“ sag‘ ich, und nehme meine türkische Pfeife mit dem langen Weichselrohre aus dem Mund, „so! der Herr Landrichter ist in Uniform über die Straße gegangen. Hm! zu der Tageszeit schon, ist mir unbegreiflich! — Es wäre vielleicht möglich,“ sag‘ ich, „daß der Herr Landrichter hohe, höchste oder allerhöchste Personen erwarten, aber, da denke ich, hätten Sie doch gestern Abends auf der Post Etwas geäußert. Richten Sie der Frau Rentbeamtin meine Empfehlung aus, es thut mir leid, aber ich kann Ihr da wirklich nichts Gewisses sagen, — hm! — bin selber überrascht, kann mir gar nicht denken — . . .“ „Verzeihen Sie halt, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sagt die Lisett‘ darauf, „daß wir so frei waren . . .“ „Bitte, bitte, Lisett‘!“ sag‘ ich, „es thut mir nur leid, daß ich der Frau Rentbeamtin nicht . . .“ „Nun wünsche ich Ihnen recht guten Appetit, Herr Gemeinde–Vorsteher.“ sagt die Lisett‘. „Die Lisett‘ ging, mir aber war meine Ruhe genommen; ich gehe in meinen Laden zurück, lege mein Negliee ab und zieh‘ meinen blauen Frack mit dem Sammtkragen und den goldenen Knöpfen an und begebe mich zu Ihnen, Herr Stadtschreiber, um Sie zu fragen, ob Sie vielleicht wissen, warum der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen ist?“ „Herr Gemeinde–Vorsteher, ich danke Ihnen für das Zutrauen, das Sie mir schenken,“ sagt der Herr Stadtschreiber, „aber in diesem Falle bin ich wirklich so unwissend, wie Sie. Also um fünf Uhr schon, sagen Sie, und in Uniform? Weiß Gott, eine bewegte Zeit, Herr Gemeinde–Vorsteher, hm! — wir wollen sehen! Um fünf Uhr schon, und unter uns gesagt, Herr Gemeinde–Vorsteher! der Herr Landrichter ist doch sonst der Mann gar nicht, der um fünf Uhr aufsteht, wie Sie selber wissen. Ich glaube, Herr Gemeinde–Vorsteher, es wird das Beste sein, wir gehen zu meinem Gevatter, dem Herrn Bürgermeister, vielleicht ist der in die Sache eingeweiht.“ „Wie Sie glauben, Herr Stadtschreiber!“ sagt der Herr GemeindeVorsteher. Der Herr Stadtschreiber greift nach seinem Hut, öffnet die Thüre und läßt mit den Worten: „Ich bin hier zu Hause, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ dem widerstrebenden Herrn Gemeinde–Vorsteher den Vortritt. Der Herr Bürgermeister sitzen eben auf ihrem Sopha und trinken Kaffee. Man klopft, der Herr Bürgermeister rufen herein, die Thüre geht auf und es traten ein der Herr Gemeinde–Vorsteher und der Herr Stadlschreiher. „Ah! recht guten Morgen, meine Herren!“ sagt der Herr Bürgermeister. „Gehorsamster Diener, Herr Gevatter!“ sagt der Herr Stadtschreiber. „Gehorsamster Diener, Herr Bürgermeister!“ sagt der Herr Gemeindevorsteher. „Nehmen Sie Platz, meine Herren!“ sagt der Herr Bürgermeister. „Ich bin so frei, Herr Gevatter! „ sagt der Herr Stadtschreiber. „Ich danke, ich bin nicht müd, Herr Bürgermeister!“ sagte der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Herr Gevatter, eine höchst wichtig scheinende Sache führt uns schon so früh zu Ihnen.“ „Nu‘, was gibt‘s denn, Herr Gevatter!“ sagt der Herr Bürgermeister. „Ich bin so frei, Ihnen Alles zu erzählen, Herr Gevatter!“ sagt der Herr Stadtschreiber: „Ich lag noch in meinen Federn und schnarchte. Da klopfte es an der Thüre, zuvor leise, dann stärker, ich wache auf und rufe herein. Da geht die Thür auf und der Herr Gemeinde–Vorsteher tritt herein.“ „Recht guten Morgen, Herr Stadtschreiber!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Ah, guten Morgen, Herr Gemeindevorsteher!“ sag‘ ich. „Sie verzeihen, daß ich so früh schon störe, sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Bitte, das macht nichts!“ sag ich d‘rauf. „Herr Stadtschreiber! Etwas von höchster Wichtigkeit treibt mich zu Ihnen: sonst hätte ichmir nicht erlaubt, Sie so früh schon in Ihrem Schlafe zu stören! sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „So! was denn?“ frah‘ ich, fahre aus meinem Bett‘ ‚raus und in meine Hosen hinein, „ich bitte, erzählen Sie doch, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ „Es war Morgens fünf Uhr,“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Ich stehe unter der Thüre meines Ladens, rauche aus meiner türkischen Pfeife mit dem langen, ächten Weichselrohre und denke eben an gar nichts. Da kömmt die Lisett‘, das Stubenmädchen der Frau Rentbeamtin über den Platz herüber auf meinen Laden zu. „Recht guten Morgen, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sagt die Lisett‘. „Ah, recht guten Morgen, Lisett‘!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Eine schöne Empfehlung von meinr gnädigen Frau, der Frau Rentbeamtin,“ sagt die Lisett‘, „sie läßt Sie fragen, ob Sie nicht wissen, warum vorhin der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen ist?“ „So!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher und nimmt die türkische Pfeife mit dem langen, ächten Weichselrohr aus dem Munde, „so!“ der Herr Landrichter ist in Uniform über die Straße gegangen? Hm! zu der Tageszeit schon, ist mir unbegreiflich! Es wäre vielleicht möglich,“ sagt der Herr GemeindeVorsteher, „daß der Herr Landrichter hohe, höchste oder allerhöchste Personen erwarten, aber da denke ich, hätten Sie doch gestern Abends auf der Post Etwas geäussert. Richten Sie der Frau Rentbeamtin meine Empfehlung aus, es thut mir leid, aber ich kann Ihr da wirklich nichts Gewisses sagen, — hm! bin selber überrascht, kann mir gar nicht denken — . . .“ „Verzeihen Sie halt, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sagt die Lisett‘ drauf, „daß wir so frei waren . . .“ „Bitte, bitte, Lisett‘!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher „es thut mir nur leid, daß ich der Frau Rentbeamtin nicht dienen kann .....“ „Nun wünsche ich Ihnen recht guten Appetit, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sagt die Lisett‘. Die Lisett‘ ging, dem Herrn Gemeinde–Vorsteher ließ es, wie ganz natürlich, keine Ruhe mehr; er ging in seinen Laden zurück, zog seinen blauen Frack da an und kam zu mir, um mich zu fragen, ob ich nicht wisse, warum der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen sei? „Herr Gemeinde–Vorsteher, ich danke Ihnen für das Zutrauen, das Sie mir schenken,“ sag‘ ich, „aber in diesem Falle bin ich wirklich so unwissend wie Sie. Also um fünf Uhr schon, sagen Sie,“ sag‘ ich, „und in Uniform? Weiß Gott! eine bewegte Zeit, Herr Gemeindevorsteher, hm! — wir wollen sehen! Hm! um fünf Uhr schon und unter uns gesagt, Herr Gemeinde–Vorsteher!“ sag‘ ich, „der Herr Landrichter ist doch sonst der Mann nicht, der um fünf Uhr aufsteht, — wie auch Sie wissen, natürlich unter uns gesagt, Herr Gevatter! Ich glaube, Herr GemeindeVorsteher,“ sag‘ ich, „es wird das Beste sein, wir gehen zu meinem Gevatter, dem Herrn Bürgermeister, vielleicht ist der in die Sache eingeweiht.“ „Wie Sie glauben, Herr Stadtschreiber!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. Ich greife nun nach meinem Hut und so sind wir zu Ihnen gekommen, Herr Gevatter, in der Hoffnung, daß Sie uns diese Sache aufklären können.“ Warum ist der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen? „Meine Herren!“ sagt der Herr Bürgermeister, „ich danke Ihnen und freue mich über Ihre staatsmännische Einsicht, daß Sie dieser Sache so große Aufmerksamkeit schenken. Aber Sie wissen, meine Herren, wir stehen noch immer am Vorabende großer Ereignisse. Gebe Gott, daß sie glücklich und spurlos an uns vorübergehen. — Was jedoch diese Sache betrifft, meine Herren, kann ich Ihnen nur meine Verwunderung ausdrücken: die Ursache dazu ist mir, wie die Folgen, — Gott gebe, daß es keine traurigen! — unbekannt. Mir scheint, meine Herren, nach Ihrem klaren Vortrage, Herr Gevatter! müssen wir Eines einmal festhalten, und das ist das Factum, welches hergestellt ist durch die Frau Rentbeamtin, resp. durch die Lisett‘, die Magd der Frau Rentbeamtin.“ „Verzeihen, Herr Bürgermeister!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher, „die Lisett‘ ist Stubenmädchen bei der Frau Rentbeamtin; die Magd heißt Kathi!“ „Richtig! Richtig!“ sagt der Herr Bürgermeister, „ich habe mich bloß geirrt, jawohl Stubenmädchen. Das Factum also ist hergestellt, jetzt bleibt also nur mehr die Ursache zu ermitteln. Daß der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen ist, das wissen wir, aber das „warum“ ist uns noch unbekannt. Meiner Ansicht nach läßt sich nicht annehmen, daß der Herr Landrichter dies „warum“ Jemanden mitgetheilt habe, sonst wäre uns doch Etwas zu Ohren gekommen, deßhalb müssen wir um unserer Ruhe willen den Herrn Landrichter selbst zu treffen suchen, um aus seinem eignen Munde die Motive zu diesem frühen Spaziergang in Uniform zu erfahren. Es bleibt uns also demnach nichts übrig, als zu ermitteln, welche Straße der Herr Landrichter gegangen sind? Und da denke ich halt, die obere Thorstraße, sonst hätte ihn die Frau Rentbeamtin nicht sehen können, nicht wahr, meine Herren?“ „Sehr scharfsinnig, Herr Gevatter!“ sagt der Herr Stadtschreiber. „Wie‘s nur möglich ist!“ sagt der Herr Gemeinde–Vorsteher. „Wir wollen uns somit, wenn es Ihnen gefällig ist, meine Herren!“ sagt der Herr Bürgermeister, „auf den Weg machen, und den Herrn Landrichter suchen.“ Wie die drei Träger der Ordnung des Städtchens das Haus verließen, sahen sie zu ihrem wiederholten Erstaunen die Straße mit Menschen angefüllt, sie sahen die Werkleute ihren Laden schließen und die Arbeiter ihre Arbeit verlassen. Am Brunnen am Marktplatze lärmte die müßige Jugend und vertrieb sich einstweilen durch allerlei Kurzweil die Zeit, bevor die Dinge kamen, die sie erwarteten. Die tausendzüngige Fama hatte bereits überall und überall ansgestreut, daß der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen sei. Tausend Vermuthungen knüpften sich daran, man sprach von Revolution, von einem Einfall der Russen ins gute deutsche Reich, ja die Vernünftigsten meinten, die Ursache dazu könne in einem Siege der revolutionären Partei in der Hauptstadt liegen. Da erschienen auf einmal der Herr Bürgermeister, der Herr Stadtschreiber und der Herr GemeindeVorsteher in der Straße. Aller Augen hefteten sich auf sie, die Menge öffnete sich ehrfurchtsvoll und folgte, wie ein Schweif dem Cometen, seinem Triumvirat in die obere Thorstraße hinauf. Wie sie dort oben anlangen, bleiben die drei Führer stehen, und berathen was jetzt zu thun sei. Da dringt ein dumpfes Gemurmel, wie fernes Meeresbrausen, durch die Menge, die Worte werden verständlicher, man hört: Der Herr Landrichter! der Herr Landrichter! Die Reihen öffnen sich und der Herr Landrichter tritt in die Mitte. Erstaunt über diesen Zusammenlauf von Menschen, erkundigt er sich beim Herrn Bürgermeister nach der Ursache, und erfährt, daß er selbst diese Störung der Ordnung veranlaßt habe. Auf einen Wink des Herrn Landrichters zerstreuen sich, ärgerlich darüber, daß ihre Neugierde unbefriedigt geblieben, die Massen; der Herr Landrichter mit den drei Herren aber begibt sich sodann auf das Landgericht. Alldort vertraute der Herr Landrichter jenen Dreien, was die Ursache gewesen sei, und band ihre Zunge mit einem schrecklichen Eide, auf daß, sie nichts aussagten, was sie gehört hätten, — aber deswegen sagte man sich doch Nachmittags schon im Städtchen, daß der Herr Landrichter blos im schwarzen Rößl gewesen war, wo ihn der Schneider von Dingskirchen erwartete, und ihm eine neue Uniform anmaß, weil ihm der Schneider von Dingsheim selbe schlecht gemacht hatte und er sich mit diesem als Nachbarn doch nicht gerne verfeindete. Das ist die Geschichte, warum am selbigen Tag um fünf Uhr Morgens schon der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen ist. M. Baccio della Porta. *) Geb. im Jahre 1469, gest. 1517. Auf dem Gerüste stand im Dome Ein junger Maler zu Florenz, Ihm blühte an des Arno Strome Ein frischer, kecker Lebenslenz. Er malte jetzt, zwar schwach im Glauben, Die Heilige in Rosenlauben, Und in Gedanken stand er da Hochoben, wenn sein Werk er sah. Denn ihm war Jene, die er malte, Nicht mehr des Himmels Königin; Das Angesicht, das holdgestalte, Zog ihn herab zur Erdr hin. Gezaubert war auf Kalkes Nässe Ein Frauenbild, das zu der Messe Erschienen einstmal am Altar, In Andacht hingegossen war. Sie hatte betend keine Ahnung Der Arbeit, die der Meister schuf, Der Seele Laura‘s gab nur Mahnung Des Priesters göttlicher Beruf. Doch Baccio stahl mit trunknen Sinnen Der Züge Schönheit und der Mienen, Und wie der Locken Schmuck umspielt Ihr Haupt, verzückt sein Herz das Bild. Es war die Liebe, die er fühlte, Doch nur die heiße Erdenlust; Nicht gab sie Wonne ihm, es wühlte Bald Gram und Kummer in der Brust. Denn die er in dem Dome schaute, Die Liebliche, die Gottvertraute — So ängstlich seine Blicke späh‘n, Er konnte sie nicht wiederseh‘n. Mag hundertmal des Doms Geläute Hell rufen zu dem Fest des Herrn, Vom weiten marmornen Gebäude Blieb Laura Tag‘ um Tage fern. Der Künstler harrt‘ umsonst auf Kunde: So stand er seufzend Stund‘ um Stunde Sich lehnend an die hohe Wand, Den Pinsel in erlahmter Hand. Noch fehlte zu des Bilds Vollendung Der klare goldne Heil‘genschein, Der für der Jungfrau Himmelssendung Die Gottesbürgschaft sollte sein; Umsonst ist Baccio‘s Bemühen, Die Kreise um das Haupt zu ziehen; Denn sündhaft in dem Kirchenchor Kam ihm nun das Gemälde vor. Und wie er so nach langen Tagen Unschlüssig eines Abends steht, Da hört er fernher lautes Klagen Sich nah‘n dem Dome und Gebet. Ein langer Zug Vermummter wankte Heran mit Lichtern, und es schwankte Ein offner Sarg, von Blumen schwer, Auf Frauenschultern hinterher. Und die man in dem Sarge schaute, Es war der Heil‘gen Ebenbild, Die Liebliche, die Gottvertraute, War Laura —! Meister Baccio hielt Ohnmächtig sich an dem Gerüste, Als jetzt sein Aug‘ die todt begrüßte, Nach der er sich so heiß gesehnt, Die man ihm an der Gruft nun nennt! Laura Barghilli! Ach, es klangen Die „Requiems“ ihm Höllenschmerz: — Sie todt! entweiht ihr Bild! es drangen Die Worte schneidend in sein Herz! „Gefrevelt hab‘ ich! Nun, der Sünde Unselig Werk, hinweg! verschwinde! Und einen Hammer von Gewicht Erhebt die Hand, indem er‘s spricht. Doch fällt des Werkzeugs Wucht nicht wider Des Engels schönes Conterfey; Den Schwinger reißt der Hammer nieder. Und horch — mit einem dumpfen Schrei Stürzt von dem schmalen Bretterboden Der Meister, und gleich einem Todten Liegt er — es hallt der Dom vom Stoß — Auf hartem Steine regungslos. Um ihn vereint sich schnell die Menge, Und Klosterbrüder tragen ihn, Den Sinnberaubten, durch‘s Gedränge An Laura‘s offnem Grabe hin In San Dominichino‘s Pforte, Wo er erwacht am stillen Orte Zum Leben wieder wunderbar, Genest nach einem Leidensjahr. Indeß verklärt sich ihm zum Geiste Der sel‘gen Laura irdisch Bild; Sein Sinn, der jugendliche dreiste, Ward unter Mönchen und fromm mild. Es zog des Zellenfriedens Stille Ihn heiter an, und Gottes Wille Schien seinem Herzen es zu sein: Dem Kloster seine Hand zu weih‘n. Und wie‘s von ihm gelobt war worden, Nahm freudig nach des Jahrs Verlauf Ihn der DominikanerOrden Als Fra Bartolomeo auf. Und unter diesem Namen lebet Er aller Nachwelt; es erhebet Zur höchsten Kunst und Farbenpracht Sich seines reinen Geiste Macht. Karl Fernau. Guter Grund. „Ja warum schießen‘s denn nit? Jetzt hat der vier Augen un siecht den Hasen nit?“ — „Sie haben gut schwätzen, weil Sie nit wissen, daß ich Fuchsschrot geladen hab‘ un der is mir zu grob für‘n Hasen.“ Ein böses Zeugnis. „Ja Frau Räthin, mit der Religion und Sittlichkeit Ihres Adölphchens steht es sehr schlecht. Denken Sie nur, Ihr Söhnlein hat bei der Prüfung nicht einmal die himmelschreienden Sünden gewußt; wie himmelschreiend!“ Künstlerbewustsein. In einer kleinen Landstadt des Königsreichs Sachsen hatte ein reisender Musikdirektor die kühne Absicht, ein Concert zu veranstalten. Mit Mühe und Noth brachte er ein vollständiges Orchester zusammen. In der ersten Probe vernahm der entsetzte Musiker so seltsame Töne des Contrabasses, daß er nicht umhin konnte, dessen Meister zuzuschreien: „Aber in‘s Teufelsnamen, Herr, Sie spielen ja ganz andre Noten, als die, welche auf dem Blatt stehen.“ „Härre“, erwiderte der ländliche Künstler im Selbstgefühl gekränkten Stolzes, „Härre, der Baß is meine, daruf spiel‘ ich, was ich will!“ — — — Poesie und Wirklichkeit. Auf dem Balle. Besuch am Morgen nach dem Balle. = = = FB10—0233 Hans Breidbach, der Goldschmied aus Freiburg. Von ihm selbst geschrieben, im Jahre 1544. Am Samstag vor dem heiligen Pfingsttage des 1523sten Jahres starb mein Vater Hans Jörg Breidbach, Gott sei seiner armen Seele gnädig; er war gar ein frommer, aufrichtiger, redlicher Mann, aber hatte kein Glück auf der Welt, denn seine Geradheit machte ihm viel Feinde, und konnte mit Noth ein Schreiberdienstlein bekommen, da doch sein Vater und seine Vorfahren alle, bei Hundert und mehr Jahren im Rath gesehen waren. Item Gott suchte ihn heim mit Augennoth, daß ich viele Jahre für ihn schreiben mußte, und uns kaum erhalten konnt; und da er siech ward, und merkte, daß er sterben sollt, da sagte er zu mir, daß es billig wäre, wenn man mir das Dienstlein ließ, aber er befürchte, seine Feinde würden mich auch nit ruhen lan, wenn er schon todt wäre, und meint, ich thät besser und kam weiter, wenn ich ein Schneider würde. Und da mein Vater nun todt war, da mußte ich alles, was er hatte, hingeben, seine Schulden zu bezahlen, und bat daher dringlich um das Schreiberdienstlein; aber da macht man gar viel Bedenkens, und ich mußte viele unglimpfliche Worte über meinen Vater seelig hören. Da konnte ich nit schweigen und sagte: wenn mein Vater seelig ihnen hätte wollen beholfen sein, der Stadt Gut zu vergeuden, so wäre er nit ein armer Schreiber geblieben, wie denn dies auch war. Da ich aber dies sagte, bekam ich das Dienstlein erst nit. Da dacht ich nun, ob ich ein Schneider werden wollt, wie mein Vater mir das gerathen hatte, als er starb; aber da war ich zu stolz, und dingte mich bei dem Meister Rot, dem Goldschmied in die Lehre, hatte aber nit so viel, daß ick mein Lehrgeld zahlen mocht, und sagt‘ ihm das, aber er nahm mich nit des minder, denn er wußte, daß mein Vater nur seiner Geradheit willen verfolgt war worden. Item von dem Laden über, wo ich nun arbeite, da wohnt der Rathsherr Hugwald, der hatt‘ gar eine schöne, sittsame Tochter, die hieß Amey; die sah ich oft am Fenster spinnen und nähen, und gefiel mir über die Massen wohl, und sah mehr auf sie als auf meine Arbeit, und wie das der Meister merkt, so setzte er mich an einen andern Ort, das war ich übel zufrieden; aber wenn ein Sonntag oder Feiertag kam, so suchte ich es zu richten, daß ich gerade vor ihr oder nach ihr in die Kirche ging, da zankte mein Meister und seine Schwester oft mit mir, wenn sie auf mich warten mußten, und ich nit fertig werden mocht, weil ich merkte, daß der Rathsherr und seine Tochter noch nit gingen. Item, da dachte ich ohne Unterlaß, wenns nur einst werden möcht‘, daß ich mit ihr reden könnte, und da gab es sich, daß der Meister Zehnder eine Hochzeit hielt, und lud die Nachbarn auch dazu, wie das Sitte ist; da sah ich die Amey, aber ich durfte um all Gut der Welt nichts zu ihr sagen, bis man gegessen und getrunken hatte, und dann zum Tanz aufspielte; da faßt ich mir ein Herz und forderte sie zum Tanz auf, da gab sie mir gar willig ihre Hand, da war ich seelig. Und ob ich gleich nichts zu ihr sagen durfte, so merkte sie doch, daß sie mir unsaglich gefiel, und ich merkte auch, daß sie mich wohl leiden mocht. Item ihr Vater war auch gar frenndlich mit mir, aber ich hofiert ihm so gut ich konnte, und hätte nit das thun mögen, wenn mein gnädiger Herr von Oesterreich da gewesen wäre, und fragte mich, ob ich mir getraue einen schönen Fingerring zu machen? Da sagte ich ja, und er sprach, ich sollt einmal zu ihm kommen, soll wollt er das Nähere mit mir reden. Da war ich voll Hoffnung über mein Glück und konnte die ganze Nacht nit schlafen vor lauter Freude. Und am Morgen wartete ich, bis ich wußte, daß der Rathsherr ausgegangen war; so hatte ich mir den Fund über Nacht ausgedacht, daß ich dann zur Amey wollte, und ihr sagen, was ich gestern habe nit sagen dürfen: und da mich der Meister im Sonntagsrock sah, da fragte er, was ich wollt? Da sagt ich ihm, wie mich der Rathsherr zu ihm bestellt habe, wegen einem Ringe; da lachte er und sagte: so geh! und da ich ging, da ward mir, als würde mir mit jedem Schritte ein Stein auf meine Brust gelegt, und da ich klopfen sollte, getraute ich mir nit, und dachte: hätte mich mein Meister nit gesehen, ich würde wieder umkehren, aber da schämte ich mich und klopfte. Und als ich in die Stuben trat, war die Amey eben so verwirrt als ich, und als ich reden wollt, wars, als wenn mir einer einen Strick um den Hals geworfen hätte. Da schlug es neun, und sprach die Amey, ihr Vater werde nun gleich kommen; da erschrack ick fast, und fing an und sagte da, was ich ausgedacht hatte; aber recht unordentlich und schlechtlich, und klagte, wie mein Vater seelig nur ein armer Schreiber gewesen wäre, und ich ein armer Goldschmidsgesell. Da sagt‘ sie auch mit verworrenen Worten, wie ihr Vater auch nit reich sei, und wie ihr ein ehrlich Gemüth lieber wäre, als Gold und Gut, da glaubte ich ein Engelein zu hören, aber da sie weiter reden wollte, trat ihr Vater in die Stuben und sah gar ernst bald auf mich, bald auf seine Tochter, und fragte mich mit rauher Stimme, was ich da thät? Da wollte ich von dem Ringe sagen, aber ich sagte alles verkehrt, und dachte ich wills in Gottes Namen wagen und sagen, was ich auf dem Herzen hätte, und fing an, wie mir seine Tochter so über alle Massen wohl gefiel, getraute mir aber nit weiter zu reden, denn ich sah‘, wie er zornig wurde. Da rief er: Sammer potz Wunden! was will so ein Bub, der nichts hat, und nichts weiß, und brauchte viel scharfe Worte, und verbot mir, nie ein Wort mit der Amey zu reden und stieß mich zur Thüre hinaus. Da weinte die Amey und ich auch. Das sah der Meister, als ich heimkam, sagte aber nichts, als, es werde mit dem Ring wohl Weil haben? Da setzte ich mich an meine Arbeit, es fiel manche Thräne darauf, und es war mir das Leben ganz verleidet. Da dachte ich Tag und Nacht, wie ich könnte reich werden, und arbeitete oft bis nach Mitternacht, denn der Meister zahlte mir etwas Lohn für die Arbeit, die ich nach dem Feierabend machte; aber wann ich dann ausrechnete, was dieser Lohn in zehn Jahren brächte, so war ich noch lang nit reich. Da hatte ich oftmals von meinem Vater seelig gehört, wie unser Nachbar, der Metzger, sein großes Haus im Spiele gewonnen hätte, und hoffte, das Spiel sollte mir auch günstig sein. Ich spielte und verspielte alles was ich hatte, und machte noch obendrein 10 Thaler Schulden. Da war ich erst voll Jammers, denn ich wußte, wann ich nicht bezahle, wollten mich die Spielgesellen gefänglich annehmen lassen; Ameys Vater war aber Thurmherr, und da wollte ich lieber sterben, als in den Thurm. Item mein Meister hatte eine Schwester, die war sehr ungestaltet und geizig, und wohl bei 50 Jahre alt, und da ich eines Abends gar traurig in meiner Kammer saß, und dachte, wie unglückselig ich sei, da kam sie zu mir und fragte mich mit freundlichen Worten so lange um meinen Kummer, bis ich ihr all meine Noth erzählte. Da sagte sie, ich müßte die Amey mir aus dem Sinn schlagen, denn sie wüßte, daß ihr Vater sie nur einem Junker geben werde, und sagte weiter, wie er ein stolzer, geiziger Mann sei, und wie er aus eitlem Hochmuth und Geiz dem Junker von Blumenegg (bei dem er Schreiber war) seine Tochter heimlich entführte und darnach geweibet hätte: da habe ihn aber die Strafe bald getroffen, denn der Vater habe all sein Habe der andern Tochter gegeben und seine arme Frau wäre bald darnach vor Kummer gestorben. Aber der Hochmuthsteufel steckt ihm noch im Kopfe, und will jetzt, daß die Tochter eine reiche Heirath mache, und erzählte noch viel Unglimpfliches von ihm, das doch nit alles wahr war, und sagt zuletzt mit vielen süßen Worten, daß sie die 10 Thaler für mich bezahlen werde, wenn ich sie weiben wollte. Da erschrack ich sehr und sagte, ich wolle mich bedenken. Da drängten mich denn jene, denen ich schuldig war, und die Meisterin drängte mich auch, daß ich vor Angst nicht wußte, was ich thun sollte, und wäre gerne fortgelaufen, wäre die Amey nit gewesen. Da ich aber nit bezahlen konnte, da wollten mich die Spielgesellen gefänglich annehmen lassen, da wurde die Noth so groß, daß ich der Meisterin versprach, ich wolle sie weiben: das mußte ich ihr aber geschrieben geben, dann gab sie mir die 10 Thaler und einen Ring, den ich versteckte, daß ihn ja Niemand sähe, und bat sie weinend, daß sie‘s Niemand offenbaren, und noch ein Jährlein oder zwei warten möchte, denn ich hoffte, daß sie während dieser Zeit sterben sollte, da sie manchmal bettliegerig war. Dies war sie nit wohl zufrieden, und über eine kurze Weile sagte sie, daß sie nun nit mehr länger warten wolle, und bestimmte einen Tag, an welchem sie dem Meister und Allen dies offenbaren werde, und drohte, wenn ich nicht gütlich wollte, mich rechtlich zu zwingen. (Fortsetzung folgt.) Im zwanzigsten Jahrhundert. „Ist es möglich, daß es jemals lebende Wesen dieser Art gegeben hat?“ Rendezvous. Hinter der Hecke in meines Vaters Garten Stand er Abends, auf mich zu warten; Es war ein stilles, tiefverborgnes Oertchen: Ich kam von ungefähr, um Blumen mir zu pflücken, Da stand er plötzlich da vor meinen Blicken; Von dem Versteck wußt‘ ich kein Sterbenswörtchen. Nein! wahrhaftig nicht: denn, wenn ich‘s gewußt oder nur geahnt hätte, hätten mich zehn Pferde nicht hingezogen. Ach! ich war zu sehr erschrocken! Mit seinen Armen hielt er mich umfangen; Wie schlug mein Herz! wie glühten meine Wangen. Indeß, was half‘s! es war einmal geschehen: Auf beiden Seiten hohe Buchenhecken, Da konnten wir uns sicher ja verstecken, Kein Nachbars Auge konnte uns da sehen. Das war auch ein wahres Glück, denn sonst hätte er manchen Kuß gesehen, den ich nicht hindern konnte. Wie ungestüm doch die Männer sind. Doch freilich Einer hat‘s mitangesehen, Der schlaue Mond in seinen luft‘gen Höhen; Doch der! der wird es sicher nicht verrathen; Den Wind auch hört‘ ich in der Hecke rauschen, Der arge Schelm! der wollte sicher lauschen; Doch wenn er spräch‘, ich wollt‘ es ihm nicht rathen. Es wäre freilich schrecklich, wenn er schwatzen könnte! Aber es ist auch gewiß das erste und letzte Mal, daß ich allein in den Garten gehe. Wenigstens glaub‘ ich nicht, daß ich mich heute dazu entschließ. Ob er wohl kommen wird, der Garstige? — Des Gesellen schönste Zeit. Ich mach‘ mir nichts aus Sonnenschein, Viel lieber hab ich die Sternelein, Sobald die liebe Sonn‘ aufgeht, Der Meister vor dem Bette steht Und weckt, „Heraus! heraus! frisch aufgewacht! Hast dich die ganze lange Nacht Im faulen Bett gestreckt.“ Den ganzen, lieben, langen Tag Gibt‘s nichts als Arbeit, Zank und Plag; Die Meisterin redet auch mit drein; „Mußt du denn immer lässig sein, Gesell, Sobald es an die Arbeit geht? Wenn‘s Essen auf dem Tische steht, Dann bist du gleich zur Stell.“ Doch wenn die Abendsonne sinkt, Von oben her das Sternlein winkt, Dann geh ich auf die Straß hinauf Und harre vor der Liebsten Haus. O Lust! Sie kennt mein Zeichen schon, und bald Erscheint die liebliche Gestalt Und sinkt mir an die Brust. Das ist des Tages schönste Zeit, Halt ich im Arm die liebe Maid: Bis in die tiefe, dunkle Nacht Sind wir beisamm und plaudern sacht. Doch weh! Die Abendzeit verfliegt so bald Und wenn des Wächters Ruf erschallt, So sagt sie gleich: „Ade!“ Hätt‘ ich die weite Welt gemacht, Hätt‘ eingeteilt ich Tag und Nacht, Recht kurz hätt‘ ich den ganzen Tag Mit seiner Arbeit, seiner Plag Gemacht; Doch ach! die liebe Abendzeit Hätt‘ ich gemacht recht lang und weit, Recht lang die liebe Nacht. Das letzte Stadium. Stabsarzt. „Meine Herren, diese Frau hier ist die Wittwe meines Fourierschützen, eine brave Frau; ich behandle sie schon seit 20 Jahren, sie leidet seit dieser Zeit an Lungensucht und befindet sich schon seit 15 Jahren im letzten Stadium derselben.“ Unterarzt. „Ich erlaube mir, gehorsamst zu bemerken, daß Herr Stabsarzt sich wohl geirrt haben werden, denn das letzte Stadium kann ja kaum so viele Wochen währen, auch sieht diese Frau gar nicht darnach aus, daß . . . .“ Stabsarzt. „Ah, Papperlapapp! Sie wollen immer gescheidter sein als ich; wenn Sie mir nicht glauben wollen, so lesen Sie nur einmal die Zeugnisse nach, die ich und der Herr Regimentsarzt hier dieser Frau zur Begründung ihrer Unterstützungs–Gesuche auf Pflicht und Gewissen ausgestellt haben, da werden Sie schon sehen, daß das letzte Stadium der Lungensucht 15 und noch mehr Jahre dauern kann.“ Ein neues Lied von der heidnischen Prinzessin Cloelia. wie solche durch ihre mannhafte Entschlossenheit und wohl ausgesonnene Weiberlist die Feinde getäuschet hat und sammt zween ihrer Gespielinnen glücklich aus der Haft entronnen und dann in ihr Vaterland retourniret ist. In einer schönen Sommernacht Ueberlistet sie die Wacht, Sprang in die Tiber Und schwomm hinüber. Eine Episode aus dem neuesten Soldatenleben. (14. November 1849.) Offizier. „Wir werden heute Abend in München eintreffen! Die Mannschaft wird über Nacht bei den Bürgern einquartirt, ich hoffe, daß vou eurer Seite keinerlei Exceß vorkommt. Früh 6 Uhr habt ihr euch jedoch auf dem Sammelplatze an der großen Infanterie–Kaserne einzufinden. Daß mir keiner fehlt.“ Abends 5 Uhr Ankunft der Truppen auf dem Eisenbahnhof, Abmarsch nach dem Dultplatze und hier Verteilung der Ouartierbillete beim magern Schein einer Stalllaterne. Nachts 12 Uhr. Die Soldaten suchen noch immer ihre Quartiere. Früh 6 Uhr. Die Soldaten haben endlich ihr Ouartier gefunden. Aber horch, es schlägt 6 Uhr und zum Sammelplatz ruft die Trommel. — Was der Mensch will, daß kann er auch. Dachauer. „Erlauben‘s, vozeihn‘s ist net no a Platzl da, grad nur für mei Alti, sie braucht net viel, — es kimmt ihr s‘ Stehn gar so hart an.“ Dame. „Es wird schwer gehen, liebe Frau; ihr seht, die Bank ist ganz besetzt.“ Bäuerin. „Ruckens nur a bißl z‘samma, a kloan‘s Plattzl find sich scho noch, es geiht (geht) scho, wenn mer nur will.“ Dachauer. „Schaugn‘s daß‘s geiht; wenn ma will, geiht All‘s.“ = = = FB10—0234 Hans Breidbach, der Goldschmied aus Freiburg. (Fortsetzung.) Da konnte ich nit mehr essen und schlafen und grämte mich fast zu todt, und als der bestimmte Tag kam und all mein Beten nichts verfieng, da merkte ich wohl, daß ich entlaufen müsse, stund vor Tag auf und hing den Ring, den sie mir gab, an ihre Kammerthür, und lief in Gottes Namen fort, auf dem Wege bis nach Badenweyler, denn ich fürchtete immer, die Alte läuft mir nach. Da hörte ich, wie in dieser Gegend Alles im Aufruhr war, denn die Empörung der Bauern hatte sich auch bis ins Breisgau gezogen. Man sagte mir auch, wie sie Neuenburg eingenommen hätten und gegen Heitersheim zögen. Da wandte ich mich gegen die Berge und kam Nachts in ein Dorf, da war ein wildes Gewühl von den Bauern, die mich fragten, was ich hier wolle? Denn viele meinten, ich wäre ein Spion, und man sollt mich hängen. Da war mir gar Angst und ich mußte ihnen geloben, Gut und Blut zu ihnen zu setzen, sonst hätten sie mich getödtet; da tranken sie mir zu und nannten mich ihren Bruder. Item es ging das Geschrei, daß sie auf Freiburg ziehen wollten. Das war mir halb lieb und halb leid, denn ich fürchtete, daß ich wenig Ehre davon hätte, wenn man mich bei den Bauern säh, und dachte dann doch wieder, wie ich da reich werden und die Amey erretten könnte, und hoffte, daß vielleicht einer den Rathsherrn und die Alte tödten würde, Gott verzeih mir meine große Sünde gnädiglich. Da zogen die Bauern nach Freiburg, es war ein unzählbares Volk; man unterhandelte aber mit ihnen. Die Hauptleute nahmen etwas Geld und zogen dann weiter gegen Kenzingen; aber die Carthauser und das Johanniterhaus wurden geplündert, ich war auch dabei und bekam ein ziemlich Gut, aber das ward mir von den Bauern wieder geraubt, da war‘s mir verleidet bei den Bauern zu sein. Item da schickten unsere Hauptleute einige über den Rhein zu den Bauern im Elsaß, die auch aufgestanden waren, und raubten und brannten, denn man meinte, die Bauernschaft solle zusammenstehen, damit sie der ganzen Welt Meister werde; aber da kam uns die Mähr, wie die Bauern im Schwabenlande geschlagen wären, und wie der Markgraf Philip und die Boten der Stadt Straßburg mit den in Breisgau unterhandelten. Da mußte ein Theil der Unsrigen den Lothringer Bauern entgegen, weil die zu uns stoßen wollten. Da hörten wir, daß auf dem Schlosse Greifenstein eine reiche Wittwe wäre, mit wenig Knechten, wir lagerten uns davor, und forderten das Schloß auf, aber man wollte uns nit hineinlassen, und wie wir das Schloß umgingen, sah ich nit weit vom Boden ein kleines Fenster, da kroch ich hinein, aber die mit mir waren, wollten mir nicht folgen, denn sie waren zu dick. Als ich da allein war, fürchtete ich mich, die Knechte möchten mich finden und erstechen, und wollte mich in den Keller verbergen, denn die Thür war offen. Als ich hineintrat, sah ich die Edelfrau, die deckte eben ein Loch mit Erde zu; da sie mich erblickte, fiel sie auf ihre Knie und bat jämmerlich um ihr Leben und versprach mir viel Gut; des war ich wohl zufrieden, und sagte dabei, daß sie eilends ging, um mit den Bauern zu unterhandeln, so gut sie könne: aber als sie hinaufkam, hatten die Bauern das Thor eingestoßen und drangen in das Schloß, schlugen die arme Frau und alle Knechte todt, durchliefen das Haus, raubten oder zerschlugen was sie fanden, und kamen da auch in den Keller. Da hatte ich, als die Frau fort war, nachgegraben, und fand, daß sie ein Schmuckkästlein verborgen hatte, das deckte ich eilig wieder zu, als ich die Bauern kommen hörte, saß darauf und legte die Wehr auf die nenausgegrabene Erde und rief ihnen zu, daß da guter Wein sei. Da fielen sie über die Fässer her, und jeder trank aus dem, was er finden konnte; ich stellte mich aber, als wäre mir der Wein stark in den Kopf gestiegen, damit man kein Verdacht schöpfen könne, weil ich so am Boden sitzen blieb. Da kam das Geschrei, daß das Schloß brenne, denn etliche Gesellen hatten dasselbe angesteckt, da stieß man den Fässern die Boden aus und einer zog mich davon, denn ich that, als ob meine Füße mich nit mehr tragen könnten, da lachten sie meiner, aber ich lachte ihrer heimlich auch. Da kam uns gewisser Bericht, daß der Herzog von Lothringen mit viel Adel und einem starken Kriegsvolke gegen uns zog, da hielten wir uns zusammen und rathschlagten, was man thun solle. Da ward beschlossen, man wolle nach Zabern ziehen, wo der große Haufen lag, den man auf 30,000 Mann schätzte; aber da wir in das Dorf Kupfstein kamen, ereilten uns des Herzogs Reisige, zündeten das Dorf an und erschlugen alle Bauern, die darin waren. Item ich hatte mich mit viel Bauern in ein Holz verschlagen, als wir die Reisige kommen sahen, das umritten sie auch, und jagten uns hinaus, wobei mich auch einer ereilte und tödten wollte. Da warf ich meine Wehr von mir, und bat flehentlich um mein Leben, sagte, daß ich ein Bürger von Freiburg sei und daß mich die Bauern gefangen hätten; da schonte er meiner, drohte aber, daß er mich wollt hängen lassen, wenn ich ihm die Unwahrheit berichtet hätte, und ließ mich da gefangen hinter sich führen in ein Schloß; da lagen noch mehrere Gefangene in dem Thurm. Da hatte ich Zeit über mein Unglück nachzudenken, und wußte nit, wie ich könnte errettet werden. Bald war ich bekümmert, daß man mich tödte, und bald war ich in Aengsten, daß man mich auf Freiburg führe, wo mich dann die Alte nit mehr würde entlaufen lan, und mich die Amey Zeitlebens verschmähen würde, weil ich mit den Bauern gezogen war, dachte dabei mit Thränen an den Schatz zu Greifenstein, den ich schon halb in Händen hatte und den jetzt ein anderer finden werde. Nach zwei Tagen führte man mich aus dem Thurme in einen Saal, da waren viele Edelleute, die tranken und aßen, und an einem Tische saßen einige mit einem Schreiber. Da führte man mich zu ihnen; die frugen mich wer ich sei, und wo ich wäre gefangen worden. Das sagte ich nun, und auch, daß ich ein Bürger von Freiburg sei. Da fragte der Schreiber, ob ich das beweisen könne? Da sprang einer der Edelleute, die am Tische saßen, auf, schlug mit der Faust auf den Tisch und sagte mit zorniger Stimme: Potz fünf Wunden, was darfs das! und fuhr mich gar grimmig an, und sagte: sieh da, mit denen bist du geflogen, mit denen mußt du auch hangen; und zeigte auf einen Galgen, an dem gar viele Bauern hingen, und befahl, daß man mich ohne Weiters fortführe. Da war ich voll Jammer, daß ich so schmählich sterben sollte, und ging gar traurig durch den Saal. Da rief einer der Edelleute, die da tranken: Sammer potz Wunden! ist das nit ein Freiburger? und da ich aufsah, war es Junker Hans von Andlau, dem ich vor nit gar langer Zeit eine goldene Kette gemacht hatte, denn er war oft in Freiburg und kannte meinen Meister wohl. Dem fiel ich zu Füßen und bat ihn weinend, daß er mich doch rette! Da fragte er mich, wie ich unter die Bauern gekommen wäre? ich offenbarte ihm alles, wie ich die Alte hätte weiben sollen, wie ich da fortgelaufen und unter die Bauern gekommen wäre, die mich nit hätten entlaufen lassen. Da lachte er und sagte: So lauf jetzt! und ließ mir einen Zettel geben, daß ich ungehindert ziehen könne. Da dankte ich Gott und dem lieben Junker Hans inniglich, die mich vom Tode errettet hatten und zog eilends von dannen. Sobald ich allein war, ging ich den Bergen zu, denn mein Sinn stand mir nach dem Schatze im Keller zu Greifenstein; suchte nur verborgene Wege und bat Gott gar eifrig, daß er mir den Schatz bewahren möge. Item da ich in den Wald kam, wo die Veste Greifenstein liegt, war es schon spät, aber der Mond schien gar hell; da klopfte mir das Herz unsäglich, als ich den Berg hinaufstieg und das Schloß sah. Da war ein Stück eingefallen und Gemäuer und angebranntes Holz lag ober dem Keller. Dies freute mich höchlich, denn ich hoffte nun, daß der Schatz noch da sei, und fing an, trug die Steine gar hübschlich fort, daß mich Niemand hören möchte und hatte wohl bei fünf Stunden zu thun, bis ich ein Loch machte, daß ich in den Keller schlieffen konnte, aber da getraute ich mir nit hinzugehen, denn ich fürchtete, der Teufel wäre darin und hütet den Schatz. Da setzte ich mich auf einen Stein; es war mir gar wunderbar bang vor Furcht und Hoffnung, und als der Tag anbrach, wagte ich‘s und kroch hinein. Da war der Boden noch ganz naß von dem Wein, und als ich an den Ort trat, wo das Kistlein verborgen war, da zitterte ich vor Freude, als ich merkte, daß Niemand da gegraben hat, brach schnell den Boden auf, fand das Kästlein und daneben einen großen Kasten, den konnte ich nit bewegen. Da deckte ich alles wieder zu und suchte eine Gelegenheit, wie ich die Sachen verbergen könnte. Ich fand eine wüste Felskluft, darin verbarg ich das Kästlein und brach dann den Kasten auf, der war voll silbern und vergoldter Stäuff (Trinkgeschirre) und Becher, daß mir vor Freude die Sinne schier schwanden. Ich trug sie auch, so heimlich ich konnte in die Kluft und deckte alles mit Moos und Steine gar sorgsam zu; war aber dabei in großer Angst und Furcht, denn wenn der Wind wehte, oder ein Haas oder Vogel im Laube rauschte, so fürchtete ich mich, man hätte mich entdeckt. Da ich alles vergraben hatte, ging ich in ein Dorf, das da im Thale liegt, da waren nur arme Weiber und Kinder und alte unvermögliche Männer, denn von den Bauern war eine unsagliche Zahl zu Kupfstein und noch viel mehr zu Zabern erschlagen worden. Item ich gedachte nun auf Freiburg zu ziehen und eine Gelegenheit zu suchen, die Amey zu sehen und ihr mein Glück zu sagen, auch von ihr zu vernehmen, ob ich jetzt an ihren Vater wohl gelangen dürfe, und hoffte, daß ich meine Schrift vielleicht mit etwas Geld von der Alten lösen könnte, weil sie so geizig war, und zog nun des nächsten auf Freiburg zu, kaufte zu Neukilch einen Bauernkittel und einen Korb mit Eier, schwärzte mein Gesicht, daß man mich nit erkenne, und wollte, wenn ich merkte, daß der Ratsherr nit zu Hause sei, mit meinem Kram zur Amey. Da ich auf den Markt kam und nach ihrem Hause sah, da war es nit mehr und das Gemäuer lag am Boden. Deß erschrack ich über die Massen und trat hinzu und betrachtete das abgebrannte Haus gar traurig. Da kam ein altes Weib, das fragte mich: Bauer, was siehst du da? Da sagte ich, wie ich den Herren und seine Tochter wohl gekannt habe, denen dies Haus gehörte, und fragte nach ihnen. Da berichtete sie mich, wie vor 10 Tagen der Blitz in das Haus geschlagen und den Ratsherrn getödtet habe, daß die Ameh in das Schweizerland gezogen sei zu einer Muhme, die sie da hatte, denn sie habe keine Verwandte in Freiburg, die sie erhalten könnten; und sagte gar viel Gutes von ihr, aber den Vater wollte sie nit rühmen. (Schluß folgt.) Forstkultur. „Guten Morgen, Herr Förster! Wie ich sehe, sind ja alle meine Schulkinder im Walde da beschäftigt.“ — „Ja, keine großen Leute kann ich zu dieser Arbeit nicht gebrauchen, da muß ich die Schulkinder, die gute Augen haben, dazu verwenden.“ — „Ja, das merk‘ ich, denn ohne Augenglas kann ich nicht entscheiden, was sie da auslesen.“ — „Das will ick Ihnen gleich sagen: ich habe der Gutsherrschaft berichtet, daß die Mäuse den jungen Eichenwuchs in dem vor zwei Jahren angelegten Eichengarten gänzlich verwüstet hätten, erhielt daher von dem gescheidten Herrn Gerichtsoberschreiber (denn der gnädige Gutsherr ist nicht hier), den Befehl, „der Förster Müller hat sogleich das beschädigte Holz Klafterweise an die Unterthanen zn verkaufen, und den Erlös hieher ungesäumt abzuliefern.“ Der dicke Herr Condukteur. „Meine Herren, haben‘s die Güte un machens a bisl Platz für meine Wenigkeit.“ Praktische Heilmethode. „Herr Professor, in meinem Forste ist unter den Wildschweinen die Räude ausgebrochen — gibt es denn kein Heilmittel dagegen?“ „Hier gebe ich Ihnen eine Flasche — in der das beste Mittel gegen dieses Uebel sich befindet. — Mit dieser Materie bestreichen Sie die Wildschweine täglich Früh und Abends, dann wird sich die Krankheit bald verlieren.“ Vorbereitung zum Ball. Vater. „Nimmt sich wieder Keine Zeit zum Essen — das sag ich Euch, daß mir in der Gesellschaft Keine kommt, und sagt: „Vater, i hab Hunger,“ das wär‘ weiter keine Blamage für einen Gesellschafts–Sekretär. Hat mich der letzte Ball erst 28 kr. kostet. — Und du Katinka! iß mir die Wursthaut nit wieder mit. Jesses laß dir doch a Zeit. Auf‘m Ball da schleckt‘s wie die Täuberln, daheim aber fallt‘s drüber her wie die Wölf.“ Rückzug. Die Luft ist warm, die Nacht ist hell, Ich schreite auf und nieder; Der Mond, der bleiche Junggesell, Steht auf der Lauer wieder. Und draußen schlägt die Wachtel. Und droben über dem Portal, Da wohnt mein süßes Liebchen; „Gott grüß dich, Mädchen, tausend Mal, Was hockst du so im Stübchen?“ Und draußen schlägt die Wachtel. „Zum dritten Male gab ich schon Das wohlbekannte Zeichen; kennst du nicht mehr des Liebsten Ton? Läßt du dich nicht erweichen?“ Und draußen schlägt die Wachtel. Der Mond tanzt durch die Wolkenwand Wie durch die See ein Nachen; Ich glaube gar, der alte Fant Wagt schadenfroh zu lachen! Und draußen schlägt die Wachtel. O traun! Das ist ein schlechter Dienst, Vergeblich stehn und harren! Und dann wird man noch angegrinzt Von solchem alten Narren. Und draußen schlägt die Wachtel. Und wenn das Bürgermeisterlein Noch wach im Bette läge, Ich schmisse ihm die Fenster ein Und ginge meiner Wege. Und draußen schlägt die Wachtel. Wer bläst das Licht aus? (Eine häusliche Scene.) Die Baronin ist zu Bett gegangen und hat ihre Zofe auch zu Bett geschickl, das Licht brennt noch auf dem Nachttischchen allein; als die gnädige Frau dasselbe löschen will, um sich in die Arme eines rosigen Traumes von der letzten Kaffeevisite zu werfen, bemerkt sie zu ihrem Schreck, daß die Zofe die Lichtscheere vergessen hat. Baronin. „Die Kleine ist nachläßig, höchst nachläßig! und sie verdiente zur Strafe, daß ich sie weckte, allein wir sind heut guter Laune, die Gräfin X. hat eins abgekriegt, und bei all‘ ihrem Scharfblick — Schaafblick sollt ich sagen — hahaha ein gutes bon mot – calembourg verbessert immer mein gestrenger Gemahl — ja, hat sie mich doch nicht hinter das Licht geführt . . . . a propos das Licht, wie mach‘ ich es denn? mit den Fingern? fi done! ich will es ausblasen. (Sie bläst, da sie aber einen Karpfenmund hat mit überragender Oberlippe, so geht der Luftzug nach unten, anstatt an das Licht.) Ph! Ph! Es geht nicht. Ph! Nein, ick, seh es klar, das ist ein Geschäft für gemeine Leute, es geschieht mir recht, ich hätte mich nicht so tief herabgeben und gleich dem Mädchen rufen sollen, das dafür auf der Welt ist, ich bin doch zu weich — zu gut.“ — „Lisette! — Lisette! Helas! was dieses Volk für einen Schlaf hat! Lisette! (Lisette erscheint.) Hören Sie endlich, nachläßiges, unaufmerksames Ding, Sie setzen mich in die größte Verlegenheit, mich, die gütigste aller Frauen, Sie tourmentiren mich, Sie bringen mich in eine unwürdige Situation, verstehen Sie mich?“ Lisette. „Bitte tausendmal um Entschuldigung . . .“ Baronin. „Tollheiten! Entschuldigung und Ausreden, das ist Ihre Force, eine solche Nachlässigkeit ist unverzeihlich“ empörend.“ Lisette. „Darf ich unterthänig bitten . . . .“ Baronin. „Schweigen Sie; wo ist die Lichtschere? Sie haben keine Lichtscheere gebracht, und wie soll ich nun das Licht löschen? Sprechen Sie, wie? wie?“ Lisette. „Gnädige Frau, ich will sogleich nach der Küche gehen und eine holen.“ (Sie will gehen.) Baronin. „Bleiben Sie hier, ich will keinen Lärm im Hause, ich habe meine Gründe. Blasen Sie das Licht aus und gehen Sie so still als möglich zu Bette.“ (Lisette versucht das Licht auszublasen, da sie aber einen nach links verzogenen Mund hat und gleichwohl das Licht gerade vor das Gesicht hält, so geht der Luftzug zur Seite vorbei, und das Licht bleibt brennen.) Lisette. „Ph! Ph! es geht nicht.“ Baronin. „Unbeholfene, ungeschickte Person! blasen Sie recht.“ Lisette (bläst aus Leibeskräften). „Es geht nicht und wenn Sie noch so sehr darauf bestehen; das ist überhaupt nicht mein Geschäft, so machens die gemeinen Leute, ich will eine Lichtscheere holen.“ Baronin. „Sie werden thun, was ich Ihnen befehle. Wie? die Kleine spielt nächstens die vornehme Dame und findet gemein, wozu sie nur zu tölpelhaft ist. Blasen Sie.“ Lisette. „Ph! Ph! Es ist fruchtlos, ich weiß nicht, was an dem Licht ist, kurz und gut, gnädige Frau, das gehört nicht zu meinem Dienst und wenn ich nicht die Lichtscheere holen soll, so will ich dem Johann rufen.“ Baronin. „Gut! ich bin jetzt darauf piquirt, daß das Licht ausgeblasen wird, rufen Sie den Johann.“ Lisette (ruft zur Thüre hinaus). “Johann! — Johann! — Johann!” Johann (von unten). “Was isch?” Lisette. „Komm Er herauf!“ Johann. „Han jetzt nit Zeit Ihr aufz‘warta, muß dem gnädige Herrn d‘ Stiefel putza.“ Lisette. „Komm Er gleich herauf, im Augenblick!“ Johann. „Sie wird warta könna.“ Lisette. „Er unverschämter Mensch! die gnädige Frau befiehlt‘s; im Augenblick soll Er kommen.“ Johann. „Ah so! (Johann erscheint.) Was begehret Se‘, gnädige Frau?“ Baronin. „Johann, blasen Sie das Licht aus, die Lisette hat die Lichtscheere vergessen und kann mit dem Ausblasen nicht zu Stande kommen.“ Johann. “Sell glaub i scho’, se hot jo a krumm’s Maul.” Lisette. „Was? ich ein krummes Maul, das kann Er sagen, Er unverschämter, grober Kerl? ich ein krummes Maul? Weiß Er‘s nur, Er hat ein krummes Maul. Er hat ja ein ganz schiefes Gesicht.“ Johann. „Sell isch wohr, i han e bißle a krumms Maul, aber ‘s Ihrige ischt no‘ krümmer.“ Lisette. „Nun, so etwas ist mir noch nicht passirt! ich ein krummes Maul? Nein, gnädige Frau, eine solche Beschimpfung mir! Ich habe schon viel gedient und viel durchgemacht und hab die Welt viel gesehen und viele Flegel von Bedienten angetroffen, aber so — nein so .... (schluchzend) so ist mir noch nichts vorgekommen. So soll ich mich beschimpfen lassen in Ihrem Hause, gnädige Frau und von einem solchen .... (sie ermannt sich zum Zorn) von einem solchen pöbelhaften Taugenichts, der erst nicht weit her ist — so einem . . . .“ Johann (ruhig). „Sie ischt von Häslich, a halbe Stund weit; ‘s Muckers Lisle, eh se Lisette ghäsa hat.“ Lisette. „Wie, ich soll mir auch noch meine Heimath vorwerfen lassen? woher er ist, weiß man ja gar nicht.“ Baronin. „Still, Lisette, still, ich befehle es Ihnen. Ruhig, Johann, und blasen Sie das Licht aus.“ Johann (hat einen schiefen Mund rechts). „Das kann scho‘ sei‘. Ph! (Schüttelt den Kopf.) Ph! Ph! ‘s got net.“ Lisette. „Ja, es geht nicht und weiß Er auch warum, weil Er ein krummes Maul hat, Er ungehobelter Flegel, da sieht Ers nun selbst.“ Johann. „Scht! han doch koi so Wäschmaul wie Sie, ‘s mei‘ ischt nu‘ durch a Schmara krumm vom letschte Feldzug her . . . . „ Lisette. „Mit den Bierkannen, wo Ihm der lange Hannes bald ein Aug ausgeschlagen hätte.“ Johann. “Schtill jetzt, i blos es doch aus. Ph! — Ph! Des Liecht ischt verhext. Gnädige Frau, wann Se‘s erlaubet, will i ‘s mit dener Liechtputz auslösche, die mir unser Herrgott mit uf d‘ Welt geba hot. I sieh scho‘, mei‘ Maul goht hot und des von dere Jungfer goht hischt, deßhalb könna mir beide ‘s Liecht net gut ausblosa.“ (Er macht eine Bewegung, um mit den Fingern das Licht auszuputzen.) Baronin. „Lassen Sie das und leuchten Sie dem Herrn Baron, ich höre ihn kommen.“ Baron (erscheint im Schlafrock und in den Pantoffeln, er hat einen sehr hervorstehenden Unterkiefer und trägt ein Licht in der Hand.) „Liebes Kind, was ist das für ein Lärm und Hader?“ Baronin. „Lisette hat vergessen, mir eine Lichtscheere zu geben, nun rief ich ihr, sie solle das Licht ausblasen, sie kam aber damit nicht zu Stande . . . .“ Johann (leise). „Weil se a krummes Maul hot.“ Lisette (leise.) „Will Er schweigen?“ Baronin . . . . „Auch ist das eigentlich nicht ihr Amt, und daß ich mich hiemit nicht abgeben kann . . . .“ Baron. „Sehe ich sehr gut ein, denn ich bemerke bereits den Fehler, an dem hier jedermann zu leiden scheint.“ Baronin (piquirt). „Ich verstehe das nicht, mein Freund; kurz, ich beschickte Johann, daß dieser das Licht auslösche, und da fingen die beiden Dienstboten einen ärgerlichen Streit an, dem ich bei der Zungenfertigkeit, mit welcher er geführt wurde, kaum Einhalt thun konnte.“ Baron. „Hat mir Spaß gemacht. Aber seht, Kinder: wenn man ein Licht ausblasen will, so kommt es nur auf die Direktion an; man macht es (er hält das Licht stark in die Höhe, bringt den Mund beinahe an das untere Ende der Kerze und bläst) so. Ph! — Gute Nacht.“ Der alte Fritz und der Uhrmacher. Vom Greise bis zum Buben im ganzen Preußenland Ward Preußens größter König „der alte Fritz“ genannt. Der macht‘ einmal im Schlosse zur ungewohnten Stunde Des Abends ziemlich spät noch selballein die Runde. In einem von den Sälen gewahrt er, daß ein Mann Bei einer Pendeluhre legt seine Leiter an; Doch auf dem glatten Estrich die Leiter nimmer hält — Hätt‘ er ein Klotz gefunden, er hätt‘ es vorgestellt. „Gut‘n Abend! Sag Er, Lieber, was will Er machen hie?“ „Ich bin der Uhrenmacher. was maßen hol ich sie, „Daß sie nicht geht, wie immer; die Leiter will nicht stahn, „Deß müßt ich wohl die Uhre viel bald zerschlagen han!“ „Nun, so will ich Ihm halten die Leiter an die Wand, „So kann sie nimmer stehen, das ist mir wohl bekannt.“ Da hielt der große Friedrich die Leiter still und fest, Daß er die Uhr den Andern vom Platze nehmen läßt. Da bringt am andern Morgen dem Könige man die Mähr, Der Uhren allerbeste im Schloß gestohlen war — Nun war‘s dem König leide, und wer der Schelme war, Dem er die Leiter gehalten, das wurd‘ ihm nun erst klar. „Seid still, ganz still, und fanget den Schuft mir nimmer ein, „Ich stecke mit darunter — ich hielt die Leiter sein — „Still, still, und rührt nicht fürder, sonst macht der Kerl sich groß: „Der alte Fritz hilft stehlen in seinem eignen Schloß!“ — H. Krone. = = = FB10—0235 Hans Breidbach, der Goldschmied aus Freiburg. (Schluß.) Da dankte ich Gott erst recht für meinen Reichthum und fragte, in welcher Stadt sie sei. Das wußte sie aber nit, meinte aber, weil ihr Vetter bei den Augustinern in Basel sei, daß sie wohl auch da wäre. Da verkaufte ich der Frau meine Eier um wenig Geld und ging vor den Laden des Meister Rot, damit ich auch sähe, was er und meine liebste Alte mache. Da ich aber gegen den Laden kam, hörte ich eine Weiberstimme, die zankt und schreit; jetzt wußte ich schon, daß Alles beim Alten war, getraute mir nit näher zu gan und zog wieder zum Thore hinaus. Da hatte ich drei Gründe, warum ich in das Schweizerland ziehen wollte, worunter der erste und vornehmste war, daß ich die Amey fände und sie zu bereden, daß sie mich nähm. Der zweite war, daß ich mich auf dem Zurzacher Markte umsehen wollte, ob man da silberne Geschirre, wie ich in dem Kasten gefunden hatte, und auch Perlen und Edelsteine, deren eine große Zahl in dem Kästlein waren, neben großen goldenen Ketten, Armbändern, Ringe und andere Kleinod, wohl verkaufen könnte, denn ich besorgte, wenn ich sie zu Freiburg oder Straßburg verkaufe, möchte sie Jemand kennen, und ich käm wieder um Hab und Gut. Der dritte Grund aber war, da es mir schon manchmal aufs Herz gefallen war, ob ich wohl den Schatz ohne Sünde behalten könnte; das wollte ich auch lieber in einem fremden Kloster erfragen, statt zu Freiburg oder anderswo im Breisgau. Als ich nun nach Basel kam, suchte ich den Vetter der Amey, bei den Augustinern und sagte ihm, daß ich auf den Zurzacher Markt ginge und in Freiburg den Befehl erhalten habe, nach der Amey zu fragen, wo sie sei und was sie mache? Da sagte er mir, sie sei in Baden, liege nah bei Zurzach, bei einer Muhme, die sie da hätte, und nannte mir sie, wisse aber sonst nichts von ihr. Da sagte ich ihm auch, wie mir ein guter Freund aufgetragen habe, mich bei einem Gelehrten zu erkundigen, ob er ein Gut behalten dürfe, das er auf Weis und Weg bekommen habe, wie ich ihm da erzähle. Da frug er mich, ob des Gutes viel wäre? das bejahte ich; da sagte er, er müßte sich deßhalb näher berathen und bestellte mich auf den Abend wieder. Da ich hinkam, war er gar freundlich mit mir, führte mich im Kreuzgang auf und ab, sagte auch, wie man sich berathen und gefunden habe, daß, da die Wittfrau dem Manne großes Gut verheißen habe, wenn er sie am Leben ließe und er keine Schuld an ihrem Tode trage, das Gut auch nit mehr zurück gegeben werden müsse, da aber selbiges auf unrechtmäßige Weise und in keiner ehrlichen Fehde erbeutet worden sei, so dürfe es der Besitzer auch nit behalten, sondern man müsse es an ein Gotteshaus abgeben, damit man für die arme Wittwe, die ohne Beichte habe sterben müssen, Seelenmessen lesen könnte, und sagte mir mit vielen glimpflichen Worten, wie ich meinen Freund bereden sollte, daß er das Gut in ihr Kloster gebe und versprach mir gar ein schönes Geschenk, wenn ich das zuwegen brächte. Da führte er mich in einen Saal, es ward mir Speise und Trank aufgesetzt und gar viel Ehre bewiesen. Man forschte noch nach, ob man nicht mehr erfahren könne; ich schied aber von dannen, und dachte, wenn die reichen Pfaffen das Gut behalten dürfen, so darf ich es auch behalten, dachte, ich könnte der Seele auch Messen lesen lassen, und war ganz getrost. Sobald man am Morgen das Thor zu Basel aufthat, eilte ich fort, zog freudig auf Baden zu, und lief anfangs so stark, daß ich Abends kaum mehr gehen konnte, denn der Weg ist weit und rauh; doch stärkte mich die Freude so, daß ich noch in die Stadt kam, allein es war schon sehr spät und das Thor zu, das machte man mir aber auf für mein Geld und zeigte mir das Haus, wo ich hin wollte. Da war im ganzen Städtlein kein Licht mehr, als in diesem Hause. Ich trat hinzu und sah, daß es eine Magd war, die spann. Da klopfte ich am Laden und fragte, ob nit eine Freiburgerin hier wohne? Da sagte sie, ja, ich bins. Ich bat sie, daß sie mir aufthät, denn ich bringe ihr neue Mähr von Freiburg. Dieß wollte sie nit thun, bis sie wußte, wer ich sei, und da ich ihr meinen Namen sagte, wußte sie erst nit, ob sie mich einlassen sollte. Da bat ich so lange, bis sie mir aufmachte. Wir beide hatten da genug zu erzählen und ich sagte ihr, daß ich nur wegen ihr in das Schweizerland gekommen wäre, und bat sie gar dringlich, daß sie mir ihre Hand gäbe, wenn die Trauerzeit um ihren Vater selig vorüber sei. Das wollte sie lange nit thun, weil sie nun arm war, doch zuletzt willigte sie ein; da war ich der allerglücklichfte Mensch auf der ganzen Erde. Item der Morgen kam, ehe wir daran dachten, da kam auch ihre Muhme herunter, die wunderte sich sehr, daß sie einen fremden Mann so früh bei der Amey fand; da grüßte ich sie auch als meine Muhme und sagte ihr den ganzen Handel. Dessen war sie nit recht zufrieden, denn sie hätte die Amey gerne bei ihr behalten, die ihr diente wie ein armes Mägdlein und alle Tage bis nach Mitternacht spann, mithin ihr großen Nutzen brachte. Da zog ich nach Zurzach, und fand, daß da gute Gelegenheit wäre, die Kleinodien und anderes zu verkaufen, nahm daher von meiner Amey auf eine kurze Zeit Abschied und eilte Greifenstein zu, um zu sehen, was mein Schatz mache. Da fand ich alles unversehrt und die Blümlein blühten gar lustig aus der Erde, mit der ich denselben zugedeckt hatte, das war mir eine gute Vorbedeutung. Da zog ich auf Freiburg zu und wollte mit der Alten abmachen, aber der Meister Rot machte gar ein saures Gesicht, als ich zu ihm trat, ihn grüßte und fragte, was seine Schwester mache? Da zeigte er auf den Trauerflor, den ich am Hut hatte und sprach spitzig, ich wisse es ja schon. Da war ich vor Freude ganz erstaunt und fragte, ob denn seine Schwester gestorben sei? Er bejahte es, wunderte sich aber, daß ich das nicht wisse, denn er hat mein Eheversprechen bei ihr gefunden, und glaubte, ich trage den Flor wegen ihr, und wolle einen Anspruch auf ihr hinterlassenes Gut machen. Da sagte ich ihm, ich trage den Flor wegen einem Vetter im Schweizerlande, der mir großes Gut hinterlassen habe, und mich vor seinem Tode noch zu ihm beschied. Ich habe ihm dies nit entdecken wollen, weil ich besorgte, seine Schwester erführe es und würde mich meinem Versprechens gar nit entledigen wollen, und sagte ihm auch da den Hergang mit der Schrift, worüber er lachte und wieder freundlich mit mir war. Er fragte auch, was ich nun mit meinem Gute anfangen wolle? Da sagte ich ihm, daß ich gedenke, mit Paternoster von Catzedoniensteine, die man zu Freiburg ballire, auch mit anderem Edelstein und Silbergeschirr einen Handel zu treiben und damit auf die Messen zu ziehen, wo ich wußte, daß ich großen Vortheil fände. Das billigte er auch, und gab mir viel guten Rath und Vorschläge, und billigte auch, daß ich die Amey nehme, die er nit genug rühmen könne. Als ich ihm aber sagte, daß ich ihr Haus wieder wollte aufbauen lassen, da meinte er, daß ich damit noch warten sollte, bis ich sehe, wie mir mein Handel glücke. Das war wohl eine gute Meinung, allein es freute mich zu sehr, die Amey wieder in ihr Haus zu führen, daß ich nit warten konnte, zumal da ich wußte, daß mir noch Geld genug zum Handel übrig bliebe. Ich fing in Gottes Namen an und ließ das Haus bauen, viel schöner als es früher war, daß sich jedermann baß verwunderte und nach dem reichen Vetter fragte, der mir so großes Gut hinterlassen habe. Konnte sich aber dessen Niemand entsinnen. Item man bewies mir jetzt gar große Ehre und Freundschaft und wurde auch mein Vater selig gerühmt und gelobt, und am meisten von denen, die ihn im Leben verfolgt hatten. Da ich das Haus gebaut, ging ich oft nach Greifenstein und brachte da mein Gut auf unterschiedlichen Wegen nach Freiburg, fuhr dann wieder ins Schweizerland und holte meine Amey. Die meinte, wir Sollten im Schweizerlande bleiben, aber da sie sah, daß ich das nit wohl thun konnte, bat sie mich, daß ich sie zu Freiburg an einen Ort führe, wo sie ihr abgebranntes Haus nit mehr sehen konnte. Ich versprach ihr‘s und zog mit ihr nach Freiburg, und da wir über den Markt fuhren, war sie ganz traurig. Aber da sie das schöne neue Haus erblickte, erstaunte sie und fragte, wem das sei? Ich sagte: Es gehört dein, liebe Amey! Da weinte sie vor Freude. Da hielten wir gar eine stattliche Hochzeit, Alles war gar lustig und fröhlich, und ich und meine Amey am allerfröhlichsten. Nach der Hochzeit dachte ich, ich wolle ihr jetzt mein Gut zeigen, und hatte die Becher und Schalen schön ausgerüstet und auch das Schmuckkästlein, aber das Geld, das darinnen war, hat durch den Bau und die Hochzeit ein großes Loch bekommen. Da war meine Amey über die Massen verwundert über den großen Reichthum, und erblickte ein kleines Becherlein, das betrachtete sie gar lang und suchte unten ein Wappen, fand aber keines, denn ich hatte alle Wappen, die ich fand, weggethan, damit sie keinen Verdacht erweckten. Sie ward da ganz still, und als sie zu dem Schmuckkästlein kam, da ward sie auf einmal bleich und seufzte. Dessen erschrack ich und fragte, was ihr fehle? Da sagte sie mir, wie sie von ihrer Mutter selig auch so ein Schmuckkästlein und Becherlein gehabt habe, die wären in allen Theilen gewesen, wie diese da, seien aber auch im Brande verdorben. Sie sagte ferner, daß ihr Vater selig allemal bös geworden sei, wenn er dieselben gesehen, und habe ihr erzählt, daß ihr Großvater, der ein Herr von Blumenegg war, seinen beiden Töchtern zwei ganz gleiche Kistlein und Becherlein habe machen lassen, als er von dem Bischof von Straßburg mit einem Schlosse belehnt worden sei. Er habe dann auch im Zorne allemal gesprochen: Deine reiche Muhme hat andere Waare in ihrem Kistlein als du, und andere Becher als den da, aber das schandbare Mensch will all ihr Gut lieber den Pfaffen schenken, als daß sie ihrem armen Schwesterkinde etwas davon gönnt. Nun fragte mich die Amey, ob kein Wappen auf dem Deckel des Kästleins gewesen wäre? Da sagte ich ja, das gleiche Wappen wie auf dem Becherlein und beschrieb es ihr. Das war das Wappen von Blumenegg, und war hiemit am Tage, daß die Frau von Greifenstein meiner Amey Mutter Schwester war. Da sagte ich: Nun sieh, liebe Amen, jetzt ist alles dein, und ich bin so arm als ehemals, willst du mich nun auch behalten? Da fiel sie mir um den Hals und sagte, das Gut wäre mein, ihre Muhme hätte mir‘s ja geschenkt, wenn mir aber ihre Schenkung nicht genüge, solle ich‘s von ihr annehmen, und weinte da vor Freude; denn ich bemerkte schon öfters, daß ihr mein Reichthum nit ganz gefiel, weil sie besorgt war, wir besässen ihn nit ohne Sünde; da war ich dann heimlich auch nit recht fröhlich. Item da dachte ich“ ich müßte der Frau nähere Nachfrage halten, und ritt nach Straßburg zu dem Junker Hans von Andlau, dem dankt ich noch tausendmal, daß er mich vom Tode errettet, und schenkte ihm einen gar schönen Ring, der freute ihn aus der Massen, aber wollte ihn lang nit nehmen. Da sagte ich ihm meine Heirath, und bat ihn, daß er mir beholfen wäre, daß meine Frau den Nachlaß von ihrer Mutter Schwester bekäm. Das versprach er willig und kam eines Tages zu mir nach Freiburg, brachte mir auch einige Gültbrieflein, die die Frau bei einem Bekannten in Straßburg hatte, der ihr die Zinsen besorgte, sagte aber, daß ihr meistes Gut in Silbergeschirr und Kleinodien, auch in baarem Gelde bestanden sei. Dieß alles sei aber mit dem Schlosse Greifenstein, wo ihr der Bischof von Straßburg vergönnt habe, bis an ihr Ende zu wohnen, zu Grunde gegangen, oder es hättens die verfluchten Bauern erwischt. Wäre aber die Frau länger am Leben geblieben, so hätten die Pfaffen Alles erhalten, und wäre meiner Amey nie etwas davon geworden. Da lachte ich und sagte: So wollen wir dem armen Bäuerlein das Gut gönnen, das er erwischt hat, und ihm nit fluchen, und dankte ihm dann. Da fing ich meinen Handel freudig an, und fuhr auf die Messe gegen Frankfurt, Straßburg, Zurzach und ringsumher, und handelte nun mit Paternostern, die ich in Freiburg in großer Menge machen ließ, und die in der ganzen Welt begehrt und theuer bezahlt wurden, und handelte auch mit Edelsteinen und Silbergeschirr, und verkaufte dabei von dem Schatze, was die Amey nit behalten wollte. Item ich vereinigte mich mit dem Meister Rot, daß er zu mir zog, und setzte ihn über mein Gesinde, wenn ich auf die Märkte zog. Das that er gerne und hält mir da gar eine treue und gute Ordnung und verspüre mit jedem Jahre mehr Segen und Gedeihen. Gott sei Lob und Dank dafür! Item wenn ich von den Messen heimkomme, harret die Amey mit ihren vier Kindern meiner und auch des Felleisens, worin ihre Kräm sind. Da bringt mir nun jedes, was es gearbeitet hat; das hat sie die Amey so gelehrt, und zeigt mir dann der Jörgi seine Rechnung, die er gar wohl begreift, oder eine Zeichnung, die er gemacht hat, dann will auch ich ihm eine Freude machen und zeige ihm die Edelsteine, die ich mitbringe, und frage ihn, welche gut und welche falsch sind, denn das weiß er besser, als mancher Juwelier. Das Ameyli bringt mir dann, was es genähet hat, und ich kann mit Wahrheit sagen, das ich nit bald eine Näherin sah, die so schöne Arbeit machte; die darf ich aber nit nach Verdienst rühmen, denn das Walburgli bringt mir auch seine Näherei, die ist aber viel minder; wenn ich sie aber nicht auch rühme und preise, so kränkt sich das Walburgli und geht in einen Winkel und läßt sich gar nit mehr trösten. Aber der Hansli kann noch gar nichts, und vergißt mich auch bald, wenn er das Felleisen sieht. Da muß ich ihm dann ein Bündlein Zuckererbsen oder Fladen hinlegen, wo er‘s erwischen kann, sonst hat er keine Ruh; und wenn er es dann entdeckt, so jauchzt er und meint, er sei der feinste, lauft da in ein Eck und laßt mich in Ruh. Aber wenn ich das Felleisen aufmache, gibts große Augen, was ich jedem bringe, aber meine Amey macht nur kleine Aeuglein, sucht aber doch auch damit ihren Kram; findet ihn aber auch, denn sie hat ihn um ihrer Kinder und mich gar wohl verdient. Gott erhalte sie und uns alle in Gnaden und gebe uns die zeitliche und ewige Seligkeit. Amen. Zwischenakts–Conversation. „Kommen Sie oft ins Theater, Fräul‘n?“ „Oft schon, aber selten.“ Erinnerungen aus den Jahren 1848 und 1849. III. Der Neveu und der Brief. Personen. a) Der Onkel. b) Die Tante. c) Der Neveu. d) Schlieferl, ein Hund. München, den 7. April 1849. „Also behüt dich Gott, lieber Neveu, un‘ merk dirs: laß dich in keine G‘schichten ein; du gehst nach Baden und mit dem Baden is es jetzt eine verfluchte Geschicht‘ — un schreib fein bald.“ Den 21. April. Siehst Du — jetzt ist er doch schon lang drüben — un er schreibt nit.“ Den 1. Mai. „Heute haben wir schon den ersten — also is er volle drei Wochen fort — un er schreibt noch nit.“ Den 4. Mai. „Teufel, Teufel, daß er aber auch gar nit schreibt.“ Den 8. Mai. „Herr Jesses, wenn er doch nur schreibet. Jetz sinds schon vier volle Wochen, daß ich ihm seinen Koffer geschickt hab‘ — wenn er doch um Gotteswillen schreibet.“ „Der Mensch, daß er halt gar nit schreibt.“ (Schluß folgt.) Wann ist man ehrlich? „Jetzt mußt du aber auch beim Theilen recht ehrlich sein, Max.“ „Wann ist man denn ehrlich, Mutter?“ „Wenn man dem andern ein größeres Stück gibt, als man selbst behält.“ „Mutter, dann hab ich lieber, wenn der Hans ehrlich ist!“ Eheliche Fürsorge. „Aber Sacrement, du kannscht‘s noch, Hannes! Du saufscht jo uff eenmal wie ä Loch!!“ „Na, guck, Baschtel, ‘s isch merr grad eing‘falle, was für‘n Mords–Dorscht mei Alte daheem im Aageblick han muß, unn do hab‘ ich denn aus purer Barmherzigkeit aach sogleich an Schluck für sie genumme!“ Kukuksruf. Der Kukuk schreit durch Wald und Feld, Grasmücke, sei auf deiner Huth, Daß er nicht seine wilde Brut Der deinen listig zugesellt. Kukuk! Kukuk! tönts durch die Au, Ein jeder hüte seine Frau. Nicht weit vom Vogel Kukuk steht Im Busch versteckt ein Jägersmann; Der strengt die beiden Augen an, Der Himmel weiß, wonach er spähet. Vielleicht hört er so gern im Hain Den losen Vogel Kukuk schrein. Zieht dort die Mühle in der Au Des Jägers Blick so auf sich hin? Ist‘s etwa gar die Müllerin? O Müller! hüte deine Frau, Man hört im nahen Erlenhain Den Vogel Kukuk lustig schrein. Der Müller geht ins Feld hinaus, Dieweil der Kukuk ruht im Busch; Der Müller geht ins Feld und husch Schleicht Jägersmann zur Frau ins Haus. Es ist doch eine lustge Zeit, Wenn durch den Wald der Kukuk schreit. Die moderne Historienmalerei. Dr. Ladenbrecher. „ Hi! Welch imposantes Bild! Sehn Sie nur, welche Grandiosität der Beleuchtung, welche Energie der Gruppirung!“ Herr Stiefelmann. „Was stellt es denn vor?“ Dr. C. O. P. F. L. O. S. Müller. „Ei, lesen Sie nur, da ist ja die Beschreibung. Sie werden doch nicht ver langen, daß ein historisches Gemälde sich so ganz naturaliter verstehen läßt. Lesen Sie!“ Herr Stiefelmann (liest): „Scene aus der Geschichte der Burg Jammerstein im Lüttzkengau.“ Aha! „Gräfin Beliebika von Schmachtenberg tritt unter die versammelten Ritter und Edlen vom gefeiten Schwertbunde den 3. Sept. 1457, in Begleitung ihres Kastellans EdgarWillibald, Edlen von St. Baldrian und dessen Bruder, nebst ihrer Bruderstochter, der verwittweten Freifrau von Nestheim, welch letztere ihr kleines Söhnchen und ihr Adoptivkind (den später berüchtigten Grafen StolzPludeYfeldKlipp hausingen) an der Hand führt.“ Dr. Ladenbrecher. „Wie interessant! Welch plastisches Motiv.“ Herr Stiefelmann. „Sie spricht zu der Versammlung, welche gemäß des Aufrufs Ihres Oheims, Fürsten Lolch von Grunzburg, eingetroffen ist, folgende denkwürdige Worte: „Ihr habt mich zwingen wollen, traun! aber zwingen laß ich mich nicht. Ich bin eines Grafen Weib und werde nach Gutdünken handeln. Auch sollt Ihr euch um nichts Weniges versehen haben, wenn Ihr glaubt, ich sei gekommen, um euch nachzugeben; nein, gerade im Gegenteil, ich werde thun, was ich will und das kann ich. Nur der Tod wird mich zwingen und dafür bin ich Mannes genug! Ich schwöre es bei diesem Siegelring, der von einem Kaiser stammt — das ist mein letztes Wort“ Dr. C. O. P. F. Müller. „So und nichts Anderes muß sie gesprochen haben. Wirklich, man glaubt diese Heldenworte zu hören.“ Herr Stiefelmann. „Ich hör‘ nichts.“ Dr. C. O. P. F. Müller. „Um Gottes Willen, Sie werden doch aus einem Gemälde nichts mit Ohren hören wollen?! Haben Sie denn keine inneren Ohren?“ Herr Stiefelmann. „Die — Edlen des Schwertbundes sind während dieser energischen Anrede gänzlich verstummt und stützen sich rasch auf ihren Schwertknauf. Nur der Ritter Kuno von Ochsenfels oder der Truchsetz genannt, dreht ihr verächtlich den Rücken. Der Graf Steinbock aber schlägt, erschütert, an den klirrenden Stahlpanzer, wahrend ihm Egon Teufelstisch eine böse Ahnung in‘s Ohr flüstert, nämlich den vermuthlichen Abfall seines abwesenden tollkühnen Neffen vom gefeiten Schwertbund, wenn er die Kunde von den so eben vernommenen Worten erführe: was ja auch in den folgenden Monaten wirklich geschah. Tyrgerstein der Bär wirft sein Barett in die Lüfte, um seine Freude über diesen gewissen Abfall zu bezeugen. Die Gruppe rechts murmelt unverständlich, weil sie schon vor sechs Wochen mit dem Beitritt der mächtigen Gräfin geprahlt hatte und sich jetzt betrogen sieht.“ Dr. Ladenbrecher. „O herrlich! Welche Blamage in diesen Gesichtern!“ Herr Stiefelmann. „Der Zettel nimmt kein End!“ Dr. Müller. „Das ist der Hauptmoment gewesen. Das Uebrige wollen wir Morgen studiren. Historische Bilder wollen mit Muße und Verstand genossen sein.“ Herr Stiefelmann. „Gottlob!“ Dr. Ladenbrecher. „Für wen ist das Bild?“ Herr Stiefelmann. „Dem Kunstvereine angeboten zu 1880 Gulden.“ Die Auswanderer „Ich habbe ‘s jetzt satt — bei Sie geht doch nischt vorwärts un ich habbe doch gemeent, Se thäten sich grad so leicht mit den Bämen wie mit den Färschten.“ „Halte Se ‘s Maul — ich were Se jetzt, wie Se sehe, mit ganz neuen Mitteln anpacke.“ Lietnant Waghorns letzte Ueberlandpost. = = = FB10—0236 Gunst und Gerechtigkeit. Sobald Gerechtigkeit sein wird, Wird Friede sein und Glück.. Seume. Nicht weit vom Hauptthore Bagdads, auf einem von dichten Palmen beschatteten Hügel, lag Hassan in Trübsinn versunken. Die aufgehende Sonne vergoldete mit ihren Strahlen die Spitzen der Thürme und Moscheen in der prachtvollen Stadt; Landleute eilten zum Verkauf mit den Erzeugnissen der Erde: zahlreiche Heerden weideten auf unübersehbaren Wiesen; lange Züge von Kameelen bedeckten die Landstraße. Alles rund umher athmete Leben und Zufriedenheit; aber auf Hassans Blick hatte tiefer Kummer einen schwarzen Schleier geworfen, und sein Herz durch die traurige Erinnerung an seine Unglücksfälle erschüttert. Der Trostlose sah von Allem, was ihn umgab, nur sich selbst, hatte nur ein Ohr für seine Verzweiflung. Das Herzutreten eines Wanderers unterbrach seinen Tiefsinn; Hassan schlug die Augen auf und sah vor sich seinen Landsmann Haleb, der über dieses unerwartete Zusammentreffen eben so erfreut war wie jener. Beide, Söhne reicher Emire zu Bassora, hatten sich einige Jahre vorher in Reichthum und Glück gekannt, und begegneten sich jetzt, mit Lumpen bedeckt, als Bettler vor Bagdads Thoren. Haleb unterbrach zuerst das Schweigen. „Mein Freund,“ sagte er, „ich wundere mich, ich bedaure, — wage aber nicht zu fragen, was Dich in diesen Zustand versetzt hat?“ — „Der Dämon des Neides und der Bosheit,“ erwiderte Hassan. „Der von dem Volke wegen seiner Grausamkeit und seines Wuchers verabscheute Pascha konnte unmöglich meinen Vater gleichgültig betrachten, da dieser für seine Wohlthaten und für seinen Schutz, den er den Schwachen angedeihen ließ, der Segnungen seiner Mitbürger sich erfreute. Verschiedene Umstände benutzend, klagte der Pascha meinen Vater fälschlich der Verbindung mit den empörerischen Omejaden, den Feinden der regierenden Familie der Abassiden, an, stellte falsche Briefe auf, und der Beherrscher der Gläubigen, von der Maske der Wahrheit getäuscht, ließ meinen Vater ins Gefängniß werfen, und gab unser ganzes Vermögen dem verächtlichen Ankläger. Ich tadle den weisen Chalifen Almamun nicht wegen seiner Uebereilung, denn was vermag die Weisheit eines Einzigen gegen die Ränke der Bosheit und des Neides? — Ich murre nicht über ihn, denn ich weiß, wie leicht der Tugendhafte von schlechten Menschen getäuscht werden kann; aber ich gehe, um meinem Gebieter die Wahrheit darzustellen, und dem von Muhamed allen Moslemin erteilten Rechte zufolge — Gerechtigkeit zu fordern.“ „Mein bitteres Schicksal,“ entgegnete Haleb, „ist nicht so sehr des Mitleids werth, denn ich trage selbst die Schuld meines Unglücks. Ruhmbegierde und Hang zum Vergnügen erzeugten in mir ein thörichtes Streben nach Unternehmungen, allein ich besaß weder so viel Geist, um sie zu lenken, noch so viel Festigkeit, um sie glücklich zu beendigen. Ich wollte Dichter, Sieger und Kaufmann sein. Meine Freunde unterstützten mich in ersterem, mein Starrsinn machte mich den Kriegern verhaßt und meine Habsucht zerrüttete mich im Handel. Armuth und Schande haben mich zur Verzweiflung gebracht, ich verließ Weib und Kinder und will nun das letzte Mittel versuchen, denn die Hauptzüge meines Charakters, Selbstsucht, Zügellosigkeit und Verachtung der gesammten Menschheit verbergend — gehe ich nach Bagdad, um Gunst zu suchen. Gegenseitige Offenheit erzeugte bei Beiden eine Art von Vertraulichkeit. Als sie in die Stadt traten, ging jeder zu seinen Bekannten, — um einen Zufluchtsort zu suchen: bei der Trennung drückten sie sich freundschaftlich die Hände, wünschten einander glücklichen Fortgang und gaben sich das Versprechen gegenseitiger Hülfe bei günstiger Gelegenheit. Einige Tage nachher ging Hassan mit einem kurzen Aufsatz über die Geschichte seiner Leiden in den Pallast des Chalifen. Der gute Almamun, welcher sich zu einem Kriege rüstete, übertrug aus Mangel an Zeit seinem Vezier Jussuf das Geschäft, für die Handhabung der Gerechtigkeit im Reiche zu sorgen. Der Vezier war weder böse noch hartherzig, da er aber den größten Theil seiner Zeit Vergnügungen widmete, so bekümmerte er sich wenig um die ihm anvertraute Pflicht. Von Schmeichlern und Müssiggängern umringt, versperrte er, ohne es zu wollen, der Wahrheit den Weg zu seinem Ohre. Er that gern Gutes, suchte aber keine Gelegenheit dazu, und durch den Haufen seiner Freunde, Diener und Sklaven war der Zutritt zu ihm sehr schwierig. Mit Mühe drängte sich Hassan durch die von Kriegern und Thürhütern bewachte Pforte, trat in einen großen von Bäumen beschatteten Hof und mischte sich bescheiden unter die Reihen der Bittenden, welche an der Treppe des Hauses den Vezier erwarteten. Mit Erstaunen sah Hassan seinen früheren Bekannten Haleb, der die unter den Fenstern des Veziers liegenden fetten Hunde liebkosete und streichelte. „Auch Du suchst Gerechtigkeit?“ fragte Hassan. — „Ganz und gar nicht, mich hat Niemand beleidiget,“ — antwortete Haleb, — „ich kam hierher, um mich über die Hunde zu freuen, welche ich leidenschaftlich liebe, und ihren Herrn zu segnen, der sie so gut hält. Wer Thiere ernährt, kann der gleichgültig sein gegen Menschen?“ — „Nicht immer,“ entgegnete Hassan. Aber Haleb wandte das Gesicht von ihm ab, beugte sich nieder zu dem schlafenden Hunde und rief laut aus: „Muhamed, segne den tugendhaften Vezier, der diese treuen Freunde des Menschen ernährt. Ruhm und Heil dem guten und weisen Jussuf!“ — Unterdessen trat aus dem Zimmer ein Diener und verkündete den Bittenden, daß sie nach drei Tagen wiederkommen sollten, weil der Vezier mit anderen Dingen beschäftiget sei. Die Bittenden entfernten sich mit einer Verbeugung. Hassan warf seine Blicke auf die Fenster des Pallastes, und sah den Vezier in freundlicher Unterhaltung mit dem Affen. Ein unwillkürlicher Seufzer drängte sich ans seiner Brust, und traurig kehrte er an seinen Zufluchtsort zurück. Nach drei Tagen erschien Hassan wieder an der Treppe des Veziers. Eine Menge Bittender stand seitwärts, und abermals bemerkte er Haleb, der mit seinem Mantel die unter den Fenstern stehenden Bäume abwischte und mit einem Tuche sorgfältig den Staub von den Blättern wehte. „Was bedeutet das?“ — fragte Hassan — „Ich bin ein leidenschaftlicher Freund von Bäumen aller Art,“ antwortete Haleb, „und pflege diese schönen jungen Cedern, die der tugendhafte Vezier pflanzte, um die Bittenden vor der Sonnenhitze zu schützen. Segen dem weisen Vezier, der auch für das Vergnügen derjenigen sorgt, die um seine Gunst bitten. Ruhm und Heil dem guten und weisen Jussuf!“ Der Vezier hörte Halebs Ausrufungen und ließ ihn zu sich rufen: „was wünschest Du von mir?“ fragte er. — „Nichts!“ erwiderte Haleb, in Unterwürfigkeit die Hände kreuzweis auf die Brust gelegt. — „Deine Tugenden erregen Bewunderung in mir, und ich bitte Dich um die Erlaubniß, durch die Fenster Deines Pallastes täglich einige Stunden Deines Anblicks genießen zu dürfen. Dein unwürdiger Sklave hält dieses für sein höchstes Glück.“ — „Gut,“ — sprach lächelnd der Vezier, — „hindert diesen guten Menschen nicht in seinen unschuldigen Vergnügungen,“ fügte er, zu seinen Sklaven gewandt, hinzu. „Die Gewährung seiner Bitte hängt gänzlich von mir ab und ich will sie ihm nicht verweigern.“ Unterdessen berichtete man dem Vezier, daß Alles zur Falkenjagd bereit sei, und er befahl den Bittenden, nach drei Tagen wieder zu kommen, um ihre Beschwerden vorzutragen. Hassan kam nach drei Tagen wieder zum Vezier. Dießmal erschien dieser, hörte, obgleich ganz zerstreut, die Klagen der Bittenden an, nahm ihre schriftlichen Gesuche und gab sie seinem Sekretär. Als er Haleb gewahr wurde, näherte er sich ihm lächelnd, schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter, und sagte: „was willst denn Du?“ — „Nichts als Deine Gunst und Dein Wohlwollen, das Licht Deiner Augen ist die Freude meines Herzens und Deine Stimme der heilende Balsam für Leidende und für unschuldig Unterdrückte. Der Segen Muhameds sei mit Dir, und verbreite sich über diejenigen, welche Dich umgeben. Ruhm und Heil dem weisen und wohlthätigen Jussuf!“ — Der Vezier kehrte, innig vergnügt über Halebs Worte, in seine inneren Gemächer zurück, und den Bittenden ward befohlen, nach einer Woche wieder zu erscheinen, um ihren Bescheid zu erhalten. Voll Unruhe und Hoffnung erschien Hassan nach Verlauf dieser Zeit im Vorzimmer des Veziers. Haleb war schon dort und unterhielt sich freundschaftlich mit den Sklaven und Dienern desselben. Er bewunderte die Schönheit eines buckeligen Zwerges, Lieblings des Veziers, und versicherte, daß er unter Zwergen eine wahre Vollkommenheit sei; den schwarzen Eunuchen sagte er, daß die Farbe ihrer Haut für die erste in der Natur gehalten werde, weil vor Erschaffung der Sonne alle Dinge, wie zur Nachtzeit, eine schwarze Farbe hatten, und daß die Sonne noch bis jetzt, der Schönheit halber, schwarze Flecken habe. Hassan traute kaum seinen Ohren, und zuckte die Achseln, vor Erstaunen; er wollte Haleb etwas sagen, aber dieser wandte sich von ihm ab und fing an mit dem Hofnarren zu sprechen, über dessen Scharfsinn er ganz entzückt war. Um diese Zeit begann der Secretär die Entscheidungen des Veziers bekannt zu machen, und bald kam auch die Reihe an Hassan. Man sagte ihm: die Verurtheilung seines Vaters sei nach gesetzlicher Form vor sich gegangen, seine Bitte wäre unbegründet, und könne daher nicht erfüllt werden. Hassan erstarrte, — er vermochte nicht in diesem Augenhlick ein Wort hervorzubringen. Thränen standen ihm in den Augen, sein Herz war tief erschüttert und der Athem stockte in der von Schmerz und Kummer gefolterten Brust. Schnell eilte er in seine Wohnung zurück und warf sich auf sein Lager, wo er bald in ein heftiges Fieber verfiel. Durch die Sorgfalt seiner guten Wirthsleute und durch die Hülfe der Mutter Natur wurde Hassan nach einigen Wochen wieder hergestellt. Es war sein erstes Geschäft, dem Vezier eine neue Bittschrift in den stärksten Ausdrücken zu schreiben, in welcher er denselben im Namen Muhameds beschwor, die vorgeblichen Verbrechen seines Vaters untersuchen zu lassen. Bleich und abgezehrt, auf einen Stab gestützt, schwankte Hassan aufs Neue an Jussufs Palast. Der Vezier empfing an diesem Tage die Bittenden, und die Glückwünsche zu einer neuen, vom Chalifen ihm erteilten Gunst. Ein reich gekleideter Sekretär nahm die Bittschriften entgegen und beantwortete die Glückwünsche. Hassan sieht den Sekretär an und traut seinen Augen nicht, es ist Haleb, eben derselbe, den er an den Thoren von Badgad begegnete. Seiner Obliegenheit zufolge näherte er sich Hassan, nahm dessen Bittschrift und wandte sich ab. Hassan, welcher glaubte, daß er ihn nach seiner Krankheit nicht wieder erkenne, nannte ihm seinem Namen und erinnerte ihn an seine frühere Bekanntschaft. „Wenn ich mich aller Bettler erinnern sollte, die mir auf meiner Reise begegneten,“ antwortete Haleb, „so wäre das eben so viel, als mich auch aller Sträucher und Bäume zu erinnern, die ich unterwegs fand. Deinen Namen brauche ich nicht zu wissen, Deine Sache wird die Gerechtigkeit Deiner Forderungen ausweisen. Geh nach Hause; in einigen Tagen sollst Du Deinen Bescheid erhalten.“ Hassan unterdrückte die Stimme der gekränkten Selbstliebe, und entfernte sich schweigend. Er hoffte, daß Haleb, ungeachtet seines Hochmuthes, die Angelegenheit und die Unschuld seines Vaters wohl kennend, dem Vezier die ganze Sache in ihrer wahren Gestalt unterlegen würde. Nach einigen Tagen wurde Hassan vor den Kadi gefordert. Neu erwachte die Hoffnung in seinem bekümmerten Herzen, voll Ungeduld eilte er zu dem Beamten — aber dort sollte er den letzten Tropfen aus der Schale des ihm beschiedenen Kummers trinken. Der Kadi erklärte mit strengen Worten, daß die von Hassan in seiner Bittschrift gebrauchten frechen Ausdrücke den gerechten Zorn des Veziers erregt, der jedoch, aus Mitleiden mit seinem zerrütteten Geiste, ihn von jeder Strafe frei spreche, aber befohlen habe, ihn sogleich aus der Stadt zu entfernen. Man beordete einige Soldaten, und ohne dem Unglücklichen zu erlauben, von seinen wohlthätigen Wirthsleuten Abschied zu nehmen, ward er zur Stadt hinaus gestoßen. Gleich einem, den der Blitz getroffen, stand Hassan eine Zeitlang schweigend auf der Landstraße und blickte auf zu dem lazurnen Himmel, wo ein heftiger Wind schwarze Wolken vor sich her jagte. In der Ferne rollte der Donner und Hassan erwartete mit Ungeduld, daß ein wohlthätiger Blitzstrahl ihn treffen und seinem kummervollen Leben ein Ende machen möge. Um diese Zeit kehrte ein Trupp Reiter von einem Landhause in die Stadt zurück. Hassan sieht Haleb auf einem reich geschirrten Pferde, in glänzender Kleidung, von einem zahlreichen Gefolge umgeben, und bedeckte seine Augen, um das triumphirende Laster nicht zu sehen, aber Haleb näherte sich ihm lächelnd und sagte: „Höre Landsmann, ich bedaure Dich, aber ich will Dir nicht helfen, denn Du hast es mit einem mächtigen Gegner, dem ersten Freunde meines Herrn zu thun: nimm dieses Gold — (er warf ihm einen Beutel zu, den Hassan aber nicht ansah) — möge diese Begebenheit eine Lehre für die Zukunft sein. Du bist unschuldig — ich schuldig; Du bist tugendhaft — ich kann damit nicht prahlen; wir kamen zu gleicher Zeit in die Stadt: ich wurde ein angesehener Mann, — Dich verjagte man mit Verachtung: die Auflösung dieses Räthsels liegt darin, daß ich Gunst suchte, Du aber Gerechtigkeit fordertest.“ Zur Nachahmung. Um ihre Abneigung gegen die Linken an den Tag zu legen, haben mehrere gutgesinnte Beamte beschlossen, sich die linken Taschen zunähen zu lassen und künftighin Alles auf die rechte Seite zu stecken. Ein Bülletin. „Wie‘s ‚gangen hat? Prächti! Der Lump nennt mi‘n Spitzbub‘n hin, ‘n Hallunken her, und i nit faul korgel‘ unter‘n Tisch, a solche Watschen hat er mir ‘geben.“ Erinnerungen aus den Jahren 1848 und 1849. Der Neveu und der Brief. (Schluß.) „Frau, das sag‘ ich Dir, da soll mich gleich der leibhaftige „Gott sei bei uns“ holen, wenn der Mensch nicht ‘nen Heckerhut auf hat un‘ die Büchs am Buckel — sonst thät er ja doch schreiben!“ „Da hab‘n wirs! — Der Großherzog fort — der Struve obendran, un‘ 600,000 Preußen im Land — un‘ er schreibt nit!“ „Jetzt gefallt mir aber die Geschicht bald selber nimmer — erkundigen darf man sich nit — man könnten sonst noch mehr compromittir‘n — daß er aber auch gar nit schreibt.“ „Ein Brief — ein Brief — ein Brief! — endlich hat er geschrieben!!!“ Onkel. „Lies vor Frau!“ Tante. „Werteste Tante!“ Onkel. „So Tante! — nix Onkel? — hm, hm! mir traut er nit, der Republikaner!“ Tante. „In einer sehr wichtigen Angelegenheit muß ich Ihre Güte in Anspruch nehmen Meine Haushälterin vermag nämlich um Alles in der Welt keine bayrische Dampfnudeln zu Stande zu bringen. Da ich nun diese Hudelei nicht mehr länger mit ansehen kann, so bitte ich Sie, die beste mir bekannte DampfnudelFabrikantin im ganzen Bayerlande, höflichst mir das ausführliche Recept hievon gefälligst übersenden zu wollen. Den lieben Onkel, sowie Mucki bitte ich herzlichst von mir grüßen zu wollen und verbleibe Ihr Sie hochverehrender Vetter Aloys. Onkel. „Das müssen wir‘n jetzt gleich schreiben: Lieber Vetter! Man nimmt schönes Waizenmehl in eine tiefe Schüssel, so viel man für zwölf Personen nöthig hat, stellt dieses warm, macht in der Mitte ein Loch und macht mit lauer Milch und etlichen Löffeln Germe ein Dampfel an. Ist das ungefähr eine Stunde an einem lauwarmen Orte gestanden, wird das ganze abermal mit lauwarmer Milch, worin ein halb Vierling Butter zerlassen, einem Ei und ein wenig Salz, einen Brodteig ähnlichen weichen Teig an, schlägt diesen ab, jedoch nicht zu lange. Ist derselbe nun abermal an einem warmen Orte wieder aufgegangen noch einmal so hoch, als die ganze Masse in der Schüssel beträgt wird Mehl auf ein Brett gestreut, und mit einem Löffel die Nudel herausgemacht. Etwas Milch mit einem großen Stück Butter in einem sehr flachen Tiegel lauwarm gemacht, die Nudel hineingelegt, daß die Milch aber nur zur Hälfte über die Nudel geht und nun so sehr gut verschlossen, ein Tuch um den Deckel gelegt, langsam herunter gebraten: ist die Milch eingekocht, rückt man sie zurück und läßt sie langsam auskochen. Der wahre Zecher. Er soll dem Weine jetzt entsagen — Die schlechten Zeiten wollen‘s so, Das Geld ist rar, so hört man klagen, Und kaum des Weines wird man froh. Nur Einen kümmern nicht die Zeiten, Wie‘ sollt ihm gar der Wein entleiden? Dem Weine hab‘ ich zugeschworen, Ich liebe noch, was ich geliebt. Noch, ruft er, bin ich nicht verloren, So lang‘s in Deutschland Kreide giebt! Das sind wohl höhere Gewalten, Die über mich ein Recht behalten. Er soll den Wein sich abgewöhnen. Spricht auch der Arzt und fordert streng; Denn die Natur zu lang verhöhnen, Das, Freundchen, geht nicht in die Läng; Wollt ihr die bessere Zeit erleben, Verfluch‘t den bösen Geist der Reben! Das war ein Wort in Wind gesprochen, Ein wahrer Zecher hört es nicht; Bis beide Augen ihm gebrochen, Erfüllt er seine Liebespflicht. Denn eher als den Geist der Reben Hat er den einen aufgegeben! Das Compliment. „Auf dem Stand ist no wenig g‘schoss‘n worden, da thuts auch a schlechter Schütz. E‘r Gnad‘n Herr Landrichter, möcht‘ns net g‘fälligst steh‘ bleib‘n?!“ Das Lotteriespiel. „No, Bauer, nix gwonna?“ „Jo, get mer weck mit dem Lotto; do haßts nor immer „lod o!“*) aber nie „lod auf!“ *) „lad ab.“ Die Eisenbahn zwischen Bautzen und Görlitz im Winter. = = = FB10—0237 Das gesuchte Abenteuer. Eine Novelle. Könnt Ihr nicht dem Wald mir sagen, wo Frau Aventiure wohnt? Ach vergeblich all‘ mein Fragen. — keine Antwort mich belohnt. Ewig muß umher ich streifen, durch verbrannte Wüstenei‘n Und umsonst nach Zwerg‘ und Fei‘n lass‘ ich meine Blicke schweifen. „Wieder ein Tag verloren und immer noch kein Abenteuer,“ rief ein Reiter, als er mit den letzten Strahlen der sinkenden Sonne das Städtchen Ambach erreichte, welches er zum Nachtquartier erwählt hatte. Und dann declamirte er mit tragischem Pathos die Verse, welche unserer Erzählung als Einleitung dienen, gab dem Fuchs die Sporen und galoppirte dem weithin winkenden Wirthshaus zu. Leo Welly, dies war der Name des Reiters, war ein junger Mann von zwanzig Jahren, welcher keinen größeren Fehler besaß, als ein jährliches Einkommen von mehr als 5000 Thalern zu vollständig freier Verfügung zu haben. Geboren und erzogen in einer großen Stadt Norddeutschlands, war ihm das Glück von frühester Jugend an niemals feindselig gewesen, ein jeder Wunsch war ihm erfüllt worden, fast ehe er ihn noch ausgesprochen. Niemals hatte er sich um irgend etwas Mühe geben dürfen und alle Vergnügungen der großen Welt und ihrer Gesellschaft hatten ihn in ihren Strudel gezogen. Aber er versank darin nicht. Leo war eine jener romantischen Naturen, welche ein innerliches Leben in halbträumerischer Schwärmerei inmitten aller Verirrungen der Außenwelt schützt und aufrecht erhält. Er hatte sehr früh begonnen zu lesen und zwar ohne Auswahl. Daher kam es, daß er sich das Dasein nach Romanen gebildet hatte, und ein Hang zur Romantik sich in ihm entwickelte, welcher in dem Getriebe einer großen Stadt keineswegs die Nahrung fand, die ein zwanzigjähriges Herz gerne gefunden hätte. Du lieber Gott — wie erschien ihm Alles, was er sah und hörte, so schaal und leer, wie vermißte er überall den duftigen Blüthenschmuck des Außerordentlichen und Wunderbaren, womit seine Phantasie sich Welt und Menschen geschäftig anszustatten gewöhnt hatte. Ein unbesiegbarer Drang nach Erlebnissen quälte ihn so lange, bis er endlich beschloß, ihm nachzugeben. Leo beschloß auf Abenteuer auszuziehen. Er ordnete flüchtig seine Geschäfte, für deren Haupttheil ohnedieß ein nachsichtiger Vormund sorgte, zog sein treffliches Reitpferd aus dem Stalle und ritt eines schönen Morgens zum Thore hinaus, um ein Abenteuer aufzusuchen. Leo dünkte sich nicht wenig, als er, ähnlich einem fahrenden Ritter aus Ariosto‘s rasendem Roland, hinein ritt in die sommerfrische Landschaft. Wohin, nach Süden oder Norden? das war ihm einerlei, aber die Laune des Schicksals schlug ihn nach Süden. Er durchritt lange, sandige Haidestrecken, durchkreuzte Berge und Thäler, sah Städte und Dörfer, Felder und Wälder genug, aber ein Abenteuer fand er nicht. Ueberall traf er nur Fuhrleute und Gensdarmen, grobe Thorschreiber und spitzbübische Wirthe, fechtende Handwerksburschen und unsaubere Marktweiber; er erfuhr was Hunger, Durst, schlechter Wein und ein Gasthausbett ist, aber das war auch Alles. Die Abwechselung einer solchen Reise verfehlte jedoch nicht, ihm mannigfaltiges Vergnügen zu gewähren, und wenn er gleich immer noch sehnsüchtig einem kleinen Roman entgegen sah und allabendlich sein Diem perditi seufzte, so war er doch im Ganzen gar nicht unzufrieden, sondern fühlte sich wohler und aufgeweckter, als je vorher. Ambach ist ein Dorf am Abhange eines mitteldeutschen Gebirges in entzückender Umgebung gelegen; es bildet gewissermassen die Pforte aus waldigen Bergschluchten in ein weites sommerliches Blachfeld, durch welches ein breiter Strom majestätisch seine Fluthen dahinrollt. Ambach besitzt Alles, was der Stolz einer civilisirten Nation ist; einen Pfarrer, einen Schulmeister, einen Schulzen, eine Nationalgarde und einen Gasthof, welcher letztere sich übrigens auch mit dem minderanspruchsvollen Titel einer Schenke begnügt. Der Besitzer desselben, ringsum unter dem Namen Gevater Christoph bekannt, war nicht allein Wirth, sondern auch Handelsherr und außerdem überhaupt ein wichtiger Mann in der Gemeinde. Er versorgte seine Mitbürger mit Caffee und Zucker, Eisen und Wagenschmiere, Tabak und Oel, er war Gemeinderath und Trommler bei der Ambacher Bürgergarde, und stand dadurch, daß er die Zeitung las, im höchsten Ansehen, welchem sein respectabler Schmeerbauch ein noch größeres Gewicht verlieh. In dem Augenblick, in welchem Leo in das Dorf einritt, stand Gevatter Christoph unter seiner Hausthüre und betrachtete tiefsinnig das feiste Borstenvieh welches der Hirt seinen gewohnten Ställen zutrieb und das Leo lachend als eine sonderbare Avantgarde ansah. Geschäftig half der Wirth dem Reisenden vom Pferde, führte ihn in sein Zimmer, sonst der Tanzsaal, wo ein ungeheures Himmelbette den Müden zu seligem Versinken einlud, und hatte, noch ehe er ihn verließ, den jungen Mann vollständig über alle persönlichen Verhältnisse auf das Befriedigendste ausgefragt. Leo war in die braungetäfelte Wirthsstube herabgestiegen, hatte andächtig die Bildnisse des bayerischen Hiesels und der heiligen Genovefa betrachtet, und zündete eben seine dritte Cigarre an, als Gevatter Christoph, welcher inzwischen in der Küche herumgewettert hatte, eintrat, um ihm zu verkündigen, daß sogleich das Abendessen erscheinen werde. Schon war der Abend hereingebrochen, und an dem bleichblauen Himmel glänzten die Sterne. Plötzlich wurde der Hufschlag eines Pferdes hörbar, welches gegen das Wirthshaus heransprengte. Gevatter Christoph warf den Kopf in die Höhe. „Gott steh‘ mir bei,“ murmelte er, „da ist schon wieder der Herr Baron.“ Und mit sonderbarem Mißbehagen schob er die Zipfelmütze über die Glatze zurück. Leo wollte gerade fragen, wer dies sei, als der Reiter draußen vor der Thüre anhielt. „Christoph, bist Du zu Hause?“ rief er mit sonorer, rauher Stimme. „Untertänigster Diener, Herr Baron,“ antwortete der Wirth mit tiefem Kratzfuß, indem er unter die Thüre trat. „Hast Du einen Vorrath an Eisenwaaren? Ich brauche starke Schrauben und ein paar eiserne Klammern.“ „Damit kann ich dienen, Herr Baron.“ „Bringe mir die stärksten, welche du hast.“ „Was wollen Sie denn damit machen?“ „Was geht Dich das an? Geh bringe sie, und auch eine neue Kette, oder einige feste Stricke von Hanf — aber zum Teufel, setze Deine ungeschlachten Knochen in Bewegung.“ Gevatter Christoph eilte so schnell als möglich in sein Magazin, während der Reiter draußen ungeduldig, wie sein Pferd zu warten schien. Leo konnte jetzt durch das Fenster den Fremden aufmerksam betrachten. Er war ein Mann von ohngefähr fünfzig Jahren, von untersetzter, kräftiger Gestalt, und trug ein höchst einfaches Jagdkleid. Die Härte und Strenge seiner Gesichtszüge, welche einen eisenfesten, herrischen Charakter zu verrathen schienen, wurde unangenehm gehoben durch einen grauschwarzen, struppigen Bart. Er mußte in außerordentlicher Eile gewesen sein, denn sein Pferd hatte nur eine Trense im Maul, war nicht einmal gesattelt und über und über mit Schweiß bedeckt. Nach einer Minute, die ihm schon allzulang gedauert, rief er mit dröhnender Stimme abermals nach dem Wirth. Dieser erschien eben keuchend auf der Schwelle. Mit raschem Griff riß ihm der Reiter die Ketten, Stricke und Klammern aus der Hand, und sprengte, ohne ein Wort zu sagen, wieder im rasenden Galopp davon. Ganz erstaunt sagte Leo: „Der Herr hat ja die Bezahlung vergessen!“ „Das macht nichts,“ entgegnete der Wirth kopfschüttelnd. „Der Herr Baron von Wallram sind reicher als die ganze Gemeinde zusammen, und noch ein paar andere dazu.“ „Wo wohnt denn dieser Herr Baron?“ „Dreiviertelstunden von hier auf seinem Schlosse Wallramshausen.“ „Nun bei Gott,“ rief Leo lachend und die Asche seiner Cigarre abstreifend, „das ist mir ein seltsamer Schloßherr, der auf einem Pferd ohne Sattel ausreitet, um einen Strick und ein paar alte Nägel zu kaufen. Was will er denn eigentlich damit machen?“ Der Wirth zuckte die Achseln, machte eine geheimnisvolle Miene und erwiderte mit leiser Stimme: „Davon ist es besser nicht zu reden — das Essen ist aufgetragen, wenn es Ihnen gefällig ist.“ Eine unendliche Neugierde hatte sich des jungen Reisenden bemächtigt, welche er um jeden Preis zu befriedigen beschloß. Unter dem Vorwand, daß er nicht gewohnt sei, allein zu speisen, lud er den Gevatter ein, sein Gast zu sein, welche Ehre derselbe nach vielen Einwendungen erst dann annahm, als Leo zwei Flaschen von seinem besten versiegelten Weine bestellte. Der dicke Alte ließ es sich trefflich schmecken: er war geschmeichelt durch die Zuvorkommenheit seines jungen Gasten, wurde bei jedem neuen Glas zutraulicher und offenherziger, und bald hatte ihn Leo da, wo er ihn haben wollte. „Aha, Sie möchten gern wissen, welche Bewandtniß es mit dem Baron hat?“ schmunzelte er. „Je nun, was das Gewöhnliche anbetrifft, so ist der Herr von Wallram ein steinreicher Mann, der sich in seinem Schloß absondert, wie ein Dachs in seinem Baue, und der Jedem eine Ladung Hasenschrot um die Ohren pfeifen läßt, der es wagen wollte, einmal über die hohen Mauern seines Parks zu gucken. Aber mit dem Moralisten, wie man zu sagen pflegt, steht‘s schlimm, und ich könnte Ihnen Geschich ten erzählen, daß Ihnen die Haare zu Berge stünden.“ „Legt los, edle Perle von einem Gastwirth.“ Gevatter Christoph rückte näher an seinen jungen Tischnachbar heran und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: „Es sind jetzt drei Jahre her; es war gerade als das neue Schulhaus eingeweiht wurde, da kamen drei Herren mit Extrapost bei mir an. Ich setze denselben natürlich sogleich meinen besten Wein vor. Der Aelteste darunter frug mich, ob ich den Besitzer von Wallramshausen kenne? „Den Herrn Baron?“ antwortete ich. „Ja, den ehemaligen Major Baron Wallram.“ „I freilich, kenn‘ ich den.“ „Auch seine Frau?“ „Seine Frau?“ „Nun ja, sie ist doch auch in Wallramshausen?“ „Eine Frau im Schloß?“ „Habt Ihr sie denn nie gesehen?“ „Es ist das erstemal, daß ich von ihr reden höre.“ Darauf betrachteten sich die Herren untreinander ganz erstaunt und fragten mich weiter über den Baron aus; ich konnte ihnen nur sagen, daß er nicht verheirathet sei und allein und menschenscheu mit seinem Bedienten in Wallramshausen wohne. Sie flüsterten lange zusammen und ich konnte deutlich die Worte des Einen verstehen: Er hat ihren Tod verheimlicht, um das Vermögen zu unterschlagen. Dann sagten wieder die Andern nach längerem Hin und Herreden: Es ist das einzige Mittel. Sie bezahlten darauf ihren Wein, den sie nicht getrunken hatten, und entfernten sich.“ „Habt Ihr sie nie wieder gesehen?“ fragte Leo auf‘s Höchste gespannt. „Das nicht,“ entgegnen der Wirth, „aber der Landgerichtsdiener hat mir den weitern Verlauf erzählt. Sie fuhren nach dem Landgericht und von da mit dem Richter und Gensdarmen nach Wallramshausen. Der Baron öffnete ihnen das Thor selbst und frug nach ihrem Begehren. Der eine Herr überreichte ihm Papiere und gab sich als einen Advokaten zu erkennen. Der Baron führte Alle in die Zimmer des Schlosses, woselbst sie eine junge Dame fanden, die der Aeltere der Herren sogleich als seine Nichte erkannte.“ „Und man hatte von ihr nie Etwas gehört?“ „ Niemals, denn sie ging nie aus und kein fremder Mensch durfte das Schloß betreten.“ „Und die drei fremden Herren?“ „Reisten denselben Abend wieder ab.“ „Ist denn seit jener Zeit die junge Dame immer unsichtbar geblieben?“ „So unsichtbar, daß nur der Richter und sein Diener sich rühmen können, sie jemals gesehen zu haben.“ „Und was sagte der Letztere von ihr?“ „Daß es das wunderschönste Fräulein sei, welches er in seinem ganzen Leben gesehen habe.“ „Dann,“ rief Leo, und schlug auf den Tisch, daß die Gläser tanzten, „muß ich sie ebenfalls sehen und wenn zehntausend Teufel vor dem Schloße Wache hielten.“ Gevatter Christoph wurde weiß wie Kreide. „Der Himmel behüte Sie vor solchem Wagstück,“ rief er, „wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.“ „Das werde ich morgen sehen. Ich werde nach Wallramshausen gehen, blos um zu erfahren, ob der Gerichtsdiener guten Geschmack hat.“ „Thun Sie das um Gotteswillen nicht, junger Herr; es entsteht ein Unglück daraus, so wahr ich ein Christ bin. Wenn Sie nur wüßten, was man von dem Tod des Herrn von Landstein erzählt.“ „Nun, was erzählt man denn davon?“ „Der Herr von Landstein war ein junger Mann, einziger Sohn sehr reicher Leute aus der Stadt. Er hatte ebenfalls von der Gefangenen von Wallramshausen sprechen gehört, und, da er die Jagd unserer Flur gepachtet hatte, so streifte er tagtäglich in der Nähe des Parks umher, in welchem, wie das Gerücht sagt, die Dame manchmal spazieren gehen soll. Der Herr Baron hatte ihn aber beobachtet, begegnete ihm eines Tages und sagte zu ihm mit einem merkwürdigen Lächeln: „Mein lieber Herr von Landstein, das Jagen in meinem Revier ist mir unangenehm und kann leicht Unheil bringen.“ Der junge Mann achtete jedoch nicht auf diese versteckte Drohung und fuhr fort in seinen Nachforschungen, ja er soll sogar der Gefangenen Briefe geschrieben haben. Eines Tages aber zogen die Fischer einen Leichnam aus dem Strom dort unten und es war der des Herrn von Landstein.“ „Ertrunken?“ rief Leo erschüttert. „Ertrunken, wenn Sie wollen, obgleich er der beste Schwimmer in der ganzen Umgegend war.“ „Aber stellte man denn keine Untersuchungen an? Fiel auf Niemanden ein Argwohn?“ „Nein, die Nacht und das Wasser sind stumm, und man begnügte sich damit, den Verunglückten feierlich zu beerdigen. Seit dieser Zeit weiß man aber, daß die Jagd im Revier des Herrn von Wallram Unheil bringt.“ (Fortsetzung folgt.) Bilder aus dem Leben auf der Straße. Nro. 1 Schusterbubengespräch. „Warum muß denn da so ein Herr Johann hinter drein gehen?“ „Nun — du bist aber dumm — daß man‘s halt nicht für wem andern anschaut!“ Die Küsse. I. Der bange Krampf des Werdens ist gestillt: Ein tiefer Schlaf, dem neue Kraft entquillt, Umfängt mit Segensarmen zart und lind Geheimnisvoll die Mutter und das Kind. Und wie sie aufwacht trifft zum erstenmal In Thränen schimmernd ihres Auges Strahl Das zarte Sein, das fremd und doch bekannt, An ihre Brust der Liebe Zauber bannt. Was sie auch litt: vergessen ist der Schmerz. Sie drückt den Knaben fester an das Herz, Und mit der Liebe brünstigstem Erguß Weiht sie die Lippen mit dem ersten Kuß! II. Schon dämmert der Morgen, schon weicht die Nacht, Schnell die letzte der Flaschen entsiegelt, Daß die trennende Sonne, sobald sie erwacht, In den klingenden Gläsern sich spiegelt! O könnt ich sie halten, die schwindende Nacht Mit ihren geheiligten Stunden, Die dem Herzen so nahe das Herz gebracht Und den Freund mir, den Bruder gefunden! Und er leuchte, der Funke, — von ihr entfacht — Wie im Wein jetzt die Sonne sich spiegelt: Und so werde das Bündniß begeisterter Nacht Mit dem Bruderkusse besiegelt! III. Wenn auch die Lippen schüchtern es verschwiegen, Daß ich dich liebe, hat mein Blick bekannt: O laß mich jetzt zu deinen Füßen liegen Denn Glück und Unglück ruht in deiner Hand Du schweigst? O laß‘ in diesem Aug‘ mich lesen Das du erglühend vor mir niederschlägst: Ich schaue drinn, ob ich zu kühn gewesen, Ob du mein Glück in deinem Herzen trägst. — Sie schweigt: sie hebt das Aug‘ empor mit Bangen, Und der verwandten Seelen stummer Gruß Vermählt, wie sich die Glücklichen umfangen, Die Lippen wortlos mit dem schönsten Kuß. (Schluß folgt.) Laub–Ober. Es gibt ein deutsches Kartenspiel: „Laub–Ober“ genannt. Der geneigte des Spieles unkundige Leser mag sich von einem kundigen Freunde leicht die Finten und Feinheiten desselben erklären lassen. Genug, der Laub– oder Gras–Ober ist darin die höchst unwillkommene Person, welche gern der eine Spieler dem anderen zuzuschieben sucht. Einem muß endlich der Laub–Ober am Ende des Spiels verbleiben und mit ihm verliert er die Parthie. Laub–Ober in München. Auf der Polizei. „Entschuldigen Sie, können Sie mir nicht sagen, wo der Schellen–Ober wohnt? —“ „Ich werde sogleich nachsehen lassen —“ (Lange Pause.) „Entschuldigen Sie, haben Sie den Schellen–Ober noch nicht gefunden?“ — „Nein! ich bedauere — der ist bei uns gar nicht angezeigt, wir kennen nur die Personen, welche vorschriftsmäßig bei uns angemeldet sind.“ „Ah so, da werden Ihnen die Herren Spitzbuben zu großem Danke verpflichtet sein. Wünsch‘ guten Morgen!“ Die Stützen an der bayerischen Kammer. Laub–Ober. „Da könnt einem Mignons Sehnsucht einfallen: „Kennst du das Haus, auf Säulen ruht sein Dach;“ wenn die Dinger da rechts und links nur nicht aussähen, als sollte eine Execution vorgenommen werden.“ Die Gasbereitungs–Anstalt. „Sie streiten sich, meine Herren, über die Lage der Gasfabrik — natürlich Jeder fürchtet den üblen Geruch — der Sache ist ganz einfach abzuhelfen. Man stellt die Stadt auf eine Scheibe, dreht sie herum, so daß die Fabrik auf die Nordostseite zu stehen kommt. Nun denken Sie, ich sei der Südwestwind „Bhf!“ „Bhf!“ und siehe da! dem Uebelstand ist abgeholfen.“ Zweierlei Tonarten. Handwerksbursche. „Gnädigster Herr Wirth, bitte Sie unterthänigst um einen gütigsten Zehrpfennig.“ Wirth. „Du bist einmal ein höflicher Bursche, da hast ‘n Groschen.“ Handwerksbursche. „Heda Kellnerin, wo steckt Sie denn? Kann man da für sein Geld nichts haben? Bring Sie mir auf der Stelle um ‘n Groschen Schnapps!“ Die Marderjagd. „Obacht, Obacht — Herr Lehrer — der Marder kimmt!“ = = = FB10—0238 Das gesuchte Abenteuer. (Fortsetzung.) Die Absichtlichkeit, mit welcher Gevatter Christoph diese Worte gewissermaßen als eine düstere Warnung aussprach, machte auf Leo einen tiefen Eindruck. Wie Blitze schossen die Gedanken in seinem Hirne hin und her; der Schloßherr, den er anfänglich für einen Sonderling gehalten, wuchs in seiner Phantasie zu einem entsetzlichen Verbrecher empor, und indem er dessen Ankunft, Eile und sonderbaren Kauf mit dem Gehörten in Zusammenhang brachte, konnte er sich nicht enthalten, auszurufen: „Was zum Teufel kann er wohl mit den Stricken und dem Eisenwerk gewollt haben?“ Der Gevatter Wirth leerte das letzte Glas, schüttelte feierlichst den Kopf und erwiderte blos: „Je weniger man von solchen Dingen redet, desto besser ist es, und überhaupt geht, was bei dem Baron geschieht, keinen Menschen etwas an. Jetzt will ich aber sehen, ob Ihr Zimmer in Ordnung ist.“ Eine Viertelstunde später lag Leo begraben in seinem ungeheuren Himmelbette; aber der Schlaf floh ihn, und gleich spuckhaften Phantomen tanzten vor seiner Phantasie die sonderbaren Mittheilungen des dicken Wirths. Endlich war ihm doch etwas Außerordentliches aufgestoßen, endlich war er auf der Spur eines großen Abenteuers, wie er es so oft gewünscht. Sein fieberhafter Drang erwachte von Neuem, schon sah er sich als Helden eines Roman‘s, wie er so oft gelesen, in allen möglichen Intriguen verwickelt, sah sich hundertmal verkleidet, überfallen, bekämpft, aber stets als siegreicher Ueberwinder aller Hindernisse, und kam zuletzt triumphirend am Ende seines zwölften Bandes an. Solche wunderbare Träume, welche ihn schon vor dem Schlaf umfangen hatten, verließen ihn auch nicht während desselben, und steigerten seine Phantasterei so sehr, daß er sich mit dem festen Entschluß erhob, das Abenteuer zu bestehen. Als erste Bedingung eines glücklichen Erfolges glaubte er ein tiefes Geheimniß über seine Pläne beobachten zu müssen, und insbesondere den Gevatter Christoph nicht das Mindeste argwöhnen lassen zu dürfen. Er kündigte demselben daher an, daß er einige Tage in Ambach bleiben werde, um die Umgegend zu durchstreifen, und erkundigte sich mit anscheinender Gleichgültigkeit nach dem Wege nach Wallramshausen. Darauf verließ er die Schenke, indem er versprach, Abends wieder zu kommen. Die Sonne war noch nicht lange aufgegangen, ein leiser Morgenwind strich über die Wiesen, daß ihre thaubetropften Gräser und Blumen wogten wie ein Meer, in allen Gebüschen sangen und zwitscherten die Vögel und unserm Helden war es unaussprechlich wohl. Früher nur gewöhnt an den Lärm und die Atmosphäre der Städte, fühlte Leo Welly jetzt, daß ganz neue Empfindungen in dieser schönen, melodischen Einsamkeit in ihm erwachten. Das Blut pulsirte freier in seinen Adern, seine Brust schien sich erweitern zu wollen, und mit gehobenem Muth folgte er dem sandigen Pfad, indem er eine Arie aus den Hugenotten vor sich hin trällerte. Und dabei dachte er immer an die Erzählung des Wirths, und daran, daß im Schloß ein Opfer seufze, welches seinen Befreier erwartete. War er zu diesem berufen? Das dunkle Schicksal des jungen Landstein flößte ihm zwar einige Unruhe ein, allein es konnte ja auch dessen Tod ein Zufall gewesen sein und er stärkte sich in seinem Vorsatz mit dem alten Sprichwort: das Glück ist nur dem Kühnen hold. Bald stand Leo vor den Mauern des Parks von Wallramshausen. Dieselben waren hoch und vortrefflich unterhalten, nirgends eine Bresche und ihr Kamm dicht besteckt mit Glasscherben, um das Erklettern unmöglich zu machen. Diese auf dem Lande ganz ungewöhnliche Vorsicht diente dazu, den Argwohn des jungen Mannes und seine Neugier zu vermehren. Aufmerksam spähend schritt er längst der Mauer hin, bis er die Dächer des Schlosses erblickte. Er fragte sich, ob er weiter gehen solle, als er plötzlich eine kleine eiserne Pforte bemerkte, welche halb offen stand und deren Schlüssel nicht abgezogen war. Ueberrascht blieb er stehen. Es mußte Jemand in der Nähe sein. Er horchte, aber ringsum war tiefe Stille. Ermuthigt trat er näher, warf einen Blick in den Park und stieß dabei leise an die Thüre, welche sich dadurch ganz öffnete, aber Niemanden erblicken ließ. Nur die Spuren eines Pferdehufs waren auf der weichen Erde zu sehen, aber sie mußten vom vorigen Tag herrühren, denn der Thau der Nacht lag auf ihnen. Mit raschem Entschluß trat Leo ein, zog aber weislich, um sich den Rücken frei zu halten, den Schlüssel der Pforte ab, steckte ihn zu sich, und schritt weiter in den Park. Eine dunkle Allee führte ihn bald vor einen anscheinend neuerbauten Pavillon. Durch das Fenster erblickte er ein Piano, zerstreute Bücher und eine angefangene Stickerei. Augenscheinlich kam die Gefangene öfters hierher und hier konnte er sie also wohl am Besten und zuerst erwarten. Er umging den Pavillon, um die Thüre zu suchen, blieb aber pötzlich wie gebannt stehen, denn vor ihm war die Erde zerstampft, die Zweige der Büsche zerrissen, das Gras niedergetreten — ein heftiger Kampf mußte hier stattgefunden haben. Der Platz zeigte den tiefen Eindruck eines männlichen Fußes und den leichteren einer Frau oder eines Kindes. Zugleich fand der junge Mann ein zusammengedrehtes Taschentuch und einen kleinen Frauenhandschuh, dessen zerrissene Finger eine verzweifelte Anstrengung verriethen — beide waren mit Blut befleckt. Eine entsetzliche That mußte sich hier ereignet haben und ohne Zweifel war der Schloßherr gleich nach derselben nach Ambach geritten und hatte die kleine Pforte zu schließen vergessen. Aber was wollte er mit dem Strick und den Klammern? Wo befand sich jetzt die mißhandelte Gefangene? Leo‘s Einbildungskraft erging sich in tausenderlei schrecklichen Vermutungen. Er setzte inzwischen den Weg fort und gelangte bald an ein eisernes Gitter, welches den Park vom Schloß trennte. Letzteres war von alterthümlicher Bauart, aber es schien sehr vernachlässigt zu sein. Leo betrachtete es lange in dunklem Hinbrüten, aber die Furcht, überrascht zu werden, bewog ihn endlich zur Umkehr, und er kam in seine Wohnung zurück, ohne mehr erfahren zu haben. In den beiden darauf folgenden Tagen ging es ihm gerade so, seine Nachforschungen blieben ohne Resultat, aber dieser Nichterfolg steigerte nur seine Leidenschaftlichkeit. Die Nächte brachte er schlaflos damit zu, Pläne zu ersinnen, welche er am Tage als unausführbar wieder verwerfen mußte. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er eine andere Beschäftigung, als die, Nichts zu thun, einen andern Zweck, als den, die Zeit planlos zu tödten. Am dritten Tag war Leo wiederum in den Park eingedrungen und bis an das eiserne Gitter gelangt, als sich plötzlich Stimmen in der Allee, welche zum Pavillon führte, hören ließen. Erschreckt verbarg er sich im Gebüsch und gewahrte mit hochklopfendem Herzen durch das Laubwerk den Baron, welcher eine weißgekleidete Dame führte. Nach der Anmuth ihrer Gestalt und der Elastizität ihres Schrittes zu schließen, mußte die letztere jung sein; ein großer Strohhut beschattete ihr Gesicht. Sie lehnte sich auf den Arm ihres Führers, so daß ihr Kopf beinahe auf dessen Schultern ruhte. Leo verstand nicht ihre Worte, aber ihre Stimme klang so sauft und lieblich, daß selbst die harten, rauhen Züge des Barons dadurch gemildert zu sein schienen. Beide schritten an dem jungen Mann vorüber, anscheinend in zärtlichem Wechselgespräch. Er beugte sich vor, um einige Worte aufzufangen; in demselben Augenblick wandte die Dame das Haupt und er war fast erschrocken über ihre wunderbare Schönheit. Der Baron gewahrte die Bewegung seiner Gefährtin. „Was hast Du, Ottilie?“ frug er sanft. „Nichts,“ erwiderte sie, „ich glaubte Geräusch zu hören.“ Beide setzten ihren Weg weiter fort und verschwanden bald in der Tiefe der Allee. Leo blieb unbeweglich in starrem Erstaunen. Er fragte sich, ob er nicht der Spielball einer Illusion gewesen sei und ob ihn nicht ein Trugbild getäuscht habe in so bewundernswerter Schönheit. Jedenfalls wollte er darüber Aufschluß haben und das Abenteuer bis zum Ende verfolgen. Mit der Vorsicht eines Indianer glitt er durch das Dickicht bis in die Nähe des Pavillons, aus welchem er die Stimmen Ottiliens und ihres Kerkermeister vernahm. Er kroch bis zum Fenster, dessen doppeltes Eisengitter ihm jedoch nur unvollkommene Einsicht erlaubte. Er sah die junge Dame am Piano, dessen Tasten sie mit geübter Hand durchlief. Der erste Eindruck, welchen sie auf ihn gemacht, wurde jetzt bei näherer Betrachtung noch erhöht. Ottiliens Gesicht bildete ein vollkommenes Oval von langen blonden Locken umschattet. Große blaue Augen, eine gerade griechische Nase und ein fein geschnittener Mund, zeigten das vollendetste Ebenmaß; ihre Gesichtsfarbe war bleich und weiß wie carrarischer Marmor. In ihren Zügen lag etwas Seltsames, launenhaftes und Bewegliches, welches den Reizen dieser tadellosen Schönheit eine hohe Eigenthümlichkeit und besonderes Interesse verlieh. Leo war in ihr Anschauen vertieft und starrte mit vorgestrecktem Kopf nach der jungen Frau, ohne einen andern Gedanken fassen zu können; ein Geräusch schreckte ihn plötzlich aus seiner Extase, der Baron öffnete die Thüre des Pavillons und fragte sie: ob sie ihre Promenade mit ihm fortsetzen wolle? Sie erwiderte: „Nein.“ „Dann werde ich Dich hier wieder abholen,“ sagte er. „Wie, Du willst mich verlassen?“ rief Ottilie, indem sie auf Herrn von Wallram zulief. „Nur auf einige Augenblicke, ich muß Petern einige Befehle ertheilen.“ „Aber komme ja recht bald wieder, denn Du weißt es, daß ich nur glücklich und ruhig bin, so lange Du da bist.“ Eine Wolke zog über die Stirne des Schloßherrn, aber er entgegnete sanft: „Ich werde sogleich wieder zurück sein.“ Die junge Frau bot ihm ihre Wange dar, auf die er seine Lippen drückte und dann hastig den Pavillon verließ, dessen Thüre er verschloß. Ottilie blieb allein zurück und lauschte auf das Geräusch seiner fern verhallenden Schritte. Plötzlich schien eine seltsame und gewaltige Veränderung in ihr vor sich zu gehen: ihre sanften Augen begannen in unheimlichem Glanze zu sprühen, ihre vordem lächelnden Lippen preßten sich drohend zusammen, ihre Gestalt streckte sich und ihr ganzes Wesen nahm einen unverkennbaren Ausdruck von Entschlossenheit und Energie an. Sie lief zuerst nach der Thüre und rüttelte daran, dann zum Fenster, aber als sie sich vergebens nach einem Ausgang umgeschaut, bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen, und brach in bittere, verzweiflungsvolle Thränen aus. Leo fühlte, das der so lang ersehnte Augenblick gekommen sei und klopfte leise an das Gitter. Ottilie fuhr empor, erblickte ihn, und stieß einen gellenden Schrei aus. Der junge Mann winkte ihr, stille zu sein. Zuerst schien sie zu zögern, nach und nach jedoch näherte sie sich mit wiedergewonnener Fassung dem Fenster. „Wer sind Sie und was wollen Sie hier?“ fragte sie, indem sie den Kopf an das Gitter lehnte. „Ich bin ein Freund und zu Ihren Diensten hier,“ erwiderte Leo mit Lebhaftigkeit. „Und mit was wollen Sie mir dienen?“ „Werden Sie hier nicht mit Gewalt zurückgehalten?“ „Ja, ach ja, ich bin Gefangene.“ „Und Sie sehnen sich darnach, frei zu sein?“ „Frei zu sein?“ wiederholte Ottilie und ihre Züge klärten sich auf; „doch wer kann mich frei machen?“ „Ich!“ antwortete Leo mit Selbstgefühl. Sie betrachtete ihn mit glänzenden Augen und gefalteten Händen. „Wäre es möglich,“ rief sie, „ich sollte wiederum allein und ungehindert überall hingehen können, man würde mir nicht mehr so hart drohen, mich nicht mehr einsperren? O, mein Herr, wer Sie auch sein mögen, retten Sie mich, retten Sie mich!“ Sie sagte das mit einem Tone, dessen zitternde, in Schmerz, Hoffnung und Flehen sich versenkende Wehmuth dem jungen Mann mit unwiderstehlicher Macht ins Innerste der Seele schnitt. Er wiederholte ihr feurig, daß er fest entschlossen sei, sie mit Gefahr seines Lebens zu befreien, wenn sie ihm nur dabei so viel als möglich behülflich sein wolle. Die Antwort der schönen Frau ward durch die eben hörbare Wiederkunft ihres Peinigers abgeschnitten. Sie hatte nur noch Zeit zu sagen: „heute Abend sollen Sie an der Bank in der großen Allee einen Brief finden.“ Ein Schlüssel drehte sich in der Thüre und Leo warf sich in das Gebüsch zurück. Im nächsten Augenblick sah er den Baron mit Ottilien wiederum den Weg nach dem Schlosse zu einschlagen. Am Abend fand sich der junge Abenteurer pünktlich an dem bezeichneten Ort ein, und entdeckte bald den Brief. Sie mußte denselben in großer Eile geschrieben haben, denn seine Sätze waren verwirrt und oft unverständlich, die arme Frau sprach von einer Verschwörung, deren Opfer sie geworden sei, von grausamen Qualen, welche sie erdulden müsse, von schrecklichen Drohungen, welche tagtäglich gegen sie ausgestoßen würden. Flehend rief sie den Schutz ihres Retters an, und bat ihn, seine Antwort an demselben Orte niederzulegen. Wie leicht zu denken, ließ diese nicht auf sich warten. Leo hatte seine ganze natürliche Beredsamkeit zusammen genommen und durch eingestreute Blumen aller Art einen Brief zusammen gebracht, dessen sich kein Roman zu schämen gehabt haben dürfte. Ottilie antwortete darauf ausführlich, setzte ihm ihr Unglück, ihre Gefühle auseinander, und es entspann sich von da an ein regelmäßiger Briefwechsel zwischen dem geheimnisvollen Opfer einer Kabale und dessen zukünftigen Befreier. Ihre Briefe wurden immer vertrauter, glühender. Leo sprach von ihrer wunderbaren Schönheit, die ihn gefesselt, Ottilie ihm von seiner Großmuth und Aufopferung, welche sie tief gerührt zu haben schien. (Schluß folgt). Die Küsse. (Schluß.) IV. Nun ist er wirklich da der Tag, Wo ich von Hause scheide, Den Stecken schnitt ich mir vom Hag — — — So herzlich, als man‘s sagen mag: „Lebt wohl, ihr Eltern beide!“ Leb wohl, mein Sohn — geh denn von mir Und deinem Glück entgegen: Vom Vaterhause geht mit dir Der Mutter Beten für und für Und deines Vaters Segen. Vielleicht, daß, eh du wiederkehrst Sie uns ins Grab schon senken — Drum nimm den Kuß noch hin vorerst: Und wenn du deine Eltern ehrst Wirst du an ihn gedenken! V. Bist du‘s, die mir im Arme ruht Denn wirklich, süßes Lieb? Von allen, die mir werth und gut, Die Eine, die mir blieb! Das traute Vaterhaus ist leer, Weil lang die Welt mich hielt: Kaum kennen die den Fremdling mehr, Die einst mit mir gespielt; Nur du allein in treuem Sinn, Hast stille mich bewahrt — Drum heißt es — Welt, nun fahre hin, Fahr‘ hin du Wanderfahrt! Beglückt, wer, nicht allein zu stehn, Den eignen Herd sich baut: Ich küsse dich zum Wiedersehn Im Myrthenkranz als Braut. VI. Ihr Kinder, stellt Euch um mich her Und hört, bevor ich sterbe, Des Vaters Wort und letzte Lehr‘ — ‘s ist euer ganzes Erbe. Weint nicht! — Seht mir ins Angesicht — Seht Ihr mich etwa beben? Das merkt Euch und erschwert Euch nicht Den Abschied einst vom Leben. — Er sinkt — und wie sein Beten steigt „Herr, Dir ich sie empfehle.“ Sich über ihn ein Engel neigt Und küßt hinweg die Seele! Die Vertheidigung. Hauptmann. „Warum waren Sie gestern wieder betrunken. Sie lüderlicher Mensch Sie! Entschuldigen Sie sich einmal!“ Korporal. „Ja, Herr Hauptmann — “ Hauptmann. „Sind Sie mir ruhig, mit Ihrem Herrn Hauptmann, wo waren Sie, jetzt sagen Sie‘s!“ Korporal. „Herr Hauptmann, ich war — Hauptmann. „Schweigen Sie still!“ — Korporal. „Ja, aber Herr Haupt — Hauptmann. Zum Donnerwetter, ruhig sollen Sie sein!“ Korporal (verstummt). Hauptmann. „Nun sehen Sie, Sie können sich nicht vertheidigen, ich wust‘s im Voraus! Feldwebel! führen Sie mir‘n in Arrest!“ Ediktalladung. Der Schreinergeselle Kaspar Haumann von Eckartshausen, k. b. Landgerichts Harheim, befindet sich dahier wegen des Verbrechens des Mordes in Untersuchung. Da bisher dessen Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte, so wird derselbe hiemit öffentlich vorgeladen, binnen drei Monaten bei unterfertigtem Geriche zu erscheinen und sich wegen der wider ihn vorhandenen Anschuldigung des Mordes zu verantworten. Leuchtenfeld, den 4. November 1848 Königliches Landgericht. Heuschreck Herablassung. „Allzuviel Ehre, gnädigster Herr, allzuviel Ehre; gleich werde ich‘s Geld bringen. Weib, unterhalte einstweilen Seine Durchlaucht.“ „Bleib Hans; ich will nichts als mit Dir ein Stündchen verplaudern. Aber sag‘ mal, wie kömmst Du darauf, daß ich was von Dir verlangte?“ „Ja schauens, gewöhnlich suchen uns die vornehmen Herrn nur heim, wenn sie Geld brauchen.“ Der Bischof. „Haben Sie keinen Bischof?“ — „Bedauere sehr.“ — „Wissen Sie auch nicht, wie er gemacht wird?“ — „Nein.“ „Dann muß ich die Frau Conditorin fragen, wie der Bischof gemacht wird!“ — „Die Frau wirds Ihnen auch nicht sagen können, denn die ist protestantisch.“ Die Unterschrift. Erzählt von Einem, dem‘s passirt ist. Das muß ich dir sagen, Gevatter, heut bin ich so schnell! abgefertigt worden, daß es eine Freud‘ ist! — Ich hatte ein Lebenszeugniß, das Aktuarius Brummer im Landgericht unterschreiben mußte, und ging also hin — da hat er mich a Weilchen über seine Augengläser angeschaut; hat dann seine Dose rausgenommen, —und a schöne Dose ists gewesen, denn ich habe sie recht betrachten können, weil er sie so ein dreißig bis vierzigmal in der Hand rumgedreht hat. — Wie er nu ‘s rechte End gefunden hat, nahm er zwei bis drei Priesen und hat mich dabei wieder über die Augengläser angeschaut, das mir ordentlich Angst worden ist, dann hat er seine Dose hingestellt und das Sacktüchel heraus zogen, hat mich aber immer dabei angeschaut; so! daß ich schon dachte, das geht schief. Das Sacktüchel hat er lange umgewandt, bis er den rechten Fleck gefunden hat, dann hat er aber a fünf bis sechs Schnaufer gethan, das man gemeint hat ‘s is Feuerlärm. Dann hat er sein Sacktüchel wieder zusammen gedreht, daß es nicht größer als a welsche Nuß geworden is, und hat es erst in den rechten und dann in den linken Sack gesteckt, dann hat er mich aber scharf angeschaut un hats schnell wieder rauszogen un in seinen Kasten gesteckt, ich weiß nicht, ob er vielleicht gemeint hat, ich wills ihm ausführen. Er hats aber kurz draus wieder vorgezogen; hat die Augengläser heruntergenommen und sie aufs eifrigste geputzt. Dann hat er a Feder hergenommen und hat se geschnitten un wie er se probirte, hat se ihm nicht taugt; da hat er a andere hergenommen und hat se gar fein geschnitten un gegen ‘s Fenster gehalten. Uf emal muß er aber draußen uf irgend enen Dach was entdeckt haben, was für den Staat von schlimme Folgen hätte sein können, denn er hat gewiss a halbe Stunde steif hingeschaut. Dann hat er sich langsam umgedreht un hat mir a Blick zugeworfen, als ob ich ihm die Geschichte erklären sollte und hat gesagt „was wollt ihr denn egentlich?“ nu habe ich ihm mein Anliegen von wegen seiner gütigen Unterschrift vorgebracht un habe ihm das Lebenszeugniß gegeben, und wie er jeden Buchstaben drin recht geprüft hat, hat er gesagt „so! morgen könnt er se abholen.“ — Un da habe ich es och richtig gekricht! —— Laub–Ober. Laub–Ober in München. „Sie wollen wissen, werther Freund, was ich und die Parthei, welcher ich anzugehören die Ehre habe, über die deutsche Frage denke? — Meine Antwort liegt sehr nah — ich bin für das Vierkönigsbündniß — Herz, Schellen, Laub und Eichelkönig regieren seit Jahrhunderten und werden noch Jahrhunderte regieren. Ich selbst bin schon oft von den Königen gestochen worden, allein ich habe es immer lieber gelitten als das Stechen von dem Aß, von jenem Aß, von dem man eigentlich noch gar nicht weiß, wer und was es ist. — Blicken Sie auf unsre Nachbarn jenseits des Rheins — dort zählen im PiquetSpiel drei Könige nur drei, vier aber vierzehn. Was können Sie gegen solche Argumente einwenden? — oder wollen Sie mir glauben machen, unser jetziges politisches Treiben sei etwas Anderes als ein Spiel?“ — = = = FB10—0239 Das gesuchte Abenteuer. (Schluß). Die Neuheit des Abenteuers und die sonderbare, fast berauschende Correspondenz schlangen die Zauberbande noch fester, in welche die Reize der Schloßdame den jungen Mann bei ihrem ersten Erblicken schon verstrickt hatten. Er fühlte sich von einer Leidenschaft entflammt, welche durch die entgegenstehenden Hindernisse nur noch gesteigert wurde und der das romantische Geheimnis einen ganz besonderen Reiz verlieh. Seinen Verstand zu Rathe zu ziehen, fiel ihm nicht mehr ein und er entwarf die überspanntesten Pläne für eine lachende Zukunft. Er hatte in einem seiner Briefe Ottilien vorgeschlagen, er wolle sie ihrem feigen Quäler entführen und sie auf seinen Armen nach einer entlegenen Gegend tragen, wo seine Liebe ihr ein Paradies bereiten werde. Diese oft gebrauchte Floskel gefiel ihm so gut, daß er nicht müde wurde, sie zu wiederholen; er war vielleicht uberzeugt, daß das Schöne, wie die Sonne, immer dasselbe und ewig neu bleibt. Ottilie theilte augenscheinlich diese Meinung, denn sie erklärte ihm in jedem ihrer Briefe, das sie bereit sei, ihm bis ans Ende der Welt zu folgen. Dem jungen Abenteurer blieb daher nur übrig, sich die Mittel zur Flucht zu verschaffen. Die Lage von Wallramshausen gestattete eine Straße zu Land oder zu Wasser zu wählen. Er entschied sich für Letztere, welche ihm schnellere Entfernung und größere Sicherheit versprach. Ein Kahn, welchen er gemiethet, wurde daher geheimnisvoll in der Nacht nahe an die Pforte des Parks geführt und int dichtesten Gebüsch wohlverborgen festgelegt. Tag und Stunde der Entweichung sollten noch bestimmt werden, als er plötzlich ein Billet empfing, welches nur die Worte enthielt: „Heute Abend im Pavillon.“ Es war mit Bleistift und so eilig geschrieben. daß Leo es kaum zu entziffern vermochte. Er begriff, das ein unvorhergesehener günstiger Umstand sich ihr dargeboten haben müsse, welcher Ottilie nur kaum so viel Zeit gelassen, ihn davon zu benachrichtigen. Rasch traf er demzufolge alle Vorbereitungen und fand sich am Abende an dem bestimmten Ort ein. Die Thür des Pavillons stand offen. Er schlich vorsichtig näher und erblickte Ottilien, welche auf dem Sopha der Thür gegenüber saß Bei dem Geräusch seiner Schritte erhob sie das Haupt, ihr Auge glühte, ihre Züge waren verstört. Mit starrem Blick sah sie den jungen Mann vom Kopf bis zu den Füßen an und fragte ihn dann mit kurzem Tone: „Was wollen Sie hier?“ Haben Sie mich denn nicht erwartet?“ entgegnete er, etwas erstaunt über diesen Empfang. „Wer sind Sie?“ frug Ottilie. „Ihr Freund,“ erwiderte der junge Mann, indem er ihre Hand ergriff und an die Lippen drückte, „Ihr Freund, welcher Sie retten will, Leo Welly.“ Ein plötzlicher Strahl des Erkenntnisses erheiterte die Züge Ottiliens. „Leo,“ wiederholte sie, „ja — ganz recht — ich erinnere mich, er hatte mir versprochen, mich zu befreien.“ „Und er ist da, sein Versprechen zu halten.“ „Er? Ist es wahr? dann fort von hier! fort!“ Sie erhob sich, warf die Mantille um und band ihren Hut fest. „Verzeihen Sie,“ unterbrach sie Leo, dessen Erstaunen wuchs, „aber Ihr Brief sagte mir nicht — ist Herr von Wallram abwesend?“ Ottilie schrack heftig Zusammen und ergriff Leo‘s Arm. „Schweigen Sie,“ murmelte sie, nach der Thüre blickend, „er könnte uns hören — er kommt —!“ Fürchten Sie nichts in meiner Gegenwarte erwiderte Leo und gab sich Mühe, sie zu beruhigen, obgleich er selbst unruhig und ihm ganz unheimlich zu Muthe war. „O Sie kennen ihn noch nicht!“ fuhr die junge Frau fort und ward immer aufgeregter. „Er ist im Stande, Sie zu ermorden, wie er den Andern gemordet hat.“ „Den Herrn von Landstein? Entsetzlich!“ rief er. „Ihn — meine Eltern — meine Freunde — Alle —!“ „Kann es möglich sein? Allmächtiger Gott!“ „Er würde mich in meinen Kerker zurückbringen und mich da sterben lassen — sterben, allein, im Dunkeln, an die Mauer geschmiedet. „Ah, jetzt wird mir Manches begreiflich,“ rief Leo entsetzt, denn er erinnerte sich der bei dem Wirth erkauften Stricke und Klammern: „das Scheusal ließ sich nickt durch so viel Schönheit und Anmuth rühren!“ „Er kommt, er kommt!“ schrie Ottilie und ihr Blick rollte fieberhaft nach allen Seiten hin. „Dann fort von hier,“ rief Leo und umschlang sie mit den Armen. In demselben Angenblick vernahmen beide den Klang eines die Thüre verschließenden Schlüssels. In namenlosem Schrecken sprang Leo dagegen und versuchte sie wieder zu öffnen, aber sie spottete aller seiner Anstrengungen. Sie waren gefangen. Die tiefste Bestürzung überkam sie. „Er war es,“ stammelte Ottilie. „Haben Sie ihn gesehene?“ frug Leo hastig. „Nein, aber wie kann die Thüre —?“ „Vielleicht hat sie nur der Wind zugeworfen.“ „Was aber bleibt uns zu thun übrig?“ „Die Fenster!“ „Geschwind!“ Allein die starken Eisengitter leisteten einen unbesiegbaren Widerstand. Dreimal versuchte Leo sie aus ihren Fugen zu heben, umsonst! Der Schweiß rieselte von seiner Stirne, wüthend rüttelte er an den Eisenstäben, aber sie blieben fest und wankten nicht. Die Nacht war indessen herabgesunken, jede Minute des Verzugs vermehrte die Gefahr. Leo wandte sich daher zu Ottilien, um sie um Rath zu fragen. Die Dunkelheit hatte auch die Unruhe der jungen Frau gesteigert. Schweigsam und düster kauerte sie in dem finstersten Winkel des Pavillons, zerpflückte mit fiebernder Hast ihre seidene Schärpe und murmelte nur von Zeit zu Zeit unverständliche Worte. Als Leo sie anredete, sprang sie jäh mit einem so entsetzlichen Schrei empor, daß der junge Mann unwillkührlich zurückbebte. Eine fürchterliche Veränderung war in dem schönen sanften Antlitz vorgegangen. Auf Stirne und Wangen glühten große rothe Flecken und ihre starren Augen brannten in unsagbar wildem Ausdruck. Mit Staunen und Schrecken betrachtete Leo sie einen Angenblick, dann rief er verstört: „Mein Gott, was fehlt Ihnen, was ist Ihnen, Ottilie?“ „O ich kenne Dich jetzzt,“ murmelte das junge Weib in abgebrochenen Lauten; „Du bist ein Verräther — Du willst mich ausliefern — hinweg!“ „Welche Verwirrung überfällt Sie? Sammeln Sie sich doch, Fassung, Fassung!“ „Komme mir nicht zu nahe!“ schrie sie mit flammenden Blicken; „fort oder ich räche mich für Alles, was Du mir zu Leid gethan hast!“ „Ottilie!“ rief der junge Mann entsetzt Aber in diesem Augenblick ging ihm ein schreckliches Licht auf und in fürchterlicher Anfregung fügte er hinzu: „Gerechter Gott, die Unglückliche ist wahnsinnig!“ Sie antwortete durch einen unverständlichen Ausruf, fuhr mit der Hand in ihre Locken, eine goldene Nadel glänzte in derselben und fast im gleichen Momente fühlte sich der junge Mann an der Hand, am Hals und im Gesicht empfindlich verwundet. Er wollte ihren Arm fassen, aber die Wahnsinnige entschlüpfte ihm und die Nadel traf ihn von Neuem. Wüthend vor Scham und Schmerz wollte er sich Ottiliens um jeden Preis versichern, aber sie entfaltete eine Kraft und Behendigkeit, welche ihm dies sehr erschwerten. Die Dunkelheit benutzend, entzog sie sich allen seinen Anstrengungen, zerfleischte ihn mit ihren Nägeln und stach ihn mit der goldenen Nadel. Keuchend und mit Blut bedeckt, setzte er mit verdoppelter Wuth das Ringen fort. Endlich gelang es ihm, die Hände Ottiliens zu packen, mit ihrer Schärpe zu binden und sie damit an das Sopha zu befestigen. Kaum war ihm dies gelungen, so öffnete sich die Thüre und Herr von Wallram erschien auf der Schwelle, eine Laterne in der Hand. Leo, noch ganz erschöpft und halb bewußtlos von dem Kampfe, glaubte, seine letzte Stunde sei gekommen. Er flüchtete in eine Ecke des Pavillons und setzte sich in Bereitschaft, sein Leben so theuer wie möglich zu verkaufen. Der Baron ließ das Licht seiner Laterne zuerst auf den jungen Mann, dann auf die gefesselte, müde hingesunkene Frau fallen. „Und das Scheusal ließ sich nicht durch so viel Schönheit und Anmuth rühren!“ rief er mit bitterer Ironie. Leo erkannte seine vorher gefprochenen Worte und schlug tief beschämt die Augen nieder. „Und ist dieses das Paradies,“ fuhr Herr von Wallram fort, „welches seine Liebe ihr bereiten wollte?“ „Weh mir, meine Briefe sind in die unrechten Hände geratene!“ sagte Leo laut genug, um gehört zu werden. „Glücklicher Weise,“ erwiderte der Baron; „und ich habe meine Maßregeln darnach ergriffen.“ „Um mich in die Falle zu locken!“ rief der Beschämte mit verhaltenem Grimm. „Um Ihnen eine Lehre zu geben, junger Mann,“ sagte der Schloßherr ernst und streng. „Ich hätte das Recht gehabt, grausamer gegen Sie zu verfahren, denn Sie haben sich bei mir eingeschlichen, wie ein Bandit, ja Ihr Leben war mir verfallen, aber ich dachte, daß für das Erstenmal eine Warnung genügen würde. Jetzt wissen Sie, warum meine Frau, deren Wahnsinn jeden Abend in einen Wuthanfall übergeht, als Gefangene auf dem Schloß gehalten wird. Die Rolle, welche Sie bei diesem Abenteuer gespielt haben, bürgt mir für Ihre Verschwiegenheit. Und nunmehr, mein Herr, ist Ihre Gegenwart hier überflüssig.“ Mit diesen Worten öffnete der Baron die Thüre. Leo ließ sich diese Aufforderung nicht wiederholen. Mit einem Sprunge war er draußen, in wenigen Secunden hatte er den Park hinter sich und ungeachtet der Zerkratzungen und Wunden auf Händen und Gesicht, trabte er noch in derselben Nacht auf der nächsten Straße dahin, welche nach seiner Vaterstadt führte. Das Abeuteuer zu Wallramshausen hatte seinen Hang zum Romanhaften völlig geheilt und ein paar Monate später war er schon der Gatte einer jungen Wittwe, welche ihm noch schöner dünkte, als die geheimnißvolle Schloßfrau. H. Die Verbesserung. Minister „Was wünschen Sie?“ — Aktuar. „Excellenz, ich wollte die untertänigste Bitte stellen, mir die erledigte Stelle eines Amtsdieners gnädigst übertragen zu wollen.“ Minister. „Wie! Sie tragen ja schon AktuarsUniform, wie kommen Sie dazu, um diese Stelle nachzusuchen?“ Aktuar. „Allerdings bin ich in diesem Amte, wo eben jetzt die Amtsdienerstelle erledigt ist, bereits seit dreißig Jahren als Aktuar activ: allein Excellenz, der Himmel hat mich mit einer zahlreichen Familie gesegnet, so, daß es mir bei den jetzigen ZeitVerhältnissen nicht wehr möglich ist. meine Angehörigen anständig zu ernähren. Ich beziehe eine Besoldung von 450 fl., während die eines Amtsdieners sich, gering gerechnet, auf 800 fl. beläuft, ich wäre dann doch in den Stand gesetzt. meinen Kindern eine genügende Erziehung zu geben. Auf diese Gründe hin, wage ich es noch einmal, die Erfüllung dieser meiner ergebensten Bitte, Ew. Excellenz an das Herz zu legen.“ Minister. „Ich glaube nicht, daß Seine Hoheit gestatten werde, daß ein so verdienstvoller Mann seine Kräfte dem Staate entziehe: ich werde jedoch zu beantragen suchen, daß Sie, in Anerkennung und Berücksichtigung Ihrer vieljährigen treuen Dienste, und zur Erleichterung Ihrer Familiensorgen von Sr. Hoheit mit einer allergnädigsten Gratification von 25 fl. allerhuldreichst bedacht werden möchten.“ Examen aus der physikalischen Geographie. Professor. „Woher kommt denn der Steinregen, Herr Candidat?“ Student. „Von dem Einfallen der Luftschlösser.“ Neuer Erwerb. Schmalhofer. „Was hast denn du da für ein Hündchen; hast dus gekauft?" Pickle. „Bei Leibe nicht! das Hündchen gehört der großen Hundeliebhaberin, Baronin Edeltrude, und ist mir zugelaufen. Jetzt lasse ich es ins Tagblatt setzen, und da krieg ich Futtergeld und ein gutes Douceur obendrein für meine Mühe, der Mensch muß doch leben!“ Ein deutscher Jüngling. Wie in Allem, so auch in der Lieb‘, Mit Leib und Seele ein Deutscher ich blieb — Will deutsche gründliche Liebe Dir weihn Bescheiden, sittig, züchtig und rein. Ich träume, schwärme, schmachte und dicht‘, Des Ziels des Praktischen achte ich nicht; Ein schön Bewußtsein dem Deutschen genügt, Wo andere Menschen die Fruckt nur vergnügt. Und kömmt auch, während ich sitz‘ und schmacht‘, Von unten, sitzend, den Mondstein betracht‘, Ein feiner, süßlicher, sündiger Geck und haschet Dich vor der Nase mir weg; So wird mein deutscher patriotischer Sinn Erklecklichen Trost noch finden darin, Daß ähnlich mit meiner Liebesgeschichte So manches Blatt der deutschen Geschichte. Die beiden Liebenden, oder Treue bis in den Tod. Es waren einmal zwei Herzen, Ein glücklich liebend Paar, Die schickten sich Briefe voll Schmerzen Und Locken von eignem Haar. Und endlich beim Hochzeitsfeste Da gaben sie einen Schmaus: Die Gäste dankten aufs Beste Und gingen satt nach Haus. Dann haben sie ehrlich erworben Ihr Fleisch, ihr Bier und Brod; Und als sie nachher gestorben — Da waren sie beide todt. Bilder aus dem Leben auf der Straße. Nro. 2 Sie. „Ne! so lof doch nich gar so, ich kann ja nich nache!“ Er. „Nu nu, Laura, ich warte schon — (für sich) jetzt da frag ich eenen, wie man in der Zeit eine ordentliche Carriere machen kann — mit so 'me Weib!“ Reise–Erinnerungen. Lose Blätter aus dem Tagebuche des Barons Blitz–Blitz–Hasenstein auf Rittwitz. I. Aus dem bayerischen Hochgebirge. Die Bayerischen Gebirgsländler sind das am wenigsten poetische Volk uf der janzen Welt. So en Alpensohn ißt blos seinen Käse, trinkt den janzen Tag Milch und treibt Ultramontanismus — schießt hie und da sein Jemschen oder en paar Steinböcke un schläft in die Felsenklüfte wie Rinaldo Rinaldini im ersten Vers. Na das wäre Allens jut. Nu aber kommt der Sonntag, da jeht der Alpensohn uf jeden Fall ins Wirthshaus: da klimmt er von seine Jletscher und Eismeere runter und kehrt erst Nachts stockbesoffen in diese schöne Jegend zurück. Man wees aberst nich eenen enzigen Fall, daß so ‘n Jebirgsmensch verunglückt wäre. Also wieder ufs Wirthshaus zu kommen. Da haben die Alpensöhne ihre Dirnchens bei sich, ein jemüthlicher Jraubart spielt in die eene Ecke Zither, die er mit det Brummeisen begleitet und da tanzt denn die janze Jesellschaft hopps — tripps —— trapps trapps, trapps, — hopps — tripps — trapps — trapps, trapps u. s. w. un dazu johlen die Kerrels: Joro dorido, do — dui, dui, dudiheh, heh, heh u. s. w. un werfen dazu die Dirnchens jleich fünf sechs bayerische Schuh hoch, un fangen sie wieder uf. Dazu stampfen die Jungens mit ihre nägelbeschlajene Tanzschuh ufn Boden und drehen den Körper um seine eigne Axe rum, als wenn sie sie zerreißen wollten diese Alpenmädchen mit den Miesbacher Hütchen un kernjesunden tanzerhitzten Jesichtern, um welche lange blonde Locken in liebenswürdiger Natureinfachheit flattern. Aberst endlich haben die Jungens zu viel jetrunken und werden unanjenehm — da jiebt uf eenmal Eener dem Andern mit dem Schlagringe eene kolossale Ohrfeige, womit er den stärksten pommerischen Ochsen uf eenen Schlag zusammen wettern könnte. Der Jeschlagene aber sieht ‘n blos janz ruhig von der Seite an un sagt: „Jottlieb jeh mal en bischen 'raus, jetzt wird jehakelt.“ Na, nu jeht die Jeschichte los. Die Jungens von der eenen Jebirgskette treten uf die eene, die aber vom andern Jebirg herunter uf die andere Seite, un da wird nu jehakelt un dann tüchtig jeholzt mit de Tische und Stühle. Das jeht bis in die Nacht fort, da taumeln die Kerrels mit ihren Dirnchens nach Haus un sagen beim Abschied: „Aber Emilchen, das war een pompöser Abend.“ Noch een Händedruck, noch een Kuß vor ihrem Fenster und der Junge klimmt wieder zu seinen Jletschern empor und noch lange tönt aus der Ferne sein Jodeldidö dö dö dui dö in die schweigsame Nacht hinaus. — (Fortsetzung folgt.) Tröstliche Aussichten. „Nu, Herr Baron, werden nicht jetzt die Staatspapiere bald wieder steigen?“ „Ob se steige? Gewihß! Bald werd mer kenne Drache draus mache, darnach steige se!“ Laub–Ober. Laub–Ober in München. „Um des Himmels willen, Herr Laub–Ober, wo kommen denn Sie her, wer hat Sie denn so zugerichtet?“ „Ja sehen Sie, meine Herren, das Bayerische Preßgesetz ist mir dermaßen in den Magen gefahren, daß mir steinübel wurde und ich das Bedürfniß nach frischer Luft empfand. In Gedanken versunken, gehe ich so vor mich hin, renne in der Zerstreuung an das Gitter des Wittelsbacher Pallastes, stolpre und bin richtig auch darüber gefallen.“ = = = FB10—0240 Was kann die Liebe? I. Schon hatten sich im glänzend erleuchteten Ballsaale die Paare geordnet; die Musiker stimmten ihre Instrumente, und ungeduldige Blicke flogen hinauf zum Orchester, das Zeichen zum Beginnen erwartend. Da schwang der Dirigent seinen Stab und ein prachtvoller Strauß‘scher Walzer rauschte durch die Räume dahin. In wonniger Lust flogen die Schönen am Arme ihrer Tänzer in bunter Reihe vorüber; manch Liebeswort wurde lispelnd ausgetauscht, und manch schmachtender Blick stahl sich verrätherisch unter den seidenen Wimpern hervor, schnell sich wieder bergend vor dem brennenden Auge des jugendlichen Tänzers. Die Aelteren aber standen dahinter und hatten ihre Lust und Freude dran, wie so heiter und vergnügt die Jugend ihr Dasein genoß; ließen es auch wohl an munteren Reden und witzigen Bemerkungen nicht fehlen. Ein Paar aber war es vorzüglich, das die Augen aller Anwesenden auf sich zog, unstreitig das schönste. Er ein hochgewachsener und kräftig gebauter junger Mann mit stolzem Antlitze, dessen strahlende Blicke mit verzehrender Gluth auf seiner schönen Begleiterin hafteten, mit der er unermüdlich den lockenden Tönen folgte, bis auch der letzte Takt verklungen war. Es war der Gerichtsassessor Heinrich W***, erst vor Kurzem in der Kreisstadt L***, seinem neuen Berufsorte, angekommen, bald aber der Liebling der ganzen Stadt geworden durch seine Geselligkeit und sein einnehmendes Wesen; besonders war er der Abgott der Damenwelt, und es ward gar manches Netz heimlich angesponnen, um den liebenswürdigen Mann darein zu verstricken und gefesselt zu halten. Wer aber war seine Tänzerin? Niemand kannte sie, Niemand hatte sie vordem im Städtchen bemerkt. Erst vor einer Stunde war sie in Begleitung einer ältern Donna auf dem Balle plötzlich erschienen, um sogleich bei ihrem Eintritte alle anderen Mädchen durch ihre unvergleichliche hehre Schönheit zu verdunkeln und weit zu überstrahlen. Die Adlernase, die glänzenden schwarzen Locken in üppiger Fülle auf dem herrlichsten Nacken herabfallend, die vollen runden Formen, und der kühne Blick ihres dunkelglühenden Auges verriethen unzweifelhaft die Südländerin. Bei ihrem Eintritte war sie im Nu von einem Dutzend Galants umringt, deren jeder sich um die Gunst eines Tanzes eifrigst bemühte. Ihr prüfender Blick glitt schnell über die Freier hin, dann reichte sie anmuthig lächelnd dem überglücklichen Assessor ihre weiße, weiche Hand. So eröffneten sie beide den Reigen, in der That anzuschauen wie Mars und Minerva. Die Quadrille war beendigt, die Paare verließen den Saal und zerstreuten sich in die Nebenzimmer der Redoute. Auch Bianca — so wollen wir die schöne Unbekannte nennen —— schwebte am Arme Heinrichs dahin, dieser führte sie in ein entfernteres Gemach, um dort unbelauscht von lästigen Zeugen sein ganz in Liebe loderndes Herz der holden Bianca zu erröffnen und es ihr anzubieten. Lächelnd hörte Bianca dem liebesberauschten Assessor zu, der vor ihr knieend sich hoch und theuer vermaß in Schwüren seiner unendlichen Liebe. Aber die Grausame ließ ihren Ritter girren und flehen, bis auf‘s Neue die Musik aus dem Ballsaale herübertönte. Dann gab sie ihm einen leichten Schlag mit dem Fächer auf den Mund, ihn auffordernd zu erneutem Tanze. II. Und wieder schwebte unser Assessor mit ihr dahin im seligsten Entzücken. Er hörte nicht so manchen Seufzer, nicht manch spöttelnde Bemerkung von Seite der von ihm so sehr vernachläßigten Schönen des Städtchens; er war ganz Aug und Ohr nur für seine Bianca. Da hält diese mitten im Tanze inne, und über Hitze und Ermüdung klagend, begehrt sie nach kühlendem Getränke. Schon war der bestürzte Heinrich in größter Angst und Eile durch die Zimmer gerannt und hatte dabei in seiner Verwirrung der Frau Bürgermeisterin, welche eben die Tasse mit lauem Thee an ihren Mund bringen wollte, diese aus der Hand gestoßen; dem dicken Herrn Amtmann die Meerschaumpfeife aus den Zähnen gerissen; dem Stadtphysikus das Schachbrett umgerannt, und des alten Hofrathes Pudel auf den Schweif getreten, daß dieser hellauf schrie und winselte; und war auch schon wieder mit einem halb Dutzend Gläsern Limonade und etlichen Schalen Eis zurückgeeilt, ehe noch der Pudel zu heulen, der Stadphysikus zu fluchen aufgehört, ehe noch der Amtmann mit christlicher Resignation die entfallene Pfeife wieder aufgehoben, und die vor Staunen und Alteration ganz sprachlose Frau Bürgermeisterin von ihrem Schrecken sich erholt hatte und ihrer Zunge freien Lauf lassen konnte zu einer Fluth von Lamentationen über ihr verdorbenes Atlaskleid und Verwünschungen über den tölpelhaften Assessor. Aber welch‘ panischer Schrecken ergriff diesen, als er seiner geliebten Tänzerin die ersehnte Hilfe bringen wollte, sie selbst aber spurlos verschwunden ist. Wie ein Wahnsinniger durcheilt er alle Zimmer, sie zu finden, aber vergebens! Bianca war fort; wohin? Niemand wußte ihm‘s zu sagen. Voll Verzweiflung eilt er hinauf, die Treppe hinab und in den Garten. Da dünkt es ihm, als ob in einiger Entfernung von ihm zwei weibliche Schatten zwischen den Bäumen rasch vorwärts eilten. Wenn sie es wäre? In raschen Sprüngen hat er die Beiden erreicht, und — o Wonne! — es war Bianca und ihre Begleiterin. In höchster Erregtheit stürtzt er zu ihren Fußen, und fleht und beschwört sie, ihn zu hören. Mit den beredtesten Worten, in den glühendsten Farben schildert er ihr wiederholt seine verzehrende Leidenschaft und schwört bei allen Göttern, bei dein Heiligsten, seiner Liebe zu Bianca, daß er nicht von dieser Stelle weichen werde, bis er ihre Hand erhalten habe. Aengstlich sucht sich die Bebende dem Ungestümen zu entwinden, und im ernstem Tone spricht sie zu ihm; „Bedenken Sie auch, Herr Assessor, welch ein Wort Sie vielleicht unüberlegt hier aussprechen? Kennen Sie mich denn, wer ich bin?“ „Und seist Du, wer Du seist! Ich sah, ich liebte Dich! Und nochmals schwöre ich Dir‘s: Dir, nur Dir gehöre ich! Ich lasse Dich nicht! Dir, meinem Sterne, will ich folgen, und sei es bis an‘s Ende der Welt!“ „Halten Sie ein, Herr Assessor,“ rief Bianca dazwischen, wollten Sie mir wirklich überallhin folgen, wohin ich Sie führen werde?“ „Ja, überallhin; nur sei mein, Du Holde!“ „Wohlan, es sei! Werden Sie Ihren Schwur erfüllen, so will ich die Ihrige werden. Jetzt aber folgen Sie mir nicht weiter.“ „Aber wo finde ich Dich wieder, Du Göttliche?“ „Seien Sie morgen Abends 5 Uhr im Volksgarten;“ mit diesen Worten eilte Bianca mit ihrer Donna dem Dickicht zu. — Wer war glückseliger, als unser Assessor? Schnellen Schrittes eilte er nach Haus, ein Liedchen trällernd, und hätte gern vor Freude die ganze Welt umarmt. Da aber dies nicht wohl möglich, so erwischte er Martha, seine alte Haushälterin, welche ihm die Thüre öffnete, beim Kopf und herzte und drückte sie, daß diese nicht wußte, wie ihr geschah, aber doch nicht ungern die Liebkosungen ihres jungen Gebieters duldete, und nur schamröthend flüsterte: „Aber Herr Assessor! Bst! Bst! wenn uns die Leute sähen.“ „Schweig, altes Kameel“ donnerte der Assessor — „ich sage Dir, sie liebt mich! sie liebt mich treu und ist mir gut, drum bin ich frisch und wohlgemuth! lalalala . . . „ So lärmend und singend stürmte er hinauf in seine Wohnung, riß das Piano auf und bearbeitete es dermaßen, daß drei oder vier Saiten nach den ersten Accorden schon gesprungen waren. Die alte Martha aber schloß bedächtig das Haus, und konnte ihren Herrn heute gar nicht begreifen, namentlich nicht warum er sie ein Kameel geheißen habe! wäre sie gerade auch nicht mehr jung, meinte sie, so habe sie doch ihre geraden Glieder und keinen Höcker, das müsse der Herr Assessor ja längst wissen. Und in der That schien Martha für den Verstand ihres Herrn zu fürchten, deßhalb schloß sie ihn auch heute mit einer besonderen Fürbitte in ihren Abendsegen ein, den sie bald darauf betete, und sich zur Ruhe legte. Nicht so ihr Herr. Nachdem er, wie wir sahen, seinen ersten Liebestaumel am Clavier einigermaßen ausgetobt hatte, riß er die Fensterflügel weit auf, und seine heiße Brust dem kühlen Nachtthaue preisgebend, versank er in Sentimentalität und Schwärmerei, bis ihn endlich die gütige Mutter Natur, ihr Recht fordernd, dem Gotte Morpheus sanft in die Arme führte. III. Es ist bald 5 Uhr. Seit länger als anderthalb Stunden schon irrt Assessor Heinrich durch das Menschengewühle des äußerst belebten Volksgartens, ohne den Gegenstand seiner Liebe entdechen zu können. Wohl zwanzigmal hat er bereits nach der Zeit gesehen, und immer noch wies der Zeiger seiner Cylinderuhr auf 5 Uhr. Endlich, endlich schlägt die heißersehnte Stunde, die ihn an‘s Ziel seiner Wünsche führen soll. Aber wo bleibt Bianca? Auf allen Plätzen des Volksgartens war Heinrich schon gewesen, bei den Glücksbuden, in den Panoramen, bei den Musikbanden, am Caroussel, beim Ringelstechen — kurz überall hatte er Bianca gesucht, aber nirgends gefunden. Sollte sie wortbrüchig sein? Entsetzlicher Gedanke! Und auf‘s Neue wollte Heinrich weitereilen, nach der Geliebten zu spähen; aber seine Schrilte wurden an diesem Orte gehemmt durch die drängenden Menschenmassen, die sich so eben an den Sprüngen und Tollheiten des Hanswurstes einer Gauklerbande höchlich ergötzten. Nur mit Mühe und äußerster Anstrengung vermochte sich Heinrich Bahn zu brechen, als eine sanfte Stimme leise seinen Namen rief, die er, auf‘s freudigste überrascht, sogleich als die Bianca‘s erkannte. Er hatte sich nicht getäuscht. Ja, sie war es, dicht in einen schwarzen Ueberwurf von Seide gehüllt, wie Heinrich wähnte, aus Vorsicht, daß sie nicht so leicht erkannt werde. Mit vor Freude und froher Hoffnung bebender Stimme lispelte er Bianca zu: „Nun ist er da, der seligste der Augenblicke. Nun sprich es aus, daß Du mein sein willst, Bianca!“ „Gedenken Sie noch Ihres Schwures, Herr Assessor?“ „Ja, folgen will ich Dir, wohin es sei!“ Da sprach Bianca entschlossen und mit lauter Stimme: „Nun wohlan, Herr Assessor! so folgen Sie mir, wohin ich gehe; dann will ich Ihnen gehören.“ Und mit diesen Worten warf sie den Mantel ab, und — wie eine Feenkönigin stand sie da, ein herrlich Gebild, als hätte selbst sich zu den Sterblichen herniedergelassen: enger Tricot umschloß ihre schön geformten Glieder, ein kurzes, goldgesticktes Kleidchen umspannte ihre schlanken Hüften, und ein rosarother und blauer Zephyr umwallte ihren göttergleichen Busen. So stand sie mit holdseligem Lächeln dem schmachtenden Assessor, der nicht wußte, ob er wache, oder ob das Alles bloß ein schöner Traum sei. Da schmettert die Trompete. Bianca grüßt flüchtig, und mit dem Rufe: Folgen Sie mir, Herr Assessor, eilt sie, dem gegebenen Zeichen Folge leistend, leichten Schrittes von dannen, schwingt sich behende auf das gespannte Seil, klatscht in ihre Händchen, und unter den Klängen der aufmunternden Musik, unter dem Zujauchzen und dem Beifallrufen der Menge, schwebt die Sylphide hinauf, höher und immer höher, und sodann in den graziösesten Stellungen und mit der Behendigkeit einer Gazelle wieder herab. Noch hatte sich unser leicht zu entflammender, verliebter Assessor von seiner Verwirrung und Enttäuschung kaum erholt, als die Gauklerin wieder vor ihn trat mit der Frage: „Nun, Herr Assessor?“ Dieser aber seufzte tief, und mit wehmüthigen Lächeln die Achseln zuckend, sprach er: die Liebe vermag Viel, sie vermag Alles, aber — seiltanzen kann sie doch nicht.“ W. Plusvir. Wieder ein Vorteil. „Schau, sind die Bäcker Spitzbuben; kauf ich mir einen Sechserwecken, den iß ich ganz zusammen, und hungert mich noch drauf. Nachher kauf ich mir einen Groschenprügel, den zwing ich nicht einmal halb; wart, komme ich wieder nach Straubing, kauf ich mir gleich im Anfang einen Groschenprügel, da erspare ich einen Sechser.“ Ein Dilettant. „Aber, Herr Kapelhuber! was is denn dees! Gestern des ungeheure Spektakel und heut der Staub im Hause?“ „Ja Hausherr, da Sie mir das Paukenschlagen untersagten, so werde ich mich nun täglich um die Handfertigkeit nicht zu verlieren, auf ein paar alten Sesseln üben.“ Weltschmerz. Weltschmerz ist ein Finsterling, Findet Schmerz an jedem Ding‘, Sieht den Himmel ewig nächtig Und die Erde sündenträchtig; Trinkt den allerbesten Wein Unter Flüchen nur hinein Und begrüßt den jungen Tag Als ein neues Ungemach. Wenn die Feuerwürmer glühn, Wenn die Sonnenrosen blühn, Wenn die Menschen Menschen finden Und der Freude Kränze winden, Steht der Weltschmerz in der Fern‘ Hadert mit dem Abendstern, Und verflucht das junge Blut, Das sich in den Armen ruht. Wenn sich Liebe zu ihm neigt Und den Mund zum Kusse reicht, Blickt er starr und abgewendet, Wie vom Sonnenstrahl geblendet; An dem selbst geschaffnen Schmerz, Weidet sich sein glühend Herz, Von den Menschen flieht er weit In des Schmerzes Einsamkeit. Ja, ‘s ist wahr, die Welt ist schlecht, Und so manches ist nicht recht; Der Burgunder ist zu theuer Durch die hohe Eingangssteuer; Krammetsvögel sind zu klein Müßten wie die Adler sein, Und mein Weib hält süße Ruh. Schloß mir heut die Thüre zu. Doch die Welt bleibt einmal so, Brennt der Zorn auch lichterloh; Drum, ihr Weltschmerzphilosophen, Schließt des Kummers Flammenofen; Stillt nimmersatte Weh, Sagt dem Schmerze ein Ade; Nützt die kurze Lebensfrist, Nehmt die Erde, wie sie ist. In dem Becher glüht der Wein, Und er will getrunken sein; Vor dem liebesheißen Drange Flammt in Purpur Mädchenwange; Dazu klinge Liederklang, Frei und froh die Welt entlang; Trinkt, ihr Brüder, küßt und singt, Bis der Tod was bess‘res bringt. Segensreiche Folgen lebenslänglicher Engagements. Don Cäsar. „Du bist der ältere Bruder, rede Du! Dem Erstgeboren weich‘ ich ohne Schande.“ Schillers „Braut von Messina.“ Laub–Ober. Laub–Ober in München. „Meine Herren, ich habe heute das Vergnügen, Ihnen in Kurzem einen Vortrag zu halten über die Schöpfungsgeschichte im Sinne des neuen Bayerischen Preßgesetzes. — „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, Fürsten, Landtags– Abgeordnete, Dicasterien, Landrichter u. s. w. Am sechsten Tage bemerkte er, daß er Alles gut gemacht habe und erschuf zum Ueberfluß Privatleute oder schlechtweg Menschen ohne Amtsehre. Der Herrgott hat also nach dem Bayerischen Preßgesetz zweierlei Menschen geschaffen, nämlich Menschen, denen die Wurst einmal und Menschen, denen die Wurst zweimal gebraten wird.“ Wie in Norddeutschland die Schneegänse gefangen werden. Da bekanntlich die Schneegänse zu ihrer Sicherheit auf dem Felde Vorposten ausstellen, welche sehr klug und wachsam sind, so muß man auf der Jagd eine eigene List anwenden, um sich vor Allem erst dieser Posten zu bemächtigen. Der Jäger schleicht nämlich von hinten bis auf hundert Schritt an eine solche Gans, die gewöhnlich auf einem Beine steht, heran, ducht sich dann auf den Boden nieder und ruft „pft, pst.“ DieGans wird aufmerksam und wendet den Kopf nach dem Orte des Geräusches, ohne jedoch ihre sonstige Stellung zu verändern. Jetzt fängt der Jäger an, sich leise fortbewegend, einen Kreis um die Gans zu beschreiben, indem er immer „pst pst“ macht. Die Gans rührt sich nicht von der Stelle, dreht aber immer den Kopf hinterher. Der Jäger läuft schneller, immer schneller um die Gans, diese dreht immer rascher ihren Kopf, bis sie sich zuletzt selbst im schnellsten Tempo den Hals abdreht. — Nun geht der Jäger leise hin und schiebt sie in die Jagdtasche. Eine andere Art des Jagens, welche aber nur von wohlhabenden Landbewohnern ausgeübt wird, ist folgende: So ein begüterter Bauer nämlich, der meistens einen Garten hat, welcher auf das Feld hinaus geht, öffnet das Pförtchen zu demselben, legt hinter der Hecke im Garten einen Haufen gelber Rüben mit Syrup bestrichen, welches Gericht die Schneegänse sehr gerne zu essen pflegen, und befestigt endlich über der Thür ein Plakat mit den Worten: „der Eingang ist bei polizeilicher Strafe verboten.“ Die Schneegänse, welche bekanntlich sehr neugierig sind, kommen, durch diese Vorkehrungen gelockt, heran, lesen das Plakat und riechen hierbei die gelben Rüben. Um sich keine Blößen zu geben, spazieren jetzt die Gänse mit der unbefangensten Miene von der Welt nur so wie zufällig vor dem Garten auf und ab, schielen aber dabei immer durch die Hecke nach den gelben Rüben, bis endlich einmal eine der Gänse sich unbemerkt glaubt, mit einer geschickten Wendung in den Garten läuft, und sich über die Delicatessen hermacht. Augenblicklich läßt jetzt der Bauer einen Gensdarmen kommen. Dieser, der schon vorher instruirt ist, geht leise in den Garten, schließt hinter sich die Thüre und klopft der Gans, die sich unterdessen in die gelben Rüben vertieft hat, auf die Schulter. Die Gans wendet sich, wird todtenblaß, so wie sie den Gensdarm erblickt, da die Schneegänse immer einen außerordentlichen Respekt vor der Polizei haben, und läßt sich in der ersten Anwandlung des Schreckens und der Reue ganz zerknirscht abführen. Ruhet sanft, der Bürgermeister wacht. „Wissen Sie, was der Markstein hier an dem Flusse zu bedeuten hat?“ „Hat seinen guten Grund! Unser heimtückisches Gewässer riß ein Stück ums andere vom Ufer ab; ein Damm hätte viel Geld gekostet, und da hat ihm unser wohlweiser Magistrat ein „Bis hierher und nicht weiter“ gesetzt.“ Die Cadres. Die Mannschaft wird beurlaubt, die Cadres aber werden beibehalten.