FB70145 Auszug aus den Kriegs und Dienstesverordnungen der freien Reichsstadt Rieblingen in Schwaben 1725. (Gar ergötzlich zu lesen.) ad. a §. 1. Vom Kriegspräsidenten. Gleichwie der wohlweise Magistrat den Knopf des Rathhausthurmes, als den höchsten Punkt der Stadt, noch an voriger Kirchweihe hat vergolden und dadurch unsere Magnifizenz in weite Ferne leuchten lassen, so will Hochderselbe auch den Herrn Kriegspräsidenten, als aus dem alten Patriciatsgeschlecht von Kraftlos entsprossen, und als Haupt der Armee, vergolden. Seine Uniform muß weit genug sein, die goldene Stickerei eines Lorbeerbaumes aufzunehmen, dessen Stamm da anfängt, wo nach der jetzigen Mode die Tailleknöpfe sitzen. Dieser Stamm steigt den Rücken aufwärts bis in dessen Mitte, dort theilt er sich in zwei Hauptäste, welche sich so recht überraschend über die Schultern auf die Brust hereinbiegen, und den Bauch mit ihren Blüthen und Früchten bedecken. Da indessen der Kriegspräsident die Stickerei nebst den vielen Ordensdekorationen für sein Alter zu lästig finden wird, so geben Wir ihm hiemit die Erlaubniß, an feierlichen Tagen einen Lorbeerbaum in natura (oder in dessen Ermangelung seinen Stammbaum) mit seinen Orden bedeckt, vor sich her tragen lassen zu dürfen. Der Kriegspräsident steht bei Feierlichkeiten zur Linken des Herrn Bürgermeisters, in den Assembleen sitzt er am Spieletisch Nro. 2 Er wird sich angelegentlich mit dem Zustand der Armee befassen, die vorgelegten Muster zu Uniformsstücken prüfen, eine Liste über alle Offiziere der Armee halten und dieselben darin in zwei Klassen eingetheilt haben. In die erste wird er alle Söhne aus den ersten Familien des Staates, und solcher, die mit diesen in genauem Verhältnis stehen (z. B. Reiche) bringen; in die zweite aber solche, welche die gehörigen Eigenschaften für den Dienst besitzen, geringen und unbemittelten Familien angehören, und so recht geeignet sind, der ersten Klasse höhere Stellen, Lorbeeren und Orden verdienen zu helfen, für sie Unrecht haben zu müssen, und gestraft zu werden, wenn bei häufigen Dienstvergehen einmal ein Beispiel statuirt werden muß. Wir beschließen in Unserer Milde und rücksichtlich der Erinnerung an Unsere eigene Jugend, daß man der KraftÄußerung keine strengen Grenzen setzen soll, und haben Uns Vorgenommen, ihnen die Folgen mancher solcher Kraftäußerung minder lästig zu machen: man solle ihnen z. B. von mancher Vaterschaft und gegen ihre Gläubiger (wenn es nicht zum Nachtheil des allerhöchsten Seckels wäre) helfen. Aber was sie als Soldaten pekkiren, muß rücksichtslos gestraft werden; jeder Verstoß gegen Ordonnanz, Observanz, jedes Vergessen einer Vorschrift, jedes Empfindlichsein, wenn ihnen ein Vorgesetzter in Worten oder Werken zu viel gethan hätte. Versteht man aber unter Kraftäußerung, wie wir nicht hoffen wollen, jenes naseweise,vorlaute Wesen mancher Jünglinge, welches von Allem die Gründe wissen und Suchen, über Alles belehrt sein will: jene Arroganz, mit der sie öfters ihre eigene Meinung haben, und sie nicht den Erfahrungssprüchen der altgedienten Offiziere unterwerfen wollen, mit der sie ihre Dienst– und Subordinationsverhältnisse nach ihren — sit venia verbo — weltbürgerlichen Ansichten ansehen und behandeln: so gratuliren wir Uns, in der Person des Herrn Kriegspräsidenten einen Mann zu besitzen, der über die Jahre solcher Jugendkraft hinaus ist, und von jeher derselben Feind war; dieser wird den jungen Herren so lange tüchtig einheizen, bis sie sämmtlich zu Titelbildern unseres Reglement tauglich sein werden. Solche Offiziere, welche sich mit etwas anderem Wissenschaftlichem, als mit dem Reglement und den Volksbüchern (die sieben Schwaben, Melusine, die Haimonskinder) beschäftigen, sind schärfstens deßwegen anzusehen, und die Vorgesetzten haben es zu begünstigen, daß man sie mit dem Ekelnamen Philosophen belege. Das sind ärgerliche Beobachter ihrer Vorgesetzten. Um diese noch in Ansehen zu erhalten, muß man bei jeder Gelegenheit das Reglement als das einzige militärische Evangelium anpreisen, und die Meinung verbreiten, den Offizier dürfte außer obgenannten Dingen nichts interessiren, was andere interessirt. Soldat ist sein höchster Titel. Mensch ist ja der Tambour, der Profoßenjunge auch. Mit den Duellen wollen Wirs gehalten wissen, wie bisher. Wer sich schlägt, wird gestraft; wer sich nicht schlägt, auck; in beiden Fällen jedoch nur, wenns gemeldet wird. Manche meinen: es sei zweckmäßiger, wenn man Duelle öffentlich mache, und mit Bedingungen frei erlaube. Man verfehle, indem man sie zwar gern, aber nur durch die Finger sehe, seinen Zweck. Dieser Begünstigung Zweck könne kein anderer sein, als Mannheit in Gefahren zu bilden und zu bewahren. Aber indem man sie verbiete und hart bestrafe, werde auch im bravsten Duellanten die Meinung, die er durch das Duell von seiner Männlichkeit bekommen, und welche man ja doch mehren und erhöhen wolle, wieder herabgestimmt durch Furcht vor Strafe und dem Gedanken, etwas Verbotenes gethan zu haben. Wir können jedoch aus Gründen, die sich nicht gut darstellen lassen, und nach Anhörung der Meinung mehrerer hohen Familien, den Vorschlag dieser Herrn nicht genehmigen. Die Orden sind Ehrenzeichen, welche man der Seite eines Generals, oder denen, die an der Spitze eines Korps reiten, oder Offizieren aus der ersten Klasse anhängt, um sie zu verschönern. Sieht man sie an einzelnen Individuen im großen Haufen, so sind es einzelne aufgesprühte, verlorne Funken der an der Spitze reitenden großen Gnadensonne: leuchtende Beweise, daß ihnen der General gewogen ist. Sie werden manchmal auch denen mitgeteilt, die in der Schlacht nicht zugegen waren, um ihnen ein Andenken an die Tapferkeit der Brüder an diesem Tage zu geben. Zwar ist darüber, vorzüglich von denen aus der zweiten Klasse, viel Geschrei, und sogar von solchen, welche nicht einmal im Stande wären, l'hombre zu spielen, ein Pferd zuzureiten oder eine Posse zu zeichnen. Man hört sie von Brücken, von Pässen, die sie vertheidigt, von Gefangenen, die Sie gemacht, von Expeditionen, die Sie geführt, sprechen; Sie glauben deßhalb, eher Ansprüche auf Dekorationen zu haben. Aber war denn das nicht ihre Schuldigkeit? Man kann solcken Menschen nicht genug wiederholen: wenn der Generalstab gegessen hat, so hat die Armee gegessen; wenn derselbe dekorirt ist, so ist es die ganze Armee, nur mit dem Unterschied, daß dieses Grobzeug nicht müde sein darf, wenn es der Generalstab ist, welches Leute von Bildung sind. Ueberhaupt muß man ihr Geschrei, oder ihre Klagen gar nicht achten. Wer einmal eine Zeit lang im Militär gedient hat, ist zu nichts sonst mehr zu gebrauchen. Dieser Stand ist gleichsam, wie eine Insel im Staat durch Vorurtheile und Unsere persönlichen Vortheile gebannt. Es ist von derselben kaum mehr aufs feste Land zu kommen. Unseren hohen gnädigen Händen sind seine Individuen preis gegeben. Wir mögen Sie höhnen, quälen, ja sogar maltraitiren: nicht Muck dürfen sie sagen, schmiegen unter uns müssen sie sich. Warum also auf ihr Geschrei achten? ad b §. 2. Vom Kriegs– Administrationspräsidenten. Da er ist, welcher das Füllhorn mit den Früchten unserer gesegneten Landes am meisten handhabt, so wollen Wir dies sinnbildlich durch seine Uniform anzeigen. Aus dem Bauch, dem Sinnbild der Fülle, sollen zwei in Gold gestickte Füllhörner in der Gegend des Nabels entspringen, sick über der Brust kreuzen, und sich über seine Schultern den Rücken hinab biegen, so daß ihre Mündungen auf den stehenden Taschen aufsitzen, man also keine Früchte mehr, und überhaupt, wenn der Herr Präsident den Rücken frei hat, von vorn gar nicht sieht, wo sie hingekommen. Bei feierlichen Gelegenheiten steht der Präsident zur linken des Herrn Kriegspräsidenten, gleichsam als dessen linker Arm, mit dem er ausparirt, wenn man einen Streich auf ihn führen will. Zum Wohl des höchsten Seckels darf dieser Mann eigentlich nie mit dem Soldaten Kamerad gewesen sein, d. h. mit ihm die Lasten dieses Standes getragen haben: er muß wo möglich aus dem Civilstande gewählt werden, damit er eine tüchtige Portion Haß gegen das Militär mitbringe, und das Wohl des höchsten Seckels recht unbarmherzig befördere; denn dieses Gesindel will immer essen und trinken, und gar nichts ex propriis für seine Montur thun. Die Lieferungen an Monturstücken und Konsumptibilien werden auch ferner versteigert: dabei muß man trachten, die Lieferanten immer zwei bis drei Jahre mit der Bezahlung warten zu lassen, oder ihnen bei früheren Zahlungen davon abzubrechen. Die Einwendung einiger Narren: man bekomme dann Alles schlecht, wenig dauerhaft, und spare zum Theil auf Kosten der Gesundheit des Soldaten, kann von Uns nicht berücksichtiget werden. Denn ist, wie auch nicht zu läugnen, unter solchen Umständen das gelieferte Uniformsstück schlecht, so ist es dann die Sache des Herrn Kapitains, sich desselben zu schämen, und den Mann so lange zu quälen, bis er sich ein schöneres (von gut ist nicht dieRede) ex propriis anschafft. Man läßt den Mann Lohnwachen thun, schickt ihn nicht in Urlaub u. s. w., bis er einwilligt. Auch können die Herrn Inspekteurs den Regimentern, welche hinter andern zurückbleiben, Winke geben. Es geht Alles, wenn man nur will. §. 3. Vom General und den Staabsoffizieren. Da die Offiziere nicht nach ihren Verdiensten, sondern nach der Meinung des Herrn Kriegspräßidenten avanciren sollen, so wollen wir dies sinnbildlich durch ihre Uniformen anzeigen. Die Herrn Generale erhalten Lorbeerzweige, die Staabsoffiziere Lorbeerblüthen, gleichsam aus dem großen Lorbeerbaum des Herrn Kriegspräsidenten abgepflückt, zur Stickerei auf ihre Uniformen. Ihre Pflicht wird sein, ihr Augenmerk auf die Schönheit der Soldaten im Anzug und Uebungen zu richten, indem dadurch unser Ansehen im In und Auslande immer mehr erhöht wird. Da Wir sie auf so hohe Posten gestellt haben, so werden sie ihren Patriotismus recht leuchten lassen, und dadurch an den Tag legen, daß sie unbedingt alle Unsere Einrichtungen loben, welches sie um so füglicher können, da sie von den wenigsten persönlichen Nachtheil haben. Sie werden bei feierlichen Gelegenheiten immer zuerst Unsere Gesundheit trinken, und wenn Einer ohne Uniform es einfallen lassen sollte, etwas an Unserer Regierung nicht zu loben, ihn hinter die Ohren schlagen, welches Wir dann gnädigst vermerken wollen. Ihren Diensteifer wird man in ihren schön geschriebenen und pünktlich eingeschickten Tabellen, aus der feinen, propren und egalen Kleidung der Offiziere und Soldaten, so wie daraus erkennen, daß sie Unser Ohr nicht mit Klagen, und unseren Seckel nicht mit Forderungen belästigen. Ihnen steht ja der Beutel des Offizierskorps offen: sie sollen berechtigt sein, am Gage– Empfangstage den Offizieren abzuziehen, was sie für größere Schönheit und Propretät des Regiments auszugeben genöthiget sind. Wir sehen z. B. und hören gern schöne Regimentsmusiken; Wir haben es gern, wenn bei den Regimentern Bibliotheken von Kriegsgeschichten und Landkarten sind; das alles kann aus dem Beutel der Offiziere bestritten werden, die man mit Strenge und als Ehrlose behandeln muß, wenn sie sich das etwa nicht gefallen lassen wollten. Was junge Offiziere aus der zweiten Klasse nicht wissen sollten, werden sie nach und nach durch die Strenge und Grobheit der Staabsoffiziere erlernen. Man muß den Subalternoffizieren oft vorsagen, wie viel Ehre ein Offizier sich einbilden müsse, der das Glück habe, dem so gnädigen und liberalen Magistrat zu dienen. Dem Kavalleristen bringt man einen Hochmuth bei gegen den Infanteristen, und dem Artilleristen gegen beide: einem Regiment, einem Bataillon gegen das andere, einer Kompagnie gegen die andere. Dabei muß man suchen, die benachbarten Mächte in ihren Augen herabzusetzen: fangen die Offiziere dann nur an, über diese zu schimpfen, so ist der Patriotismus schon im Anzuge, und sie sind in den Conduitenlisten als zuverlässige Offiziere anzugeben. Den Generalen ist erlaubt, obenberührte Subalternoffiziere im Eifer für die heilige Sache des Exerzierens mit einigen selbstbeliebigen Sakkermentern zu belegen. Dem Feldmarschall allein soll das ganze Arsenal von solchen Ausdrücken unbedingt zu Gebote stehen, um damit Alles für das Vaterland und den Dienst anfeuern und begeistern zu können. (Schluß folgt.) Geharnischte Sonnette. *) No. 1 Jetzt ist nicht Zeit zu liebesiechem Girren, Zum Tändeln und zum weibisch sckwachen Schmachten, Es muß der Mann auf andre Dinge achten, Auf Feldgeschrei und rauhes Schwerterklirren! Laßt euch von Weiberthränen nicht beirren, Nach Wehr und Waffen nur sei euer Trachten, Das Eisen holet aus der Berge Schachten Und laßt als Schwert es um die Köpfe schwirren! Der Zeiten Losung donnert aus Kanonen — Im Pulverdampf, im dichten Kugelregen, Im Schlachtgewühle, unter Rosseshufen, Hört ihr die Zeit aus eh'rnem Munde rufen: „Aus Blut und Tod nur sproßt hervor der Segen, Und dankend schau‘n auf euch einst Millionen!“ *) Verehrteste Redaktion! — Ich kann unmöglich hinter der großen Bewegung, welche ganz Europa aus seinen Fugen zu heben droht, zurückbleiben. Mitkämpfen kann ich aber auch nicht: deshalb will ich mit dem Schwerte des Wortes darein schlagen neben dem Schwerte von Eisen, das meine wackeren Landsleute schwingen werden. — Meine Frau ist gar zu eigensinnig was das Insfeldziehen betrifft, und sie liebt mich wirklich zu sehr, als das ich sie ohne merklichen Schaden für ihre Gesundheit verlassen könnte; ja sie würde schon Anfälle bekommen, wenn sie nur wüßte, das ich ein so kriegerisches Sonett geschrieben habe und deren auch noch mehr zu schreiben gedenke; sie könnte am Ende auch glauben, ich sei wirklich so gesinnt, als wie ich mich ausgedrückt habe! Es ginge ihr da, wie vielen Andern, die auch nicht wissen, das Poesie eben nichts weiter als Poesie ist! Dero ergebenster Spiridion Haspler, bürgerl. Dichter. Politische Kaffeemühle. Politische Reife. Lasche. „Siehst de, Knoller, nu sin mer politisch reif!“ Knoller. „Un nu hören wohl de ganzen Abgaben uf?“ Lasche. „Das glob ich wollen se heute in Odeum erscht ausmachen.“ Knoller. „Aber sag mer nur, warum sich jetzt so viele Advokaten un Doctors um uns uf emol bekümmern und uns alle glücklich machen wollen.“ Lasche. „Hm! Siehst de, ich globe das kommt daher, weil se das Volk brauchen, um was zu werden, und mer soll'n se zu Ministers machen.“ Knoller. „Das kennen mer jetzt also, warum denn nu und erscht nich?“ Lasche. „Da war'n mer noch nich politisch reif! Siehst de!“ Jedem das seine. „Siehste Han–Jacob, es is vom Rintelmann uffs Haar ausgerechet wore, daß in alle Wingert uff de ganze Erd' so viel Wein wachst, daß uff jede Mann de Tag een Budell vom Beßchte kumme duht. — Wenn wir uns nu zu den große Werk vereinige, so kriegt jeder sei Sach, und wir brauche für een andersmal keen Durst mehr zu leide.“ „Guck e mol do, hat mer des so genau ausgerechet? — No da mocht' i wisse, wer grad heut mei Budell ausschwefle duht, den wollt ich's für e zweetesmal vertreibe, — e G'witt'r soll'n glei in's Grundserdsbode nei verschlage, den elende Dieb, den!“ Entweder oder. „Nein, das langweilige Leben in der Provinz! Das halt' der Teufel aus — entweder a Hund oder a Frau muß mir jetzt her!“ Organisation der Arbeit. „Du, Hagelberger, weeßt de was? In mir ischt des Menschenbewußtsein zum Dorchbruch gekomme, und in dir?“ „In mir och! Stappelche! Weeß Gott! Es isch ene allgemeine Bewegung in mir.“ „Un de Leberwürste müsse dicker wärn un länger un wohlfeeler.“ „Un der Schnaps, weeßt de, muß besser wärn, un größer Maß müsse mer kriegn un koschte darf er gar nischt, denn de Arbeit muß georganisirt werde!“ „Weeß Gott! kumm, mer wolle ä Petition mache un Unterschrifte sammle.“ Petition der Dämelberger Damen an ihren Landesvater bei Gelegenheit seiner Anwesenheit in Dämelberg. Die Sonne kehrt bei ihrem Zirkelgange In dem Pallast, wie in der Hütte ein, Sie röthet hier und dort der Jungfrau zarte Wange, Erquickt so manches Herz durch ihren milden Schein. Auch uns trifft jetzt ein Strahl der mächt'gen Sonne, Du bist ja deines Stammes liebster Sohn, Wir bitten dich, erfülle uns mit Wonne, Laß deinen Abglanz hier und gieb uns Garnison. Wenn fröhlich wir bei festlichem Gelage, Im wirbelnden Genusse uns gedreht, Wenn tanzend wir an einem Jubeltage Uns hier vereint, dann hat das Herz gefleht, Was jetzt die Lippe schüchtern wagt zu sagen Zu dir, dem Herrlichen, auf hohem Thron, O mindre du, das jungfräuliche Zagen Und gieb der Stadt und uns doch endlich Garnison. Die Patriotin liebt auch ihres Königs Stütze, Laß diese Liebe nie in uns verglühn, Befördre sie durch Uniform und Litze Und kröne endlich unser heißes Mühn. Gieb Militär, gieb Fähnrich, Officiere Der armen Stadt, auf die man nur mit Hohn Herab sah, weil bis jetzt sie ohne Cavaliere Gewesen, darum gieb uns endlich Garnison. Wir wollen sie auf unsern Händen tragen, Am Fenster sie mit nnserm Gruß erfreun, Und wollen sie, wenn Nachtigallen schlagen, Berufen zu dem trauten Stelldichein. Wir wollen sie beperlen und besticken, Bebörsen und beschuhn zu süssem Lohn, Du kannst nicht widerstehn, ja ja! du wirst sie schicken Heil, dreifach Heil! Du giebst uns Garnison. Die Nachwelt soll alsdann den Staat beneiden, Wir ziehen Söhne für den Waffenruhm, Und die Geschichte zeichnet dann mit Freuden Auch unsre Namen in ihr Heiligthum. Wir blicken stolzer auf die Nachbargauen Und fordern kühn mit ihnen glelchen Lohn, O gieb die Zeit auf die wir bauen, Ruf sie hervor durch eine Garnison. Der schwarze Rock der schlichten Civilisten Erfüllt mit banger Ahnung unser Herz, Wir waren auch doch sonst stets gute Christen, Drum lindre in uns diesen herben Schmerz. Uns ist bis jetzt das harte Loos beschieden, Stets Federfuchsern unser Herz zu weihn, Von denen schon die Jugendkraft hienieden Vermodert ist beim Aktenstaub und Schrein. Gern sieht das Weib den stolzen Reiter Und blanker Waffen Schmuck und Schein, Wir steigen dann auf hoher Ruhmesleiter Mit unsern Gatten zum Olymp hinein. Vergieb, wenn wir so kühn sind, es zu wagen Vertrauensvoll dir diese Bitte vorzutragen, Schick sie herab von deinem hohen Thron, Die heiß ersehnte stattliche Husaren– Garnison. Probatum est. Welche Fortschritte das FeuerlöschWesen in der neuesten Zeit in ganz Deutschland und insbesondere in Süddeutschland gemacht hat, davon giebt uns der Entwurf der neuen Feuerlösch– Ordnung zu Xhausen, die sich durch Einfachheit, Kürze und Zweckmäßigkeit auszeichnet, einen sehr erfreulichen Beweis. Es lautet z. B. der §. 7391. folgendermaßen: „So sich der Fall geben sollte, daß in einem Hause oder sonstwo Feuer aufkäme, so habe sich der Eigenthümer oder dessen Angehörige lediglich des Löschens zu enthalten. Jener hat vielmehr nur eine Parthie zu diesem in jedem Haus vorräthig sein sollender lithographirter Formulare durch Angabe seines Namens, Standes, Religion, Alters, Kinderzahl, Hausnummer, Gesinde– und Viehstand u. s. w. auszufüllen und den in der Stadt wohnenden zum Löschen berechtigten Personen zuzuschicken, welche dann alsbald herbeieilen. Diese Zettel müssen verschlossen sein, damit die übrigen Einwohner nichts merken und sich nicht vergebens ängstigen.“ Im Clubb. Präsident. „Die Siebzebner– Kommisson in Frankfurt schlägt uns ein erbliches Kaiserthum vor: was meinen Sie davon, meine Herren?“ Erster Redner. „Wie, ein erblicher Kaiser? Das ginge mir ab! Wann käm' denn Unsereiner d'ran?“ Zweiter Redner. „Ich stimme dafür, daß man den Kaiser alle drei Jahre erwähle, wie unsern Schulzen. Kaiser hin, Kaiser her, er soll auch nichts voraus haben. Gleichheit, Gleichheit, meine Herren!“ Dritter Redner. „Ich will jar keenen Kaiser niche, dat ist een überflüssiges und sehr kostspieliges Möbel.“ Präsident. „Gut, meine Herren! Wenn es Ihnen genehm ist, werde ich Ihre Meinungen durch unsern Schriftführer in eine Adresse zusammenfassen lassen, welche unverzüglich der Siebzehner– Kommission vorgelegt werden soll, als ein neuer Beweis unserer deutschen Einhelligkeit.“ Schönster Traum eines Thüringischen Bauers. Iche sullte nur ä mol ä paar Monate Ferscht sei; dä Hersche in Schwarzburger Wildzaune die ließ'ch alle morde, un de Saukerche im Schwarzethale, die werde o widder rabgerießen un kei Hase därft' sich merre in Lanne laßen blicke, un nacher da schafft'ch auch dä Regierechen, s'Consistorichen, de Suldaten un dä Schteiern ab. Die Paar Schrebichen, die wullt'ch schunne sälber laßt mache von unsern Schulmester un fer alles letzt da liesch'n Amtmann ä mol rächt karwatsche. Zweckmäßige Landwehrbewaffnung gegen Steinwürfe. Abfertigung. „Sie haben mir versprochen, Herr Vetter, mur zu helfen, wenn es mir recht schlecht gehe und es auf das Aeußerste komme!“ „Allerdings. Sind Sie, Ihre Frau und 6 Kinder krank?“ „Ich nicht — aber meine Frau und alle meine 6 Kinder!“ „So! Aber weder Ihre Frau, noch Ihre 6 Kinder sind todt! Sehen Sie, Sie sind schon weit weniger unglücklich, als Sie glauben! Denken Sie nun einmal, wenn Sie jetzt schon unglücklich wären, was wären Sie denn dann, wenn Sie 12 Kinder hätten, die alle nebst Ihrer Frau krank — oder gar gestorben wären?! Oder nehmen Sie an, Ihre 12 Kinder wären gestorben, und Ihre Frau wäre mit einem Schauspieler durchgegangen? Oder das wäre Alles so, und Ihre Verwandten säßen im Zuchthause —! Ja oder nehmen Sie an, das wäre wieder Alles so und Ihre Schwester wäre auch durchgegangen und zwar mit zwei Schauspielern — sehen Sie und so geht es fort in das Unendliche! — Erst derjenige, welcher Alles das, was gelitten werden kann, wirklich schon erlitten hat, wäre auf das Aeuserste gebracht und könnte sagen, er sei unglücklich — aber dann dürfte er immer noch keinen Vetter haben, der ihm im alleräußersten Fall Hülfe verspricht. So, ich hoffe, Sie haben mich verstanden — ich meine, ich habe Deutsch mit Ihnen gesprochen! Sie müßten erst das Aeußerste leiden, dann könnten Sie Hülfe erwarten. Bis jetzt können Sie so weit zufrieden sein! Guten Morgen, lieber Vetter!“ Wie sich mei‘ Nachbar Maier von Blieskastel den deutschen Kaiser vorstellt. ==== FB70146 Auszug aus den Kriegs und Dienstesverordnungen der freien Reichsstadt Rieblingen in Schwaben 1725. (Schluß.) Wir haben mit Vergnügen die Geschichte vom Hunnyades, vom Montekukuli und Prinz Eugen gelesen, und daraus ersehen, wie weit es ein Feldherr bringen kann, der die Liebe deiner Untergebenen hat, und Wir befehlen deßhalb, daß Unsere Generäle auch eine rechte Liebe von ihren Untergebenen haben sollen. Hiezu ist wohl das allerprobateste Mittel, dies zu bewerkstelligen, wenn etwa unser Befehl dazu nicht ausreichen sollte. Wenn z. B. im Exerzieren gefehlt wird, so müssen sie wie besessen auf die Subalternoffiziere losfahren, gleichsam als wenn sie dieselben niederreiten wollten, mit aller möglichen Verachtung in Blick und Geberden. — ad c. Man wisse schon, sagt man dann zum ersten besten, wo gefehlt sei; der gemeine Mann sei gut, der fehle nicht, aber so gehe es wenn man immer im Kaffeehaus sitze, dann wisse man nichts auf dem Exerzierplatze. Der gemeine Mann weiß nun aufs Haar, wer gemeint ist, und weil alle seine Plage unmittelbar vom Subalternoffizier herkömmt, so freut ihn dessen Herabsetzung, und der arme Teufel meint nun wirklich, Generale und höhere Offiziere meinten es gut mit ihm. In der Garnison muß recht unbarmherzig exerziert werden; früh zwei Stunden, Nachmittags zwei Stunden, Mittags eine Stunde. Es ist einmal Observanz und sieht recht fleißig aus. Wir haben mit Leidwesen bemerken müssen, daß sich die Offiziere beim Exerzieren öfters langeweilen; man sieht sie gähnen, mit Hunden spielen, mit Vorübergehenden sprechen u. s. w. Um ihnen eine größere Lust zu diesen Uebungen beizubringen, befehlen Wir: daß, wenn nur ein Mann auf den Exerzierplatz geführt wird, das ganze Offizierkorps dabei zu erscheinen habe. §. 4. Vom — Felde. Die Generale und Staabsoffiziere haben zu sorgen, daß Alles, was in der Garnison geschieht, auch hier vollzogen werde. Hungrig und durstig, oder eben von der Menage hinweg, krank und zwölf Stunden marschirt, oder vom Nachmittagsschläfchen in den Kasernhof zum Verlesen aufmarschirt, das darf in der Munterkeit und in der Aufmerksamkeit, in den richtigen Griffen und Tempos der Leute, im Felde nichts ändern. Die Hauptsache, auf die wir am meisten sehen, ist jedoch diese, daß im Felde alles am Manne nicht nur reinlich, sondern glänzend sei, wie in der Garnison, weil eben das Feldleben allem Glanz feind ist. Kein Hunger, kein Durst, keine Ermüdung, kein Bivouaque im Sumpf, kein Marsch in zweistündigem Regen, entschuldigt den Mangel an Glanz. Wir halten in jedem Feldzuge ein paar ausländische Zeitungen, und bei den großen Summen, die Wir jährlich dem Herrn Kriegs– Administrations– Präsidenten bewilligen, thut es doch auch Unserem väterlichen Herzen wohl, wenn Wir in den Zeitungen lesen: Dies oder jenes Regiment ist heute mit der schönsten Haltung durch unsere Stadt marschirt; die Leute zeichneten sich durch ihren propren Anzug vorzüglich aus. Dieses Durchparadirens durch die Städte wegen soll der Mann auch seinen ganzen ParadeAnzug bei sich tragen, und das nöthige Material zum Putzen seines Metallzeuges und Lederwerks. Der Offizier muß Staats– Uniform, und wo möglich auch einen Ballanzug bei sich führen, und kann dafür andere Dinge, als ein Hemd, ein paar Stiefeln, Karten u. s. w. zu Hause lassen. Dabei muß man jedoch trachten, daß der Mann sich nicht bequem mache, und etwas auf die Wagen lege, welches besonders auf großen Märschen geschieht. Pferde und Esel — die beim General– und anderen Stäben ausgenommen, sind schärfstens zu untersagen. Diese Veranstaltungen werden jedoch nur mittelst des Stockes reüssiren können; man wird deßhalb in zukünftigen Feldzügen dem Marsch der Armee eine sogenannte Stoßbrigade folgen lassen, die nur zum Prügeln der Hungrigen, Durstigen, Müden und Kranken bestimmt ist. Vorzüglich hat Uns in neueren Zeiten die Geschwindigkeit gefallen, mit der man die Truppen herumjagt. Die Unseren sollen auch recht erstaunlich große Märsche — gleichviel, nöthig oder unnöthig — machen. Das macht Unseren Generälen recht viel Ehre und Namen. Sonst beobachtete man beim Marschiren einige absurde Regeln, z. B. im Sommer wurde vor Tage aufgebrochen, zwei Stunden marschirt, dann angehalten, dann wieder zwei Stunden marschirt und so fort. An der Tête gab man zum Abmarsch vom Ruheplatze nicht eher das Zeichen, als bis man überzeugt war, daß auch die Queue ausgeruht habe. Hatte die Tête einen Berg überstiegen, so marschirte sie sehr langsam, weil sonst die Queue bergauf laufen muß. Mit diesen Alfanzereien ists vorbei. Nach Gemächlichkeit des Generals und der Stäbe muß Alles eingerichtet werden. Vor Tage versammeln sich die Brigaden vor dem Brigadequartier. Um halb fünf Uhr steht der General auf und sieht zum Fenster hinaus; um fünfe oder Sechse läßt er die Brigade abmarschiren (man muß die Leute an die Hitze gewöhnen, das sieht recht kriegerisch aus und ist bequem.) Eine Stunde später sprengt er im Galopp oder Carriere durch die Kolonne. Es ist eine Freude, anzusehen, wie dann die armen Teufel den Hufen des Generalstabes aus dem Wege springen müssen, wenn sie nicht Hiebe haben wollen, und wie prächtig all der Glanz durch die Staubwolke flimmert, welche nun, nachdem die darin sich hüllende Gottheit vorüber ist, die lechzenden Krieger überzieht. Wird aber ein Bivouaque bezogen, so kommt der General, nachdem er im naheliegenden Ort erst gespeis't, heraus, und findet eine andere Stellung schöner; nun müssen die Feuer ausgelöscht, die Hütten abgebrochen und ein neuer Bivouaque gebaut werden. Wie kriegsgelehrt erscheint hier der General! Auch Vorsorge für den Unterhalt der Leute muß er blicken lassen, wenn die Staabsküche hinreichend versehen ist. Er fragt z. B. (welche Herablassung!) einen gemeinen Soldaten: Habt ihr heute schon Fleisch empfangen? Antwortet dieser: Nein! dann reitet er zu Haus, und sagt beim Abendschmaus: Meine Diviston oder meine Brigade liegt heute schlecht; wir dürfen froh sein, daß wir noch Haber für unsere Pferde und hübsche Ställe gefunden haben. Ist endlich ein paar Tage Ruhe im Bivouaque, dann muß er finden, daß die Leute die Stallung vernachlässigen, und diese, so wie das, was sonst für die Garnisonsparaden nöthig, üben lassen. Ist er hübsch logirt, so läßt er zum Vergnügen seiner Hausleute seine Brigade die Revue passiren; dadurch werden die Staabsoffiziere und Regimenter immer in Spannung erhalten, und die Furcht vor den Revuen wird sie unausgesetzt exerzieren lassen. Denn Furcht ist die große Feder in dem Mechanismus einer Armee. §. 5. Von den Unteroffizieren. Das sind solche Soldaten, welche man mit dem Stock, sondern mit der Offiziersklinge peitscht. Sie müssen deßhalb einen viel feineren Rock und Ehrenpunkt haben, als jene, welche von der Haselnußstaude bedient werden. Sie müssen, besonders was die Feldwaibels sind, für ihre Offiziere die Ordrebücher mit im Kopf herum führen. Weil sie von ihren Staabsoffizieren als Kammerdiener, oder Kindswärter, oder Stallknechte, oder Hundsführer, unter dem Namen Ordonnanz gebraucht werden, so verlangt man von ihnen auch größere Propretät und Bildung, um diesem ehrenvollen Zutrauen entsprechen zu können. Einige meinen, es seie nicht rathsam, dem Unteroffizier mehr als Lesen, Schreiben und die vier species lernen zu lassen, weil sie sonst in ihrer Bildung höher steigen würden, als manche ihrer Vorgesehen stehen, und weil die verächtliche Art, mit welcher sie zum Theil von ihnen behandelt werden, dann einen schädlichen Einfluß auf ihren Charakter haben dürfte. Der letzte Grund hat Uns schon gar nicht eingeleuchtet; was hat denn der Charakter mit dem Soldaten und dem Dienst zu schaffen? Man bleibe Uns doch künftig mit dem Charakter vom Leibe! §. 6. Vom Soldaten. Was soll man von diesem armen Tropf sagen. Dem General und jedem Stab gegenüber ist er gar nichts. Ihr Wink macht ihn erst zu etwas. Ueberhaupt darf er seinen Vorgesehen gegenüber weder Hoffnungen, noch Ansprüche, noch Rechte blicken lassen, sondern nur eine demüthige Anerkennung seines ewigen Unrechts; dann kann er so ziemlich existiren. Er muß ferner ohne Ehre und voll Ehre, kraftlos und voll Kraft, ein Sklave seiner Vorgesetzen, und ein Achill gegen den Feind sein können. Aber nicht allein für seine Person, auch für seine Vorgesetzen muß er sich bequemen, Unrecht zu haben. Seinen Magen und die Geschäfte des Anfüllens und Ausleerens im Körper wird er jedesmal nach Vorschrift einrichten; dabei aber unter allen Umständen von einer unersßöpflichen Kraft und Gesundheitsfülle durchdrungen sein, weil er sonst seine Offiziere und übrigen Vorgesetzen gegen sich aufbringen würde. Ist nicht zu ändern, und muß dabei sein Verbleiben haben. ad d §. 7. Von dem Exercieren der Handgriffe. Das Wichtigste und teuerste im Dienst sind die Ehren– Wachen und Staabs– Posten. Wir sind, dieser Wichtigkeit eingedenk, auch besorgt gewesen, die seither üblichen Ehrenbezeugungen, die nichts aussprachen, dem jetzigen Zeitgeiste mehr anzupassen, und glauben Uns durch diese Verbesserung, quasi Erfindung, den Dank der Nationen verdient zu haben. „Ehrenbezeugungen vor dem Herrn Bürgermeister.“ Um den höchsten Grad der Macht und der Gewalt, die derselbe besitzt, und was derselbe damit effektuirt, recht deutlich zu bezeichnen, so präsentiren ihm die Posten auf folgende Art mit der Schreckens– Physiognomie: Die Schildwache blaset sich auf 50 Schritte die Nasenlöcher auf; auf 30 werden die Augenbraunen die Stirn hinauf gedrückt, der obere Augenliedmuskel reißt den Augendeckel gewaltsam in die Höhe: auf 20 Schritte öffnet sich der Mund, der Oberleib geht zurück, der Mann sinkt in die Knie zusammen, und hält mit Mühe sein Gewehr zum Präsentiren. Man nennt dieß die Schreckens– Physiognomie, sinnbildlich anzuzeigen, daß vor solcher Gewalt und Macht Alles erzittern und erbeben müsse. Das Kommando hiezu ist: „Ergreift die SchreckensPhysiognomie! Eins, zwei, drei!“ Auf das dritte Tempo sinkt er in die Knie. Das Aufreißen des oberen Augendeckels zu erleichtern, soll das Augenlled des Rekruten 6 Wochen lang mit Oel eingesalbt werben; auch sollen die Leute öfters mit offenen Augen schlafen, welches die Hasen gewöhnlich thun sollen. ad e. „Ehrenbezeugung vor der Frau Bürgermeisterin.“ Mit der süßfreundlichen Physiognomie. So wie der Herr Bürgermeister das Gewaltige und Große, so bezeichnet die Frau Bürgermeisterin das Schöne und Liebenswürdige im Vaterland, muß also auch die Ehrenbezeugung darauf hindeuten. Erstes Tempo. Auf 50 Schritte ziehen die Posten die Nasendeckel in die Höhe, die Mundwinkel verlängern sich um drei Striche gegen die Ohren. Zweites Tempo. Auf 30 Schritte werden die Augenlieder auf sechs Striche Oeffnung geschlossen; das Gewehr wird im linken Arm getragen. Drittes Tempo. Auf 15 Schritte drücken sich die Augenlieder bis aus vier Striche Oeffnung zu; der Trompetermuskel zieht die Mundwinkel gewaltsam gegen die Ohrläppchen; die Brust geht vor; der rechte Fuß steht in der dritten Stellung, und das Gewehr wird an das Herz gedrückt, sinnbildlich anzuzeigen, man sei geneigt, für das Liebenswürdige und Schöne das Aeußerste zu thun. Uebrigens müssen die Griffe bei dieser Salutation mit aller, dem Zartgefühl der Frauenzimmer schuldigen Delikatesse, und ohne Geräusch applizirt werden. Das Kommandowort dazu ist: „Legt an die süßfreundliche Physiognomie! Eins, zwei, drei!“ woraus Alles nach Vorschrift vollzogen wird. „Ehrenbezeugungen vor der hohen Generalitär und anderen solchen hohen Magistrats–Personen, denen dieselben in ihren Besoldungspatenten angerechnet worden sind.“ Diese werden mit der Respekts–Physiognomie gemacht. Diese soll hier gleichsam die Verwunderung anzeigen über die hohen Stellen, zu welchen obgedachte Personen gelangt sind. Es müssen deßhalb die Posten den Kopf vor und die Knie und Schuhspitzen einwärts reiben, übrigens aber gemeine Gesichter machen. Das Gewehr wird dabei zum Fuß genommen. Frommer Wunsch. Hoch oben im Kyffhäuser ruht Der Kaiser festgebannt, Und mit ihm in der Tiefe schläft Noch schier das ganze Land. Noch fliegen, die einst hier gekrächzt, Die Raben überall Und müh'n sich, als Nachtwächter, ab Gen jeden Sonnenstrahl — Als ich des Berges Höh erklomm, Da wars gar still ringsum, Und wie ich auch dem Kaiser rief, Der Kaiser der blieb stumm. Ach hätt' ein Riesenhorn ich hier Wie's nie ein Ochse trug, Dann blies ich unaufhörlich fort Mit vollem Athemzug. Ach könnte ich, wie der Kriegsgott Mars Stark wie zehntausend schrein! Dann schrie ich nimmermüden Munds Von hier ins Land hinein. Ein mancher Schläfer würde dann Vom Schlummer aufgeschreckt, Der alte Rothbart selber würd' Am End' noch aufgeweckt. Und wären sie versammelt all Die Schläfer ringsumher: Dann wollt' ich daß ich Flügel hätt' Und eine Lerche wär. Dann flög' mit schmetterndem Gesang Dem Zuge ich voran, Und kündete dem Vaterland Des Tags Erwachen an! — Eine sehr erfreuliche Nachricht. „Guten Morgen, Herr Advocat.“ „Recht guten Morgen, mein Herr, — mit was kann ich dienen?“ „Ich hab' in Triest, wo ich in Arbeit stand, in den Zeitungen gelesen, daß Sie mir eine sehr erfreuliche Nachricht mitzutheilen haben; da hab ich meinem Meister gekündet und mich schleunigst auf die Sohlen gemacht, um nun zu hören, was es ist.“ „Ei, sind Sie der Herr Müller? Nun, das ist ja recht schön, daß Sie endlich einmal da sind. Ich habe Ihre Hierherberufung in alle vorzüglicheren Zeitungen Europas einrücken lassen, und das freut mich, daß Sie doch endlich einmal aufgefunden worden sind.“ „Nun, Herr Advocat, wollen Sie aber auch so gütig sein und mir sagen, in was denn eigentlich diese sehr erfreuliche Nachricht besteht?“ „Ja so. — Sehen Sie, Ihr Vetter Knödelmayer ist gestorben, und hat Ihnen 191 fl. 37 kr. 3 pf. vermacht.“ „Aber Herr Advocat, wenn ich gewußt hätt', daß es weiter nichts wär', so hätt' ich meine gute Arbeit nicht aufgeb'n. Doch ist's immer besser, 'was als nix, man muß halt auch mit Wenigem zufrieden sein. — Kann ich das Geld vielleicht gleich empfangen?“ „Entschuldigen Sie; — hier leg' ich Ihnen die Rechnung für meine Gebühren inclusive der Auslagen, namentlich der Inserations– Gebühren vor, wonach Sie noch gefälligst 1 fl. 42 kr. 1 pf. daraufzubezahlen haben.“ „Was Herr? — ich glaub', Sie woll'n mich foppen?“ „Mit nichten, wolln Sie sich nur gütigst selbst überzeugen.“ „Und das nennen Sie eine erfreuliche Nachricht, daß? Und auch noch sehr erfreulich? Na Herr, das nennt unsereins: die Leut' angeführt!“ „Will Er nicht so anzüglich werden, sonst häng' ich Ihm einen Injurien– Prozeß an den Hals, dann kann Er sehen, wie's Ihm geht.“ „Steht's so? — Nun gut, ich will zahln, sonst zieht man mir am End' die Haut auch noch ab. Da, da ist's Geld, und b'hüt' mich Gott vor allen Advocaten, wie Sie sind, und solchen sehr erfreulichen Nachrichten.“ Gerichtsdiener. Vor dem März 1848. Nach dem März 1848. Niederschlagendes Mittel. „Wo kummst denn Du her, Maierbuber, — und gar so hitzi?“ „Ich? — i kumm von dene ihre Kommunisten– Versammlung.“ „Nu was is denn, bist Du epper nimme dabei?“ „I?— i that mi schaame, wenn i mehr mit dene Leut' z'samma halten that.“ „So sag' nur, was is denn g'scheh'n?“ „Schau, — i mach' ihne da en ganz vernüftige Vorschlag, daß nemli, wenn's an's allgemeine Gütervertheil'n geht, i, — der die ganz Gschicht angestiefelt hat, — doch wenigstens 's Doppelte kriege; — was thun's? Anpackt un 'nausg'schmissa hab'ns mi!“ „Ja, — des is mir passirt! — Aber jetzt, jetzt kummt mir auf a mol mei ganzer Patriotismus wieder, — und stark, so stark, daß er dene und uns g'fährli werden kunnt; — d'rum lauf ich jetzt glei zum Mohrlebräu, — der hat's schlechteste Bier hier, — und hol' mir a paar Maaßerl'n, damit i ihn doch wenigstens wieder einigermaßen dämpf'!“ Flachsenfinger Kriegsaffairen. Auf Ausschreiben des Bundestages sieht sich der Fürst von Flachsenfingen veranlaßt, seine Truppen einzuberufen. Es erscheinen fünf Mann und ein inzwischen Gestorbener. Der Gestorbene wird aus den Listen gestrichen und durch einen Rekruten ersetzt. Der Fürst ist in großer Verlegenheit wegen der Wahl eines Generalissimus für die Armee. Da er in seinem Lande kein taugliches Individuum findet, ernennt er für diese Stelle einen Ausländer, aus dem benachbarten deutschen Bundesstaate. Dieser Schritt verletzt den Patriotismus der Flachsenfinger auf's Aeußerste. Sie werfen in der Residenz einige Fenster ein, und zwingen den Fürsten, den Ausländer alsbald wieder zu entlassen. Es thut sich ein Flachsenfinger in der Person eines ehemaligen, seither auf seinen Lorbeern ausruhenden preußischen Wachtmeisters hervor und übernimmt das Oberkommando. Die Truppen werden eingeübt, sehen sich aber wegen Beschränktheit des hochfürstlichen Territoriums in ihren Manövern sehr gehindert, und sind gezwungen, an einer Stelle die Landesgränze um einige Schuh zu überschreiten. Wegen sothane Grenzverletzung protestirt der benachbarte Landesfürst und verwahrt die Marken mit Staffetten. Der in Folge dieser Maßregel sehr beengte Raum nöthiget die Truppen, Mann auf Mann zu exerciren. Die Flachsenfing'sche Armee marschirt an den Rhein ab; der Fürst überreicht ihr eigenhändig die Bundesfahne. Auf dem Wege wird die Flachsenfing'sche Armee in einem Bauernhofe einquartiert und verübt dort einige Excesse. Der Bauer und seine Knechte jagen die gesammte Heeresmacht zum Hause hinaus. Am Rhein angelangt, wird die Flachsenfing'sche Armee befehliget, ein gegen den Feind vorgerücktes Sommerhaus zu besetzen. Die Franzosen greifen die Position des Flachsenfing'schen Heeres mit Sturm an. Dieses ergibt sich, aber stirbt nicht. Adalbert Müller. Zur Organisation der Arbeit. „Edward, welche Ansicht hast du eegentlich von der Organisation von der Arbeit.“ „Siehst de, Willem, des will ich dir sagen, in wenig Worten diese: Des Morgens, wenn mer umme Achte ufsteht, was Gut's z'esse un ä Glas Doppelkimmel, un denn mache mer ä Spaziergängle. Umme Neine ä Glas Pomeranzen un wieder was Gutes z'essen, un wieder ä Spaziergänge. Umme Zehne wieder ä Glas, enwedder Anis, oder Goldwasser, oder Pfeffermünze, oder Ypsilanti, un des so von Stunde zu Stunde, un immer was Gut's z'essen dazu un ä Spaziergängle druf. Verstehst de? Un derzwischen per se immer de ordentlichen Mahlzeiten mit was Gutem.“ Unrecht. „Es ist Unrecht, schreiend Unrecht, Verrath, Betrug! Viele haben 15 Jahre gesessen und wurden zum Partament gewählt, ich habe nur ein Jahr gesessen und dennoch hat man mich hinterlistig übergangen.“ Der neue Winkelried. „Das war ein Ritter noch mit Fug, Der wie ein heiß' Gewitter Die Knechte vor sich niederschlug: O wär ich solch' ein Ritter, Auf stolzem Roß von schnellem Huf, In schimmerndem Kürasse, Zu sterben mit dem Donnerruf: „Der Freiheit eine Gasse.“ (Aus der „Freiheit eine Gasse“ in den Gedichten eines Lebendigen von Georg Herwegh.) ==== FB70147 Bürgerwehr– Lieder Von Feodor Löwe. 1. Der Exercierplatz. Das ist der große Schooß, halt an, Der uns die neue Zeit gebiert, Wo man den kriegsunkund'gen Mann Zum Dienst der Waffen ererziert. Achtung! — Rechts richt euch! — Steht! Da übt die kleine Bürgerzahl Wie sie der Wind zusammenblieb; Als Hintermann wer stolz befahl Und vorn wer sich befehlen ließ. Schultert's Gewehr! Die Herrn vom Hofe, vielgeschmäht, Beim vielbelachten Schneider Bock Und all einförmig eingenäht Im passenden Soldatenrock. Präsentirt's Gewehr! — Der Friede trennt den Stand vom Stand; Doch wenn das Land nach Hülfe schreit, Dann wird die hart' und weiche Hand Nur eine Hand zum Schlag bereit! Fällt's Gewehr! Was jung, schließt sich der Jugend an Das Alter prüft den Freund genau, Doch droht der Feind, wie eilig dann Stellt sich zusammen Blond und Grau. Macht euch fertig! — O Schreiner, Schlosser, Gerber, Schmied, Graf und Baron, ein jeder Stand! Aus allen Gliedern nur ein Glied. Mit Gott für Fürst und Vaterland! Schlagt an! Feuer! — 2. Der Posten. Durch öde Gassen pfeift der Wind, Gar still und finster ist die Nacht. Da drüben schläft mein Weib und Kind, Und ich steh' unten auf der Wacht. Was kümmert mich der scharfe Hauch? All', was ich liebe, das liegt warm; — Nur hin und her, Soldatenbrauch! — Und ruhig das Gewehr im Arm! — Du alter Gott, schlimm ist die Zeit! Halt uns vom Haupt Raub und Verrath! — Für Ordnung und für Sicherheit, Da wird der Bürger ein Soldat. Das angestammte „Gute Recht,“ Wir schützen es zu jeder Frist. Stark sein im Frieden und Gefecht — Fürst, sieh', was Bürgertreue ist. Durch öde Gassen pfeift der Wind, Gar still und finster ist die Nacht. Schlaf ruhig drüben Weib und Kind, Du Fürst und Stadt, der Bürger wacht! 3. Felddienst. Frisch auf zum frohen Jagen, Die Stunde hat geschlagen, Nun schlagen wir darein. Ihr Schützen frei und munter, Bergauf und bergherunter Waldaus und querfeldein. Was raschelt durch die Hecken Und sucht sich klug zu decken? Halloh, ihr Schützen vor! Der Feind mit scharfen Lanzen, Hornist, blas auf zum Tanzen Den Baß brummt unser Rohr. Laßt sie nicht lange plänkeln, Laßt sie nicht lange kränkeln, Der Reitertod ist rasch! Sie sollen nicht entwischen, Mit stolzen Federbüschen. Ein jeder Schuß, ein Pasch! Ein Ziel für unsre Büchsen, Und wenn sie zahllos wüchsen Wie Pilse über Nacht. Das Herz in ihrem Leibe Ist unsre beste Scheibe! Schieß' schwarz, Kam'rad, hab Acht! Die Kugel, die ich sende, Pfeift manchem Bursch sein Ende Trotz Lederwerk und Wamms. Das ist ein lustig Knallen! Und sollt' ich selber fallen, Fällt nur ein Zweig des Stamms. Der Stamm wird feste stehen, Ob auch die Stürme wehen — In goldnem Freiheitsschein! Wird Laub für Kränze tragen! Frisch auf zum frohen Jagen, Die Stunde schlägt, schlagt drein! — 4. Die Patroille. Patrouillen– Dienst, o schwere Wacht, In kalter dunkler Regennacht So auf und ab marschiren; Mit nassen Füßen, hu, ein Graus! Da stebt mein friedlich Bürgerhaus, Mein Weib schläft, ich muß frieren! Wir sind beordert, commandirt, Daß nicht die Gassenbrut probirt Die Fenster einzuschmeißen. Wer sich nach Zehn noch mausig macht, Dem sollen wir mit Kolben sacht Den Weg zur Herberg weisen. Es spricht sich gut beim Glase Wein: Wie leicht ist's ein Soldat zu sein, Fußgänger oder Reiter! Doch ruft der Dienst, Marsch oder Rund' Dann geht und reitet man sich wund, Kriegt Leibweh — und so weiter! Den Tag an meiner Hobelbank Und Abends in der Nachb'rin Schank Beim Vetter Seifensieder; Der Handschuhmacher führt das Wort, Den besten Achter trinkt man dort, Der stärke mir Herz und Glieder. Du liebe Zeit, wenns doch so blieb Wie ich's seit 20 Jahren trieb. Zum Teufel die Franzosen! Die fragen nicht nach mir und dir; Mitbürger, ach wie scheuen wir Vor ihren rothen Hosen. O wär's doch schon um Mitternacht Dann ist vorbei, dann ist vollbracht Das Stehn und Patrouilliren! Morgen, den Hut aufs Ohr gedrückt Sprech' ich: wir waren ausgerückt Es konnte nichts passiren! — Die Normalhand. „Hier haben Sie ein sonderbares Instrument, Herr Landrichter, ist es vielleicht eine Normalhand?“ „Das nicht, mein Bester: es dient zu meinem speziellen Gebrauch. Wenn ich nämlich einem Bauern das Handgelöbniß an Eidesstatt abzunehmen habe, so bediene ich mich dieser hölzernen Hand statt meiner eigenen, weil es gegen mein innerstes Wesen ist, so jedem schmutzigen Bauernkerl meine eigene Hand zu geben, zumal, da es sich hier blos um die Formalia handelt.“ Der barmherzige Samaritan. Schullehrer. „Liebe Kinder! Ihr habt nun alle die Geschichte von dem Samariter gehört! Johannesle! Was würdest du jetzt thun, wenn du einen Mann zerschlagen und voll Wunden finden würdest?“ Johannesle. „Volli täudt macha. (Vollends todt machen.)“ Eine Stunde aus dem Leben eines Volkstribun. Meine Herren, Sie sind ganz in Ihrem Rechte — die Arbeitszeit ist zu lang, der Lohn zu gering, das muß anders werden. Ich werde mich der Sache energisch annehmen. Ihre Meister müssen das einsehen lernen! Verlassen Sie sich nur ganz auf mich. Meine Herrn und Mitbürger! Ich kann Ihnen Ihre Klage über die Arbeitsscheu Ihrer Gesellen durchaus nicht verdenken! Die Gesellen müssen in Zukunft länger arbeiten und der Lohn wird ganz dem Ermessen der verehrlichen Herren Meister anheimgestellt. Ich werde das gehörigen Orts anzubringen und durchzusetzen wissen! Sie können fest auf mich bauen, wertheste Mitbürger! Es ist mir unendlich schmeichelhaft, meine sehr verehrten Damen, daß Sie mir ihr Vertrauen zuwenden. Ich finde es ganz in der Ordnung, daß die Polizeistunde viel zu weit hinausgerückt ist. Ich werde alle meine Kräfte aufbieten, dahin zu wirken, daß mit dem Zapfenstreich sämmtliche Ehemänner zu Hause sein müssen. Es soll meine heiligste Angelegenheit sein, Sie meine werthesten Damen hierin ganz zufrieden zu stellen! — Nichts natürlicher, meine lieben Mitbürger, als daß Sie nach des Tages Last und Arbeit Abends einiger Erholung bedürfen! Ich bin in der gleichen Lage, wie Sie Alle. Die Polizeistunde ist ein Ueberbleibsel der alten Tyrannei! Mein ganzes Bestreben soll vor Allem auf die Abschaffung dieser lästigen Zwangsmaßregel gerichtet sein! Sie sollen in Ihrem Vertrauen sich nicht getäuscht sehen! Schon längst habe ich mir vorgenommen, ihr Institut so zu organisiren, daß das Nachtwachen der Nachtwächter gänzlich aufhört. Sie sind ja auch Menschen, wie andere, und fühlen gleiche Bedürfnisse! Mein Antrag, den ich betreffenden Orts stellen und durchsetzen werde, wird dahin gehen, daß den verehrlichen Nachtwächtern ihr Dienst in der weitesten Ausdehnung zu erleichtern ist. Wie dies zu realisiren ist, das ist Sache der Regierung, allein die Regierung muß in diesem Punkte ihren Beschwerden abhelfen: Ich werde das zu bewirken wissen! Ich kann Ihnen, meine Herren, als Hausbesitzern durchaus nicht unrecht geben, vielmehr, ich stimme Ihnen völlig bei! Die Nachlässigkeit, mit welcher die Nachtwächter ihren Dienst versehen, ist leider nur von den übelsten Folgen. Ich werde bei der betreffenden Behörde die bündigsten Schritte thun, um eine diesfallsige Aenderung zu erzielen. Daß ich es durchsetze, dafür bürgt Ihnen mein Name, meine bekannte Thätigkeit als Bürger und Volksfreund! Allerdings meine Herren, ist es eine grobe Verletzung der Gesetze, eine Beeinträchtigung ihres Geschäftes, wenn der Handel mit Flugschriften auf die Weise, wie bisher, fortbesteht! Ich werde dem Hausiren und Colportiren den strengsten Einhalt zu thun wissen! Sie können ganz auf mich rechnen. Diese Unordnung muß aufhören, und die Behörde muß dagegen einschreiten. Ich werde dies einzuleiten und in kürzester Zeit durchzusetzen wissen! Sie haben mir das Wort aus dem Munde genommen, meine hochgeehrtesten Herren! Verbreitung der Aufklärung ist eine der heiligsten Pflichten des Staates! Sie beanspruchen daher ganz mit Recht eine Unterstützung aus Staatsmitteln. Diese soll Ihnen werden, soll Ihnen durch mich werden! Fahren Sie nur eifrig fort, und suchen Sie Ihren Flugblättern die möglichst schnellste Verbreitung durch Hausirer und Colporteure zu verschaffen. Nach dem Maaße Ihrer Tätigkeit wird sich die Größe der zu erhaltenden Pension richten. Wir gehen einen Weg, meine Herren! Nur die Republik kann unseren kranken Zuständen wieder Kraft und Leben einflößen! Die Zeit der Monarchie ist vorüber! Es ist der ewige Weltgang, daß aus der Monarchie die Republik sich entwickelt. Wir müssen daher vor Allem dahin arbeiten, daß der Entwicklung dieser freien Staatsform nichts in den Weg gelegt, ja vielmehr, daß sie auf jede Weise befördert wird. Auf mich können Sie zählen, ich werde den geringen Einfluß, den ich zu besitzen mir schmeichle, aufbieten, um mit Wort und That den Sieg der republikanischen Ideen zu beschleunigen! — Unsre einzige und höchste Aufgabe ist gegenwärtig, wie Sie meine Herren ganz richtig bemerkt haben, dahin zu streben, daß die Monarchie nicht im Strudel der Republik, der Anarchie untergehe! Es gilt ein festes Zusammenhalten! Monarchie war von jeher die beste Regierungsform, aus jeder Republik ist zuletzt die Monarchie hervorgegangen, das lehrt uns die Geschichte seit Jahrtausenden. Ich werde übrigens nicht ermangeln, Ihre loyalen Gesinnungen heute bei Hofe anzuführen; unser geliebter Herrscher wird mit Huld und Gnade die Treue und Unwandelbarkeit seiner Bürger aufnehmen! Leider kann ich Ihnen, meine werthesten Herren, in dem Augenblicke nur Worte geben, aber diese Worte sollen in der kürzesten Zeit zu Thaten werden! Die Idee des Communismus ist zu wahr und ihre Ausführung für Sie und ihre Herren Collegen von zu großer Wichtigkeit, als daß man noch länger damit zögern dürfte! Bauen Sie auf mich. Ich vermag etwas durchzusetzen! Haben erst alle Menschen gleich viel Vermögen, dann wird alles anders, alles besser werden. Zu lange Zeit hindurch hat es mehr Arme als Reiche gegeben, dieser Mißstand muß aufhören und ich werde meinen ganzen Einfluß aufbieten, Ihre Forderung zu realisiren. Glauben Sie mir, hochgeehrteste Herren und Mitbürger! Der Communismus muß und wird unterdrückt werden! Wo wollte man sonst hinaus? Wir sollten unser mit saurem Schweiße erworbenes bischen Vermögen mit Lumpen und Vagabunden theilen? Das klingt beinahe lächerlich! Allein Sie dürfen darüber ganz unbesorgt sein! Dafür bin ich da! Ich werde Alles aufbieten, diese gefährliche Hydra unschädlich zu machen! Zumal da es ein Naturgesetz ist: Der Arme muß arbeiten, der Reiche genießen! Wir wollen uns den Genuß nicht von dem blassen Gespenst des Communismus stören lassen. Ich werde die nöthigen Maßregeln zu treffen wissen! Meine lieben jungen Freunde! Auch ich war einst am Gymnasium! Auch ich habe geseufzt und geknirscht unter der unsäglichen Tyrannei willkürlicher Gesetze und Professoren! Ueberlassen Sie mir Alles! Sie sollen und müssen die ausgedehntesten Freiheiten erhalten! Es wäre wirklich ein Hohn auf die Freiheit, welche wir genießen, wenn es noch Leute gäbe, die von zopfigen Gesetzen beschränkt würden! Vorwärts ist das Loosungswort der Zeit, und Niemand darf zurückbleiben! Mit gerechter Entrüstung habe ich aus Ihrem Munde, meine sehr gelehrten Herren, vernommen, welch' unseliger Geist sich der studirenden Jugend bemächtigt hat! Wehe uns, wehe dem Staate, sollte derselbe weiter um sich greifen! Nur durch die äußerste Strenge der Gesetze kann diesem Uebel abgeholfen werden! Die bestehenden Gesetze lassen den jungen Leuten noch immer viel zu viel Freiheit! Uebrigens werde ich deshalb unverzüglich meinen Antrag bei der obersten Schulbehörde stellen, und ich werde meinen Worten Nachdruck zu geben wissen! Videant Consules! etc. Schluß. Hol' der Henker all die Deputationen! Keinen Augenblick Ruhe! Das ist zum Davonlaufen! Und jeder muß ich beistimmen, jeder meine thätigste Hilfe zusichern, denn sonst ginge meine ganze Popularität in der nächsten Stunde zum Teufel! — Herr Gott! welch ein Narr bin ich gewesen, als ich zum ersten Male öffentlich auftrat! Kaum kann ich ruhig essen! Schlafen kann ich ohnehin nicht mehr — ich bin ein Mann des Todes, wenn das noch eine Woche so fort geht! Man verlangt zuletzt von mir, ich solle den Mond herunterholen, und ich muß es zusagen, um nicht meine Popularität zu verlieren! — O Popularität ! ! ! Industrie. „Frau Nachbarin, leihen Sie mir doch für heut Nachmittag Ihren kleinen Pepi, ich möchte betteln gehn.“ „Meinetwegen, ich muß waschen: heut kann Sie ihn haben; aber morgen brauch' ich ihn selber.“ Ein Auswanderer. „Man hat mich nicht gewählt in's große Parlament, man hat nicht gewollt, daß ich beglücken helfe die Nu's, habe ich doch gesprochen wie Kung– Futse in der Tiantihui d. i. die himmlisch– irdische Versammlung!“ — — Galgensachen. Sohn. (Verzagt und wankend.) „Die Raben krächzen, und der Galgen dort Blickt spuckhaft nieder von dem Schauerort. Der Mond, er scheint so bleich; durch Moor und Busch Entflieht das Wild — wie grausig — horch — husch! husch! Mir wankt der Fuß, ich kann nicht weiter gehen, Nicht länger nach dem Hochgericht hinsehen, Ach, ach! was fehlt mir? — ich bin krank!“ Vater. „Du hast die Galgenscheu'.“ Sohn. „O sprich, was hilft dafür?“ Vater. „Scheust Du den Galgen Sohn, so stiehl Entweder gar nichts — oder viel!“ Vergnügungsreise. Der Zweck Ihrer Reise? meine Herren!“ „Vergnügen.“ Ausnahme. „Also Herr Rath, kann ich mir gar keine Hoffnung machen, den Plan meiner neuen Facade genehmigt zu sehen?“ „Nicht die geringste — Sie werden selbst einsehen, daß bei uns keine Rede von einer Ausnahme sein kann.“ — „Dann thut es mir für Ihren Herrn Bruder fast eben so leid, da er bereits die ganze Arbeit in Akkord genommen,“ — „Was Sie sagen, mein Bruder? — Aber lieber Freund, warum sagen Sie das jetzt erst — ich werde im Augenblick die Genehmigung unterzeichnen.“ Der Entbehrliche. Wahre Abbildung des unglücklichen Individuums, welches in einem pommer'schen Wahlbezirke deßwegen zum Parlament gewählt wurde, weil dasselbe beim Feldbau am leichtesten entbehrt werden konnte. Bummelmeiers Klage. Was fang ich an in dieser Zeit? Es will mir gar Nichts frommen. Nach Schleswig wollt' ich in den Streit, Bin dort zu spät gekommen. Im Schwarzwald hätt ich herzlich gern Die Republik gestiftet; Doch war ich noch in weiter Fern' Als sie schon lang verdüftet. Ins neue deutsche Parlament Ließ ich mich gerne schicken, Allein da mich kein Wahlmann kennt So kann mir's niemals glücken. Und weil ich Nichts zu treiben hab', Bleibt mir nur Eins auf Erden: Ich wart den deutschen Kaiser ab Und will sein Hofnarr werden. Derselbe wird mich sicherlich Zu seinem Dienst erlesen, Denn er ist selbst, so gut wie ich Ein höchst zweckwidrig Wesen. J. S. ==== FB70148 Brief eines Freiwilligen von der Flachsenfinger Gränze an einen Bekannten in Wien. Den 30. Mai 1848. Lieber Freund! Du wirst aus dem Postzeichen meines Briefes erkennen, daß wir noch an unserm Sammelplatze, an der Gränze von Michelhausen und Flachsenfingen stehen, um die zuströmenden Truppen der Freiwilligen, welche uns Deutschlands Sympathie für die Sache Flachsenfingens verheißen, abzuwarten, um dann in Masse unsern deutschen Brüdern zu Hülfe eilen zu können. Daß uns dabei die Zeit etwas lang wird, ist, wie ich sehr gut einsehe, nur unserm ungestümen Muthe zuzuschreiben, denn wir sind nicht so unerfahren, um nicht einzusehen, daß es in Deutschland unmöglich ist, eine solche Sache in 2 – 3 Monaten zu erledigen, wenn man bedenkt, welche Zeit es erfordert, bis sich die Leute zusammengefunden, die Erlaubniß hiezu nachgeholt, die Waffen erhalten, sich vollständig armirt, montirt und endlich noch ausgemacht ist, was man eigentlich wolle und wohin man wolle. Wir hoffen, wenn nur der zehnte Theil derjenigen, welche für unsere Sache geschwärmt haben, hier ankömmt, zu einer furchtbaren Macht anzuwachsen, welche schon durch den Namen ihrer Zahl die Feinde verscheuchen soll. Bis jetzt sind unser 130 Landsleute aus allen Gauen Deutschlands beisammen, und wir haben uns sogleich nach Landsmannschaften in 98 Clubs und geslossene Gesellschaften getheilt, um ein festeres Zusammenhalten und Aneinanderschliessen zu begründen. — Im Allgemeinen genommen, ist unser Garnisonsleben hier eben nicht unangenehm, nur schlagen wir etwas viel Geld durch. Die Leute unseres Ortes tragen uns aber auch im wahren Sinne des Worten auf den Händen, so sehr schätzen sie unsere Aufopferung. Mit dem Exerciren plagen wir uns eben nicht viel, desto mehr Arbeit macht uns aber der Unterricht im Unterscheiden und Erkennenlernen der verschiedenen Freicorps– Uniformen, ihren Abzeichen etc. Wir haben zu diesem Zwecke eine eigene Modellen– Sammlung angelegt, und in der sichern Voraussicht, daß durch das stete Zuströmen neuer Schaaren das jetzige Local hiezu nicht mehr ausreichend sein wird, den Beschluß gefaßt, ein Comité niederzusetzen, welches den Bau eines „deutschen Freischaaren– Uniformirungs– Museums“ in griechischem Style auf eine unsers Vaterlandes würdige Weise augenblicklich ins Werk setzen solle, wozu die Kosten durch eine Sammlung freiwilliger Beiträge herbeigeschafft würden. Wir haben auch schon einen passenden Platz hiezu ausersehen, da wir in die allgemeine Theilnahme zur Ausführung dieses National– Werkes nicht den geringsten Zweifel setzen. Wir haben auch eine eigene Commission zur Ueberaufsichtigung unserer Armirung und Equipirung zusammengestellt, und zwar durch absolute Stimmenwahl, und diese hat dann aus sich ein Comité gebildet, welchem eine eigene Section von Künstlern an die Seite gestellt wurde, um passende Muster von Uniformen anzufertigen und obenbenannter Ueberaufsichtigungs– Commission vorzulegen. Da der hauptsächlichste Zweck der Uniformen möglichste Unterscheidung der verschiedenen Corps nebst gleichzeitlicher Kenntlichkeit des Ranges und Standes ist, so ist bei der großen Anzahl der schon bestehenden und noch zu bildenden Corps diese Aufgabe eine sehr schwierige, und schon sollen, wie ich gehört habe, die Anzahl der Grundfarben mit ihren verschiedenen Mischungen zu diesem Zwecke nicht mehr ausreichen, weßhalb wahrscheinlich von der Bundesversammlung in Frankfurt durch eine dahin abzusendende Deputation darüber Rath und Entscheidung erholt werden soll. Die Arbeiten dieser Commission sind schon ziemlich weit vorgeschritten, und man muß nur staunen über die sinnreiche Verschiedenheit und Placirung der ähnlichsten und heterogensten Merkzeichen. Dieselben bestehen größtenteils aus Cocarden, Bändern, Schleifen, Knöpfen und Federbüschen an den Hüten oder Mützen, einige Binden an jedem Arme, ein paar Abzeichen am Rücken, Streifen an den Beinkleidern etc., darüber die Bandeliers, und es ist keine Kunst mehr, einem, man mag ihn von hinten oder vorne, oder von der Seite sehen, sogleich den Namen seines Corps, sein Vaterland, Geburtsort, militärischen Rang, kurz Alles mit den Augen herabzulesen, wenn man es so weit gebracht hat, alle diese Unterscheidungsmerkmale auswendig gelernt zu haben. Das werden wir aber mit der Zeit vielleicht schon lernen.*) Gestern hatten wir Officierswahl, da unser Lieutenant wegen der Entbindung seiner Frau nach Hause gereist ist. Es wurde einstimmig der Blitzmaier Anton, den Du wohl noch kennen wirst, gewählt, und ich habe auch das möglichste dazu beigetragen, denn jeder von uns war froh, ihn aus Reihe und Glied hinauszubringen, weil er uns alle nur immer mit seinem schlechten Exerciren irre gemacht hat. Als Officier, dachten wir uns, hat das nicht so viel zu sagen, und dann können wir ihn, wenn es fehlt, doch immer corrigiren, weil er vor uns hermarschiren muß und wir ihn da nicht so leicht aus den Augen verlieren. So geht es, wenn man die Officiere erst wählt, wann sie schon exerciren gelernt haben, da haben sich die Leute schon näher kennen gelernt, und es treten dann verschiedene Rücksichten ein, während bei einer Wahl, wobei keiner den andern kennt, gleichsam eine Art Gottesgerichtes statt findet. Gestern kamen 2 Fuhren bayerischen Bieres hier an, und wir glauben deßhalb auch mit Sicherheit auf baldigen Succurs von dorther rechnen zu dürfen. Jetzt zum Schlusse. Ich habe Dir alle diese Bemerkungen mitgetheilt, theils um Dir zu zeigen, daß wir doch für das Wohl des Ganzen thätig sind, theils, damit Du die Erfahrungen, die darin enthalten sind, unsern Freunden und Bekannten zur Beherzigung mittheilen kannst, theils, um auch aufzumuntern, bald nachzukommen. Unser Wahlspruch ist: „Wehe den Feinden! wenn sie in unsere Hände fallen.“ Jetzt lebe wohl, und sei versichert, daß wir keinen Feind über die Gränze herüber lassen. Wenn wir wachen, könnt ihr ruhig schlafen; wir werden unsren Feinden die Eroberungslust zu vertreiben wissen. Sie scheinen auch alle Lust verloren zu haben, denn es läßt sich noch immer keiner sehen, und zwingen können wir sie auch nicht, uns anzugreifen. Man muß dem fliehenden Feinde Brücken bauen. Es grüßt dich noch einmal dein treuer Freund Wardenur. *NB. Mit dem Bier habe ich mich nicht geirrt, denn so eben kommt Einer von Nürnberg hier an. *) Ich habe Dir hiebei eine Zeichnung von einem von unsern Corps beigelegt, damit du beiläufig eine Idee davon hast. Ländliche Urwahl zur National– Versammlung. Landgerichtlicher Wahlcommissär: „Ich will euch einmal die ganze G'schichte auseinandersetze, damit ihr erscht einen klare Begriff und ein Vertraue kriegt. Denn das Vertraue muß's Landg'richt am beschte kenne. Also in Frankfurt versammelt sich eine Versammlung. Es sind lauter Leut. Die habe über die Freiheite z'rede für die ganz Umgegend von Bayern. Das Jagdrecht wird abgschafft; kein Mensch darf auf den Bauern ihrem Grund und Bode jage, — nur die Bauern, so lang was da ischt. Deshalb hab' ich mir den große dreifarbige Platschari ang'henkt, wege den Freiheite ischt's, und 's Vertraue und 's Landgericht g'hört dazu. Aber die Jagdbesitzer die gehöre nöt in die Versammlung; die braucht man nöt z' wähle. Der König hat's ja selber verordnet, daß die Wahl ganz frei sein muß, und ihr müßt also ganz frei euere Leut' wähle, auf die wir unser Vertraue setze müße. Dößhalb sind wir da. Gar z' lang darf aber die Gschicht nöt dauern, weil 's Landg'richt nöt einen ganze Tag da hersitze kann, und damit's schneller geht, hab' ich euch gleich die rechte Leut herausg'sucht und aufg'schriebe. Ihr braucht blos euere Name d'runterz'schreibe und wer nöt schreibe kann, macht drei Kreuzeln; das Andere ischt nachher schon fertig für Frankfurt, und ihr könnt wieder weiter gehn, auf d' Jagd. So, jetzt werd't ihr euch wohl auskennen mit Frankfurt und den Freiheite und der Jagd, und wem's nicht recht ischt, der soll's sage und soll a Rede halte.“ — Bauern durcheinander: „Gnaden Herr Wahlcommissär, da stehen lauter geistliche Herrn aufg'schrieben, is uns schon recht, aber wir möchten, mit Verlaub, Gnaden Herr Wahlcommissär, auch noch unsern Herrn Gutsnachbar aus der Stadt wählen. Zu dem hätten wir halt 's größte Vertrauen. Der kennt sich aus in der Welt und hat uns die Sach' mit den Wahlmännern ganz anders explicirt, d' Jagd schenkt er so schon her und von den Freiheiten von wegen dem Zehent hat er auch was fallen lassen.“ — Gnaden Herr Wahlcommissär: „Nix, nix! der ischt nöt wählbar, das muß das k. Landgericht Fleckelheim besser wisse mit seinem schwarzrochgoldne Platschari! der Herr Nachbar ischt schon als zu lang in Stuttgart und Leipzig und andere ausländische heidnische Ortschafte g'wese. Das ischt ein ausländischer Bayer, was thät der in Frankfurt? — Also nur nöt lang widerschpenstig!“ Preßfreiheit. Schreiber. „Macht 12 Groschen 4 Pfenning.“ Bauer. „Was 12 Groschen 4 Pfenning?“ Schreiber. „Zwölf Groschen 4 Pfenning Einrückungsgebühr!“ Bauer (verwundert.) „Zwölf Groschen 4 Pfenning?! Einrückungsgebühr?! Ist das Preßfreiheit?!“ Brei oder Strauß – das ist die Frage. Es wollt' ein Koch aus sieben Sachen Ein sonderlich Gerichte machen, Bestimmt zu einem festlichen Tisch; Er nahm Geflügel, Wild und Fisch, Gebraten halb und halb gesotten, Es durft' inn Niemand drob verspotten, Menget hundert Kräutlein auch darein, Trüffel und Austern, Gewürz und Wein, Mischt Alles zusammen in einen Brei, Auf daß man nicht schmecke, woraus er sei; Nicht Fleisch, noch Fisch war zu erkennen, That's den Triumph der Kochkunst nennen. — Als nun sein Herr im Freundeskreise Bei Tafel saß, da sprach man weise Davon, daß nöthig sei sogleich Dem deutschen Volk ein einig Reich. Ueber das Was war man im Klaren; Doch gieng es an ein wild Gebaren, Als nach dem Wie sie forschten jetzt; Schnell fühlte sich Jeder da verletzt Und war gespalten nach Stamm und Glauben, Mocht' Einer dem Andern die Ehre rauben, Würd' es eher noch mit dem Türken halten, Als mit dem Nachbar die Fahn' entfalten. Der ist servil, der Liberaler, Der Monarchist, der Radikaler, Der nennt sich stolz Ultramontaner, Der Preuße, der Hannoveraner, Der will nur Wiener seyn, der Franke, Dem macht's ein Kaiser nur zu Danke, Und dem ein wechselnd Regiment; Der sieht sich schon als Präsident Und donnert herab vom Rednerstuhle, Wirft seine Gegner zum Höllenpfuhle. Wie Einer nun schalt des Andern Tücke, Da kam der Koch herein zum Glücke. Und seiner Schüssel würz'ger Dampf Beruhigte der Worte Kampf; Es war die neuerfundne Speise, Die er gemischt nach eigner Weise: Er hoffte mit Ruhm sich zu bedecken, Stand aber fast erbleicht vom Schrecken, Als sein Herr, sie kostend, verzog den Mund, Und zu den Gästen sprach zur Stund': „Was sagt Ihr Herrn zu diesem Brei? S'ist ein Gemengsel aus Allerlei, Nicht süß, nicht sauer, nicht mild, nicht bitter, Nicht Fisch, nicht Fleisch, von Jedem ein Zwitter; Was köstlich schmeckt für sich allein, Wird hier geschmacklos im Verein; Vor solcher Einheit ohne Kern Bewahr' uns Deutschlands guter Stern, Und wer sie uns will so erwerben, Den möge Gottes Zorn verderben!“ — Dann wies er auf einen Blumenstrauß, Den der Gärtner gepflückt als Augenschmaus, Und spricht: „So lob ich die Einheit mir; Hier duften Blumen in reicher Zier, Jedwede nach ihrer Gestalt und Farben, Darf keine durch die andre darben, An Jeder mag der Blick sich weiden, Kann von den Genossen sie unterscheiden; Sie werden mit ihrem Reiz ihn locken, Narziß und Tulpe, Ros' und Glocken; Doch freut nicht minder uns das Ganze, Sinnvoll geeint im bunten Glanze; Wer möchte wohl Eins vom Andern trennen? Ich will's die wahre Einheit nennen, In der das Besondre nicht zerfällt, Nicht im Ganzen aufgeht, doch mit ihm hält; Die laßt uns gründen im deutschen Land Als unsrer Stärke Unterpfand! Wie wär's, Ihr Herrn, wenn diesen Strauß Wir sammt dem Brei von unserm Schmauß Nach Frankfurt schickten, ein heiteres Zeichen Für Koch und Gärtner, was man erreichen, Was nicht, dort sollte am großen Tage? — Brei oder Strauß — das ist die Frage. Freiheit der Meinung. Meine Herren! Wenn es Jemand wagen sollte, anderer Meinung zu sein als wir, oder gar den unsrigen widersprechende Ansichten auszusprechen, dem wollen wir als unserem bittersten Feinde entgegentreten, ihn mit Gewalt der Waffen zu Boden schmettern und ihn somit von der Wahrheit unserer Meinung überzeugen. Wie die Kinder die Zeit auffassen. „Hast schon wieder falsch gerechnet; 5 mal 6 sind?“ „5 mal 6 sind 14.“ „Wirst du dich ordentlich besinnen. Wieviel sind 5 mal 6?“ „5 mal 6 sind 10“ „Wenn du nicht aufmerksam bist, gibts Ohrfeigen!“ „Pereat der Herr Lehrer, pereat, pereat, pereat!“ Nachtruhe und Sicherheit. „Ah, sind Sie auch wieder in München, weil ich Ihna grad begegne: wissen Sie mir keine Zinsleut, bei mir zieht Alles aus.“ „Ja warum denn?“ „Wissens, ich kanns den Leuten nicht in übel nehmen, sie fürchten sich halt vorm Stehlen und Einbrechen und bei der Nacht hab'ns auch kein Ruh.“ „Ja steht denn Ihr Haus nit mitten in der Stadt?“ „Versteht sich, grad neben der Sicherheitspolizei, das is eben der Deixel!“ Reactivierung. Die aus Wien verabschiedeten Spitzeln finden bei dem Löwen von S. Marco freundliche Aufnahme. Kleine Dorfgeschichten. III. Die heroische Kur. Der Ammerbauer, wer ihn kennt hat, ist a Mann g'wesen, wie man itzt wenig' mehr find't. Wenn ihn der alte Fritz g' seh'n hätt, der Ammerbauer wär' ohne Weiter's Flügelmann bei den preußischen Grenadieren word'n. A solche Läng' hat er g'habt, und dazu a Stärk', wie a Bär aus'm Böhmerwald. Es hat ihm Keiner was anhab'n können in allen Dörfern auf neun Meil'n Weg's in der Runden, und die Krippenmanneln, wie's heut' auf der Welt 'rumlaufen, hätt' er a ganz's Regiment gejagt. In den neunziger Jahren, wer's noch denkt, sind die Franzosen 's Erstemal in's Land kommen. Der Ammerbauer, der kurz davor hat g'heirath't g'habt, kriegt da auch 'nen ganzen Rudel solche Gäst' in's Quartier, und der Serschant, wie's die Luftspringer g'macht hab'n, nimmt gleich das junge Weiberl auf's Korn und will mit ihr seine Karessen anfangen. Aber der Ammerbauer hat in dem Punkt kein'n Spaß verstanden. Er hebt 's Bugerdiabeln an und wirft die Französeln, alle wie's g'wesen sind, mir nix dir nix zur Thür' 'naus, sammt Unter– und Oberg'wehr. Zu derselben Zeit sind auch die reichen Klöster noch gewesen in Bayern und die Weg um's Kennen noch heilloser als itzund. Da ist einmal a Prälat, der in die Stadt hat reisen woll'n, außerhalb unserm Dorf mit seiner Kutschen stecken blieb'n, spät bei der Nacht. Der Ammerbauer, der just von der Stadt heimgeht, wo er denselb'n Tag a Gschäft g'habt hat, kommt dazu und hebt mutterseelenallein — denn der Kutter hat die g'schreckten Pferd' am Zügel halten müssen — den schwer'n Wagen sammt dem schwer'n Prälaten aus'm Graben raus. Mach's a Anderer nach, wenn er's kann! Doch das ist's nit, was ich hab' erzähl'n woll'n, sondern die G'schicht, wie der Ammerbauer sich von seiner Krankheit kurirt hat. A bös's Weib und 's Fieber sind die schlimmsten Feind', die Einer hab'n kann. Ob groß oder klein, da kehr' ich die Hand nit um — a Jeder muß 'nunter. Auch mit'm Ammerbauern, so a Baumausreißer als er g'wesen ist, hat die Krankheit keine Umständ' gmacht. Er ist in kurzer Zeit so schwach und elend worden, a Kind hätt' ihn mit'm kleinen Finger umwerfen können. Z'letzt hat er sich nimmer auf den Füßen halten können, und er mußt' lieb oder unlieb in's Bett. Da haben's den Doktor aus der Stadt g'holt. Der schaut die Zung' an, greift'n Puls, schüttelt'n Kopf und verschreibt endlich a Medizin; die sollt' der Ammerbauer nehmen, alle Stund' ein'n Eßlöffel voll. Der Patient halt't sich g'nau nach der Vorschrift, ein'n Tag, zwei Tag — aber es wird nit besser mit ihm. Auch am dritten Tag ist's noch g'rad so, wie am ersten. Der starke Ammerbauer ist so 'runter kommen, daß er schier kein Glied mehr rühr'n kann. Er hat kein'n Appetit, er hat kein'n Schlaf. Da ist ihm die Geduld ausgangen, denn es war eben in der Ernten, und er hätt' — a fleißiger Meier, wie er g'wesen ist, gar so gern seinen Leuten nachg'schaut im Feld draußen. Und er sagt zu seinem Buben, dem Seppel, den die Mutter daheim lassen hat, daß er dem Vater auswart': „Seppel!“ sagt er, „dem Dokter sein' porzellanene Medizin greift mein' Natur nit an. Schütt'n aus den Plunder! A bayrischer Bauer und so a lateinisch Trankl, wie reimt sich das z'samm? Ich muß schon a anders Mittel probir'n; aber sag' der Mutter nix, ich sag' ihr auch nix. Also nimm dort den viermaßigen Krug und lauf' 'nüber in's Gnadenthal, 's ist nur a Viertelstündl hin. Geh' zu'n Franziskanern in's Kloster, richt' dem Frater Bräu 'nen schönen Befelch aus von deinem Vater, dem Ammerbauern, und sag', ich ließ ihn recht schön bitten, er möcht' dir den Krug füll'n aus'm Sommerkeller. Aber er möcht dir der christlichen Lieb' weg'n ein's geb'n aus'm FF; denn der Vater sei recht miserabel d'ran, und er müßt' schon etwas Extra's haben zum Aufrichten. Wenn nachher der Pater Kollekter zu uns käm', wollt's der Vater schon wieder zu vergelten suchen.“ Daß ichs kurz mach'! Der Seppel rennt fort und kommt bald mit'm vollen Krug wieder. Der Krank' trinkt ihn aus bis auf'n letzten Tropfen und legt sich nachher 'num, und schlaft und schlaft — 's hat ihm lange Zeit nimmer so gut gschmeckt. Und wie er wieder aufwacht, steht der Dokter vorm Bett und sucht 's Fieber im Puls, kann's aber nit finden. „Da schau' a Mensch!“ sagt der Dokter ganz verwundert, die Medizin hat wahrhaftig Mirakel gewirkt. In drei odervier Tag'n so a bösartig's Fieber zu vertreib'n, der Fall ist mir in meiner Praxis nit vorkommen. Aber damit die Sach' 'nen Bestand hat, wollen wir das Mittel repetir'n. Verstanden?“ „Wird nix fehl'n, Herr Dokter!“ versetzt der Ammerbauer, und weiß nit, wie er's Lachen verbeißen soll: ich repetir's ganz g'wiß, können Ihnen d'rauf verlassen.“ Aber statt in d' Apotheken, schickt er wieder zu'n Franziskanern, und den andern Tag ist er so frisch und g'sund, wie eh', und arbeitet mit seinen Leuten im Feld fest drauf los, als wär' er kein' Stund' nit krank g'wesen. Das Lustigst' bei der G'schicht' aber ist, daß der Dokter heut' noch drauf lebt und stirbt, sein Mittel hätt' dem Ammerbauern selbigesmal so g'schwind vom Fieber g'holfen. (Fortsetzung folgt.) Erinnerungen vom Exercierplatz. Ein Paraplui und eine Muskete, der Teufel komm' da zurecht! Exercieren? — In Gottes Namen! Aber die Muskete durch die Stadt tragen —! nicht um alle Teufel! Aber Herr Professor — können Sie denn gar nicht Schritt halten? Fühlung rechts. ==== FB70149 Das feste Bollwerk. „Aber Herr Collega, in unserm Bureau hat man, Gott sei Dank, doch noch nichts bemerkt von diesen neumodischen Freiheitsideen!“ „Ueberhaupt, Herr Collega, ist Gott sei Dank, auf den Bureaux gerade noch so, wie es von jeher war.“ „Ja, Gott sei Dank, meine Herren, die Bureaux sind in der That das beste und festeste Bollwerk gegen die Neuzeit und ihre Ideen, und was man so gemeiniglich Freiheit und Fortschritt nennt!“ Kleine Dorfgeschichten. IV. Die Obsignation. Mit'm Ammerbauern, von dem ich neulich erzählt hab', hat sich bei seinem Ableb'n 'ne Affär' zutrag'n, man könnt' sich's närr'scher nit träumenlassen. Der gute Mann — unser Herrgott tröst' ihn! — ist noch kaum rechtschaffen todt g'wesen, so ruckt ihm schon die Commission in's Haus. Denn wenn Einer d' Augen zumacht, bei dem's was wissen, da laufen sie sich schier die Füss' weg, damit ja Keiner zu spat kommt. A Jeder will sein'n Theil hab'n, 's G'richt, die Geistlichkeit, d' Erben. Den Armen — das Gute hat er — macht kein Mensch irre in seiner Ruhe, und höchstens etwa schleicht a Mäusl herbei und schaut sich nach der Verlassenschaft um, — nach'm letzten Brösel Kleienbrod. Zu selbiger Zeit ist g'rad a nagelneuer Assesser zum Landg'richt kommen, so a proteschirt's Münchner Kindl, wie's ihnen manchmal gleich von der Schul' her in d' Uniform verhelfen, dieweil viel Gescheitere praktizirev müssen, bis ihnen der Bart neunmal um den Tisch wachst. Der will heut' sein Probstuck ableg'n und die Sach' recht gut machen. Also fangt er's Obsignirn an, und es ist keine Stub'n und kein Winkel im ganzen Haus, kein Ausgang und kein Eingang, kein Schubladl und kein Ofenthürl, wo er nit das Siegel anheft't. Die Schwalb'nnester hätt' er auch noch verpetschirt, wenn's ihm nit z'hoch gwesen war'n. Der Schreiber, a alter Praktikus, hat wohl g'seh'n, daß der Assesser in seinem Eifer den Fleck neben's Loch setzt; aber er sagt kein Wörtl dazu; denn das Schreibervölkl ist a boshaft's Völkl, das den Beamten, wenn 's sein kann, gern anrennen läßt, damit's hintennach was z'lachen gibt. Die Wittib, die Kinder, die Freund, — du lieber Gott! was versteh'n wir Bauersleut' viel von Amtsg'schäften? Wir glaub'n halt, was unsere Herr'n Beamten thun, das müßt' akkurat so g'scheh'n und dürft' gar nit anders sein. Und wenn unser Einer ja einmal merkt, daß die Sach' verkehrt anpackt ist, und man sagt was dageg'n, so wird man ang'schnauzt, daß man gern wieder still ist. Mit der Morgenröthen, mit'm Licht und mit'm Fortschritt, wie wir's itzt ohne End' in den Zeitungen lesen, wird's noch lang dauern, bis man davon auf'm Land heraußen was zu spür'n krieg'n thut. So hab'n auch die guten Leuteln im Ammerhof ihre Gedanken g'habt, daß's mit dem Assesser seinem Manipulir'n nit richtig sein möcht', aber Niemand traut sich was dagegen einz'wenden. Sie lassend z'letzt noch geduldig g'scheh'n, daß der Assesser auch die Thür' zu der Kammer versiegelt, wo der Ammerbauer auf'm Brett liegt. Erst wie die Kommission schon lang fort g'wesen ist, ist ihnen eing'fall'n, daß morgen die Leich' sein sollt' und daß sie dazu die Hauptperson haben müßten, nämlich den Todten. Was ist itzt z'machen? Das Siegel dürfen's bei schwerer Straf' nit abreißen. Also müssen mitten in der Nacht a Paar von der Freundschaft vier Stunden weit zum G'richt laufen, um den Ammerbauern aus seiner Preson loszubitten. Der Landrichter, sagen's, ist kreuzfuchtig word'n und hat den Assesser bös vorg'nommen. Die Spottvögel aber zieh'n den heut noch auf mit der G'schicht', und wenn ihn Einer recht wild machen will, darf er nur vom Leichenversiegeln anfangen. — (Fortsetzung folgt.) Herrn Grashuebers Zug nach Schleswig– Holstein. Herr Grashueber, im Zeitungslesen vertieft, wird von der Politik fortgerissen und glaubt in seiner Patentlampe bie dänische Flotte zu erblicken. Herr Grashueber hat sich ohne Vorwissen seiner Ehehälfte Waffen und einen zweckmäßigen Anzug verschafft und denkt im Stillen an Schleswig– Holstein. Madame Grashueber, welche seit einer Stunde im obern Zimmer ein heftiges Stampfen und Springen bemerkt hat, entdeckt erstaunt die Ursache desselben. Herr Grashueber, welcher auf eigene Faust, und ohne Mitwissen seiner Ehehälfte, den Schleswig– Holsteinern zu Hülfe eilen will, wird noch zu rechter Zeit von seiner Familie eingeholt und zurückgehalten. Herr Grashueber vermag den Bitten seiner Famille, welche durch seine Schwiegerältern unterstützt wird, nicht zu widstehen und verspricht dazubleiben, studiert aber im Stillen auf der Landkarte den geradesten Weg durch Deutschland nach dem Norden. Obgleich von seiner Familie bewacht, gelingt es Herrn Grashueber dennoch, eines Morgens den Schleswig– Holsteinern zu Hülfe zu eilen, und zwar auf dem geradesten Wege durch Deutschland, wobei er seine Stiefel voll Wasser bekömmt, ein Beweis, daß der gerade Weg nicht immer der beste ist. Ein unpatriotischer Förster, welcher ihn beim Ausschütten seiner Stiefeln überrascht, glaubt in Herrn Grashueber einen Wilddieb zu entdecken. Herr Grashueber wird unbarmherzig ins Gefängniß geschleppt und jammert über die deutsche Einigkeit. Im Gefängniß hat er sich die neuesten Zeitungen zu verschaffen gewußt, und liest die neuesten Vorfälle aus Schleswig– Holstein in stiller Wuth. Herr Grashueber, nach seiner Freilassung zu Hause angekommen, muß mit stiller Wuth sehen, wie seine Ehehälfte sich der Waffen bemächtigt, um ihn von seinern Freizügen abzuhalten. Kaiser Karl der Fünfte. Ein bleicher Mann in Mönchs– Gewand, Gar emsig in der Klosterzelle Viel' Uhren ordnet an der Wand Und wechselt oftmals ihre Stelle. Zusammen stellt er, die gemacht Ein Meister, und spricht mit Bedacht: „Die werden wohl zusammen gehn Auf einem Punkt mit einem Schlage, Die Räder werden gleich sich drehn.“ Doch sieht er, daß am nächten Tage Jedwede Uhr verschieden zeigt Die Stunde, wie der Tag sich neigt Die Uhren spotten seiner Müh, Und jede zeigt verschiedne Stunden, Obgleich der Mann des Morgens früh Sie gleichgestellt und aufgewunden; Doch nichts beseitigt er damit, Und jede geht den eignen Schritt. „So kann ich denn nicht stellen gleich Nur zwei von allen diesen Uhren, Und wollt' in meinem weiten Reich Die Geister halten in den Spuren Des vorgeschriebnen Glaubens fest, Wie schwache Küchlein in dem Nest.“ „Die Uhren sind von Menschenhand, Gott schuf die Menschen und die Geister; Die kleinen hält ein kurzes Band, Doch schwingt der kühne Aar sich dreister Zur Sonn' empor: in Gottes Buch Ist auch bezeichnet dieser Flug.“ „Zerstören würd' ich jede Uhr, Wollt' all' in gleichen Schritt ich zwingen; Und blutig wird des Herrschers Spur, Der lähmen will des Adlers Schwingen, Die Gott gegeben manchem Geist, Daß hoch er durch die Lüfte kreist.“ „Der Heiland rief: Das Herz mir bricht, Vergieb, o Herr, den blut'gen Knechten; Denn was sie thun, sie wissen's nicht, Und wolle nicht mit ihnen rechten.“ — O Gott, sei gnädig auch mit mir, Denn meine Schuld erdrückt mich schier.“ Und vor des Mannes Geist jetzt zieht Vorüber was er angefangen, Was nie zu enden, und er kniet, Und Thränen netzen seine Wangen; Das Crucifix er brünstig küßt, Was er gethan, der Mensch jetzt büßt. Der Mann ward Kaiser Karl genannt, Ein mächt'ger Herrscher vieler Reiche, Der Gottes Werk, den Geist verkannt Und tödten wollte mit ird'schem Streiche. Nun schaut er auf von hier zu dort, Wo aller Geister mächt'ger Hort. Da liegt die Wahrheit Allen klar, An dies Symbol sie alle glauben; Was ewig ist und ewig war Das kann kein Mensch den Geistern rauben: An Kaiser Karl, Ihr Mächt'ge, denkt; Nur Gott allein die Geister lenkt! Volkswille. „Un e Republik will ich hawe, und wenn's mei Läwe gild!“ „Un e Kaiser will ich hawe, un wenn's mein Kopp kost!“ Bierhaus– Politiker „Ja, er muß abgesetzt werden; meiner Ansicht nach ist er zwar ein ganz tüchtiger Mann, aber die allgemeine Stimmung ist gegen ihn, und er muß abgesetzt werden.“ „Ja, er muß abgesetzt werden; er hat mir zwar gar Nichts gethan, er hat aber den Dienst 15 Jahre verwaltet und sein Gutes genossen: die Stelle kann nun auch einmal ein Anderer kriegen.“ „Ja, er muß abgesetzt werden: ich habe zwar gar Nichts gegen ihn und er ist eigentlich ein guter Freund von mir, aber meine Frau will es durchaus haben.“ „Ja, er muß abgesetzt werden, die allgemeine Stimmung ist gegen ihn“ Man kann ihm zwar eigentlich gar Nichts nachsagen, aber wie gesagt — die allgemeine Stimmung!“ Entweder — oder. „Meine lieben Mitbürger! Entweder — oder. — Entweder die Feinde kommen heran oder sie kommen nicht heran! Lasset uns als Familienväter und als Patrioten handeln. Kommen sie, so ergeben wir uns, kommen sie nicht, so wollen wir uns wehren bis auf den letzten Blutstropfen!!“ Fasset Muth! Fasset Muth im Sturm der Wellen Euern Mast hält Gottes Hand, Nimmer wird der Kiel zerschellen, Der Euch führt in's freie Land, Nur wenn das Vertrauen bricht Geht ihr unter — eher nicht! ==== FB70150 Kalendergeschichten. von Wilh. v. Chézy. Erste Geschichte. Ehrenrettung. Die Gerechtigkeit wird für blind ausgegeben, weil sie eine Augenbinde trägt; sie ist aber eben so wenig blind, als der scheele*) Schmuggel– Mattheis drunten im Wassergäßchen. Der Mattheis sagt alleweil: „Mein Aug' wird immer blöder, und die ganze Welt kommt mir so überscheinig vor!“ Wenn er euch jedoch auf euern Kronthaler oder Gulden herausgibt und sich überzählt, so überzählt er sich niemals zu seinem Nachtheil. Grade so ist die Gleichheit vor dem Gesetz eine hübsche Redensart, aber oft geht's damit, wie in jener großen Stadt; dem armen Handwerksburschen wird Abends auf der Straße die Pfeife aus dem Mund weggenommen, und eben fährt eine Kutsche vorüber, der ein paar Läufer mit brennenden Fackeln vorleuchten. Das Rauchen ist verboten; velleicht könnte unter dem Pfeifendeckel hervor ein Funke stieben und die Stadt anzünden. So eine schöne Stadt kostet schweres Geld und wid nicht gar geschwind wieder aufgebaut. Aber die Windlichter, fragt ihr, von denen zolllange Johanniskäfer abfliegen und brennende Pechklümpchen fallen, sind die nicht gefährlich? O, gewiß nicht, denn sonst würde die erleuchtete Polizei der laternenreichen Stadt ein Einsehen thun! — So geht's heutzutage zu; in der guten alten Zeit wird's etwa besser gewesen sein. — Meint ihr? Ich will euch ein Stücklein aus selbiger Zeit vorpfeifen, so von hundert Jahren her, vielleicht etwas minder oder mehr. Die Leute trugen damals gewaltige Haarhauben, und ließen sich den eigenen Schädel rattenkahl scheeren, wie die Türken. Einen Schnauzbart führte Niemand, als wer mußte, nämlich der gemeine Soldat; da war der Bart kein Zeichen freisamer Mannhaftigkeit, wie bei uns, sondern eine Art Brandmahl oder wenigstens wie die rothen Striche, womit der Metzger seine Hammel zeichnet. — — Der Wind trieb sein lustiges Spiel mit den drei klappernden Gerippen am Dreibein, und von der Radfelge grinste der halbentfleischte Kopf des Straßenräubers, als lauschte er beifällig dem Klippklapp der Feldglocke*). Drinnen in der Stadt läutete dazu das Armensünderglöckchen, und sie führten einen hinaus, der trug ein weißes Gewand mit schwarzen Schleifen. Was hat der arme Schelm denn verbrochen? Einen Ratsherrn hat er über den Haufen gestochen. Es ist eine eigene Geschichte. Meister Gottfried, der Schreiner, hatte ein hübsches Weib, das für leichtfertig galt; vielleicht war etwas daran, der dicke Rathsherr Günther gefiel der Susanna so wenig, als einst der biblischen Susanna die zwei Aeltesten gefallen haben. Möglich aber, daß die Susel hie und da mit dem alternden Minnebold ein wenig ihren Scherz getrieben, wo er Ernst machen wollte. Eines Tages wurde endlich der Rathsherr gar zu zudringlich, das Weib schrie um Hülfe, der Mann kam dazu, hatte zum Unglück etwas Spitziges in der Hand, und so war das Unglück fertig. Jetzt kostet's dem Schreiner seinen Kopf. Alle Welt hat Bedauern mit dem braven Handwerksmann und seinen unmündigen Kindern, doch die blinde Gerechtigkeit kennt keine Rücksicht, in ihrer Schale wiegt das Erbarmen keines Sandkornes schwer, und wer Blut vergießt, dessen Blut muß fließen. Da liegt der Stab zerbrochen am Boden, fort mit dem Mörder, fort zum Rabenstein. — Zur selben Frist sprengten zwei Reiter in vollem Rennen auf der Heerstraße vom herzoglichen Lustschloß gegen die Stadt zu. Der Ostwind trocknete die Lungen der Eilenden aus, daß Roß und Mann schier den Athem verloren. Der aufwirbelnde Staub gab den Lechzenden dieselbe Erquickung, wie einer, welcher dem Hungernden Steine für Brod bietet, nur mit dem Unterschied, daß der Hungrige die Steine wenigstens nicht zu beißen braucht, die Reiter aber den Staub wohl oder übel schlucken mußten. Dennoch ließen sie sich nicht aufhalten. Warum die Eile? Brachten sie etwa die Begnadigung des armen Sünders? Schier sah's danach aus, die Reiter waren ein Jagdjunker des Herzogs und ein Reitknecht; doch trog der Schein, denn der grüne Junker führte kein weißes Tuch zum Winken in derTasche, sondern einen Brief des hohen Herrn an den Landjägermeister in wichtigen Jagdangelegenheiten, auch hätte er zum Begnadigen früher aufstehen müssen. Des Dieners Roß stürzte, Junker Hartwig sprengte weiter, ohne sich drum zu kümmern. Sagen konnte er ohnehin nichts dazu, weil ihm die Zunge am Gaumen klebte. Die Stadt war noch so weit, die Sonne brannte immer heißer und am Wege winkte kein Wirthshaus. Doch, etwas dergleichen war zu finden. Unfern des Rabensteins stand eine armselige Schenke. Als Hartwig die Stelle erreichte, war die Hinrichtung bereits seit geraumer Weile vollzogen, hatte sich die Volksmenge ziemlich verlaufen. In der Schenke ging's bunt und lustig zu, doch vor der Thüre saß nur ein einziger Gast, ein junger Bursch gemeinen Standes, neben sich auf der Bank den frischgefüllten Krug. Hartwig zog die Zügel an. Todesbleich trotz der Hitze, flüsterte er kaum vernehmbar: „Einen Trunk, sonst stürz' ich“ Das Wanken des blassen Reiters schien die Prophezeiung zur Stelle wahrmachen zu wollen. So besann der Bursch sich nicht erst, sondern reichte dem Verlechzten seinen Krug, und sprach dazu: „Gesegn' es Gott.“ Hartwig trank, Lippe und Nase im Schaum begraben, und ließ nicht ab, bis der Krug leer war, worauf es ihm erst noch vorkam, als hätt' er einen Tropfen auf einem heißen Stein verdampfen lassen. Doch fühlte er sich gestärkt und griff in die Tasche, um den Labetrunk mit einem Trinkgeld zu vergelten. Da öffnete ein Jägerbursch das Fenster und rief hinaus: „Der Herr Graf Hartwig ist nicht so stolz, wie ihn die Leute verschreien, er trinkt sogar mit dem Schindersknecht.“ — „Schindersknecht?“ stammelte Hartwig, auf seinen Wohlthäter deutend: „Der da?“ — „Der da,“ bestätigte der Jäger schadenfroh „des Freimanns Knecht, der gefallenes Vieh abdeckt, unter den Unehrlichen der Unehrlichste.“ Bevor der Waidgeselle ausgeredet, hatte der Junker schon das Faustrohr aus der Halfter gerissen, den Hahn gespannt und losgedrückt. Knall und Fall sank der Abdecker nieder, kunstgerecht durchs Herz geschossen und maustodt. Recht war ihm geschehen: er hätte den Durstigen lieber sollen vom Roß stürzen lassen, als mit unehrlicher Hand ihn erquicken. Die Schmach, welche er so freventlich dem Junker zugefügt, war mit dem Verlust des Lebens noch viel zu milde gebüßt. Hartwig ritt unangefochten seines Weges, und wenn er später zur Rechenschaft gezogen ward, so geschah's nur darum, um ihm ausdrücklich Recht zu geben. Der Junker sollte und mußte den Freiknecht erschießen, der aus Menschenliebe nur sich übereilt; doch daß der Bürger den Ratsherrn umgebracht, der ihn böswillig entehren wollte, das heischte unnachsichtlich strenge Strafe. *) Scheel: schielend. *) Feldglocke: Volksthümlicher Scherzname des Galgens. Was kann man denn billiger Weise mehr verlangen? „Wenn die Herren Bürger fertig sind, so haben Sie die Güte, mich in Kenntniß zu setzen, ob Sie sich für Republik oder constitutionelle Monarchie entschlossen haben, damit ich Ihren Wünschen entsprechen kann!“ — Irren ist menschlich. „Wie man sich irren kann! In der Ferne glaubt' ich, Sie wären Ihr Herr Vetter; dann meint' ich, Sie wären es selbst, und jetzt seh' ich erst, daß Sie Ihr Herr Bruder sind.“ Erwerbsunfähigkeit. „Womit bringt er sich zur Zeit fort?“ „Zur Zeit hob i itzt gar koan Verdienst; — um dös recht zsagn, i darf mir nix verdiena.“ „Wie so? warum?“ „I steh' unter Aufsicht. — In mein'm Ort, wo mi jed's kennt, krieg' i kao Arbat; — auf d'Nacht muß i schon um um Achti z'Haus sein, — d'Jahrmärkt zu b'suchen is mir au verbot'n, — wie kunt i mir do wos verdiena?!“ — Schwarzburgisch u. sonst auch anderswo. „Und schließt er am Grabe den müden Lauf, Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf.“ Schiller. Candidat. “Dürfte ich, Ew. Magnificenz, in diesem Jahre wohl auf eine Anstellung hoffen?“ Generalsuperintendent. „Ja, Herr Candidat, wie lange liegen Sie jetzt im Grabe?“ Candidat. „Ich starb im Jahre 1842, im 84sten meines Lebens!“ Generalsuperintendent. „Da thut mir's sehr leid, Sie wissen, Herr Candidat, daß wir unsere Geistlichen erst 12 Jahre nach ihrem Tode auf eine Stelle befördern können; Sie müssen sich also noch gedulden.“ Reiterlied. Jetzunder sind die Zeiten schwer, Das Träumen hat ein End, Manch Biedermann erbanget sehr Daß sich sein Glück gewend't. Und so ich hätt' eine Million, Könnt ich mich auch nicht freu'n; Und so ich trüg' eine Fürstenkron So schmeckt' mir jetzt kein Wein. Doch einem gut Gesellen wird Das Leben erst was werth; Zum Streiten er sich jetzt umgürt', Nimmt von der Wand sein Schwert. Bald ist die Zeit gekommen an Zu reiten ins Gefecht; Und gilt es, wacker drauf zu schla'n, So freut er sich erst recht. Drum bringe mir, du schöne Maid, Noch kühlen Weins eine Kann', Ich will noch trinken alle Zeit So lang ich trinken kann. Denn so ich sollt erschossen sein, So bin ich halt fertig und todt, Dann trink ich nimmer den kühlen Wein, Dann küß' ich kein Mündlein roth. Und auf die himmlische Seligkeit Hab ich kein recht Fiduz, Drum gib mir schnell, du braune Maid, Zum Wein noch ein' saft'gen Kuß. Viel lieber zu sein ein Reitersmann Und jung zu sterben im G'fecht, Als achtzig Jahr, und ewig sodann Ein buckliger Schreibersknecht! J. S. Stadt und Land. „Ich sag Euch, unsere Geschäfte machen sich allmählig schlechter. Sonst konnte man mit den Leuten in der Stadt machen was man wollte. Jetzt aber kann man gar Nichts mehr ordentlich verkaufen!“ „Ja nun! die Leute in der Stadt werden eben auch nach und nach gescheidt!“ Fortschritt. „Ihre Kinder arbeiten emsig, so oft man zu Ihnen kommt. Was treiben sie denn jetzt?“ „Mein Karl componirt eben „Deutchlands Wiedererwachung.“ Es ist sein 81tes Werk. — Emilie arbeitet am letzten Band ihres Romans „die Glücklichen.“ Ein Buchhändler in Wien hat ihr bereits 2,000 fl. W. W. für das Werk geboten. — Und unser August schreibt an seiner „Vereinfachung des Gerichtserfahrens.“ Dies Werk wird seinen Namen neben den der gefeiertsten Staatsmänner Deutschlands setzen.“ Auswandrer. Der Verein der durch die Aufbebung der Censur brotlos gewordenen Literaten hat in Amerika bereits seine Ansiedelung begonnen. Leider schmilzt indeß die Colonie mit jedem Tage mehr zusammen, und zwar nicht, wie man meinen möchte, durch die Unbill des Climas, sondern effectiv dadurch, daß die Unglücklichen einen Zustand nicht ertragen können, wo man nicht mehr gegen die Censur zu Felde ziehen kann. Adresse an die k. Staats– Regierung. Volksbewaffnung ist ein dem dermaligen Staaten– und Völkerleben entsprechendes ja organisch einverleibes allgemeines Bedürfnis. Die freisinnige k. Regierung hat den Ruf zu verstehen gewußt! Im ersten Drange polizeilicher Verlegenheit, wo noch die Gensdarmerie aus besonderen Rücksichten der Courtoisie, der Bourgoisie ihre Wirksamkeit zu überlassen die große Gefälligkeit hatte, wurde es den Studenten und Künstlern gestattet, zur Aufrechthaltung der Ruhe und Sicherheit der Haupt– und Residenzstadt und zur Erhaltung ihrer Fensterscheiben, sich zu bewaffnen und Freicorps zu bilden. An diese reihten sich die Staats und anderen Hämorrhoidarier, welche nun selbst zugestehen, daß sie mit der Manifestation der volksthümlichen Richtung und mit der Vertretung staatlicher Interessen auch noch den eigenen Vortheil verbinden, durch eine tägliche regelmäßige Exercier– oder Patroullirbewegung auf das Wohlthätigste auf ihr Verdauungssystem zu wirken. An die Väter reihten sich nun bald Söhne und Enkel. Ein hohes Ministerium gestattete die Bewaffnung der Polytechniker, Bürgersöhne und Turner. Nicht genug — diese Genehmigung erstreckt sich nunmehr zu Deutschlands Ehre auch auf die Gymnasisten, und es umschlingt so zu sagen Ein Bündniß volksthümlich armirter Bruderliebe drei Generationen! Sollte nun ein großer Theil der dritten Generation von dem edlen Berufe für das Vaterland zu wachen, wirklich noch ausgeschlossen bleiben?! Wir können es nicht glauben! Wir wollen es nicht glauben! Wir wollen eine solche Reactions– Demonstration unserer freisinnigen Regierung nicht zutrauen! Auch wir, die Unterzeichneten, können corporativ — wenn man uns nicht gewährt, was wir begehren — Fenster einwerfen, ohne uns deshalb mit den Herren Fußbekleidungs– Fabricationszöglingen zu amalgamiren! Sind wir auch noch nicht Männer, so können wir doch Männer werden; denn wir tragen den Keim deutscher Mannbarkeit in uns! Auch wir sind Abkömmtinge des großen deutschen Hermann und drücken (hier im Vorbeigehen gesagt) unser Bedauern darüber aus, daß die deutsche Einheit das Hermannsdenkmal noch nicht zusammengebandelt hat! Was wir somit verlangen, ist nicht mehr als recht und billig. Wir verlangen aus den angeführten Gründen ebenfalls eine der Zeit und unseren Kräften angemessene Bewaffnung und Organisirung in folgender Weise: I. Wir wollen ein Bataillon bilden mit 4 Compagnien. Erste Compagnie. Die Knaben der lateinischen Schule und der Vorbereitungs– Classen. Zweite Compagnie. Die Knaben der deutschen Schule. Dritte Compagnie. Die Knaben, welche zwar noch nicht in die Schule gehen, aber doch überhaupt schon gehen können. Vierte Compagnie. Die Knaben, welche zwar noch nicht gehen können, aber getragen werden, und als Getragene schon ihren freien Staatsbürgerwillen zu manifestiren im Stande sind, sonach ebenfalls als souveraine Volksmitglieder anerkannt werden müssen. II. Wir wollen unseren Kräften analog bewaffnet werden, wobei wir auf die Bestelmayer'sche Fabrik zu Nürnberg in Betreff der Waffenlieferung aufmerksam machen. IIl. Wir wollen unsere Offiziere aus unserer Mitte wählen, und zwar per Acclamation oder Geschrei. IV. Wir verlangen die nöthige Zahl an Kindsmägden für die Wehrmänner, welche getragen werden müssen. besagte Kindsmägde haben in Betreff der Nahrungs – und Reinlichkeitspflege der resp. Wehrmänner den Rang von Marketenderinnen in Anspruch zu nehmen. V. Die Classen und Schulstunden haben aufzuhören, denn wenn höhere Interessen des deutschen Volkes zu vertreten sind, brauchen wir nichts mehr zu lernen. VI. Latein und Griechisch wollen wir überhaupt nicht mehr lernen, denn wir sind Deutsche; auch verzichten wir ohne Entschädigung freiwillig auf die Erlernung der deutschen Orthographie; denn es kommt nicht darauf an, wie man schreibt, sondern was man schreibt. VII. Die Kleinkinder– Bewahranstalten sollen nicht ausgeschlossen bleiben, und sollen in Kleinvolkssouverainleranstalten umgewandelt werden. VIII. Das Wort „Gehorsam“ ist aus allen Lehrbüchern zu streichen; denn auch wir sind — wie gründlich bewiesen wurde — freie deutsche Keimlinge, und als solche können wir keine Autorität anerkennen, als die unseres eigenen, souverainen Willens. IX. Wir begehren ferner: 1 ) Abschaffung des Schnullers als ein verweichlichendes Element. 2 ) Abschaffung jeder körperlichen Züchtigung als eine Entehrung der Kehrseite eines jeden deutschen freien Keimlinges. X. Man soll uns kündig nur per „Sie“ und „Herr“ anreden dürfen. In der sicheren Ueberzeugung, daß Eine k. Regierung unsere Wünsche erfüllen und unsere deutsche Gesinnung anerkennen werde, haben wir vorläufig auch beschlossen, zur demnächst auf der Wartburg abzuhaltenden Versammlung der deutschen Jugend eine Deputation aus jeder Compagnie zu wählen, und auf Kosten unserer Aeltern dahin zu senden. München am 6. Juni 1848. Die Schüler der lateinischen und deutschen Schulen, und die übrigen Knaben. Der Unrechte. Commissär. „Wer ist dieser Mensch?“ Gensdarm. „Hab' zu melden, Herr Kommissär, das ist ein Tumultant, ein Hauptlärmer und Schreier.“ Kommissär (zum Arrestanten.) „Wie heißt man? . . . he — Antwort! . . . wie er sich schreibt, frag' ich . . . nun wird's bald? — aber zum Teufel, aus dem Kerl bringt man ja nichts 'raus, — hab'ns ihm keine Papier' abgenommen?“ Gensdarm. „Jawohl, — hier sind sie.“ Commissär. „Schau'ns nach, wie er heißt und wer er ist!“ Gensdarm. „Christian Narciß Schmauze, Schneidergeselle— taubstumm.“ Commissär. „Taubstumm ist er?“ Gensdarm. „Ja da steht's . . . hm, es scheint, ich hab' am End den Unrechten erwischt!“ — Auch der Tod hat nicht mehr recht!! „Wie? Herr Tod! Sie könnten uns Menschen alle einander gleich machen?“ „Ja und das ist eine trostvolle Wahrheit für Euch.“ — „Ich bitte, blamiren Sie sich nicht mit Ihren communistischen Ideen; wissen Sie denn nicht, daß es für die Gestorbnen bei uns noch einen Reichen und einen Armen– Saal im Leichenhause giebt?“ — — Erinnerungen vom Exerzierplatze. „Wie ich so gestern Abend vom Exerzieren heimgehe, begegnet mir ein Kerl, wenigstens seine sieben Schuh hoch, und macht Miene, mich anzugreifen. Nur meine entschiedene Haltung schreckte den Lümmel und er zog ab!“ „Was das unangenehm ist, wenn sich der Hahn gar so schwer spannt!“ „Das is a Welt! Jetzt frag' ich Einen, ob das n' Arbeit für eine rechtschaffne Köchin ist, s' Gewehr und d' Waffen ihrem Herrn nachzutragen. — Itzt kommt er daher g'rennt der Lalli der!!“ „Wir winden denn dir den Jungfernkranz Mit veilchenblauer Seide, Schöner grüner, schöner grüner — „ „Halt, kehrt Euch!“ ==== FB70151 Kalendergeschichten. von Wilh. v. Chézy. II. Zwei Feinde in einer Falle. Krieg war im Land, eine geringfügige Fehde nur, doch für die Heimburger just so schlimm, als ob die ganze Welt in Flammen stünde. Die Leute wandten sich schier an keinen Heiligen mehr, als an den Bartholomäus, der da weiß, wie's thut, so einer geschunden wird. Es ist schon lange her, das merkt ihr daraus, daß vom Beten die Rede. Unsere Vorfahren waren frömmer wie wir; im übrigen trugen die Menschen damals noch Affenschwänze, die grad nur ein Bischen höher hingen, als bei den Affen, und die Länder schienen blos um der Fürsten willen da. Der Fürst war die Urquelle aller Weisheit und Gerechtigkeit, und das deutsche Vaterland besaß einen größern Vorrath von solchen Urquellen, als von Gesundbrunnen. Heutzutag ist's umgekehrt, und schon darum gut, weil die Heilquellen miteinander keinen Krieg führen können, als höchstens in den Zeitungen. Links brannte ein Dorf, rechts flackerte ein Schloß, vorn lag ein Weiler in Schutt und Asche, hinten dampfte noch ein Maierhof. Rosseshufen zerstampften Wiese und Ackerfeld. Fußvolk, Reiterei und Stückgeschwader waren hart aneinander. Die Karrenbüchsen brüllten, das kleine Gewehr knallte und knatterte, das blanke Eisen klirrte. Am tollsten ging es in einem kleinen Gehölz auf dem Flügel zu; um zu sagen, ob's der rechte oder linke Flügel war, müßte ich Partei nehmen. Weißröckige Grenadiere und Füsiliere in blauen Röcken machten sich dort die ausgesuchtesten Grobheiten mit Schießen, Hauen und Stechen. Wenn sie sich in Güte hätten vertragen wollen, wäre für beide Parteien Platz genug dagewesen, doch jede wollte eben das Gehölz für sich allein haben. Mitten drin im Forst, auf der Höhe eines Abhanges, kamen ihrer zwei besonders ins Handgemenge, rüstige junge Kerls, beide gleich stark und gewandt. Sie gingen so hitzig aufeinander los, daß sie sich gegenseitig unterliefen, um den Leib packten und mitsammen den Abhang hinunterkollerten. Drunten aber kam's ihnen mit einemmal vor, als ob der Boden sie verschlänge, und es war auch so etwas dergleichen. Durch die Decke von Reisig fielen sie in eine tiefe Wolfsgrube, und da sie im ersten Schrecken sich losgelassen hatten und von einander gefahren waren, standen sie sich gegenüber, und zückten die Seitenwehr, um den Kampf zu erneuen. „Kerl, du mußt sterben,“ schrie der eine. „Kerl, es ist dein Letztes“ drohte der andere. Es muß schauerlich ausgesehen haben, wie die zwei in der engen Grube sich gegenüberstanden, den Säbel in der Faust, das schnurrbärtige Angesicht grimmig verzerrt, die Augen roth vor Wuth. Jeder wartete, daß der andre den ersten Hieb führe, und je länger es dauerte, um so weniger konnte sich einer entschließen, aus der Vertheidigungsstellung zum Angriff überzugehen. Dennoch steigerte jeder Augenblick die Peinlichkeit der Lage, bis endlich der Weißrock ausrief: „Kerl, fall' aus.“ „Dem Grenadier die Ehre,“ antwortete der. „Wir müssen also drum losen,“ begann der erste wieder. „Meinetwegen,“ antwortete der andere: „sag' nur, wie?“ Der Grenadier besann sich. „Ich habe Würstel im Sack,“ sagte er. „Richtige?“ „Versteht sich. Du kannst nach Belieben halten oder werfen.“ Die Antwort befriedigte den Blauen, weil der Feind mit sogenannten Glücksknochen kein solches Anerbieten hätte machen können; darum sprach er: „Waffenstillstand.“ „Auf Soldatenwort, eine Viertelstunde lang,“ entgegnete der Weiße, und fügte mit erhöhter Stimme hinzu: „steckt ein d' Weeehr!“ Eins, zwei, drei! klirrten die Säbel in die Scheiden, die Soldaten reichten sich die Hände, um den Waffenstillstand zu besiegeln, und der Weiße fragte: „Kamerad, wo bist du her?“ „Von Ehingen. Und du?“ „Ich bin von Ulm,“ beschied der Grenadier: „und schreibe mich zum Geschlecht Oechsle.“ Der Ehinger hieß Löffler, und war ein Vetter zum Oechsle. Es ist nämlich zu wissen: wenn zwei Schwaben in der Fremde zusammentreffen, so fragen sie so lange an einander herum, bis sie die ganze Freundschaft wissen, und da fügt sich's denn gewöhnlich, daß sie ein jeder zu des andern Freundschaft gehören; wer ein rechter Schwab ist, hat wenigstens einen weitlosen Vetter zu Kirchheim unter Teck sitzen, wenn er nirgends sonst einen Verwandten weiß, und die Kirchheimer sind allesammt Gevattersleute. Der Weiße und der Blaue waren übrigens viel näher befreundet; ihre Großväter, ein mütterlicher und ein väterlicher, stammten von einem gemeinschaftlichen Großvater aus Bopsingen her. „Da sind wir ja ganz nahe Freunde,“ rief Oechsle. „So zu sagen Geschwistrigkind,“ bestätigte Löffler, und fügte hinzu: „wie Schade, daß wir uns die Hälse brechen müssen.“ „So sag' ich auch,“ seufzte der Grenadier, um gleich darauf mit trutzigem Gesicht auszurufen: „doch Eid und Pflicht vor allem.“ „Ja, vor allem Eid und Pflicht, einer von uns muß auf dem Platze bleiben.“ „Nur Einer?“ fragte der Grenadier: „ich denke alle zwei, der eine todt, der andere lebendig, vielleicht verwundet und langsam dahinschmachtend. Horch, Vetter, wenn der Fahneneid nicht wäre, so möcht ich sagen: schlag' mich in Gottes Namen todt, denn wenn du als Leichnam neben mir liegst in dem verdammren Loch, so bringt mich das Grausen um.“ Der Füsilier wurde nachdenklich. Langsam sprach er vor sich hin: „Vor einem frischen Leichnam hätt' ich eigentlich keine Scheu, doch wer weiß, wie lang es dauere, bis ich erlöst werde? Das Wetter ist heiß; bevor zwölf Stunden vergehen, fängt der Todte übel zu riechen an, und ich ersticke im Moderduft. Ja, und kämen Leute, mich zu erretten, so könnten das just des Weißen Kameraden sein; den Todten sehen und mir den Garaus machen, das wäre dann Eins und Zwei . . . „ — „Ich hab's,“ schrie der Grenadier, den andern unterbrechend: „was dir gilt, gilt auch mir. Weißt du, wie wir's machen? Kommen die Blauen, so geh' ich zu den Blauen über; kommen die Weißen, so wirst du mein Kamerad. Wir sind Blutsfreunde und wollen zusammenhalten in Noth und Tod. Schlag' ein, Bruderherz. „Topp, es gilt,“ antwortete der Vetter aus Ehingen. — — Unser Herrgott wird ein Einsehen thun, und die deutschen Brüder auch so in eine Wolfsfalle werfen, damit sie in gemeinsamem Ungemach einig werden. Wenn wir als treue Kameraden nur einer Fahne folgen, so wird es etwa einerlei sein, ob der deutsche Adler über den Häuptern die Krone oder die rothe Mütze trägt, und auf der Brust ein Schildlein, roth mit weißem Querstreifen, oder mit den bayrischen Wecken, oder schwarz und weiß geviert, oder auch ohne besonderes Wappen. Die Hauptsache ist, daß es unter dem Schilde heiße: „Alle Herzen und ein Schlag.“ Lieder eines fahrenden Schülers. Beim Einsiedler. An schatt'ge Felsenwand gelehnt Steht die Einsiedelei; Einsiedel vor der Schwelle saß Und rief mich gleich herbei: „Sei mir willkommen, junges Blut In meinem Waldrevier, Geh' nicht vorüber, — setz dich erst Her an den Tisch zu mir. Hab' du nicht Angst, ich plage dich Mit Gebet und Litanei'n, Ich lobe Gott in andrer Art, 'S wird auch die deine sein.“ Drauf nach dem Keller ging er hin, Das war seine Hauscapell', In langen Reihen lagen drin Die Flaschen weineshell. Er nahm, so viel er fassen konnte Derselben mit herauf, Und rückt den Tisch ins Freie hin Und pflanzte sie darauf. „Gott will,“ sprach er, „daß Jeder sich Des Lebens soll erfreu'n, Drum ließ er uns den Lenz entsteh'n Drum schuf er uns den Wein. „Drum freut der Baum sich, wenn er blüht, Der Vogel, wenn er singt, Drum freut der Schöpfung höchste Zier, Der Mensch, sich, wenn er trinkt! „Drum trink mit mir, du junges Blut, Damit dein Herz gedeiht!“ — Ich sprach ein lautes Amen! drein Und that ihm gern Bescheid. Und war die eine Flasche leer, Stach er die andre an; So sank die Sonn, — wir merktens nicht, So kam die Nacht heran. Doch als die Sonne wiederum Aufging am andern Tag, — Nicht weiß ich mehr, ob auf dem Tisch, Ob unter ihm ich lag! — Morgendlicher Weltschmerz. O süßen Trunkes bittrer Lohn! Wie thut mir Bart und Haupthaar wehe! Wie bin ich selber mir zum Hohn, — Wie ich das All so aschgrau sehe! Wie hat nur solche Wüste Platz In meinem Hirnes enger Kammer? — Die Welt ist eine große Katz', Und ich trag ihren ganzen Jammer! — Die Räuber. Ich ging einsmals des Wegs fürbaß, Drei Räuber kamen gerannt; „Willkommen,“ sprach ich, „hier im Wald Ich reich' Euch meine Hand.“ „Was schert uns deine Hand zum Gruß? „Dein Geld wir wollen ha'n, „Und so du's nicht freiwillig gibst, „So muß dein Leben dran!“ — „O wehe, lacht' ich, meine Herrn! Das thut mir wahrlich leid! Mehr als an Euch, ist an mir selbst Baar Geld die schwache Seit'. „Doch so Euch Stiefel Hut und Rock Etwann gefällig wär', So nehmt sie hin, ich geb's Euch gern, Mein Herz wird drum nicht schwer. Hab' ich kein Rock, so macht mir auch Die Sonne nicht so heiß; So Ihr die Stiefel wollt, so setz' Ich baarfuß fort die Reis'. „Und so Ihr mir das Leben nehmt, Der Welt kein Schad' geschieht; Ein jeder Vogel in dem Wald Singt ihr ein besser Lied.“ — Die Räuber schauten seltsam drein: Dann sprach der Ein': „Gesell! An dir nicht viel zu plündern ist, Das seh ich jetzo hell. „Nur Eins hätt ich dir gern geraubt Das ist dein heit'rer Sinn, Doch weil's nicht möglich ist, so zieh Du deinem Weges hin!“ Drauf drückt er freundlich mir die Hand Und ließ mich ruhig geh'n — Mir war, als hätt' in seinem Aug' Ich eine Thrän' geseh'n. Erinnerungen vom Exerzierplatze. Scharfschützen– Manoeuvre. Rrrrechts — um. Gewissens– Skrupel. Es ist abscheulich, nichts als Kupfer!! Seit die Maaß Bier 5 1/2 kr. kostet, nehmen die Zweiringe und Pfenninge so überhand, daß man selten mehr eine Silber– Münze bekommt. Wenn sich das nicht ändert, wird mir die Berechnung meiner jährlichen Einnahme sehr erschwert, und ich komme in Verlegenheit, wie hoch ich selbe, bei der bevorstehenden Einkommen– Steuer „auf Bürgerpflicht“ angeben soll, ohne zu große Opfer zu bringen. In solchen Sachen sollte die National– Versammlung auch energischer einschreiten. Wie die Alten sungen, so zwitscherten die Jungen. Schullehrer. „Ihr Galgenvögel, warum rauft ihr denn schon wieder?“ I. Schüler. „Ja Herr Lehrer, dieser radikale Spitzbube läßt mich nicht eintunken.“ Schullehrer. „Warum läßt du ihn nicht eintunke?“ II. Schüler. „Ja Herr Lehrer, weil er ein conservativer Lump ist.“ Unterschied. „Sagen Sie uns doch, Herr Kneiselmaier, was ist denn für eiu Unterschied zwischen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit und dem jetzigen Verfahren?“ „Das kann ich Ihnen gleich sagen. Bei der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit will der Spitzbub geheim halten und das Gericht aufdecken. Aber jetzt haltens alle zwei Geheim.“ Associationen. „Geld müssen mer haben. — Ich besorg' den Crawall. — Du schreibst den Zeitungsartikel darüber und der macht die Illustration dazu.“ Knobelmaier. „Hört! da sprechen sie jetzt von Associren. Wir wollens auch thun!“ Knödelmaier. Ja! aber wo anfangen?“ Knüttelmaier. „Narr! am Tabak. — Schau! wir kaufen ein Pfund zusammen. Ich kauen z'erst, nochher kan en der Knobelmaier trockne und rauche — und du Knödelmaier kannst ihn nachher schnupfe.“ Der deutsche Michel. Wißt Ihr eine Hauptgeschichte vom deutschen Michel? — Nein? gut, so will ich sie euch erzählen. Der Michel ist einmal mit seinem Herrn, 'n Baron von So und So, ins Wälschland gezogen. In Wälschland laufen die Banditen herum, wie bei uns das liebe Vieh, s'ist überhaupt kein' Treu und Glauben unter der Menschheit da drüben. — Richtig bei Terracina, heißens den Ort, packt so'n Lumpengesindel unsern Herrn Baron an und plündert ihn aus bis auf das Gewand, was er am Leib' getragen hat. — Der Michel aber ist dabei gestanden und hat keine Hand angerührt. Na, daß das den Herrn Baron nicht gefreut hat, könnt ihr denken; er nimmt einen tüchtigen Stock und haut den Michel halb Bayerisch– halb BerlinerBlau. Da bildet sich auf einmal der Michel 'n' gewaltigen Zorn ein, entreißt seinem Herrn den Prügel, stürzt fort, den Räubern nach, schtägt die Kerle einen nach dem andern nieder und bringt seinem Herrn das Geraubte zu Heller und Pfenning zurück. „Ei Michel,“ hat da der Herr Baron von So und So gesagt, „warum hast du denn dich nicht früher gerührt?“ — „Ja Gnaden, sagt der Michel, verzeihens, man muß doch erst warm werden.“ Ich hab' die Geschichte nicht ohne Ursach erzählt, weil ich vermeine, der Freund Michel dürfte bald wieder warm werden. Und damit Gott befohlen. Moderne Dienstboten. „Rose, hol' sie mir meinen Regenschirm herein, ich will die kranke Rückert besuchen!“ — „Den können Sie jetzt nicht nehmen!“ „Warum?“ „Weil ich jetzt einen Ausgang zu machen habe!“ Knecht. „Herr! Wie finden Sie diesen Rock?“ Herr. „Beinah noch neu und modern!“ Knecht. „Ich leg' ihn ab: wenn Sie ihn wollen sich zurecht machen lassen, soll er Ihnen geschenkt sein!“ — Dienstfertigkeit. „Bis wann kann ich den Paß bekommen, Herr Commissär?“ „Bis morgen.“ „Schön, dürfte ich noch eine Bitte wagen?“ „Nun und die wäre?“ „Ja — — ich genire mich sie auszusprechen!“ „Bitte sehr.“ — „Wenn ich wüßte, daß Sie verschwiegen wären?“ „Sie wissen Fräulein, ich bin Beamter und meine Pflicht — „ „Nun, so will ichs sagen — schreiben Sie nicht in den Paß, daß ich einäugig bin.“ — „Ja, das geht nicht — das Signalement muß genau sein, jedoch aus Rücksicht auf Ihre Jugend und aus persönlicher Hochachtung gegen das schöne Geschlecht, will ich schreiben: „Schwarze Augen, eins abwesend.“ Freikorpswachstubenfliegen. Von N. Crum. Nro. 1. Hauptmann. „Drüben in der Jesuitengasse soll man schon wieder einen Pfiff gehört haben. Herr Gefreiter Stattelbauer! Nehmens noch einen Mann mit, und machens eine Patrouille hinüber, damit man weiß, was es denn eigentlich ist.“ (Ab.) Gefreiter Stattelbauer. „Sehr wohl, Herr Hauptmann! — Herr Lerchenmüller! Sie gehen mit. — — T' Achtung! — Herr Lerchenmüller! — In diesem kritischen Moment zähle ich eben so sehr auf Muth und Ausdauer, als auf Subordination von Ihrer Seite. — Sollte ich fallen — — so übernehmen Sie schleunigst das Commando der Patrouille und kehren zurück — und morgen — thuen Sie mir den Gefallen — bringen Sie eine Locke von mir — wenn es Ihnen möglich — Wiblingergässel Numero fünf, 3 Stiegen links — — Rechts um! Vorwärts Marsch!“ ==== FB70152 Eine Luftfahrt. Erzählt von Carl Cramer. Wer sich muthwillig in Gefahr begibt, kommt drin um, sagt das Sprüchwort. Ein Sprüchwort, ein wahr Worrt! Wer hat es nicht schon oft vernommen, und doch wie oft verstößt man nicht gegen die weisen Lehren solcher Sprüchworte! Möchte die folgende schauderhafte Begebenheit aus meinen Erlebnissen mit dazu beitragen, vor unnützer Verwegenheit zu warnen. Man wird es im Laufe der Erzählung erklärlich finden, wenn ich die Namen der Personen und des Ortes durch fremde ersetze. Schon längst hatte ich den Wunsch gehegt, einmal aus stolzer Höhe herabzuschauen auf alles was am Boden kreucht. Ich war zu dem Ende Literat und Poet geworden, es hat mir aber dem unerachtet nie recht damit gelingen wollen. So lange ich den Musen noch als Dilettant huldigte, hatte freilich manches meiner kleinen Lieder freundliche Anerkennung gefunden. „Löse die Bande, die dich ans Irdische fesseln,“ sagte ich mir da; „und es kann dir nicht fehlen.“ Und siehe — ich durchschnitt die Bande gleich den Stricken, die den Luftballon an den Boden fesseln, und nun dachte ich ginge es aufwärts gleich dem Luftballon. Ja, prost die Mahlzeit! Um so willkommner war es mir, als der berühmte Luftschiffer Master Blak in Sponheim anlangte, seine 163. Luftfahrt ankündigte und dabei zur Mitfahrt gegen ein Honorar von 100 Thalern einladete. Was sind l00 Thaler für einen Poeten, wenn es sich um die Erfüllung eines längst gehegten Lieblingswunsches handelt; NB. wenn er sie zufällig grade besitzt. Der Augenblick war günstig, der erste, der sich einschreiben ließ, war ich. Es war am 3. August des Jahres 1847, einem Tage, so heiß, daß die Schwalben zu faul waren, aus ihren Nestern zu fliegen, als ich Mittags gegen drei Uhr aus einem Pelzladen trat, zum Gespötte der lieben Straßenjugend in Pelze gehüllt wie ein Eskimo; denn es sollte heute hoch hinauf, hoch in die Eisregionen. Mstr. Blak verband nämlich mit der heutigen Fahrt einen wissenschaftlichen Zweck. Er wollte prüfen, ob auf einer bedeutenden Höhe sich die Höhenmessungen mit dem Barometer im Vergleich mit geometrischen Messungen bewährten. Er hatte zu dem Ende die Lage mehrerer weithin sichtbaren Punkte auf Gottes liebem Erdboden genau aufgenommen, um Anhaltspunkte zu seinem Zwecke zu haben. Als ich am Eingang zu dem Auffahrtsplatze mein jugendliches Gefolge entlassen hatte, und eintrat, scholl mir eine helle Trompetenfanfare, dumpfes Paukengewirbel, und donnerndes Hurrah entgegen. Zum erstenmale galten diese Klänge mir. Seliger Augenblick! Ach, du warst nur zu kurz! Ein gellendes Lachen über mein Aussehen folgte dir auf dem Fuße. Der Raum für die Zuschauer war bereits gespickt voll, ebenso die Fenster der Nachbarschaft. Auch auf den Dächern wimmelte es; und mancher kühne Knabe saß rittlings auf der Firste eines Daches. Der Ballon, zur Hälfte bereits mit Kohlengas gefüllt, strebte schon nach oben und wiegte sich einstweilen im Winde. Neben dem an und für sich seltenen Schauspiel war es nebenbei die beabsichtigte Mitfahrt eines zweiten Passagiers, welche die Neugierde der Menge fesselte. Goldmann, der reichste Kapitalist und erste Gourmand Sponheims, hatte nämlich beim üppigen Mahle, angefeuert durch den Champagner, erklärt, er sähe in meinem Entschlusse kein Wagniß, und wenn es eine bedeutende Wette gäbe, so wäre er bereit, ein Gleiches zu thun. Ja, er war so weit gegangen, ein kleines Landgut, welches er in der Nachbarschaft besaß, zur Wette zu setzen. Mehrere der Anwesenden, die kein großes Vertrauen zu seinem Muthe hatten, hielten ihn beim Worte und erboten sich zu einem Aequivalent als Gegensatz, welches zum großen Theile in den edelsten Weinen bestand, wozu jeder seinen Antheil beischoß. Schon am selben Abende wollte man bemerkt haben, daß Goldmann sich gern zurückgezogen hätte; aber um so fester hielt man ihn, und brachte ihn dahin, die Wette schriftlich zu machen. Seine Gegner hielten sich ihres Sieges so gewiß, daß sie schon vorher keinen Anstand nahmen, ihn allen möglichen Neckereien auszusetzen, ohne zu bedenken, daß sie ihn möglicherweise dadurch gerade zur Ausführung des Wagstücks reizen könnten, von dem er sonst vielleicht zurückgetreten wäre. Ueber das Benehmen des Kapitalisten in den letzten Tagen liefen allerlei Gerüchte umher. Man wollte unter anderm wissen, daß er am Morgen desselben Tages den Notar zu sich berufen habe, um zu testiren. Der Ballon füllte sich immer mehr, die zur Abfahrt bestimmte Zeit nahte heran, aber von Goldmann war noch immer nichts zu sehen. Man bot im Publikum Wetten an drei gegen eins, daß er ausbleibe, und nur hin und wieder fanden sie Annahme. Es fehlten nur noch einige Minuten, da entstand am Eingange ein Tumult. „Er ist da!“ schrie eine Stentorstimme. Wieder schmetterten die Trompeten, die Pauken rasselten, Hurrahgeschrei ließ die Luft erbeben, die Hälse streckten sich, die Damen schwenkten mit den Tüchern ihm entgegen, und von der Firste eines Daches kollerte unter Schreckensgeschrei ein Knabe herunter. Aber auch seinem Auftreten folgte ein schallendes Gelächter. Zwar erschien er nicht in Pelz gehüllt wie ich, ein Bedienter trug ihm vielmehr seine Pelze nach: aber er schaukelte auf den Beinen, wie der Ballon in den Stricken. Es schien, der gute Herr hatte sich den Muth wieder angetrunken, mit dem er die Wette einging. Ein zweiter Bedienter schleppte einen schweren Korb herein. Mstr. Blak erstaunte über dies ungewöhnliche Passagiergut. „Nur etwas Proviant!“ sprach Goldmann. Und so verhielt es sich in der That. Die nähere Prüfung des Inhalts ergab folgendes Resultat: Ein Fasan in Gelee, eine Straßburger Gänseleberpastete, eine Pommer'sche Gänsebrust, einige feine Würste, ein Chesterkäs und einige feine Brode. An Getränken: 2 Flaschen Hochheimer Domdechant, 2 Flaschen SchloßjohannisbergerGoldlack; 1 Flasche Drimadera, 2 Flaschen Bordeaux St. Julien, 4 Flaschen Champagner veuve Cliquot und 2 Flaschen Tokaier Ausbruch. Sie schienen bestimmt, durch den Vorschmack des spätern reichen Gewinnes den Paßagier noch mehr in seinem Wagstück zu kräftigen. Mstr. Blak meinte aber, das hieße das Gewicht unnöthigerweise vermehren. Goldmann aber suchte ihm begreiflich zu machen, das sei so gut wie Ballast; Trank und Speise im Magen hätten eben so wenig Gewicht, wie ein Fisch im Wasser. Mstr. Blak lachte herzlich über diesen Lehrsatz, der doch so manchen Anhänger hat, und behauptete, er schlage alle Mathematik gradezu ins Gesicht. Ich, überzeugt, daß im Ballon Communismus herrschen werde, suchte ihn zur Mitnahme zu bewegen, indem ich ihm begreiflich machte, daß man sich dennoch im Nothfalle des Ueberschusses als Ballast entledigen könne. Nach einigem Kopfschütteln, wobei er bemerkte, daß wir alle drei ohnehin gewichtige Personen wären, packte er endlich mehrere Sandsäcke aus, und an deren Stelle jenen edleren Ballast ein. Was er von unserer Persönlichkeit sagte, hatte seine Richtigkeit. Mstr. Blak maß seine volle sechs Fuß; zwar war er nicht beleibt, aber von kräftigem Knochenbau und strotzenden Muskeln. Herr Goldmann, nur wenige Zoll kleiner, war dagegen eine Fleischmasse, die noch mehr im Umfang als in der Länge maß. Meine Wenigkeit (so nenne ich mich eigentlich nur aus übertriebener Bescheidenheit) war zwar nicht so groß wie Mstr. Blak, noch so dick wie Herr Goldmann, aber nichtsdestoweniger untersetzt und wohlbeleibt und es fehlte ihr wenig an 2 Centnern. Der Ballon war nunmehr gefüllt. Wir beiden Passagiere erhielten unsre Fahnen und nahmen unsre Sitze in der Gondel ein. Mein visavis schien etwas bleich und schwenkte seine Fahne schon mächtig, bevor es losging. Jetzt wurden die Stricke bis auf einen gelöst. Mstr. Blak stieg in das Netz oberhalb des Kranzes, untersuchte noch einmal alle Taschen, damit er sich überzeuge, daß er kein nöthiges Instrument zurücklasse, sah drauf auf seine Sekundenuhr, und zog aus dem Haken, der den letzten Strick hielt, ein kleines Zäpfchen, der Haken schlug sich auseinander und aufwärts ging es. Zwischen das verstärkte Trompetengeschmetter, den Paukenwirbel und das Volksgejubel donnerten mächtig die Böller. Bald sahen wir über alle Dächer hinweg, von denen weiße und bunte Tücher uns einen Gruß entgegen flatterten. Im Anfang nahm unsere Gondel eine schaukelnde Bewegung an. Es krabbelte mir darob im Magen, als wäre er eine Dose voll lebendiger Maikäfer; es ward mir sehr unbehaglich zu Muthe, um so emsiger aber schwenkte ich mein Fähnchen. Da bemerkte ich, daß meinem Gegenüber seine Fahne entfiel. Ich blickte auf. Himmel, was sah ich! Herrn Goldmann schien es auch unbehaglich zu werden, er wollte aussteigen, und doch schwebten wir schon mehrere Kirchthurmshöhen über der Stadt. Da ich ihn anders nicht schnell genug erreichen konnte, so schlug ich ihn einstweilen mit der Fahne vor den Kopf, daß er in die Gondel zurücktaumelte. Dann lief ich hinzu. Auch Mstr. Blak biegt sich in die Gondel herab. Wir hatten alle Mühe, Goldmann zurückzuhalten, und nur schwer gelang es uns, ihm die Höhe begreiflich zu machen, auf der wir uns befanden. Als wir ihm dies endlich beigebracht hatten, ließ er sich wieder auf seinen Sitz nieder, stützte die Ellenbogen auf die Knie, und verbarg sein Antlitz in den flachen Händen, wobei er heftig zitterte und mit den Zähnen schlotterte. Obgleich wir unser Hauptgelage erst beim Herabsteigen zu halten beabsichtigten, da wir möglichst schnell hinauf wollten, um oben die Mittagswärme noch zu benutzen, so entkorkte ich doch jetzt eine Flasche des edlen Hochheimer Domdechanten, aus dem mir ein Blüthenduft entgegenquoll. Umsonst bot ich Goldmann den duftenden Römer, er schüttelte heftig mit dem Kopfe, und wollte nicht aufsehen; um so besser ließen wir beiden andern uns den edlen Trank munden. Die Gondel hing jetzt ruhig, senkrecht von dem Ballon herab. Es war dort oben so lieblich kühl, kein Lüftchen wehte, denn selbst der Sturm schweigt, für den, der mit ihm fliegt. Ich fühlte mich jetzt ruhig und wohl; mein Auge schweifte trunken über Berg und Thal, und haftete am liebsten am Horizonte, wo immer in weiter Ferne neue Dörfer, Städte, Ströme und Berge auftauchten. Ich verfehlte natürlich nicht, dem Lande eine Libation zu bringen. Schwerlich aber dürfte einer der goldenen Tropfen unten angelangt sein, denn die Lüfte sogen sie gierig auf. Da die Luft allmählig leichter zu werden begann, was man eben sowohl am schnellern Athmen, als am Fallen des Barometers bemerken konnte, so entleerte Mstr. Blak zur Beschleunigung der Fahrt allmählig einige Sandsäcke, um auch den Ballon zu erleichtern. Tief unter uns gewann die Erde allmählig das Aussehen einer ReliefLandkarte. Um uns war Alles still. Kein Vogel schwebte mehr auf dieser Höhe. Wir erreichten endlich eines jener kleinen Wölkchen, die wir unten bemerkt hatten. Es umhüllte uns bald mit seinem Nebelmeer und entzog uns auf eine Zeit alle Aussicht. Es ward feucht um uns her. Ich hüllte mich wieder in meine Pelze, die ich abgelegt hatte und entkorkte eine Flasche Bordeaux. Das war probat. Selbst Herr Goldmann wagte es, als nichts mehr zu sehen war, aufzublicken, und trank ein Glas des feurigen Franzosenbluts, jedoch nur, um gleich nachher das Gesicht wieder in die Hände zu stützen; während wir andern Gelegenheit fanden, auch einer seiner Würste unsern Beifall zu zollen. Wir schossen bald wieder über der Wolke empor, wobei sich uns ein Anblick bot, als ob wir über einem Gletscher schwebten. Dabei fing es an recht bitterlich kalt zu werden. Fast willenlos ließ es Goldmann geschehen, daß ich ihm seine Pelze umhing. Das Lustige der Fahrt ward jetzt zu Ende. Himmel, wie sollte sie enden! Immer höher ging es hinauf, immer bitterer ward die Kälte. Wir löschten auf dem Boden der Gondel mitgenommenen Kalk, um einige Wärme zu verbreiten; wobei wir nicht verfehlten, den edlen Rebensaft der Wärme nahe zu bringen, damit er nicht erfriere. Eine Flasche Drimadera mußte innere Wärme geben. Indessen wurde die Fahrt immer unbehaglicher. Der Athem ging immer schneller. Trotz aller Pelze und des Kalkes empfand ich ein heftiges Ohrenstechen. Goldmann schlotterte von Neuem hörbar mit den Zähnen. (Schluß in nächster Nummer.) Begründete Bitte. Rath. „Excellenz, ich stelle die unterthänigste Bitte um eine entsprechende Zulage, damit ich mir eine größere Wohnung miethen kann.“ Minister. „Wozu brauchen Sie die, — hat sich vielleicht Ihre Familie vermehrt?“ Rath. „Mit nichten, Excellenz, ich bin gar nicht verheirathet.“ Minister. „Nun?“ Rath. „Man schleppt mir täglich so viele Aktenfascikel in das Haus, daß bereits meine Wohnung, im reinsten Sinne des Wort's, damit vollgepfropft ist. Auch will mich der Hausbesitzer, der für sein Haus einen Einsturz befürchtet, unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht länger behalten.“ Minister. „Ja warum arbeiten Sie da nicht in den Gerichts– Lokalitäten?“ Rath. „In diesen sind bereits alle Räume so überfüllt, daß kaum die gewöhnlichen Gerichts– Verhandlungen mehr vorgenommen werden können.“ Minister. „Nun beruhigen Sie sich nur, wir haben denn doch unter den jetzigen Aussichten Hoffnung, in einigen Jahrzehnten das öffentliche Verfahren eingeführt zu sehen, dann wird es besser für die Herren; — bis dahin müssen Sie sich eben beschränken und trösten.“ Rath. „Das wäre gräßlich! — Excellenz, wenn das gegenwärtige Verfahren auch nur noch ein halbes, — ja nur ein viertel Jahrzehnt noch dauert, so bin ich und meine Wohnung dem Druck der auf uns lastenden Aktenfascikel erlegen!“ Organisation der Arbeit. „Siehst d' Michelche, mer werd sich wohl hüte, so den ganzen Tag zu arbeiten, wenn mer sich uf ne annere Art besser durchzuschlage weeß, abgesehe vom Verdienst, den mer sich um's Vaterland erwerbt. Komm aach mit, mer wolle d' Republik mit ausrufe helfe, vor jeden Tag, den mer uns der Sach widme, hawe mer eenen Thaler.“ Und wenn d' Republik durchg'setzt is, was dann?“ „Was dann? dummer Teufel!! dann schlage mer uns zu de Reactionärer un schreie fer d' König, und wenn mer in dene ihr Horn bloße, da kost der Tag wenigstens 2 Thaler.“ Etymologische Studien. „Sag' mir 'mal, Bruder Mannemer, man spricht jetzt so viel von Nemesis, was ist denn das eigentlich?“ „Das is ganz einfach das: Früher hat mer in eenfort gepetitionirt und doch nix gekriecht — jetzt sin se aber g'schaidter worre, Nemme sie's.“ Guter Rath. “Geh her Schusterbub, trink!” „Machts Euer Pflaster nit gar zu fest, mer könntens noch mal brauchen! Aus dem Soldatenleben. Kommandant. „Am nächsten Sonntag Nachmittags wird ein Uebungslager abgehalten. Zu diesem Zweck erhält der Gemeine für diesen Tag 2 Pfennige Zulage. Man hegt demnach das gerechte Vertrauen an die Mannschaft, daß diese Löhnungszulage nicht zu Fraß und Völlerei benützt werde.“ „§. 12. Wenn einem Soldaten von seinem Vorgesetzten ein Glas Wein vorgesetzt wird, so muß derselbe es dankend annehmen, auf einen Zug austrinken, und auf einen Seitentisch stellen.“ — „Also, wenn dir ein Vorgesetzter ein Glas Wein anbietet, was thust du dann?“ „Das kommt nicht vor, Herr Lieutenant!“ Eine Militär– Lawine. „Herr Major! — ich hatte Gelegenheit, zu bemerken, daß die junge Mannschaft der 13ten Compagnie häufig müssig in den Straßen herumläuft. Wollen Sie dahin wirken, daß die Leute mehr zu Hause beschäftiget werden. — Sonst müßte man einschreiten.“ „Herr Hauptmann! — der Herr Oberst haben bemerkt, daß Ihre Mannschaft immerwährend faulenzend in den Straßen herumschwärmt. Wollen Sie die Compagnie zu Hause tüchtig beschäftigen, und die Herumsträuner strafen! Nur Energie!! „Feldwebel! — Der Herr Oberst . . . haben . . . bemerkt, daß unsere Compagnie . . . von Morgen bis Abend faulenzend, spektakelnd auf den Straßen herum schwärmt. — War mir sehr unangenehm zu vernehmen. — Wollen Sie die Leute unausgesetzt in der Kaserne beschäftigen, und keinen Mann vor das Thor hinaus lassen; bei 15 Tag Arrest. — Nur Energie.“ „Der Herr Hauptmann haben in Erfahrung gebracht, daß Ihr ungehobelten Bursche früh und spät, lärmend und besoffen auf den Straßen herumsch wärmt, und daher befohlen, daß von nun an kein Mann mehr das Zimmer verlassen darf; bei Strafe von 25 Stockstreichen. — Kehrt Euch! Marsch.— „ In Folge dieser Befehle wird die Mannschaft der treffenden Compagnie angehalten, in Ermanglung anderer Beschäftigung, die Knöpfe aus der Montur auszuschneiden und wieder frisch einzunähen. — Wie Ralf dem Riesen half. Hört, wie der kleine Knirps, der Ralf, Fasolt dem großen Riesen half! Er sprach: Ihr werdet schwach und alt Plag' thut nicht gut, Ihr zittert bald. Herr Fasolt, laßt Euch rathen recht Und nehmt mich an zu Eurem Knecht. Zwar bin ich kurz und dick und kleine Doch kann nicht jeder ein Riese sein. Krieg' ich mein gutes Deputat; So schaff und helf ich früh und spat, Bald mit der That, bald mit dem Rath. — — Der Riese sprach: ich wills probiren; Erst iß und thu dich nicht geniren! — — Wie schmauste da der kleine Ralf, Den Riesen freut's wie er ihm half. — „Nun aber komm' hinaus zum Wald, Wir brauchen Holz, es wird schon kalt!“ — Sie gehn. — „Wo hast du denn das Beil?“ Ralf sprach: vergessen in der Eil; Doch macht Euch keine Sorge drum: Man kriegt den Baum auch so schon um. Packt ihn nur recht beim Wipfel an Und wiegt, ich helf hier unten dann; Weil ich so hoch nicht langen kann. Wiegt zu, wiegt zu! Er bricht ja schon: Da liegt er — blautz! — Ralf springt davon. Der Riese wischt sich ab den Schweiß, Ralf sprach: Nicht wahr, es wird uns heiß! Drum wechseln wir nun lieber Mann; Weil ich nun oben langen kann, Pack du den Baum von unten an. — Der Riefe sprach: hier hakt er noch! — Zieh nur die Wurzel aus dem Loch. Zieh zu und bleibe guten Muths! Zieh zu, zieh zu! — der Riese thuts. Nun ist er raus, nun wechsle du, Nein, sprach da Ralf: bleib dort in Ruh: Ich pack ihn schon, trag du nur zu! — Der Riese nimmt nun auf deu Baum, Ralf hilft ihm nicht einmal im Traum: Er ruckt und raschelt nur zum Schein Und läßt dem Riesen alle Pein. Er läßt ihn ziehen mit der Last; Setzt sich noch gar auf einen Ast Und läßt sich tragen ohne Noth, Verzehrt dazu sein Butterbrod Und ruft: Nur zu, nicht zu gemach, Ich spute mich, ich komm' schon nach! — Der Riese sieht sich auch nicht um Und trägt ihn immer mit, wie dumm, Lobt ihn und spricht: So ist es recht, Es richt' sich nach dem Herrn der Knecht, Sollt ich so klein die Schritte machen Wie du, so würden Alle lachen. Ralf sprach: Die Arbeit macht doch munter Und sang und pfiff ein wenig drunter. Als man sie sah so ziehen Beide, Da hatten alle Leute Freude, Man fand es allerliebst wie Ralf, Der Knirps, dem großen Riesen half. Der Schleppsäbel. ==== FB70153 Eine Luftfahrt. (Schluß.) Besorgt begann ich Mstr. Blak, der eben wieder einen Sack Sand ausgoß, zu fragen, ob wir denn noch nicht hoch genug wären. „Wir befinden uns gegenwärtig,“ erwiederte Mstr. Blak, auf den Barometer blickend, auf einer Höhe von nicht ganz fünfzehntausend Fuß, also auf ungefähr gleicher Höhe mit derjenigen des Montblanc. Bei der gegenwärtigen Erleichterung des Ballons werden wir noch fernere tausend Fuß steigen; das wird mir genügen. Sobald der Ballon, der dort etwas auf– und abwiegen wird, ruhig steht, werde ich meine Operation beginnen.“ Das war mindestens ein Trost. Aber einstweilen ging es noch immer höher. „Da droben aber ist's fürchterlich, und der Mensch versuche die Götter nicht.“ Die Luft im Innern des Körper, welche schon lange das Streben zu erkennen gegeben hatte, sich eben so auszudehnen, wie draußen die dünne Luft, die uns umgab, begann allmählig einzelne Bluttröpfchen zu den Poren hinauszutreiben, und es zuckte einem die Haut, als würde man mit Millionen Nadeln gestochen. Das Stechen aber in den Ohren ward zu dem empfindlichsten Schmerz. Endlich stand der Ballon. Mstr. Blak visitirte die vorn erwähnten Punkte mit dem Fernrohr, verglich dann den Stand des Rohrs mit der Wasserwage, und notirte die Winkel, die beide Instrumente bei dieser Gelegenheit bildeten, genau in seine Brieftasche, um darnach später seine Berechnung zu machen. Dann schwang er sich in das Netz hinaus, und zog an der Schnur, die durch den Ballon zu der oberen Klappe führt, um diese zu öffnen. Aber sie versagte vorerst ihren Dienst. In der Nebelwolke war sie feucht geworden, und drauf in der Eisregion zugefroren. Erst nach langem vergeblichen Zucken, und zuletzt nach einem kräftigen Ruck gelang es, sie zu öffnen. Zugleich ward aber dadurch die Feder verletzt und die Klappe wollte sich nicht wieder schließen. Aber Mstr. Blak war ein entschlossener Mann. Mit der Behendigkeit einer Katze kletterte er an dem äußeren Netze den Ballon hinauf. Als er über die Hälfte war, bemerkte ich deutlich, wie der Ballon oben noch immer zusammen klappte. Durch die untere Oeffnung entwich eine bedeutende Menge Gas, was sich durch den Geruch deutlich zu erkennen gab; mehr noch mochte durch die obere Oeffnung entwichen sein. Dies Zusammenklappen half aber auch dem kühnen Kletterer, um so schneller die Klappe zu erreichen und sie zu schließen. Betäubt durch das Kohlengas, heftig hustend, ich möchte sagen mehr instinktmäßig als bewußt, kletterte Mstr. Blak wieder hinab und hing sich in das Netz oberhalb des Ringes. Zugleich bemerkte ich an dem starken Luftzug, der aufwärts ging, daß wir in einem schnellen Fallen begriffen waren; da unser Luftschiffer noch immer nicht recht zu sich gekommen und keine Zeit zu verlieren war, so begab ich mich auf eigene Faust daran, die übrigen Sandsäcke zu leeren. Als Mstr. Blak so weit war, es zu bemerken, nickte er Beifall, und deutete zugleich an, den übrigen edeln Ballast auszuwerfen, und so flogen denn die Würste, der Chesterkäs, die Gänsebrust, die Pastete, der Fasan hinab. Was mögen die Bauern unten für Augen gemacht haben, als ihnen gewissermassen ein gebratener Fasan ins Maul flog. Ihnen folgten Bordeaux, Champagner, Tokaier und Rheinwein. Trotz aller Noth schnitt es mir durch die Seele, als ich den edlen Schloß– Johannisberger– Goldlack ungenossen so den Lüften preisgeben mußte. Unterdessen war Mstr. Blak in die Gondel herabgestiegen. Der Luftzug ging immer stärker aufwärts. Wir beiden warfen die Pelze, und was wir sonst an Kleidungsstücken leicht los werden konnten, gleichfalls hinab. Mstr. Blak verglich das Steigen des Barometers mit dem Gange seiner Sekundenuhr. Der kühne Mann wurde todtenbleich. „Hundertfünfzig Fuß in der Sekunde,“ rief er. Nachdem er seine beiden Passagiere einen Augenblick mit den Augen gemessen hatte, kam er auf, mich zu— und sagte mit unterdrückter Stimme: „Sie scheinen ein vernünftiger Mann zu sein. Hier gilt es ein Opfer, oder wir sind alle drei verloren.“ „Wie!“ erwiederte ich, „und Sie verlangen, ich solle das Opfer sein!“ Dabei blickte ich in die grauenhafte Tiefe unter mir, und die Haare stiegen mir zu Berge. „Nicht doch! Es würde schwerlich reichen. Der da!“ Dabei deutete er rückwärts auf Goldmann. „Frisch angefaßt. Es ist kein Augenblick zu verlieren.“ „Nimmermehr!“ rief ich entsetzt. „Wie, Sie wollen nicht?“ sprach er mit einem grauenhaften Lachen. „God dam, besser zwei als drei!“ Nach diesen Worten sprang er hinauf in den Ring, zog ein Messer, und machte Miene die Gondel abzuschneiden. „Ums Himmels Willen, halten Sie ein!“ schrie ich. „Ich will, ich will!“ „Nun denn, ohne Zögern!“ damit sprang er wieder hinab. Goldmann saß noch immer in seiner früheren Stellung. Aus Furcht vor einer Gefahr, die kommen könnte, hatte er gar nicht bemerkt, daß sie wirklich gekommen war. Wer beschreibt sein Entsetzen, als wir Miene machten, ihn aus der Gondel zu werfen. So viele Mühe wir früher gehabt hatten, ihn in der Gondel zu halten, so schwer fiel es uns jetzt, ihn hinaus zu bringen. Er klammerte sich überall an, jammerte und flehte um Erbarmen. Aber der Trieb der Selbsterhaltung hatte uns zu wilden Thieren gemacht, wir waren taub für sein Flehen. Unsern vereinten Kräften widerstand er nicht lange. Noch einmal griff er nach dem Ankertaue, aber es war ein trügerischer Hoffnungsanker, er erreichte damit nichts anderes als Tau und Anker mit sich in Tiefe zu ziehen. Er — stürzte hinab. Erschöpft sank ich auf seinen Sitz. Kalter Schweiß drang mir aus allen Poren. Zum erstenmal hatte ich ein Menschenleben geendet. Aber ungeachtet des Opfers bemerkten wir noch immer keine Aenderung im Fallen des Ballons, trotzdem, daß wir in immer dichtere und schwerere Luftschichten gerieten. Mstr. Blak warf einige Papierschnitzel aus. Sie schossen wie die Pfeile aufwärts und waren wie der Blitz verschwunden. Aufs Neue trat er mit der Sekundenuhr zu dem Barometer. Ich lauerte mit Luchsaugen auf jede seiner Bewegunggen. Er schien unruhig, warf mir einen lauernden Blick zu, und wollte rasch in den Ring steigen. Ich errieth die Absicht, hing mich an seine Füße, und zog ihn hinab. Dann klammerte ich mich um seine Brust und Arme, und faltete die Hände auf seinem Rücken zusammen. Jetzt entspann sich abermals ein Ringen auf Tod und Leben. Die Gondel schaukelte dabei dermaßen hin and her, daß ich noch heute nicht begreifen kann, daß wir nicht beide hinausstürzten. Den riesigen Kräften des Engländers aber vermochte ich auf die Dauer nicht zu widerstehen. Er bog mich über den Rand der Gondel hinüber, befreite allmählig seine Rechte, und setzte mir die sehnigte Faust auf die Brust, mich rückwärts drückend, dadurch erhielt auch seine Linke Luft. Mit dem Messer wollte sie eben auf mich hinabfahren, da — war es Schrecken oder verließ mich die Kraft, genug meine Hände öffneten sich, und ich stürzte kopfüber hinab. Unterwegs fuhr ich an Goldmann vorbei, der auf dem fünfzackigen Anker sitzend tief unter dem Ballon hing. Dann fühlte ich einen heftigen Schmerz in allen Gliedern, und meine Sinne verließen mich. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf meiner Wohnstube zu Cöln am Rhein, vor meinem Sopha unter dem Tisch. Noch schmerzten mich die Glieder. Wie ich aus dem Luftballon dahin gerathen, wußte ich mir Anfangs selbst nicht zu erklären. Allmählig tauchte die Erinnerung wieder in mir auf. Ich war des Morgens in dem Weinhause zur ewigen Lampe gewesen, dort ging es hoch her. Es war dort unter andern die Rede von einem Cölner gewesen, der in Folge einer Wette Mittags mit Green ausfahren würde, eine Wette, die er später wirklich ehrenvoll gewann. Nach Tisch hatte ich mich, betäubt von den etwas zu zahlreich genossenen Spezialen, etwas aufs Sopha gelegt. Da ich mich nun vor dem Sopha wiederfand, so glaube ich nicht ganz irrig zu schließen, wenn ich annehme, daß ich herunter gefallen bin. Meine Luftfahrt war somit eine bloße Traumfahrt. Als ich mich erhoben, reckte ich die Glieder, stellte mich vor den Spiegel, drohte meinem Spiegelbilde mit dem Zeigefinger der Rechten (was dieses mit der Linken erwiederte) und sprach: „Carl! Carl! hab ich es dir nicht so oft gesagt, du sollst Morgens nicht in die Lampe gehen. Bier ist Gift! Schnaps ist Gift! Aber Wein Morgens genossen, ist gleifalls Gift! Und wenn du denn doch in die Lampe gehst, weßhalb stellst du Nachmittags nicht wenigstens einen Stuhl vor's Sopha!“ Diese Lehre, die ich mir selbst gab, ging nicht verloren. Zwar ging ich noch oft Morgens in die Lampe, denn da geht's gar zu lustig zu; aber ich stellte regelmäßig Nachmittags den Stuhl vor's Sopha, und fand mich gut dabei. Drum lieber Leser, gehe hin und thue ein Gleiches, denn wer sich leichtsinnig in Gefahr begibt, der kommt drin um. Die Fürsten. „Des Sprichwort segt, dem Verdienst kein Kron; howe se dann Verdienste?“ „Na.“ „Do brauche se aach kan Krone; haw' i Recht oder haw' i nit Recht?“ Bauern–Erziehung. (Thüringisch.) „Herr Paster, sieh se mol den Jongen an, daß is a Mord Karl, der kann se Karten speele, Kegel schiebe, und fluche, wie alle Deifel.“ „Aber lieber Nachbar, kann er denn auch beten?“ „Na, Herr Paster, dazu is e noch veel zu kleene.“ Rechts oder links? Doctor. „An welchem Bein spüren Sie Schmerzen?“ Patient. (indem er das linke Bein hinzeigt). „Do!“ Doctor. „Hier? . . . Aber ich seh' ja gar nichts!“ Patient. „Ne? . . . nu so muß es das recht' sein!“ — Trübe Aussichten für die Zukunft. „Des kann ich Ihne sage, wenn die Schutzwacht in Frankfurt noch lang dauern duht, dann werd' der Eppelwein theuer; und des kann erscht Unruhe hervorbringe, denn die Aussichte uff e Eppelerndt sinn des Jahr gar nit so glenzend.“ Prophezeihung über Deutschlands Zukunft. „Ich sage Ihna, Herr Nachbar, wann das Ding noch lang so fort geht, nachher gehts nimmer lang so fort!“ Organisation der Arbeit. „No, meine Herrn, kän Arweit?“ „Warum?“ „Ei no, well Se so mißig stehe.“ „Ach Herr Je, des verstehe Se net, heint zu Dog muß mer mit der Arweit sparsam sein, sonst hot mer morje nix mehr.“ — Bündige Erklärung. „Was e Kammer is, des waßt de; du host jo aach an derham; unn e Sistem, des is grod, als wenn äner en Woge hot, unn hinne unn vorn en Gaul dran spanne duht; der äne zieht da, der annere dort enaus. Grod so is es mit de zwä Kammern.“ Lieder eines fahrenden Schülers. Traum. Mir träumt', der Himmel sammt der Erd Sollte eine Bowle sein; Dazwischen flöß das weite Meer Und sei von lauter Wein. Die Sonn sei eine Apfelsin' In üppig goldner Glut, Und stiege selbst herab, und eint' Sich mit dem Traubenblut. Drauf hätt ich von dem Firmament Den Mond herabgespießt, Der hätt' als großer Zuckerhut Mir das Getränk versüßt. Und als der Stoff beisammen war, Hätt ich mich hingesetzt, Und mit manch ungeheurem Zug Mein durstig Herz geletzt. Und hätt nicht eher aufgehört, Bis daß die Bowle leer: Und was dann das Merkwürdigste Dabei gewesen wär: „Daß Niemand nach der Zeche mich Für solchen Trunk gefragt, Und daß am andern Morgen auch Kein Kopfweh mich geplagt!!“ An die Fischerin. Vom Strande fährt die Fischerin Im fluthgewohnten Kahn. Mit Angel und mit Netze schickt Sie sich zum Fischfang an. Hei! wie sie scharf zu rudern weiß Und keck im Boote steht! Es strahlt ihr Aug', es fliegt ihr Haar Vom Morgenwind umweht. O Fisch‘rin, schau mich nicht so an, Es wird nichts Gutes draus! Zwar wirfst du weder Fischernetz Noch Angel nach mir aus; Zwar bin ich auch kein schupp'ger Fisch Und schwimme nicht im Meer: Doch schlägt mein Herz, als ob ich schon Von dir gefangen wär! Entschuldigung. Wie ich vom Berge in das Dorf Herabgestiegen kam, Allda den Weg ich, statt zur Kirch' Sogleich zum Wirthshaus nahm. Der Pfarrer unterm Fenster lag Und macht ein schief Gesicht. „Herr Pfarr, Herr Pfarr! ich bin kein Heid', O grämt Euch dessen nicht. „Jedoch nicht in der Kirch allem Erkenn ich Gottes Haus: Mir ist's, so weit der Himmelsdom Seine Wölbung breitet aus; „Allüberall, wo sich ein Herz In freud'ger Regung schwingt, Allüberall, wo in die Luft Ein frisches Lied erklingt. „Und wer zu jeder Zeit sich fühlt Von Gottes Odem umweht, Der bleibt ein guter Christ, auch wenn Er viel zur Schenke geht.“ Die Theilung. „No Herr Baron, wie wärsch dann, wenn mer jetzt mit Ihne dähle wollte?“ „Nu, was wär do derbei? do geh' ich mit unn helfe dähle!“ Man muß sich zu helfen wissen. „Entschuldigen Sie, wenn ich störe: ich reise für das Haus Handel, Wandel & Comp. in Frankfurt a/M., und komme, um Ihnen das Neueste in seidenen Bändern zu offeriren.“ „Es thut mir herzlich leid, ich kann jetzt nichts bestellen, die Zeiten sind zu schlecht, und es wird am Ende noch schlechter.“ „Im Gegenthell, ich glaube, es wird besser.“ „Wie so! wie meinen Sie das?“ „Mein Prinzipal stattet mir von Frankfurt sehr guten Bericht ab.“ — „Warum, was schreibt er Ihnen?“ „Die Majorität stimme für die Republik.“ „Ist es möglich? Ist es wahr?“ — Es unterliegt keinem Zweifel mehr.“ „Nun denn, so notiren Sie mir 50 Stück blaue, 50 Stück rothe und 50 Stück weiße seidene Bänder.“ „Mit Vergnügen, aber wann wünschen Sie die Waare?“ „Glauben Sie, die Majorität wird bald siegen?“ „Sehr bald.“ „Nun, so schicken Sie mir die Waare per Dampf, d. h. so weit die Eisenbahn hieherzu geht.“ — „Sonst belieben Sie nichts?“ — „Für diesmal nicht; aber sagen Sie mir, im Falle aus der Republik nichts wird, was mache ich dann mit den blau, weiß und rothen Bändern? nehmen Sie solche wieder zurück?“ — „Gar nicht nöthig, nemlich da Sie in Bayern ansäßig sind — verstehen Sie wohl.—“ „Ja, ansäßig.“ — „So verkaufen Sie die blau und weißen Bänder als Ihre Landesfarben, und zu den 50 Stück rothen Bändern, die dann noch übrig sind, schicke ich Ihnen 50 Stück schwarze und 50 Stück goldene Bänder, wodurch dann wieder eine Gleichheit, durch die deutschen Einheitsfarben, hergestellt wird.“ — Früh reif. „Geh Papa, spiel mit uns!“ „Ich mag nicht!“ „Warum magst Du denn nicht?“ „Weil ich nicht kann!“ „Warum kannst denn Du nicht Papa?“ „O Herrgott! — Marsch, laßt mich in Ruh', ich habe keine Zeit mit Euch zu spielen!“ — „So?! Du hast keine Zeit, mit uns, Deinen Kindern, zu spielen? weißt Du was, Papa! — Dann hättest Du auch nicht heirathen sollen.“ Der Unterschied. „Seid Ihr dem Herrn da die eingeklagten 6 Kreuzer schuldig?“ „Ja.“ „Wollt Ihr ihn denn bezahlen?“ „Nein!“ „Warum nicht?“ „Ich habe meine Zahlungen eingestellt.“ „Was?“ „Ja sehen Sie, Herr Justiz, das Falliment des Handlungshauses X. hat auch meinen Sturz herbeigeführt.“ „Wie so?“ „Das Handlungshaus X. war mir für Lasttragen 2 Thaler schuldig, da ich nun diese nicht erhalte, so muß ich auch meine Zahlungen suspendiren.“ „Das kann nur bei sehr reichen Leuten, wo es sich um viele Tausende von Schulden handelt, geschehen; ärmere aber müssen zahlen, sonst wird ihnen der Rock vom Leibe weggepfändet, versteht Ihr?“ ==== FB70154 Tilly in Rotenburg. Auf einer weithinsichtbaren Anhöhe liegt die alte, fränkische Stadt Rotenburg. Auf der Westseite streckt sie sich an dem Rande des tiefen Taubergrundes hin, und so steil sind die Thalwände, daß dort ein Sturmlauf unmöglich schien. Auf den andern Seiten, wo die Stadt von der Fläche ihrer Anhöhe umgeben wird, schützten sie hohe Mauern und tiefe Gräben, an denen die Bürger mehr denn ein Jahrhundert lang gebaut hatten, und tüchtige Wälle lagen vor. Die Thore waren besonders stark durch Basteien befestigt. Die Bürgerschaft dieser Reichsstadt war stets gut kaiserlich gesinnt gewesen, und manches Reichsoberhaupt, wie z. B. Ludwig der Bayer, erprobte ihren tapfern Beistand. Allein die Reformation hatte auch hier Manches wankend gemacht, und im dreißigjährigen Bürgerkrieg neigten sich die Gesinnungen zu den Schweden. Da ereignete sich folgende Begebenheit. Der schwedische Obrist Moritz von Uslar ritt mit vier Schwadronen in die Stadt und führte in den Fahnen den Römer Q. Curtius auf springendem Roß. Die zwei Schwadronen Altringer, welche in der Stadt lagen, empörten sich, rissen die Fahnen aus den Händen der weinenden Bannerträger und schlugen sich zu den Schweden. Als Uslar abzog, ließ er den Cornet Conrad von Rinkenberg mit 60 Reitern zurück. Das war am 10. September 1631. Damals begab sich Rotenburg in den Schutz der Schweden, die schon Würzburg besetzt hatten. Die junge Mannschaft in Stadt– und Landwehr wurde aufgeboten, eine wohlgerüstete Schaar von siebenhundert Mann. Alle waren guten Muths. Das sollte aber ein schlechtes Ende nehmen, denn die Schlacht bei Leipzig war vorbei (am 7. Sept.) und das geschlagene Heer Tilly's zog über Aschaffenburg heran. Da geschah es, daß am 29. September um zwei Uhr Nachmittags kaiserliches Volk der Stadt sich näherte, sich in die Gärten warf und nach den Mauern schoß. Sogleich wurde die junge Mannschaft und was sonst waffenfähig schien auf die Mauern verordnet, um das Feuer zu erwiedern. Dabei war Jedermann unbesorgt, denn es schien nur ein streifender Haufe. Bei dem Anbruch des andern Tags begann das grobe Geschütz gegen die Stadt zu spielen. Die Falken antworteten von den hohen Thürmen, die Karthaunen aus den Oeffnungen der Basteien; auf dem Kranze der Mauern standen die Bürger mit ihren schweren, weitreichenden Büchsen. Eine Batterie von sechs Geschützen warf einen Theil der Mauer zwischen dem Henkersthurm und dem Kummereckthurm nieder. Jetzt rückten die Kaiserlichen in guter Ordnung heran, die Wälle wurden erstiegen und Sturmleitern an die Mauern geworfen. Unerschrocken vertheidigten sich die Bürger, Kinder und Weiber trugen Steine, Kraut und Loth herbei. Viele Feinde wurden erlegt, man sagt an sechshundert Mann; selbst der Oberst Schrenk ward erschossen. Um Mittagszeit sah man von Ferne eine große Anzahl Volks mit wehenden Fahnen heranziehen, und ein Freudengeschrei erscholl in der Stadt, denn man vermeinte es sei schwedische Hilfe. Niemand dachte daran, daß es der gewaltige Tilly selbst war, mit dem hellen Haufen seines Heeres. Als der zornige Feldherr die Niederlage der Seinigen sah, soll er geschworen haben: wenn die Stadt sich nicht bald überliefere, wolle er ein Beispiel geben, noch furchtbarer als zu Magdeburg. Neue Regimenter traten jetzt zum Sturm an. Der Angriff dehnte sich jetzt um den dritten Theil der Stadtmauer aus, von dem Klingenthore bis zu dem Räderthore. Doch der Rath ermunterte zu dem äußersten Widerstande. Schon hatte sich eine feindliche Schaar von dem Taubergrunde her durch die schmale Schlucht bei dem Johanniterhof herangeschlichen und war in die Stadt eingedrungen, jedoch die schnell gesammelten Bürger schlugen sie wieder hinaus. Da entzündete sich durch Unvorsichtigkeit der Pulvervorrath in der Klingenbastei. Viele wurden beschädigt. In der Stadt erhob sich ein Geschrei, als ob der Feind die Mauern erstiegen habe. Die Verbrannten und Verwundeten suchten nach den Wundärzten und vermehrten die Verwirrung. Da sah man zuerst Einzelne ihren Posten verlassen und in die Wohnungen sich flüchten. Andere sprangen über die Mauern der alten Burg und suchten durch das Thal sich zu retten, wurden aber von den dort vertheilten Feinden größtentheils niedergemacht. Das kleine Häuflein, welches noch Widerstand leistete, sah die Zahl und den Zorn der Feinde stets zunehmen. Bereits hatten sie dreißig Stunden lang auf den Mauern gestanden, Viele waren getödtet und verwundet. Die Ausdehnung der Mauern verstattete keine Ablösung. Nirgends war Entsatz in der Nähe. Auch den Tapfersten entfiel nun der Muth. Vergebens hatte der Schwede sein Bestes gethan; er sah sich genötigt zu capituliren und abzuziehen. Die Bürger hingen in ihrer Angst zwei Leilachen als Friedensfahne zum Galgenthor hinaus und ergaben sich auf Gnade und Ungnade. Herein zog sofort der Graf Tilly, der Herzog von Lothringen, der Graf von Pappenheim, der Prinz von Pfalzburg mit den Altringischen Schaaren. Alsbald begann die entsetzliche Plünderung und die erbitterten Kriegsobersten begehrten laut die gänzliche Zerstörung des frechen Städtleins. Auf dem Markte harrten die schwangeren Frauen mit den Kindern. Den Roßen der Generäle warfen sie sich in den Weg, umarmten die Hufe und flehten um Erbarmen für die Bürgerschaft. Zögernd erfolgte der rauhe Bescheid Tilly's: „Lasset die Hunde nur leben.“ Dann stieg er zu dem Rathhaus hinauf. Dem Rathe, der daselbst sich versammelt hatte, wurde kurz und ernst angekündigt, daß er sogleich zum Tode bereit machen sollte, und der regierende Bürgermeister, Johann Bezold, ward selbst abgesendet, um den Scharfrichter für sich und seine Rathsfreunde zu holen. Seufzend und barhaupt ging der bedrängte Mann zwischen den kaiserlichen Wachen. Als aber der getreue Scharfrichter, Christoph Meder, den sonst so gefürchteten Herrn erblickte und die Botschaft vernahm, entsetzte er sich, und schwur, lieber den Kopf selbst zu verlieren, als an die Häupter der Stadt seine Hand zu legen. Dadurch begab sich in dem Hause des Henkers ein kleiner Verzug, den man schlau benützte. Der große Rathspocal, mit dem edelsten Weine gefüllt, ward herbeigebracht und den Feldherren credenzt. Das mundete nach dem heißen Tage und die Gemüther wurden milder. Tilly selbst verhieß Gnade, wenn sich unter den Rathsherren Einer fände, der den gewaltigen Becher auf einmal zu leeren vermöchte. Dessen vermaß sich der Altbürgermeister Nusch, der wohl schon manchen guten Zug gethan hatte und that den besten Trunk bis auf die Nagelprobe. Es schadete ihm aber nicht, setzt die Chronik hinzu. Mit der freudigen Botschaft lief der Rathsdiener dem Bürgermeister Bezold entgegen, die Straße aber, wo er ihn antraf, heißt das Freudengäßlein bis auf den Tag. Die Stadt kam mit einer leidentlichen Brandschatzung davon. Den Becher bewahrt man noch auf. Er hält, sorgfältig gemessen, zwölf Schoppen bayerisch und Etwas darüber. Der deutschen Jugend Schwur. Es wanken die Berge, der Erdball brennt! Die Herzen im Thale erzittern! Es stürmen die Donner durch's Firmament, Die heiligen Eichen zersplittern! — Verzage nicht, deutsches Vaterland! Deine Jugend wacht, das Schwert in der Hand, Sie führt Dich durch Blitze und donnernden Nord Zum Hafen der Freiheit, des Friedens fort! Verzage nicht, theueres Vaterland! Es stehen bewaffnet für's heil'ge Recht Viel Männer mit silbernem Haupte, Doch lebt auch noch mancher Verräther und Knecht, Der gerne die Freiheit uns raubte — Verzage nicht, deutsches Vaterland! Deine Jugend wacht, das Schwert in der Hand! Und weiß, wem die Rosen des Dankes sie bricht! Und schleppt die Verräther zum Hochgericht! Verzage nicht, theueres Vaterland! Und ob auch die Feinde vereinigt schlau Und tückisch gekämpfet, gesprochen, Und ob auf der purpurnen Königsau Manch biederes Herz auch gebrochen — Verzage nicht, deutsches Vaterland! Deine Jugend kämpft, das Schwert in der Hand! Und führt Dich dahin, wo in sonniger Pracht Das Meer Dir, das deutsche, entgegenlacht! Verzage nicht, theueres Vaterland! Es lechzt im Verborgenen schon längst der Czar Nach unserem heiligsten Gute, Schon hat sich befleckt ach! der weiße Aar Mit deutschem, befreundetem Blute — Verzage nicht, deutsches Vaterland! Deine Jugend stirbt, das Schwert in der Hand! Millionen zum Kampfe, zum Tode bereit! Wir geben vom Land keine Scholle breit! Verzage nicht, theueres Vaterland! Und klirren in goldener Sternennacht Die ehernen Schwerter zusammen, Und siehst auf der Berge erhab'ner Wacht Die heiligen Feuer Du flammen Dann zage nicht, deutsches Vaterland! Deine Jugend reicht sich droben die Hand, Und schwört es auf ewig, in festem Verein Zu leben, zu sterben für Dich allein! Verzage nicht, theueres Vaterland! Zu leben, zu sterben für Dich allein! Zu sterben im goldenen Lenze! Drum ob auch im Herzen Dir Feinde dräu'n Und Feinde ringsum an der Grenze — Verzage nicht, deutsches Vaterland! Deine Jugend stirbt, das Schwert in der Hand! Und hinter der blutigen Gräber Knauf Steigt golden die Sonne von Deutschland auf! Verzage nicht, theueres Vaterland! Monolog. „Wart nor, wenn ich heut Abend in den Clubb komme, ich wersch ene schon sage, ich wer von vorn herein anfange: Männer des Volks, Männer der Arweit! wer hot die Häuser gebaut? Ihr habt se gebaut, nemmt se euch, sie sinn euer! wer hot die Eisbahne gebaut? Ihr habt se gebaut, nemnt se euch, sie sinn euer!“ „Unn deß mit meiner gewehnliche Gravität gesproche, deß werd sein Werkung duhe!“ — Ein Patriot. „Nun, Alter, hat dirs geschmeckt?“ „Edler Volksfreund, es hat mir geschmeckt. Aber ein Dienst ist des andern wert. Ich will Ihnen dafür einen guten Rath geben. Wenn einmal die deutsche Flotte im Gang ist und Sie auf die Galeere kämen, so lassen Sie Sich rechts anschmieden. Ich habs in Frankreich probirt; links arbeitet es sich ganz infam.“ Der Wiener vom alten Schlag. „Vor der Revolution bin ich alle Tage um 7 Uhr aufgestanden. Nachdem hab' ich mein Schalerl Kaffee trunken. Nachdem hab' ich gethan, als ob ich ein bissel arbeiten wollt. Und so ist's Zwölfi worden, da hab ich gegessen. Darnach hab ich ein bissel g'slafen. Nachdem bin ich ins Kaffeehaus gangen. Und auf d'Nacht bin ich im Bierhaus gewesen. Und alles war gut. Und jetzt jag'n mir die Studenten den Metternich davon!“ — — Sankt Paulus in Frankfurt a/M. Nur Bild Gegenseitiger Wunsch. Aktuar. „Hier hat er sein Wanderbuch, sei er fleißig und lern er etwas!“ Handwerksbursche. „Danke höflichst, Herr Aktuar, wünsche gleichfalls.“ Der Hazardspieler. „Also ich kann mich darauf verlassen, daß ich die Hälfte des Spielgeldes als Belohnung erhalte, und daß mein Name verschwiegen bleibt?“ „Ja wohl, es ist ja im Polizei– Anzeiger vom 24. Mai amtlich ausgeschrieben.“ — „Nun denn, so denunzire ich mich selbst als Hazardspieler, denn ich habe all mein Hab und Gut, fünf Gulden, in die Lotterie gesetzt, meine Nummer ist aber nicht gekommen, ich habe verspielt, und ich hoffe nun, Sie werden mir auf diese Anzeige hin zur Hälfte des Satzes, nämlich zu 2 fl. 30 kr. verhelfen.“ — Aus dem Soldatenleben. „Wer hat Stall– Tour, Wachtmeister? Donnerwetter ist das auch eine Ordnung!“ „Herr Rittmeister, der Gemeine Forthuber.“ „Forthuber? Richtig, das ist der erst neu zugegangene Student. Eine Milion Teufel fahr in den Burschen. Will der Bursch studirt haben und kann nicht einmal den Stallbesen ordentlich führen. Gleich in Arrest.“ Die schlechte Welt. Herr Wirth, Herr Wirth! der Wein ist gut — Wie schön ist doch das Leben! Mit jedem Schlucke wächst mein Muth, Und wächst mein edles Streben. Auf Ehr! ich bin für's Menschenrecht, Was Herren und was Knechte! — O Gott, wie wär' die Welt so schlecht! Wenn ich an Morgen dächte. Nett ist fürwahr! die Kellnerin — Wie schön ist doch das Leben! Du Kleine bist nach meinem Sinn, Lass' einen Kuß dir gebend Sieh' her! ich bin ein seiner Hecht, Komm'! lass' uns Eines tantzen — O Gott, wie ist die Welt so schlecht! Mein Weib wird mich kuranzen. Noch eine Flasche, lieber Wirth — Wie schön ist doch das Leben! Wer viel geliebet hat, dem wird Ja Vieles auch vergeben. Nur frisch gesungen, frisch gezecht! Du Fidler, streich die Geige — O Gott, wie ist die Welt so schlecht! Mein Geld geht aus die Neige. Herr Wirth! jetzt muß geschieden sein — Wie schön ist doch das Leben! Zum Himmel hebt mich euer Wein, Ich darf statt gehen, schweben. Was sich das Häuservolk erfrecht! Es tanzt ja wie besoffen O Gott, wie ist die Welt so schlecht! Mein Haus ist nicht mehr offen. He! Holla he! — Mein Herz wird schwer — Wie schön wär' doch das Leben! Wenn nur kein Katzenjammer wär', Ach! und kein Weib daneben! Ich weiß nicht mehr, was link, was recht; He! läut' mir, lieber Wächter! — O Gott, wie ist die Welt so schlecht! Und täglich wird sie schlechter. Ludwig Pfau. Gradation. Reisender. „Darf ich bitten, mir zu visiren, indem ich heute noch abreisen muß, — zudem ich so schon über eine Stunde warte!?“ Commissär. „Wo haben Sie Ihren Paß?“ Reisender. „Paß habe ich keinen; — hier ist mein Wanderbuch!“ Commissär. „Was Wanderbuch?! — und dann will Er noch brutal auch sein!? Wo hat Er sein Bündel?“ Reisender. „Diesen gab ich dem Bothen.“ Commissär. „Das könnte jeder sagen! — Du gehst wegen Mangel eines Bündels auf 24 Stunden in Arrest!“ — Der Generalmarsch! ==== FB70155 Ein durstiger Bruder. von Wilh. v. Chézy. Was unter Rosen verdirbt, erhält sich in Nesseln. I. Die alte Stadt Antwerpen, auf hochdeutsch Antorf geheißen, erfreut sich bis zum heutigen Tage stattlicher Reichthümer und weitausgreifenden Verkehrs in Handel und Wandel. Immer noch dürfen, wie vor drei Jahrhunderten, die Antorfer sich rühmen, „in einem Monat würden bei ihnen mehr Geschäfte gemacht, als zu Venedig in zwei Jahren,“ nur daß seitdem des heiligen Marcus beschwingter Leu flügellahm geworden. Aber zur Zeit, als Carl der Fünfte auf dem Kaiserthrone saß, da hieß Venedig die Königin des adriatischen Meeres, und die Stadt an der Schelde die Weltbörse. Ein deutscher Strom, trug die Schelde deutsche Schiffe ungehemmt in's weite Meer hinaus, wie sie frei die heimkehrenden aufnahm, und Niederland war einer der reichsten Edelsteine in der Krone des Reiches, das, berufen die Welt zu beberrschen, sich so schnöde um sein Recht der Erstgeburt hat täuscheu lassen. Wie reich jedoch in jenen Tagen höchsten Glanzes Antorf immerhin war, einem armen Gesellen wollte dort von alleu Tauben auch nicht eine gebraten in den Mund fliegen, besonders wenn er, wie der Maler Jan Mabuse nichts dafür that, als, die Häude im Schoß, eben den Mund aufsperren. Inmitten ruhiger Leute ist das Faulenzen am allerübelsten angebracht; denn angenommen, so ein Vöglein aus dem Schlaraffenland hätte auch Lust, dem Lungerer auf der Bäreuhaut zuzufliegen, so sind ja tausend und abermals tausend Hände da, um es unterwegs wegzuhaschen. Jan war ein kunstreicher Meister, und sein Name zählt zu den berühmten der niederdeutschen Malerschule, doch fehlte ihm im reifen Mannesalter die Gabe des Fleißes, die sich überhaupt nur allzuoft den Großen im Reich der Kunst versagt. Hier sitzt ein Stümper Tag für Tag an der Staffelei vom frühesten Morgen bis zum Abendschein, und plagt sich ohne eigenen Gewinn zur Pein der Welt. Ein anderer, welcher mit leichter Mühe die Welt entzücken würde, steht lieber Elend und Langeweile aus, eh' er nur ein paar Stunden der Arbeit schenkt. Just so erging es dem guten Jan. Er kümmerte sich hienieden so ziemlich um nichts andres mehr, als um den Durst, der, unlöschbar wie die Hölle selbst, in des Künstlers Busen brannte. Jede Neigung, jede Leidenschast hatte sich bei ihm in endlose Sehnsucht nach dem Naß aufgelöst. Sein Leben theilte sich zwischen Rausch und jenem wunderlichen Zustand, welchen die Deutschen den Katzenjammer nennen, vielleicht darum, weil einem zu Muthe wird, als könn' er nicht zum Denken und Fühlen, nicht zum Träumen und nicht zum Wachen kommen vor einem Heer von Katzen, das in ihm und um ihn die märznächtlichen Liebesweisen der Dächer anstimmt. Er vernimmt die Jammertöne, ohne sie doch recht zu unterscheiden, und vermag kein Glied zu rühren, um die zudringlichen Spielleute zu vertreiben. Gar bald stand Mabuse wieder einmal in schlimmen Schuhen. Daß die Sohlen durchgelaufen, daß das Oberleder klaffte, war noch das Geringste dabei. Der Küper in der Schenke hatte ihm Abends den Mantel zurückbehalten; das Werk des grünschürzigen Schelms vollendete morgens darauf der Wirth. Der Unerbittliche nahm das geflickte Wamms, den abgetragenen Hut, das wenige Malergeräth und warf den Miethsmann auf die Gasse. Draußen betrachtete sich der Ausgewiesene von den Schultern bis zu den Zehen, und kam sich lächerlich bis zum Uebermaß vor. — „Du siehst sauber aus, Jantje,“ murmelte er in den Bart: „barhaupt und schlimmer noch wie barfuß, denn du hast die Mühe, auf die ledernen Bruchstücke Acht zu geben, daß du sie nicht vollends verlierst. Und wie thöricht ist die Mühe, da sie dich doch nicht schützen. Welch ein Hemd ist es, das du den Blicken des Volkes preis gibst? Ich würde meinen, daß du hundert Pinsel daran abgewischt hättest, wenn ich nicht wüßte, daß du seit Wochen keinen Pinsel angerührt hast. Dennoch möcht ich dir nicht rathen, es zum Waschen zu geben; die Wäscherin würde nicht recht wissen, was du ihr gäbest, ob Fetzen, ob Löcher? Armes Jantje, für dich ist keine Hülfe mehr: du wirst nichts anders thun können, als zu Meister Lukas zu gehen. Es muß sein, also geh' voran mein Junge.“ In großen Städten gibt es der Lumpen allzuviele, als daß irgendwer des Aufzuges geachtet hätte, in welchem der Maler einherging; auch schritt er so gelassen seines Weges, als hätt' er seiner Lebtage noch kein ganzes Wamms und keinen ordentlichen Mantel auf dem Leib getragen. Wenn aber die Begegnenden sich nicht wunderten, Lukas von Dronkelaar brachte den Mangel reichlich ein, wie einer, der für eine ganze Stadt erstaunen mußte. Besagter Lukas war ein ehrsamer Bürger und Kaufherr, nicht von den großen, doch auch nicht von den kleinen. „Meister,“ redete Jan den Ueberraschten an: „ich komm wie der verlorne Sohn.“ — „Ich seh's,“ entgegnete der Kaufherr spöttisch: „und soll vermuthlich der gefundene Vater sein, welcher ein Kalb schlachtet.“ — Der Maler schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Hunger.“ — „Desto besser für euch,“ meinte Lukas: „übrigens ist mir's recht, daß ihr kommt, ich wollte just nach euch senden.“ — „Das schickt sich ja trefflich.“ — „Allerdings, und besser als ihr meint, ihr undankbarer Gesell.“ — „Ihr habt recht, Meister Lukas, mich zu schelten, doch bitt ich, macht's kurz und gnädig. Ich kenne mein Vergehen. Ihr habt ein Bildchen für eure Hauskapelle bei mir bestellt, dreihundert Gulden dafür ausgesetzt, und mir ein Drittel auf die Hand gegeben, damit ich während der Arbeit zu leben hätte.“ Der Kaufherr unterbrach ihn: „Das war thöricht genug von mir, und ich spürte in der jüngsten Zeit schon die größte Versuchung, die Schuld mit Kohle in den Rauchfang zu schreiben.“ „Meister, ich bin ein ehrlicher Mann,“ rief Jan aus. „Weiß schon,“ fuhr Lukas fort: „ihr habt nämlich den Willen, ehrlich zu sein, und helft getreulich den gewissen breiten Weg mit guten Vorsätzen pflastern. Was machen mir übrigens hundert Gulden ab oder auf? Nur kaufmännische Angewohnheit bestimmt mich, ein Wort darüber zu verlieren. Und da ihr denn so redlich seid, so will ich euch Gelegenheit geben, euch bei mir auszulösen.“ „Deswegen kam ich her;“ schaltete Jan ein: „wenn ihr mir Obdach und Kost gewähren wollt . . .“ — „Nichts da,“ rief Lukas: „euer Gemälde mag ich schon nicht mehr. Ich habe die Bestellung einem andern übertragen, der vielleicht nicht so geschickt, doch jedenfalls zuverlässig ist. Für euch etwas anders. Der Markgraf von der Veere schreibt mir da, ich soll ihm einen tüchtigen Maler zu einem großen Bild auftreiben, den besten, den ich kenne, der seid ihr. Wollt ihr für den reichen und großmüthigen Herrn arbeiten, so dürft ihr euch den kleinen Weg zur Insel Walchern nicht verdrießen lassen. Ihr seht mit bedenklichem Blick auf euern Anzug?“ — „Wohlverstanden,“ berichtigte Jan: „auf die Stelle, wo das Kleid sitzen sollte.“ — „Das mach' euch keine Sorge,“ fuhr der Kaufmann fort: „der Herr hat Gelder bei mir liegen und wir stehen Jahr ein Jahr aus in laufender Rechnung. Ich kleid' euch vom Kopf bis zu den Füßen, geb euch einen Mantelsack voll Weißzeug und eine wohlgespickte Börse: wofür ihr euch verbindlich macht, zum bewußten Zweck in den Dienst des Herrn Markgrafen zu treten, und, seiner Laune zu Gefallen, euern ehrlichen Namen mit spanischem Klang zu versehen. Juan Mabocho, oder gar Don Juan de Mabocho wird nicht gar übel klingen. Unter meinen Auslagen bescheinigt ihr dann auch die schon erhaltenen hundert Gulden.“ Mabuse fiel dem Kaufherrn um den Hals und nannte ihn seinen rettenden Engel. Lukas lachte heimlich in sich hinein, und dachte in seinem Sinn: „Wenn ich nur mein Geld wieder habe, mag der gnädige Herr selber zusehen, wie er mit dem Vollzapf fertig wird. An Besserung ist gewiß nicht zu denken; wer über vierzig Jahre zählt, wird etwa schlimmer, doch besser nimmer mehr.“ II. Nie gab's eine gemüthlichere Kneipe als bei Klaas Witsen zum großen Tintenfaß. Zwar ist die Insel Walchern nicht durch besondere Schönheit berühmt, und das Städtchen „zur Fähre“ wird nicht genannt, wo von den gepriesensten Städten der Niederlande die Rede ist; aber ihr wißt auch, daß gar viele Veilchen blühen und duften, von denen die Welt nichts vernimmt. Unterhalb Antorf theilt sich der Strom in zwei Arme, zwischen denen drei Inseln liegen, deren äußerste Walchern heißt. Drei Städte sind auf der Insel zu finden: Vließingen, wo die Westerschelde Seeland von Flandern trennt; in der Mitte Middelburg, das einst die mächtigen Freiherrn von Borselen erbauten; und östlich am Fahrwasser, Nord– Beveland gegenüber, Veere oder „ter Veere,“ die kleine Veste mit dem Namen einer Markgrafschaft. Durch die Tochter des letzten Herrn von Borselen war das reiche Stammgut an den Burgunder Philipp von Beures gediehen, dessen Enkel Maximilian, Markgraf von der Veere, auf Walchern in fürstlicher Pracht Hof hielt. Sein Hofgesinde war zahlreich, wie kaum in eines Königs Schloß, und unter allen Junkern und Edelknaben, Waidleuten und Falknern, Stallmeistern und Roßbuben mußten nach der Zeiten Sitte auch die Vertreter der schönen Künste sich finden. Da gab es Dichter, Gelehrte und Spielleute; am wenigsten sollten die Maler fehlen, deren Kunst damals just an der Reihe war, den andern Künsten voranzutreten. Doch eben, weil die Malerei in so hohem Ansehen stand, ließen ihre Jünger sich nicht immer nach Wunsch halten, und der Markgraf hatte sich genöthigt gesehen, sich einen Maler aus Antorf zu verschreiben, da keiner von selber kam. Meister Lukas hatte seinen Auftrag treulich besorgt, und dazu den Künstler stattlich herausgeputzt. Jan Mabuse sah wie ein Rittersmann aus, da er im Hafen an's Land stieg, den Federhut auf dem Haupt, den langen Degen von Toledo an der Seite, feine Spitzen am Halskragen und an den Aermeln. Alles an ihm war funkelnagelneu, und dennoch bewegte er sich im festtäglichen Staat so ungezwungen, wie in der bequemsten Hülle. Jede Tracht war ihm gleichgültig, so lange sie ihm nicht die Kehle vergitterte. Er hatte Durst, wie immer, und darum fragte er beim Aussteigen nicht zuerst nach dem Schloß sondern nach einer Schenke. So gerieth er denn zu Klaas Witsen in's große Tintenfaß. Auf der Schwelle nahm ihn der wohlgenährte Wirth in Empfang. „Willkommen, Sennor Caballero,“ sagte Klaas feierlich. Der Fremde lachte. „Ihr seid also kein Spaniol?“ fuhr der Wirth fort: „gut, so werdet ihr ein englischer Knight oder gar ein Lord sein, wenn nicht ein französischer Seigneur oder ein wälscher Signore. Doch immerhin seht ihr ganz spanisch aus.“ Mabuse wurde plötzlich ernsthaft, doch nur aus Schelmerei. „Meister Wirth,“ sagte er: „ich stamme aus dem fernen Ungerland, das zwischen Wien und der Türkei mitten inneliegt. Mein Namen ist Johannes von Mabusch. Und da ich auf meinen Weltfahrten immer bemerkt habe, daß niemand besser in Trank und Speise gehalten wird, als der Fuhrknecht an der Heerstraße und der Schiffer am Strand, so hab' ich mir's zum Gesetz gemacht, mich stets ihren Herbergen zuzuwendend.“ „Nochmals willkommen denn,“ entgegnete Klaas: „übrigens gibt es auch hier Leute, die so klug sind wie ihr. Die Herrn vom Hofe besuchen fleißig mein geringes Haus. Alle Edelknaben und Lakeien haben ihre Kerbhölzer bei mir, und zur Stunde könnt ihr den kunstreichen Meister Adrian treffen, den Spielmann über alle Spielleute, sammt dem hochgelehrten Cornelis Crocus, dem gekrönten Dichter und Meister der sieben freien Künste.“ „Führt mich an ihren Tisch,“ gebot der Fremdling: „daß ich Kundschaft mit ihnen mache. Zum Einstand geb' ich ein Duzend Flaschen Weins zum Besten; spanischen natürlich, der Sitte des Ortes gemäß. Doch sei er echt.“ Der Zweifel nöthigte dem Wirth ein Lächeln der Geringschätzung ab. Wie unerfahren mußte auch der Reisende sein, welcher nicht einmal wußte, daß Veere ein Hauptstapelplatz spanischer Weine war! Die Zechstube saß voller Schiffknechte. Das rohe Völklein führte die Taschen der groben Wämmser voller Gold und Silber, und schwelgte in den feinen Genüssen der Reichen, nach dem Maßstab der eigenen angestammten Gewohnheit, so daß es den edeln Xeres aus Bierhumpen zechte. Wie still und ehrbar es dabei herging, mögt ihr euch von selber einbilden. Im Herrenstübchen wars etwas ruhiger, wenn schon nicht gerade still. Nur zwei Gäste saßen darin, der hagere bleiche Dichter mit verwüstetem und dennoch schönen Jünglingsantlitz, und der kurze breite Spielmann, dick und gedunsen, derb von Zügen, rauh von Gebehrde. Sie zankten sich eben in aller Freundschaft, wie gewöhnlich, und ihr Zankapfel war die Gunst der dicken Griethje, von der jeder behauptete, sie wende sich ihm zu, während des Wirthes stämmige Tochter ihnen vergebens begreiflich zu machen suchte, wie sehr beide ihr gleichgültig seien, einer wie der andere. Mabuses Ankunft machte allem Hader ein schnelles Ende. Vertraulich wie ein alter Bekannter ergriff er die Hände der beiden Nebenbuhler und lud sie höflich zum frischen Trunk ein. „Laßt den Streit, werthe Herrn,“ sagte er; „des Wirthes geläufige Zunge hat mir bereits offenbart, welche große und berühmte Künstler ich in euch begrüße; so gefall' euch denn, mit mir, dem glühendsten Verehrer der Kunst, einen Becher zu leeren.“ Den beiden gefiel es ungemein, daß der fremde Ritter ihren Ruhm verkündete. In vollen Zügen sogen sie die Schmeichelei ein, doch ohne deshalb das flüßige Gold aus Spanien zu verschmähen. „Edler Herr,“ sagte Cornelis unter anderm: „wir stehen bis zur Mittagstafel zu euerer Gnaden Dienst.“ „Warum nicht bis zum Abend?“ fragte Mabuse: „der wackere Wirth zum Tintenfaß wird uns zum Trunk doch auch einen Bissen reichen?“ — „Vergebt,“ erläuterte Adrian: „ich muß bei des gnädigen Herrn Tafel mit meinen Gesellen und Jungen aufspielen.“ — „Und Meister Cornelis?“ — „Der hat nichts zu thun, als sich zu zeigen. Der Herr nimmt bei Tisch die Aufwartungen am liebsten an.“ — „Gut,“ meinte Mabuse: „da will ich mit euch gehen und dem Herrn Markgrafen ebenfalls aufwarten. Doch bis dahin kann mancher Tropfen die Schelde hinablaufen, manch andrer durch den Hals rinnen, die einen Wasser, die andern Wein.“ III. An selbigem Tage fehlte an der Tafel des Markgrafen zwar nicht die Musik, doch spielte die Bande ohne ihren Meister; was der Gebieter alsbald inne ward, denn er pflegte Aug' und Ohr überall zu haben, obschon er noch in den Jahren stand, in welchen vornehme Herrn sonst sich um nichts zu kümmern belieben, als um die Gegenstände ihrer besondern Liebhabereien. Er war ein ernster Mann von strengen Zügen, nachdenklicher Gemüthsart und düsterm Sinn, dem Scherze wenig zugänglich. Der Herr tafelte allein mit seinen Junkern. „Wie gut,“ sagte er: „daß kein fremder Gast heut einkehrte. Die Burschen spielen ja wie elende Biersiedler. Doch wenn mir auch die Beschämung erspart wird, die Pein meiner eigenen Ohren ist darum nicht geringer. Heißt sie schweigen und sendet nach Meister Adrian.“ — „Er ist nirgends zu finden,“ hieß der Bescheid. Der Markgraf stieß einen wälschen Fluch aus. „Ihr wißt nur nicht zu suchen,“ fügte er ungeduldig hinzu: „und ihr kennt den lockern Gesellen doch schon so lang wie ich selber. Geht hinab zum Strand und durchstöbert alle Kneipen. Wenn er nicht im Meerschwein, im Stern oder in der Krone zu finden ist, so liegt er sicherlich im Einhorn, im Tintenfaß oder im Schild von Seeland unter der Bank, des braunen Trankes voll. Und wo Adrian liegt, da wird sein Freund Cornelis, der Strolch, wohl auch zu finden sein.“ Der Edelknabe ging, während der Herr in seiner Rede fortfuhr: „Der altrömische Dichter singt: didicisse fideliter artes emollit mores nec sinit esse feros. *) *) Den Künsten treu sich weihn, Macht unsre Sitten mild und lehrt uns menschlich sein. (Fortsetzung folgt.) Gute Gründe. „Welches sind denn die Gründe eurer Unzufriedenheit??“ „Herr Commissär! wir sind eigentlich qanz z'frieden; nur verlangen wir noch Emancipation der Arbeit, daß das Geschind emol ufhört, und e erbliche Republik mit dem verstorbene Großherzog an der Spitze; des könne mer nach Recht und Billigkeit verlange. Präsidial– Weisheit. „Meine H. H. Deputirte der löbl. Schuhmacherzunft! — Ich habe Sie rufen lassen, um einem Krawall vorzubeugen, da Sie Sich kein Beispiel an den Bäckern nehmen scheinen. Ich weiß aus den genauesten Quellen, daß das Leder bedeutend wohlfeiler wurde, und rathe Ihnen daher freundlich, auch die Stiefel größer zu machen als bisher, da ich sonst für die Folgen nicht stehen kann.“ Ein Wühler. „Was redt denn der da droben immer von Errungenschaften? — — Was haben wir denn errungen. Da sind die Oestreicher andre Kerlen, die haben doch wenigstens eine provisorische Regierung, aber wir, was haben wir? — Gar nichts.“ — Schusterbubengespräch. Ein Fragment. „No, wie gehts denn bei enk z'Haus? Wer hat denn ietz s'Portfell?“ „Ja bei uns gehts lusti zue — da gibts allweil oa Demanti übers ander, oans fabelhafter als ander — auf Micheli werd i a so aufdingt, und wenn a mal grad unangenehme Schansen eintreten: i geh auf der Stell, auf Ehr; i hab ietz scho die zwoat Adreß' erlassen an Moasta, er thut nix dergleichen, und mit dem Temporisiren kumt nix raus, des merk i scho, und von unsere Prärogatif laß i mir a mal koas nehma.“ — „Recht hast, bhüt di Gott! — — — du!“ „Was?“ Kom fei am Abend in d' Pfeiffstund.“ Aus Wien. Taschentuch eines Gallizischen Abgeordneten aus dem Bauernstande. Der Staatshämorrhoidarius. Der Staatshämorrhoidarius vertieft sich in die Politik. Der Staatshämorrhoidarius vernachläßigt seine Acten und vertieft sich immer mehr und mehr in die Politik. Der Staatshämorrhoidarius läßt sich die Acten über den Kopf anwachsen, und wird ganz tiefsinnig. Hingerissen von den Zeitereignissen stürzt er sich als Wehrmann eines Freieorps in einen Krawall. Ein Steinwurf an den Kopf. Er wird besinnungslos nach Hause getragen. Der Arzt findet eine nicht unbedeutende commotio cerebri mit Congestionen. Reconvaleszenz und Aufarbeiten der Retardaten. Der Staatshämorrhoidarius erhält die Nachricht, daß er bei der Regierung in den Verdacht radicaler Gesinnungen gekommen sei: er fällt in Ohnmacht. Sentenz. Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit Und neues Leben blüht aus den Ruinen. Homöophatische Ladung. „Humanität, meine Herren, ist die Hauptsache. Ich lege meine Kugeln, die ich vom kleinsten Kaliber nehme, in Arnicatinktur. Das Oxyd, welches sich an demselben erzeugt, dient zugleich als homöopathisches Heilmittet für die Wunde, die jedenfalls über Nacht wieder heilt.“ — Unbegründete Besorgniß. „Weiß der Teufel, was mir die Leute so nachsehen — ich habe doch alles Auffällige an meinem Anzuge vermieden — am Ende halten sie mich gar für einen — Re—pu—bli—ka—ner!?“ Die Schutzwache. Schutzwache. Pst! Nachtwächter sind Sie es?“ Nachtwächter. „Ja, meine Herrn, ich bins!“ Schutzwache. „Was hawe Sie uns awer erschreckt!!“ Die Bedenkzeit. „Eure Wünsche und Beschwerden werden nunmehr höchsten Orts vorgelegt werden. Habt ihr sonst etwas anzugeben?“ „Ja, wir verlangen noch 8 Tage Bedenkzeit, daß wir uns noch auf eppes b'sinna könne, und daß uns der Doktor oder der Commissionär noch sage kann, was wir alles noch verlangen sollen.“ ==== FB70156 Ein durstiger Bruder. von Wilh. v. Chézy. (Fortsetzung.) Das mag zu seiner Zeit gegolten haben, doch heutzutag bewährt sich's nicht. Cornelis und Adrian, beide haben ihre Kunst fürwahr treulich erlernt; der eine ist Meister süßer Weisen, der andere hat durch sein Schauspiel vom Joseph sich schon in seinen jungen Jahren ein unvergängliches Denkmal gestiftet. Trotzdem gibt es in ganz Seeland gewiß keinen mehr, dessen irdische Hülle sich so im Pfuhl der Sündhaftigkeit wälzte. Was hilft es also, daß die Seele hochoben auf dem Parnaß wohnt? Ich will nur hoffen, daß wenigstens der Maler in diesem Stück besser beschaffen ist, den mir Meister Lukas spendet. Er soll mit dem Käseschiff „Frau Haasje von Alkmaar“ eintreffen. — „Das genannte Schiff ist eingelaufen,“ sagte ein Kämmerer: „ich hab' es selber im Hafen erblickt.“ — „Wohl, mein lieber Gisbert,“ nahm der Gebieter wieder das Wort: „so werd' ich endlich den sehnlichsten Wunsch erfüllt sehen, der mir seit Monden schon keine Ruhe gönnt. Wie Lukas meldet, ist Don Juan de Mabocho ganz der Mann, mir den seligen Philipp von Dreux zu malen, wie ich ihn dargestellt zu sehen wünsche.“ — Gilbert kannte die Neigung des Markgrafen zum Belehren und Erzählen; darum fragte er, wer denn jener Philipp gewesen, dessen Darstellung dem Herrn von der Veere so nah' am Herzen liege? Worauf der Bescheid lautete: „Der Graf Robert von Dreux, aus Frankreichs königlichem Blut entsprossen, hatte zur dritten Gemahlin eine von Baudement, Agnes, von deren Schwester Fredegunde meine Frau Großmutter in grader Linie abstammt. Der Sohn Roberts und der Agnes, Philipp von Dreux, Bischof und Graf zu Beauvais, war mithin ein Vetter unseres Hauses. Doch das nur beiläufig, denn wir besitzen der erlauchten Blutsfreunde und Verwandten viel zu viele, als daß ein angeheiratheter Sippe meine Aufmerksamkeit erregen könnte, wenn er sich sonst durch nichts auszeichnete. Philipp, obwohl dem geistlichen Stande zugehörig, war ein streitbarer Ritter. Er begleitete seinen Vetter, den König Philip August in's gelobte Land und half Akre belagern. Später leistete er dem König gegen die Engländer Beistand, und wurde dabei gefangen. Papst Innocenz der dritte verlangte von König Richard die Freilassung des Bischofs, da es nicht zieme, daß der König einen Geweihten des Herrn gefangen halte. Da sandte Richard den blutbesprengten Harnisch des Bischofs gen Rom, und der Bote mußte zum heiligen Vater die biblischen Worte sprechen: siehe zu, ob dieses Deines Sohnes Kleid? Worauf Innocenz bekannte: dem Philipp sei recht geschehen, denn wer das Schwert zücke, den fresse das Schwert. Als Philipp späterhin frei geworden, merkte er sich das Wort des heiligen Vaters und zückte kein Schwert mehr. Doch gab er mit dem Blutvergießen nicht auch das Dreinschlagen auf; statt des Schwertes führte er in rüstiger Faust einen Streitkolben, und hat in der Schlacht von Bovines damit den Grafen von Salisbury dermaßen getroffen, daß der Engländer des Aufstehens vergaß. Nun möcht' ich den Seligen im Bilde besitzen, angethan mit allem Schmucke seines hohen Amtes, in der Linken den Hirtenstab, in der Rechten aber den Kolben. Wir leben in einer Zeit, worin es Noth thut, daß die Erzhirten sich waffnen. Der Wolf umschleicht die Heerde und ist wohl auch schon eingebrochen; darum sei der streitbare Philipp von Dreux ein Muster, und sein Bildniß feuere zur Nachahmung an.“ Die Tafelgenossen priesen nach Schranzenart den hohen Geist, das tiefe Wissen, den scharfen Verstand ihres Herrn, der ihre maßlosen Ergießungen ganz passend und natürlich fand. Seine behagliche Erörterung unterbrach der Edelknabe mit dem Bericht: im Tintenfaß säßen richtig die Vermißten, toll und voll, von einem fremden Edelmann bewirthet. — „Wie heißt der Fremde?“ fragte Maximilian: „woher ist er?“ — „Den Namen vergaß ich,“ lautete die Auskunft: „aus Ungarn soll er sein, ein vornehmer Herr. Doch fällt mir auf, daß er ohne Gefolge reist. Nicht ein Diener begleitet ihn.“ — Lachend fügte der Markgraf hinzu: „Und bei Meister Klaas zecht er mit meiner Dienerschaft. Doch, vielleicht ist das ungarische Sitte. Ich bedaure, daß ich das Gelag unterbrochen habe.“ — „Tröstet euch, gnädiger Herr,“ sagte der Edelknabe darauf, ohne nur eine Miene zu verziehen: „das Gelag nimmt seinen Verlauf, nach wie vor.“ — Der Gebieter runzelte die Stirn. „Nach wie vor?“ fragte er zornig: „weigern sich die Elenden, meinem Ruf zu gehorchen? In den Thurm mit ihnen. Doch nein, ich will heut Gnade für Recht ergehen lassen. Dem trunkenen Manne weicht ja ein Heuwagen aus. Mein guter Gisbert, geht hinab und ladet den fremden Ritter zu mir ein; dann kommen die andern schon von selber.“ Gisbert machte sich auf, ohne Widerrede, wiewohl ungern genug. Im Tintenfaß fand er's noch lauter, als er sich eingebildet, und dennoch hatte er des Lärmens nicht wenig erwartet. Zu den Zechern im Herrenstübchen hatten sich Schiffer, Bootsmänner und Steuerleute gesellt, und die Lustbarkeit stand in ihrer höchsten Blüthe. Der Tisch sah aus wie Holland in Noth, überschwemmt von Fluthen Weines; hochauf spritzten die Tropfen, wo die Würfel niederklapperten, wo Goldstücke und Thaler in rasselndem Regen niederfielen. In den Köpfen sah's noch wüster aus als auf der Tafel. Aus den verglasten Augen starrte der böse Feind, wie er auf den schweren Zungen saß, die Lästerungen ausstießen oder Unfläthigkeiten stammelten. Dem Junker wurde schier unheimlich zu Muthe. Er brachte unterm Mantel die Hand zum Rücken, um den Dolch in der Scheide locker zu machen, bevor er sich nur den fremden Herrn zeigen ließ. Er hatte schon nöthig, ihn sich zeigen zu lassen. Der Fremdling sah in dem Augenblick gar nicht herrenmäßig aus mit dem weinrothen Gesicht, dem verzausten Bart, dem wirren Haar, der Unordnung des Anzuges, wie er mit den Seewölfen in ihrer eigenen Sprache zechte, spielte, fluchte. Gisbert redete ihn höflich an und brachte die Einladung des Markgrafen vor. Mabuse lachte ihm ins Angesicht, und versetzte: „Bunter Knecht, ich kenne Deinen Markgrafen nicht.“ Worauf der Kämmerer: „Der Markgraf auf Walgern ist Seelands erster Edelmann, des landsäßigen Adels geborner Vertreter.“ — Mabuse untere brach ihn: „Ein Vertreter muß schon geboren werden, das geht nicht anders. Ist doch sogar der Heiland in Menschengestalt einhergewandelt, und Erlösen wird etwas mehr sein, als Vertreten.“ — „Welch unnützes Geplauder,“ sagte Gisbert: „nehmt euch lieber ein wenig zusammen und folgt mit zum Schloß.“ — „Bertje hat recht,“ stammelte an Mabuses Seite der breite Spielmann: „laßt uns aufbrechen; mich rufen Amt und Pflicht. Doch bitt' ich mir aus,“ fügte er auf Cornelis deutend hinzu: „daß wir den da zurücklassen. Die trunkene Jammergestalt würd' uns in Schande stürzen.“ — „Bleibt nur sitzen,“ wandte sich Gisbert zu Adrian: „die Tafel ist bereits aufgehoben.“ — „Unglücksrabe, was krächzest du da?“ fragte der Spielmann, erhob sich von seinem Sitz und taumelte auf den Kämmerer zu, auf dessen Schulter mit seiner ganzen Wucht gelehnt er eifrig weiter redete: „laßt uns auf beschwingten Sohlen dem Schlosse zueilen. Wenn ich nicht zur Hand bin, ist an kein Zusammenstimmen zu denken. Auch könnte der gnädige Herr ungnädig werden . . .“ — „Ja, ungnädig,“ krächzte Cornelis, und verließ die Bank, um sich zu Gisbert hinzutappen, schwankend wie ein Rohr im Wind: „wer soll ihn in anmuthiger Rede von gelehrten Dingen unterhalten, wenn ich fehle? Beim leeren Geschwätz seiner Junker muß ihm ja flau werden als hätt' er warmes Wasser getrunken . . .“ — „Halt da,“ schrie Mabuse: „gestern war der Markgraf unser aller Herr und Meister, morgen wird er's wieder sein, doch heut bin ich's, so gebiet' ich denn euch aus eigener Machtvollkommenheit, daß ihr euch zu uns setzet, sehr edler Herr, um mit der ganzen Kraft euerer rüstigen Mannhaftigkeit uns beizustehen im Vertilgen des Weines.“ — „Beistehen!“ jubelte Adrian. — „Weinvertilgen!“ kreischte Cornelis. — „Willkommen!“ johlte die Umgebung. Gisbert gab sich. Vielleicht fiel ihm bei, was der Markgraf kurz zuvor vom trunkenen Mann geredet; vielleicht auch lockte ihn das verführerische Naß. Deutsches Blut spürt immer Durst. Anfangs nippte der Junker freilich ganz jungfräulich, doch nur allzubald ließ alle Zurückhaltung nach. Er begann sich wohlzufühlen in der Gesellschaft des lustigen Ritters, vergaß darüber die unziemliche Umgebung, und in kurzer Frist darauf war er eben so des Weines voll wie alle andere. Der Markgraf sandte einen zweiten Boten aus, der's nicht anders machte als der erste. So auch der dritte, der vierte und die andern insgesammt, bis die Stube voll war wie ein Ei. Es ging wie im Volkslied vom Jockel, den der Herr ausschickt die Birnen zu schütteln; nur daß er nicht zuletzt selber kam. Der eine erwacht nach einem Rausch wie ein neugebornes Kind, das von keiner Vergangenheit weiß. Was er beim Gelag irgend geredet und gethan, gesehen und vernommen, hat er rein vergessen. Der andre dagegen ist mit vollem Bewußtsein wahnwitzig und kommt mit klarer Erinnerung wieder zu sich. So Mabuse. Als er früh morgens auf der Streu die Augen öffnete, wußte er Wort für Wort, was er gesprochen, Zug um Zug, was er gethan, just als ob er's wieder so machte, nur mit dem Unterschied, daß zur Stunde ihm alles ganz anders vorkam. Was in der Weinlaune Uebermuth rosenfarb erschienen, das zeigte sich schwarz umflort. „Jantje, mein lieber Knabe,“ sprach der Maler zu sich selbst: „du hast dich einmal wieder sauber aufgeführt. Weißt du noch? Betrunken warst du wie der Spielmann, der dort unter der Bank die Engelein fiedeln hört; selig wie der Dichter, welcher an deiner Seite schnarcht. Durch schnöde Reden hast du den Gebieter der Stadt beleidigt, und dir wäre besser, du machtest dich eiligst von dannen, als seinem Zürnen Rede zu stehen. Doch stellen sich der Flucht unübersteigliche Hindernisse in den Weg. Du hast ja dein bischen Geld und Plunder verjubelt und verspielt; daß du noch die Hosen hast, verdankst du grade nur der Großmuth des braunen Gascogners, der sie dir auszuziehen verschmähte. Dem Wirth schuldest du noch die ganze Zeche. Und hättest du die Mittel zur Flucht, wo bliebe die Redlichkeit? Hast du nicht dem Meister Lukas dein Wort verpfändet? Bist du dem Markgrafen nicht für ein gutes Stück Geld verhaftet? Jantje, du willst doch nicht durchbrennen wie ein Schuft?“ Die Regung ehrlicher Gesinnung belohnte sich auf der Stelle, und zwar durch einen guten Einfall. Ohne sich weiter zu besinnen nahm Mabuse ein geöltes Blatt und sein Malergeräth zur Hand. Die Arbeit ging ihm flink von statten, wie immerdar, so oft ihn die Schwingen der Begeisterung trugen. Niemand störte ihn zur frühen Stunde, und als es endlich im Hause lebendig ward, war er fertig. Die Schilderei, überkeck hingekleckst, wie mit allen zehn Fingern geschmiert, stellte ein riesiges Tintenfaß vor, worin drei Männer so recht in der Tinte saßen. Mabuse hatte sich selber zwischen Adrian und Cornelis dargestellt, alle drei ähnlich genug, und zum Üeberfluß noch mit den Abzeichen ihrer Beschäftigungen in lustiger Weise versehen. In die Ecke schrieb der Künstler mit großen Pinselzügen: Juan de Mabocho. So sandte er das Blatt zum Schlosse mit der Botschaft: der gestern im Rausch ein Rittersmann gewesen, sitze heut nüchtern als Maler in der Tinte, schwerbelastet vom Bewußtsein seiner Schuld; er wünsche nichts sehnlicher, als um Vergebung zu flehen. — Mabuse hatte genug aus Gisberts trunkenem Munde über den Gebieter vernommen, um mit Zuversicht den Ausgang abzuwarten. Darum rüttelte er wohlgemuth den Dichter und den Spielmann aus ihrer Ruhe, um gemeinsam mit ihnen „Hundshaare aufzulegen.“ Gut war's, daß der Bote nicht zögerte, welcher den Maler zum Schtoß beschied; eine Stunde später, und er hätte den tollen Gesellen vom vorigen Tag wiedergefunden. Der Markgraf, ein feiner Kenner, hatte im rohen Entwurf die Meisterhand sofort erkannt; zufrieden, daß in der Hülle des vorgeblichen Ungarn sein Maler steckte, ließ er alles Uebrige großmüthig beruhen. Große und kleine Herrn sind ja um den kleinen Finger zu wickeln, sobald sie unser bedürfen. (Fortsetzung folgt.) Eine Dresd'ner Geschichte. „Sähn se, schlecht warsche schont meine Dochter — ich sage Sie, sähre schlecht — und kännen se sich denken, das Luder der Studente, ihr Liebster, kam nich e enziges Mal zu ihr — und da mußte ich immer am Bette sitzen — und uf emal eines Abens säh ich so von der Seite hin, de Lampe flackerte gerade ä so — da röchelte sä so noch ä bissel — und da war sä dod — so wie man än Hanschuh umdräht. — Un, un da nahm ich's Gesangbuch und sang den Koral: „Nun danket Alle Gott!“ ich wollt ihr doch ooch de lätzte Ehre anduhn. Aber das Lied hat dreizehn Värsche, und wie ich an den siemten Värsch kam, konnte ich vor Riehrung nich weider, und da hab ich die andere sächse gefiffen.“ Ein Tag aus dem Leben einer Dame nach der Mode. Nur Bilder Der deutsche freie Bürger. „Freund, ich hätte morgen mit dir ein Geschäftchen abzumachen, kann ich dich um 8 Uhr zu Hause treffen?“ „Bedauere. Um diese Stunde bin zu einer Besprechung wegen der deutschen Flotte eingeladen. Komme um 9 Uhr.“ „Das bin ich außer Stand, indem ich da den Sitzungen des Vereins zur Berathung der Auswanderer anwohnen muß. Ich werde doch zur 11. Stunde nicht fehl gehen?“ „Du weißt, Freundchen, daß ich Comite– Mitglied des Vereins zur Hebung und Unterstützung der Gewerbe bin. Das ist aber die Zeit, wo wir uns versammeln, um die Vorarbeiten zur General– Versammlung zu fertigen. Du mußt nun schon um Eins kommen.“ „Das ist mir unmöglich: unser Banner hat da zum Exerzieren auszurücken.“ — „Nun — so kehre ich um 3 Uhr bei dir ein!“ „Weißt du nicht, daß da Besprechung wegen der rückständigen Parlamentswahl stattfindet, und eine Adresse an die National– Versammlung vorgelegt werden wird? — Am sichersten triffst du mich um 5 Uhr.“ „Seit den letzten Februartagen gehe ich zu dieser Stunde in das Klinglersche Kaffeehaus, um die Zeitungen zu lesen. Aber es wird mich freuen, dich um 7 Uhr bei mir zu sehen!“ „Verdammt, da muß ich auf die Wache ziehen. — Ich sehe schon, wir müssen die Sache schriftlich abmachen!“ — Die Schwarzgelben. Anfangs Mai. Die Märztage sind vorüber; der April ist vorüber, man sieht den Dingen in Wien gelassen zu. Nach dem 15. Mai. Die Sturmpetition war da. Man beginnt schwarzgelb zu werden. Nach der Flucht des Kaisers. Die Camarilla hat gesiegt? Wer sollte da nicht noch schwarzgelber werden? Nach dem 26. Mai. Wie? Was? Barrikaden? Das Militär in die Kasernen geschickt? Die Edelsten des Landes verjagt? Das steigt fürchterlich zu Kopf. Man wird dunkelschwarzgelb. Nach dem 7. Juli. Ein österreichischer Erzherzog ist Repräsentant des Volkes geworden! Die Preußen haben den Adel abgeschafft! Baron Pillersdorf abgesetzt. Graf Thun und Fürst Windischgrätz in Anklagestand! Man wird schwarz vor Zorn! — und geht in die Gruft seiner Ahnen ein! — Die Wahl des Zufalls. „Jetzt aufpassen! kommts erste Wirthshaus rechts, so gehe ich zur Rechten, kommts aber links, so gehn mer zur Linken.“ Der Czako. Handgreiflicher Beweis, daß der Czako bei der Landwehr eine sehr praktische Kopfbedeckung sei. Aus Ulm. Heute Abend halb 8 Uhr exerciert die bürgerliche Artillerie auf dem Werkhof. Wer heute nicht dabei erscheint, von dem wird angenommen, daß er wegbleibt. Das Artillerie– Kommando. Ein Mann aus dem Volke. „Madame, Sie sind Aristokratin! Sie haben einen Bedienten hinter sich. Das dulden wir nicht mehr. Das ist Thierquälerei!“ — Karlsruher Bürgerwehr– Wachstube. Abends 10 Uhr. Mehrere Pompiers springen athemlos in die Wache: „'S geht los, Alleh — Sie wollen die Gfangene bfreie, mehr als zehne besetze die Rittergass', Sie habe 'en Wage ang'halte.“ Andere sechs springen herein: „Sie errichte Barrikade, aber mer derf net Generalmarsch schlage, sonst merke's die Andre.“ „Wahrhaftig, sie reiße 's Pflaschter raus, o Gott . . . (Immer weiter vor.) Noch kei Widerschtand?“ Einer ermannt sich: „Liebe Brüder, theure Mitbürger! Auch Euch unter der Bluse schlägt gewiß ein Herz für Gesetz und Ordnung, wie uns: ohne Gesetz keine Freiheit, laßt ab von Eurem Beginnen, was Ihr wollt, das habt Ihr ja — was wollt Ihr denn noch mehr, sagt — „ Arbeiter (erstaunt): „Nix, nix, mehr hawwe dem Bube do g'holfe suche, er hat vorhin e Grosche verlore.“ ==== FB70157