Fliegende Blätter - Band 9 Textkorpus © fliegendeblaetter.a7111.com CreativeCommons-BY-NC-SA =========================== FB9-0193 Das Seefräulein. Peut-être l'avenir me gardait-il encore Un retour de bonheur dont l`espoir est perdu — Peut-être dans la foule une âme que j'ignore Aurait compris mon àme et m`aurait répondu. Lamartine. I. Das Abendroth stand über dem Gebirge und die Alpenhörner ragten mit strahlender Klarheit gegen Himmel. Zerfallene Burgtrümmer trauerten auf einer Thalhöhe und über die öden Zinnen schien der Mond bis in den See. Aus dem dunkeln Wasser webten sich leichte Schleier; da und dort zuckte auch der Spiegel, aber wer weiß, was ihn bewegte. Weit drüben am andern Gestade dämmerte in der stillen Wiese ein einsames Gehöfte; die Luft war ruhig und warm — die Berge lauschten schweigend und die Wälder lispelten kaum. Kein Laut weder nah noch fern, als je nach langer Zeit der verhallende Ruf eines Hirten, der von der Alm herabtönte, oder der entlegene Gesang eines Mädchens, das ihm antwortete. Um solche Zeit kam ein junger Wanderer zum ersten Male in die Gegend. Als er des Sees und der rosenrothen Hörner und des dunkelnden Thales ansichtig wurde, freute er sich des lieblichen Schauers, den ihm die abendliche Feierlichkeit des Bildes gewährte. Er verließ den Heerweg, um am Gestade hinzuschlendern, kam bald in einen lichten Laubwald und nach etlichen hundert Schritten an eine Stelle, die ihm besonders anmuthig dünkte. Ein alter Ahorn breitete riesige Aeste über eine kleine Bucht — viel frisches Gebüsche umgrünte die Bai; Binsen wie Schilfrohr standen flüsternd im Wasser und zwischen den dünnen Stengeln schwammen etliche Seerosen. Auch ein kleiner Nachen war an dem stillen Ufer angelegt. Unter dem alten Ahorn fand er eine Ruhebank mit der Aussicht auf den See, auf das dunkelnde Bauernhaus fern über der Tiefe und auf die schimmernden Trümmer des alten Schlosses. Da ließ er sich gerne nieder und betrachtete aufmerksam das Gebirge und das Gewässer, in dem der Mond jetzt einen langen silbernen Strahl zog bis zu den wirklichen Füßen des Fremden. Diesem schien das Alles sehr gut zu gefallen, und endlich begann er sogar zu sprechen, ganz allein für sich, lauter Reden, welche Niemand hören sollte. „Das ist ja in der That wie Ossian in Italien! der Himmel so rein und die Luft so warm wie zu Neapel, und doch ist der Bergwald gar nicht ohne Schauer, und wenn er recht feierlich zu rauschen anfinge, könnte es einen anheimeln wie ein alter Jugendschrecken. Selbst die Ruine dort oben ist nicht zu verachten, auf der sich jetzt der liebe Mond so breit macht. Und das ist auch eine herrliche Heimlichkeit, diese Ahornlaube, höchst geeignet zu schwatzen, zu kosen und die Welt zu vergessen. Da fehlt ja gar nichts als ein Freund und dieser Freund sollte eigentlich eine Freundin sein. Ja, du lieber Mond, nur einmal eine Liebe, die mit einem Wort verräth, daß sie weiter gehen will, als die elende Plauderei des Cotillons — nur einmal ein Blick, der durch die Seele ginge, nur einmal etwas Geheimnißvolles, etwas Hinreißendes, Begeisterndes! Wärst du dann auch schön dazu, mein Abgott, und hättest schwarze, blitzende Augen und schwarze hohe Bogen darüber und einen schlanken Leib und dies und jenes — ach Lirum Larum! — Und doch weiß ich ganz gewiß, du bist auf der Welt, und lebst und liegst jetzt vielleicht in Italien am offenen Fenster und schaust über blühende Orangenbäume in die Sterne und denkst dir — oder vielleicht stehst du auf einem Balcon zu Venedig und siehst wehmüthig, wie das Mondlicht an den alten, bleichen Palästen niederstießt, oder du singst in einem Sommerhaus am Bodensee — brauchst aber deßwegen keine Schwäbin zu sein — oder du fährst auf einsamem Nachen im Rheine, und denkst dir, den muß es auch noch geben auf der grünen Erde, dem ich meine liebsten Sachen sagen kann und meine innersten Gedanken und meine ältesten Träume und meine allerneuesten Einfälle — und wenn der nicht da wäre, wäre ich auch nicht da, denn das darf man dem lieben Gott schon zutrauen, daß er — Ei was ! der hat sich noch um andre Dinge zu kümmern und heute finde ich sie doch nicht mehr, und wenn ich gleich in diesem Nachen hinaussegelte in die weite See und an allen Ländern der Menschen anlanden würde. Uebrigens dieses werthe Fahrzeug wird man heute kaum noch suchen und so steure ich jetzt gerade wieder ans andre Ufer, wo mir der Himmel allmählich eine gute Herberge bescheeren wird. Und ihr, ihr freundlichen Elfen dieser Gewässer, ihr seid eingeladen, meine Fahrt zu geleiten, und wenn sich ein Seefräulein zu mir setzen will, dem soll es keineswegs verdacht sein!“ So stand der Pilger auf und trat in das Schifflein und bückte sich, um das Ruder zu suchen, das aber im Finstern nicht zu finden war. Etwas unwirsch erhob er sich und da stand auf dem Spiegel des Kahnes ganz unvermuthet eine weiße Gestalt. Sie streckte den Arm aus und aus dem Schleier machte sich ein weißer, geisterhafter Finger los und gebot ihm sich niederzulassen. Der Pilger wußte vor Erstaunen nicht, wie ihm geschah und setzte sich schweigend. Die Gestalt senkte ein Ruder in den stillen See und mit leiser Bewegung kamen sie aus dem Schatten des Ahorns hinaus in den hellen Mondschein. Der Jüngling aber, wenn wir ihn so nennen dürfen, da er schon ausgelernt und ein Maler war, der Jüngling rührte sich anfangt gar nicht, sondern betrachtete mit dem tiefsinnigsten Fleiße die wunderliche Erscheinung, welche ein langes, weißes Gewand trug und auf dem Haupte einen Schleier, der zu beiden Seiten der dunkeln Haare herabfiel. Auf dem Schleier lag ein Kranz von Seerosen. Die Gestalt schien dem Jüngling so fein und schlank, jungfräulich und minniglich, daß er meinte, ihres Gleichen nicht leicht gesehen zu haben. Aber in ihrem Gesichte wollten sich seine Augen, sonst so scharf und zuverlässig, ganz verlieren, ohne ein Ende zu finden und einen Anfang. Nur duftende Linien, verschwimmende Andeutungen wunderschöner Züge glaubte er zu gewahren, und in dem bleichen Runde funkelten immer gleich milde und gleich lieblich zwei leuchtende Augen mit hohen dunkeln Bogen darüber. In lauterm Anschauen schien es ihm zuletzt, als wäre nichts mehr um ihn, als ein schwarzer stiller Ocean und darinnen schwebte die weiße, mondbeglänzte Gestalt, welche ihn immer ruhig anblickte und mit halblautem schwachem Ruderschlage den Nachen lenkte. Das Seefräulein. „Am Ende wird’s doch unheimlich,“ sprach er zu sich selbst, „aber es gibt keine Geister. Landmädchen ist es nicht; sie muß aus der Stadt sein. Wenn ich nur wüßte, wie man sie anreden soll.“ „Mein Fräulein!“ sagte er endlich. Die Gestalt schwieg. „Mein Fräulein, ist der Abend nicht sehr schön?“ „Ja, sehr schön.“ „Und die Luft so lau!“ „Und die Luft so lau.“ „Und der Mond scheint so hell!“ „Ach ja,“ klang die Antwort, „der Abend ist schön und die Luft so lau und der Mond scheint hell und die Menschen reden immer dasselbe.“ Das ging dem Jüngling schmerzlich durch das Herz und in seinem Liebesärger fuhr er unvorsichtig heraus: „Drum thut’s mir auch bald leid, daß ich einer worden bin. Ich wollte, ich wäre ein Elfe. Es ist nicht lange mehr bis Mitsommernacht, wo sich König Oberon mit seiner Gemahlin versöhnte, wie bei Shakespeare zu lesen.“ „Das wußte man schon lange, ehe es in den Büchern stand — schon zu den Zeiten, als Sir Guy Musgrave, der junge Ritter, den Elfen jenen kristallenen Pokal wegtrug, den seine Nachkommen noch bewahren — nicht weit von Edenhall auf einem runden Wiesenplan, den lauter Erlen einfassen. Da war oft lustiger Tanz und gar hübsche Weisen gab es dort zu hören. Erinnern Sie sich, wie man zwischen den Linden durch, den rothen Thurm des Schlosses sieht? Da scheint auch noch um Mitternacht ein Licht, aber Niemand kann die Halle finden, in der es brennt. Wissen Sie warum?“ „Ich nicht“ — sagte der Jüngling, sehr überrascht von dieser Frage. „Waren Sie nie in England bei dem biedern Volk der Britten, bei König Artus und bei Frau Ginevra?“ „Nicht einmal Herrn Lancelot vom See kenne ich persönlich.“ „O weh,“ klagte die Gestalt, „ich glaubte, Sie verständen mich. So wäre es wohl besser, ich sänge das Lied der Loreley.“ „Was soll das bedeuten?“ fragte der Jüngling in andauernder Verwunderung. „Sie meinen doch das schöne Lied aus dem Buche —“ „Ich habe nie ein Buch gelesen,“ fiel die Gestalt rasch ein. „Aber die Loreley haben die Menschen auch verläumdet — das arme Mädchen auf seinem öden Felsen im Rheine, das noch nie aufrichtig geliebt wurde. Was kann sie dafür, daß die Menschen die ganze tiefe Wehmuth ihres Leidet und ihres Liedes nicht ertragen können? Ja, schwach, weich, lind muß Alles sein! das helle, klingende Wort einer großen, unendlichen Mädchenseele macht sie krank und sterben.“ „Wenn Sie mich da auch unter die Menschen rechnen, unbekanntes Fräulein, thun Sie mir weher, als Sie meinen. Die unendlichen Mädchenseelen haben mich nie krank gemacht. Sofern es aber in meinem Herzen einige ungesunde Gegenden gibt, so kommt dies nur von jener Loreleylust, die darüber brütet. Ich bin, glaub’ ich, auch nie aufrichtig geliebt worden.“ „O, Sie mußten auch Vertrauen haben, junger Ritter!“ „Wer viel vertraut, wird oft getäuscht.“ „Vielleicht bewahrt Ihnen die Zukunft noch ein Glück, auf das die Hoffnung jetzt verloren scheint.“ „Ein freundlicher Gedanke, edles Fräulein! Wer hat Ihnen das eingegeben?“ „Vielleicht auch hat schon einmal in der weiten Welt eine Seele, die Sie nicht ahnen, Ihre Seele verstanden und ihr geantwortet.“ Der Jüngling fand sich wehmüthig betroffen bei diesen Worten. „Und Ihre Seele,“ fragte er zaghaft, „wie wird es der ergehen?“ „Die ist verloren!“ entgegnete die Gestalt. „Irdische Liebe hat selten Heil gebracht. Als einst drei Fräulein aus dem See zur Hochzeit gingen, verspätete sich einem schönen Jüngling zu Liebe die dritte. Als sie wieder zur Heimath zurückgekehrt, sprang ein Blutstrahl aus dem Wasser.“ „Eigenthümlich !“ sagte der Jüngling. „Wenn nun aber ein Herz sich fände so stark und mächtig daß die Elfe gar nicht mehr an ihre Heimkehr dächte.“ „Wer weiß, ob dann die Elfe mehr zu beneiden wäre, als zu bedauern.“ „Und wenn ich nun,“ sagte der andere mit steigender Wärme, „wenn ich der junge Ritter wäre, dessen Seele die große, unendliche Mädchenseele ertragen könnte und vergelten?“ „Dann fehlt freilich zur Zeit nur die Elfe, die Sie selig machen soll.“ „Und wenn Sie nun selbst die Elfe wären? wenn Sie endlich sprechen sollten für Ihr eigenes Herz?“ „Dann wüßte ich nicht, was ich sagen würde.“ „Nein aber, Mädchen, Elfe, oder wer du bist,“ rief der andere sich selbst vergessend mit dem wärmsten Laute seines Herzens — „deine Augen blitzen und ich höre den süßen Klang deiner Stimme, aber deine Züge schwinden im Mondenscheine und ich werde sie nicht wieder kennen am Tage. O so laß mich nur die Fingerspitzen an den Mund drücken, und in deine Augen sehen!“ „Wir dulden keine Berührung.“ „Nur in deine Augen laß mich sehen,“ wiederholte der Jüngling, der Gestalt sich nähernd. „So muß ich mich erheben,“ sagte die Elfe, indem sie ruhig aufstand — „und in die Tiefe hinunter sinken, obgleich die Luft so lau und der Mondschein so helle.“ Bei diesen Worten glaubte der Jüngling der Gestalt schon ganz nahe zu sein, als er plötzlich ausglitschte und hinstürzte in den schaukelnden Kahn. Da er sich aufgeholfen, war die Gestalt verschwunden und der Nachen fand sich wieder in dem Schatten des Ahorns wie früher. Er sprang schnell heraus und bat flehentlich und beschwor das Mädchen zu bleiben; sie aber war nirgends mehr zu finden und seine Worte verhallten im Winde. Das Seefräulein. II. An demselben Abende blickte eine Dame in denselben Mond, den wir bei der Begebenheit zwischen der Elfe und dem Jüngling öfter zu erwähnen Gelegenheit hatten. Sie lag im Fenster eines Bauernhauses, welches da steht zwischen laubigen Apfelbäumen in der Gegend von Reichenhall, und sah hinunter auf den Thumsee, der zwischen hohen Bergen lieblich glitzerte Nicht selten auch warf sie ein Auge hinüber auf die malerischen Trümmer von Karlstein, welche Veste einst Karl der Große erbaut haben soll. Uebrigens hatte sie schon längere Zeit auf Jemand gewartet, und um so größer war ihre Freude, als endlich Schritte auf der Treppe klangen und zur geöffneten Thüre eine jugendliche Gestalt herein eilte, welche ihr um den Hals fiel und fast verathmend sprach: „Aber, Tante, das war köstlich! Ein solch Vergnügen habe ich lange nicht erlebt.“ „Gott sei Dank! Ich wartete seit der Dämmerung auf dich und hatte meine liebe Angst. Vielleicht, dachte ich mir, ist sie unter die Sennerinnen gerathen und schläft heute im Heu — das war noch das Beste, was ich mir sagen konnte; denn daß du im See ertrunken, wollte ich doch nicht glauben.“ „Nein! aber die Geschichte hängt mit dem See zusammen. Ich will dir Alles erzählen; nur ein paar Minuten laß mich ausathmen.“ Das Mädchen legte den Mantel nieder, zog einen Schemel heran, setzte sich zu den Füßen der Tante und begann nach einiger Weile. „Heute Abends hast du wieder deine Zeitung studirt, so tief versenkt in die Begebenheiten, daß dich die Welt gar nicht mehr kümmerte. Da schlich ich nun leise hinab an das Gestade und band den kleinen Nachen los, in dem heute Morgen die Bauernkinder fuhren und steuerte hinein in den See. Tante! das ist ein glorioses Gefühl, abendlicher Weile so allein wie der Geist des Herrn über den stillen Wässern zu schweben. Da habe ich mit innigem Wohlbehagen betrachtet, wie die Alpengipfel rosenroth wurden, und wie sich die weißen Nebel über den See legten. Alte Sagen fielen mir ein von Nixen und Seefräulein, und es wurde mir immer seliger zu Muthe. In meiner Freude legte ich mein Halstuch als Schleier um und flocht nur einen Kranz von Seerosen auf das Haupt, und fang leise dahin so etwas wie ein Elfenlied. Wie ich nun so dem andern Gestade näher komme, fällt mir ein düsterer Baum mit ungeheuern Aesten in die Augen, und ich denk’ mir, da mußt du einmal landen. Ich setze mich unter das Laubdach, und bemerke, wie die Berge immer finsterer werden und mit ihren langen dunkeln Gesichtern fast drohend auf mich herabblicken. Da wäre mir beinahe Angst geworden, wenn nicht der liebe Mond ganz meisterhaft über den alten Ruinen empor gestiegen wäre, und die sämmtliche Landschaft mit seinem stillen Glanze erfreut hätte. Melancholisch hat mich aber der bleiche Jugendfreund doch gemacht und so verfalle ich in meine alte Schwärmerei, die du so oft belacht. Ich fange wirklich an nachzudenken, und frage mich, warum ich denn eigentlich auf der Welt bin und warum meine Eltern so früh gestorben und mir das schöne Hab zurückgelassen, mit dem ich nicht weiß, was ich thun soll. Und da du mir, liebe Tante, denn doch nie ganz verheimlichst, daß wir zu gelegener Zeit und unter guten Umständen auch Jemand gern haben dürfen, so denk’ ich mir, wo magst du jetzt sein und zu welchem Sterne siehst du jetzt hinauf — du lieber Traumheld, welcher dereinst in mein irdisches Leben als ein wirklicher treten soll und da raschelt’s auf einmal in den Bäumen und auf dem Uferpfad daher kommen Schritte und gehen auf den großen Baum zu, so, daß ich grade noch Zeit hatte, mich dahinter zu verbergen. Nun hofft’ ich zwar, das würde vorübergehen, aber das setzt sich vielmehr gerade auf die Stelle, die ich verlassen, und verliert sich allmählig in einen Monolog und aus der Stimme erkenn’ ich, daß es ein junger Mensch sein muß. Die Stimme aber — ach es war gar zu rührend — die Stimme fängt an ihre Gedanken spazieren zu führen und schwärmt wie ich — nur etwas deutlicher — von einer lieben Gedankenmaid — unbekannt und nirgends zu treffen — ihrer Sehnsucht ewig Ziel. Das hat mich nun gleich für das junge Mannsbild eingenommen, obgleich es nebenbei die Mädchen recht arg herunter machte, gleich als wüßten sie nichts Gescheidtes zu reden und stünden ihm nicht ganz werkthätig bei, wenn es Langeweile hätte. (Fortsetzung folgt.) Der Wasenmeister. Unglaublich scheint’s, doch ist’s gescheh’n, man denkt mit Grauen noch daran, Daß je ein Mensch, daß je ein Fürst, ein Herz so fühllos haben kann! — Vor’m Städtchen Gunzenhausen, wo der rohe Markgraf *) hat gehaußt, Steht einsam eine Hütte, die von allen Winden wird umsaußt; Der Wasenmeister wohnet dort, dieß schlechte Dach birgt Weib und Kind — Wohl haben sie geringe Kost, doch alle frisch und munter sind; Wie Orgelpfeifen stehn vor ihm, die Buben all’, die kräftigen da, Der Vater mit Vergnügen nur in ihre blauen Augen sah. Bei dem da hat die Durchlaucht stets die Hund’ zum Jagen einquartirt, Er mußt’ sie füttern, und was krank, das hat er wiederum kurirt. Das Brod für sie, das hat man ihm allwöchentlich ins Haus’ gebracht, Nur das war seine strengste Pflicht, daß er sie sorgsam überwacht’; Und jede Woche kam zu Roß der Markgraf mit dem Puderschopf, Von seinem Nacken hing herab der ellenlange starre Zopf, Um nach den Lieblingen zu sehn voll Sehnsucht hat’s sein Herz begehrt, Sie waren ihm bei weitem mehr als seine Unterthanen werth. — So ging es fort — bis endlich kam Mißerndte übers ganze Land, Gar mancher Greis, gar manches Kind, voll Hunger an dem Wege stand. *) Karl Wilh. Friedr. von Brandenburg-Ansbach. † 1757 Der Wasenmeister. Der Wasenmeister mußte auch mitfühlen diese bittre Noth. Er hatte für die Hunde wohl, doch für die Kinder selten Brod; Das that ihm in der Seele weh: „nicht länger seh ich es mit an“ — „Kommt Kinder, eßt, ich theil’ das Brod, kein Gott mir das verargen kann“; „Die Bestien sind voll Uebermuth und werden alle dick und fett“ „Und euch sah’ ich so manchmal schon mit Thränen hungrig gehn zu Bett.“ Und wieder kam zu Rosse hoch der Markgraf mit dem Puderschopf, In seinem Nacken hing herab der ellenlange starre Zopf, Sein Auge funkelt zornentbrannt: „Du Schinderknecht, was ist geschehn?“ „Die Hunde sehn mager aus, komm her du sollst mir Rede stehn.“ „Ja Durchlaucht,“ sprach der arme Mann, „hier steh ich, ich bekenn’ es frei“, „Den Kindern gab ich von dem Brod, mir riß der Gram das Herz entzwei“, „Die Hunde hatten Ueberfluß — in meinem Jammer fiel mir ein „Es müssen meine Kinder doch mehr werth wie diese Bestien ein?“ „Was?“ schrie der Graf, „ruchloser Wicht!“ und schäumte jetzo voller Wuth, Riß aus dem Halfter das Pistol, ein Schuß — der Vater liegt im Blut. Ein Weheruf durchtönt das Haus: „Der Vater todt!“ man eilt herbei, Der hohe Mörder reitet fort als ob gar nichts geschehen sei. So war es sonst, ist’s anders jetzt? und bleibt es so im Zeitenlauf? Die großen Mörder läßt man frei, die kleinen nur die hängt man auf. E. Weiß. Amtsstyl. p.p. Anliegend übermacht man die äußerst sicherheitsgefährlichen Individuen, Kaspar Rumelmayer und Maria Breitfurtner, welch letztere überdieß als Nachschlüsseldiebin bekannt ist. — Wer wiegt schwerer? „Ist er der Schweinhirt von Knofelsheim?" „Ja, Euer Gnaden, Herr Landrichter!" „Hat er nicht gehört, daß er sich keine Hunde halten darf, damit seine Schweine nicht durch Beißen und Jagen unnöthiger Weise und gegen die von hoher Stelle genehmigten Satzungen des Thierquäler-Vereins eine üble Behandlung erleiden, und deren Fleisch auf solche Art verschlechtert werde." „Ja, erlaubens aber, Herr Landrichter, 's hat ja der Gerichtsdiener auch a paar Hund, und oan hat er schon auf mich g'hetzt." „S' Maul halten! die Hunde vom Gerichtsdiener gehören für d' Spitzbuben und seinesgleichen, und deren Fleisch wird bis jetzt noch nicht gegessen. Verstanden?" „Wann ich wieder auf d' Welt kum, wer ich a Schwein oder a Gerichtsdiener." Dienst-Fanatiker. „Was, mich auspfänden? Wie kommen Sie dazu, da ich ja Niemanden auch nur einen Kreuzer schuldig bin?" „Ei was, das geht mich nichts an. Herr Mayer — —" „Mayer? — So heiße ich nicht —" „Jetzt mögen Sie Mayer heißen oder nicht, ich hab' Befehl den Herrn der im Haus Nro. 522 im ersten Stock' wohnt, auszupfänden und das sind Sie." — „Ihr Auspfändungs-Befehl wird jedenfalls meinen Vorgänger in der Miethe, der wie ich glaube Mayer hieß, angehen, denn ich wohne erst seit gestern Abend in diesem Hause." „Mag sein — warum wohnen Sie da. — Ich hab' meinen Befehl und nach dem handle ich. Da wird kein' Ausred' angenommen, sondern ausgepfändet." Was lernen die Leute im Zuchthause? Ein höflicher Mann. "Ich danke Ihnen, Herr Zaunhuber — bemühn Sie sich nicht weiter — bitt' Ihnen — ich find' jetzt den Weg schon. — Habe die Ehre recht gute Nacht zu wünschen." Wanderlust *). (Vergl. fliegende Blätter Nro. 158. 159.) *) Wir entsprechen hiermit dem Wunsche zahlreicher Leser, welche eine Fortsetzung der „Wanderlust“ begehrten. D. R. d. f. Bl. Aber jetzt! nach Kalifornigen Jagt es mir den Sinn den zornigen, Der schon längst dahin geschwärmt: Wo die goldnen Adern ziehen, Durch die schweigenden Prairieen, Und der Sakramenter lärmt — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Kalifornigen, nach Kalifornigen Fang ich an das Lied von vornigen, Wo der ew'ge Dollar rollt, Wo es gelber wird und gelber, Wo des Wandrers Adern selber Wandeln sich in flüssig Gold — Alter, dahin muß ich ziehn! Dahin, wo bei Tropenhitze Auch in der geringsten Pfütze Noch ein echter Goldfisch irrt; Wo die Quellen, die gefrieren Sich zu Gold statt Eis fixiren. Wenn es jemals Winter wird — Dahin, Alter, möcht ich ziehn. Dort wo unter jeder Scholle Von Dukaten eine Rolle Schlummernd uns entgegen lacht; Wo das Silber ist Lappaligen, Wo der Mensch mit Viktualien Glänzende Geschäfte macht — Dahin, Alter, laß mich ziehn! — Nach Kanadien, nach Kanadien Lenk ich fürder meine Pfadigen, Wo der Britte um sich greift. Wo die Zone wird zur kältern, Wo in endelosen Wäldern Nimmer der Hurone schweift — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Kafferien, nach Kafferien, Will mich innre Gluth verzehrigen, Wo sich die Giraffe härmt. Wo der Kaffer schändlich handelt, Wo das Gnu die Zeit vertändelt, Und der Missionarius schwärmt — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Doch, o herrlichster Erzeuger, Mir die Steuern nicht verweiger', Wandr' ich nach Beludschistan! Wo aus der Hyänenwüste Zu der muschelreichen Küste Niedersteigt der böse Chan — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Tscherkessien, nach Tscherkessien Treibt es mich, den Unablässigen, Wo im Aug die Blitze sprühn, Wo die Panzerhelden rasen, Mit den kühnen Adlernasen, Und die Leichenhügel blühn — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Kroatien, nach Kroatien, In die Berge von Banatien, Streift der unbegrenzte Sinn; Wo der kluge Banus waltet, Wo der Mantel roth sich faltet, Und die Bildung im Beginn — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Galizien, nach Galizien Hab ich schändliche Kupizigen, Wo der Jude häufig wohnt. Wo die Bergschlucht voll der Schauer. Wo der schwarzgelockte Bauer Bald zum letzten Male frohnt — Dahin, Alter, laß mich ziehn! (Fortsetzung folgt.) ==== FB9-0194 Das Seefräulein. (Fortsetzung) So schwärmt der Fremdling hin und her, und zuletzt nimmt er sich vor, eine Spazierfahrt in demselben Nachen zu unternehmen, den ich dahin gebracht, und ruft alle lieben Elfen aus, sie sollen nur kommen und ihn begleiten. Wart, denk’ ich mir, du sollst nicht umsonst deinen Muthwillen treiben und mein Schifflein kann ich dir auch nicht lassen, und wie er einsteigt, werf’ ich meinen Mantel ab und trete hinter ihm schneeweiß in den Kahn. Dem jungen Menschen war’s aber wohl, als hätte er einen Geist zu sehen, so versteinert saß er da. Wie wir nun hinauskamen in den See und der Mond die Gesellschaft etwas beleuchtete und heimlicher machte, fing er allmählig auch zu sprechen an, worauf ich in den wunderlichsten Reden Antwort gab, mit Fleiß, um mich zu rächen und die Mädchen, von denen er so klein gedacht. Das muß ich dir wirklich nachher erzählen, was wir für mährchenhafte Gespräche geführt, und wie ich elfenartig mich benommen. Nur freilich, wenn ich so weise wäre, wie du es immer wünschest, hätte ich unter andern bedenken sollen, daß der junge Herr auch etwa zärtlich werden könnte, und wie ich das so kommen sah, so steuerte ich wieder leise dem Ufer zu. Und richtig, zuletzt fährt er auf und ruft ganz schwärmerisch. Mädchen, Elfe oder wer du bist — und meinte, ich soll ihn meine Hand küssen und in meine Augen sehen lassen, damit er mich morgen wieder kenne. Ja! dacht’ ich mir, das wäre noch schöner, und während er aufsteht und auf mich zugeht, erhebe ich mich und steige ans Land und gebe dem Schifflein einen Stoß wie Wilhelm Tell, so daß mein Traumheld — das muß er mir noch verzeihen — im Kahn ohne Aufenthalt zusammenpurzelte. Nun nahm ich schnell meinen Mantel um, riß den Schleier ab und eilte athemlos hieher. Den Klageruf des jungen Menschen aber, daß er mich verloren, den hörte ich noch lange hinhallen an den Gestaden des stillen Sees.“ III Am andern Morgen in thauiger Frühe ging der Jüngling den See entlang, emsig spähend nach allen Seiten, ob ihm nicht ein Zeichen würde über die Erscheinung von gestern. Er fand den alten Ahorn wieder, auch die Rastbank und selbst das Schifflein lag ruhig in seiner Bucht. Eine Seerose, die er darinnen sah, hob er mit freudiger Ueberraschung auf. Sie mußte aus dem Kranz der Elfe gefallen sein und galt ihm als ein sinniges Gedächtniß ihrer jungen Bekanntschaft. Er setzte sich auf die Bank und ließ seine Augen in der Landschaft schwelgen, nebenbei auch bedacht, was etwa schön zu malen wäre und gut in ein Bild paßte. Die Sonne in ihrer tollen Pracht und ein herrlich blauer Himmel lagen über dem duftenden Thale. Der See glänzte und das alte Schloß dräute und der Bauernhof in den Apfelbäumen ließ seine Fensterlein höchst einladend schimmern. Zuweilen ging ein leiser Morgenwind von dem Fichtenwald herab, säuselte durch das Schilficht und kräuselte den See. „Ein anmuthiges Bild!“ sagte er zu sich selber. „Aber wie blaß sind doch diese hellen, sonnenscheinigen Schönheiten gegen die poetische Götterdämmerung von gestern. Etwas Räthselhaftes bleibt es immer. Ich wollt’ es wäre eine Nixe, eine Elfe, ein Seefräulein — jedenfalls ist es ein ungewöhnliches Wesen, denn diese liebliche Keckheit, die hat von Hunderttausendden nicht eine.“ Er schlenderte fort am Gestade, immer bemüht, die Erscheinung sich zu erklären, und die schwachen Züge, die ihr Antlitz in seinem Gedächtnisse hinterlassen, zu einem deutlichen Bilde zusammenzumalen. So stand er plötzlich vor dem Bauernhofe in den Apfelbäumen. Die Bäurin saß auf der Sommerbank und spann; die Dirne nicht weit davon, that mit der Sichel etliche leichte Sonntagsschnitte ins hohe Gras. „Mit Verlaub,“ sagte der Jüngling, „ist da nicht ein Fräulein gesehen worden, jung und schön, in weißem Gewande?“ „Gewiß nit,“ sagte die Bäurin, „daherum gibt’s keine Fräulein.“ „Habt ihr also keine Stadtleute in der Wohnung, die den Sommer auf dem Lande zubringen?“ „Was thäten wir mit den Stadtleuten“ sagte die Dirne kühn und lachend. „Wir beten alle Tage, daß sie uns in Ruhe lassen.“ „Also gar keine Spur?“ „Nit von weitem!“ sagte die Bäurin. „B’hüt euch Gott.“ Der Jüngling ging kopfschüttelnd seinem Weges, und war noch nicht weit gekommen, als die Dirne kichernd zur Bäurin sagte. „Das wird die Herrschaft freuen, wenn sie heim kommt, daß wir den jungen Herrn so richtig losgeworden sind.“ Der Jüngling stieg zum Karlstein hinauf und trat durch den Thorweg in die öden Mauern, aus denen allenthalben frische Kräuter sproßten, während junge Buchen Schatten auf die zerbröckelnden Brustwehren warfen. Er hoffte noch immer ein Zeichen zu finden, vielleicht eine gepflückte Blume, einen Namen frisch in den Baum geschnitten, ein vergessenes Buch — vielleicht auch sie selbst, die geisterhafte, in ihrem weißen Gewande unter dem Laubdache dahinwandelnd — Nichts — es war, als wenn seit Jahren hier keine Menschen zugekehrt. Fast hoffnungslos ging er wieder auf den Weg hinunter, der durch eine wilde Schlucht an das Wirthshaus führt, wo er die Nacht zugebracht. Vor ihm wanderte in festlichem Feiertagsstaate mit Blumen auf dem Hute ein ansehnlicher Landmann, den der Jüngling bald einholte und begrüßte. Der Bauer kehrte ihm ein schöngefärbtes heiteres Gesicht zu, in welches schlichte, weiße Haare hingen, und sagte lächelnd. „Nu, so sind wir doch unser zwei; es geht sich immer etwas frischer.“ „Wo kommt ihr denn her?“ fragte der Jüngling. „Ich hab’ meinen Hof da oben,“ antwortete der Bauer, „da oben nicht weit vom See, beim Seebichler heißt man’s.“ „Habt ihr vielleicht auch Stadtleute in der Wohnung?“ „Ich nicht; kein Platz dafür — aber da drüben beim Seebauern, der hat sich erst seinen Hof ein Bissel herrichten lassen, da möchten wohl etliche sein.“ „Bin schon dort gewesen, aber die Bäurin will nichts davon wissen, und die Dirne noch weniger. Und doch ist mir gestern ein Fräulein begegnet, ich weiß nicht wie.“ „Nun, wenn ein schöner Tag ist, da kommen sie oft von Reichenhall heraus und gehen spazieren.“ „Es war aber schon ganz spät am Abende im Mondschein.“ „Wo denn?“ fragte der Seebichler mit sichtlicher Neugierde. „Da oben am See. Das Fräulein fuhr im Schifflein — ich auch damit — und führte seltsame Reden. Sie trug einen Schleier und einen Kranz von Seerosen darauf. Ich konnte aber nicht erfragen, woher sie sei und wie sie heiße.“ „Halt !“ sagte der Seebichler, „das ist ganz etwas Andres.“ „Und was denn?“ „’S paßt nicht für jeden und da sind wir lieber still.“ „Nun möcht’ ich’s aber gar zu gerne wissen, lieber, angenehmer Seebichler!“ „Ja, wenn’s da oben ist gewesen am See, im Schifflein, im Mondschein, ganz unbekannt und so weiter, dann bedeutet’s ein Seefräulein. Die kommen zuweilen herauf und vor Altem hat man sie oft gesehen. Das sind schöne Mädeln und wenn sie einen gern haben, können sie ihn recht glücklich machen.“ „Wunderlicher Mensch!“ sagte der Maler, „geht euch denn das Ding wirklich von Herzen?“ „Wenn ihr nicht wollt, so müßt ihr’s ja nicht glauben. Aber bleibt nur einmal ein halbes Jahr in unsrer Gegend; da gibt es ganz besondre Geschichten.“ „Die hör’ ich für mein Leben gern,“ sagte der Maler. „Fangt doch gleich an damit, lieber Seebichler!“ „Jetzt schon gar nicht,“ entgegnete der Bauer, „wo es auf Mittag zugeht und Alles so hell ist und voll Sonnenschein. Aber heut’ Abend nach Betläuten, da lass’ ich mich wieder finden.“ „Und wo denn?“ „Das wird sich weisen. Jetzt gehen wir einmal miteinander bis ins Wirthshaus da unten und da ist eine Hochzeit. Da heirathet das Beckerlenerl von Hausmaning den Schlagerlenz aus unsrer Gemein’. Da bin ich der Vetter zu der Braut und da will ich euch schon befreundt machen mit den Hochzeitgästen, daß ihr einen lustigen Tag habt — wenn ihr überhaupt mit Bauersleuten umgehen könnt.“ „Da dürft ihr gewiß keine Angst haben,“ sagte der Maler. „Nu, wir werden’s bald sehen,“ erwiederte der Bauer. „Richtig, da unten kommt schon der Zug aus der Kirche und die Musikanten spielen, daß es eine Freude ist. Jetzt gebt nur Acht; ‚s wird Alles recht werden.“ Unter diesen Gesprächen waren die Beiden beim Wirthshause angekommen. Der Seebichler zog seinen Gefährten schnell in den Garten, und da waren sie unter den Bäumen nicht lange gestanden, als der Hochzeitszug durch die Thüre hereinkam, und die Musikanten, ihre lustigen Reigen blasend, an ihnen vorüberschritten. Nach diesen ging das jugendliche Brautpaar, welches den Zug verließ, als es den Seebichler bemerkte und ihm mit freundlichem Lachen entgegentrat, während er herzlich grüßte. „Schau, schau — der Herr Vetter von Seebichel hat uns auch nicht vergessen,“ sagte das Lenerl von Hausmaning, „ganz frisch schaut er aus und ganz jung, der liebe Vetter, und wunderschön ist er aufgeputzt. Und da hat er erst noch einen saubern Herrn mitgebracht — wer muß denn der sein?“ „Ich bin ein Maler“ sagte der Jüngling. „Nun, das sieht man Ihnen schon von weitem an,“ entgegnete das Mädchen. „Aber bei uns gäbe es auch gleich eine Arbeit. Gelt, Lenzi, hast erst gestern gesagt, wir sollten uns malen lassen in unserm Hochzeitgewand ?“ „Freilich,“ sagte der Bräutigam, „aber muß es jetzt sein?“ „Wer weiß, ob wieder einer kommt, der’s besser kann,“ meinte die Braut. „Nun, mir ist’s recht,“ sagte Lenzel mit Ergebung. „Aber, Lenerl, daß du dich am Ende recht hermalen laßt wie ein Fräulein? Malen Sie ihr die Sommerflecken nur auch hinein in’s Gesicht, Herr Maler, sonst wird sie allzu hoffärtig." „Ja, und ihn malen Sie nur ein Bissel kurzweiliger, als er ist, sonst sieht er gar nichts gleich.“ „Nu, helf Gott,“ sagte der Seebichler, „was die Fratzen bissig sind!“ „Das macht Alles seine Eifersucht,“ entgegnete lachend das Mädchen. „Aber Sie, Herr Maler, wenn Sie nichts Besseres wissen, so bleiben Sie gleich auf unsrer Hochzeit. In einer Stunde geht das Mahl an und später der Tanz. Schauen S’ nur die Musikanten an, was das für rare Spielleut’ sind.“ Der Maler dankte ganz vergnügt für diese Einladung. Er glaubte seinem Herzen nicht zu nahe zu treten, wenn er sich über Tags die Forschungen nach der weißen Gestalt erließe. In der Nähe des Sees schien sie sich nicht aufzuhalten und war sie ferner, wo sollte er sie finden? Er ging heitern Muthes unter die Bauern, die ihn bald als einen frohen Gesellen achten lernten. Als dann die Stunde des Mahles schlug und die Gäste mit den Brautleuten in den Saal hinaufzogen, wo in bäuerlicher Pracht die Tafel gerüstet war, kam ihm der Seebichler wieder nahe, und lud ihn ein, an seiner Seite zu zechen. Es ist aber nicht nöthig, die Freuden des Festes weiter zu beschreiben, nicht die scherzhaften Reden, mit denen der Seebichler sein Bäschen und ihren Liebsten neckte, und ebensowenig die laute Fröhlichkeit des Tanzes, bei welchem auch der Maler Ehren halber dem lustigen Lenerl die Hand reichte. Innerlich war er nicht ganz ruhig darüber, denn er fürchtete, es sei ein Treubruch am Seefräulein. IV. Am selbigen Abend ging die Elfe mit ihrer Tante lustwandeln, zuerst auf den Karlstein und dann hinüber nach dem Kirchlein von St. Pankraz, das auf einem stolzen Vorsprung über dem Thale steht und weit hinauf sieht bis an die blauem Hügel des Flachlands. „Tante!“ rief das Mädchen plötzlich, „da unten muß eine Hochzeit sein. Hörst du, wie die Klarinetten sehnsüchtig girren und die Trompeten mit ihrem Heldentenor darein schmettern. Da tanzen die Bauern — juchhe! Komm, komm, da gehen wir hinab.“ „Entsetzliches Mädchen!“ sagte die Tante lächelnd, „du hast wohl keine Idee, wie es bei solchen Fêten zugeht?“ „I! was werden sie uns denn thun, diese biedern, deutschen Landleute? Für was reisen wir denn, als um die Sitten der Menschen und ihre Gemüthsart zu ergründen? Heute willst du wieder gar nicht für meine Erziehung sorgen.“ „Es scheint immer mehr, als hättest du die meinige übernommen,“ sagte die Tante, indem sie dem Mädchen, das in raschem Lauf den Berg hinabeilte, mit langsamern Schritten folgte. „Da sind wir!“ begann die junge wieder. „Hier ist das Wirthshaus — hier der Garten. Kein Mensch darinnen, und dort eine Laube, ganz vertraut und heimlich. Daherein, liebe Tante — da warten wir ruhig ab, was die Ereignisse bringen.“ Die Damen saßen friedlich plaudernd in der Laube, als ein Bauer mit freundlichem Kopfnicken zu ihnen trat. „Jetzt ist mir’s fast zu eng worden da oben und zu warm,“ sagte er, den Hut auf den Tisch werfend. „Mit Verlaub, ich muß ein wenig ausrasten — man wird halt immer älter.“ „Aber ein lustiger Tag ist es doch,“ meinte das Mädchen. „Und die Brautleute, das muß ein nettes Paar sein.“ „Ja, da fehlt nichts — und ein fürnehmes Paar sind sie auch, so was man unter Bauern fürnehm heißt. Sein Vater hat den großen Holzhandel und die reiche Alm bei Berchtesgaden, und ist alleweil so einer von den richtigsten gewesen, und sie, sie schreibt sich Becker, von denen Becker von Hausmaning; das ist eine besondre Familie.“ „Wie denn das?“ „Ja, die Becker von Hausmaning, die haben schon von Alters her etwas voraus gehabt. Da hat man vor Zeiten allerhand erzählt, aber jetzt thäte man die Hälfte nicht mehr glauben." „Wenn man’s nur nicht glauben muß,“ sagte das Mädchen. „Hören würden wir’s sehr gerne.“ „Ja, ja,“ fuhr der Bauer näher rückend fort, „in unsrer Gegend, da gibt es wunderbare Geschichten. Das macht schon der Untersberg, der große Berg dort, in dem der Kaiser Karl verwunschen ist, bis ihm der Bart drei Mal um den Tisch wächst.“ „Davon haben wir schon gehört.“ „Nu, im Untersberg gibt’s auch Bergmännlein und in dem andern Berg da, heißt man Staufen, da gibt’s wilde Frauen, und dort auf dem Karlstein ist ein Burgfräulein und oben im See sind Seefräulein, das ist auch kein Spaß.“ „Da soll erst gestern wieder eines erschienen sein“ — sagte das muthwillige Mädchen. „So, habt ihr das auch schon vernommen?“ fragte der Bauer und warf einen argwöhnischen Blick auf das Fräulein. „Ja wohl, aber was gehen denn alle diese Sachen die Braut an?“ „Das habe ich eben sagen wollen,“ erwiederte der Bauer. „Denn gerade die Becker von Hausmaning, heißt das ihr Vater, und ihr Vater auch noch nicht recht, aber ihrem Vater sein Vater und sein Ahnel und seines Ahnels Ahneln, gerade von denen hat man am meisten gesagt, daß sie’s mit den Bergmännlein gehalten, daß daher der Reichthum kommt, und mit den wilden Frauen, die oft zu ihnen in Heimgarten gegangen sind, und mit den Seefräulein, die ihnen auch kein Leid gethan. Und das hat mein Vater noch oft erzählt, wie sein Ahnel geheirathet, der hat eine aus dem Geschlecht genommen, da ist ein Seefräulein zur Hochzeit gekommen und hat mit dem Hochzeiter getanzt und ist gar schön gewesen und freundlich, und hat gesagt, wenn einmal wieder aus dem Geschlecht eine achtzehnjährige Jungfrau heirathet, dann wird sie wiederkommen. Nu, achtzehn Jahre sind schon etliche alt gewesen, aber Hochzeit hat’s keine gegeben und vielleicht wäre auch der andre Umstand abgegangen. Aber dies Mal ist’s leicht möglich — das ist ein prächtiges Mädel gewesen zu allen Zeiten.“ „Eine herrliche Geschichte,“ sagte das Mädchen und klopfte sich in die Hände. „Wenn also das Seefräulein Wort hält, so kommt es heute noch zur Hochzeit.“ „Mir wär’s, mein Eid, ganz lieb,“ sagte der Bauer, „und das geschähe ihnen recht, den verstockten Sündern, weil sie mich immer auslachen mit meinen Geschichten.“ „Himmel!“ rief das Mädchen, „was hätte ich eine Freude, wenn ich so ein Seefräulein sähe!“ „Und wie wär’s euch denn, wenn ihr selbst eines vorstellen solltet?“ fragte der Bauer lächelnd. „Hei, das ist’s,“ jubelte das Fräulein. „Das ist ein unsterblicher Gedanke und des Schweißes der Edlen werth— —.“ (Schluß folgt.) Logik. „Ich sehe schon wieder so Viele, die nicht da sind! Meier, Sie fehlen auch wieder. — Ich werde alle die Fehlenden auf eine Bank zusammensetzen, damit ich sie besser übersehen kann!“ Geldstolz. Banquier O. „Freit mich recht vun Herz’n sehr, kennen zu lernen den graußen Mann, den berihmt’n Kinstler! Auf meiner Ehr, Herr Direktor!“ Direktor. „Vor vielen Jahren in Rom hatte ich einmal Gelegenheit, einen Herrn O. kennen zu lernen, einen tüchtigen Künstler; ist das vielleicht ein Verwandte von Ihnen, oder gar Ihr Bruder?“ Banquier. „Jawohl Verwandter, jawohl, mein Bruder — ist auch Kinstler — hat’s aber Gott sei Dank, nicht nöthig!“ Ein monarchisch-constitutionelles deutsches Staaten-Individuum. Wo sind da die Standes-Unterschiede? Nächtliche Wanderungen eines gestorbenen Censors, derzeit Gespenst. Erf. und gez. Von Ferd. Beer. Lied des Gespenstes. (Mel. Ich war Jüngling noch u.s.w.) Ich war Censor wohl erfahren, Einen Trieb empfand ich nur: Wollte Geist sich offenbaren, Zu verfolgen seine Spur; Wonne war’s für mich zu streichen Aus dem Buch die Lebensgluth, Ich ergötzte mich an Leichen, Wie der sanfte Tieger thut. So erfüllt’ ich meine Pflichten Viele Jahre ein und aus, Thät ein Wörtlein hier vernichten Und blies dort ein Lichtchen aus; Schlafen sollten ja die Kinder, Nur der treue Censor wacht’, Rührt die Scheere, damit linder Ruh’ die Menschheit in der Nacht. Bin nun selber das geworden, Was ich haßte dort und hier, Bin ein Geist nun selbst geworden, O's ist zum Verzweiflen schier; O ich hass' dies Geisterschleichen Auf dem Kirchhof hin und her, Könnt' ich sie doch alle streichen, Daß es öde wär und leer. Wandern muß ich nun und gehen Ruhelos mit trüben Sinn, Gott, was mag jetzt wohl geschehen, Seit ich nicht mehr Censor bin! Sicherlich gehts durcheinander Und kein Thron sich mehr erhält, Und sie schlachten wohl selbander Und in Trümmer stürzt die Welt. (Schluß folgt.) Artigkeit und Zuvorkommenheit. Reisende. „Aber Herr Postsekretär, wenn wir nun recht schön bitten - wir sind mit der Eisenbahn von A. erst hier eingetroffen.“ Postsekretär. „Der Reisende hat sich zwei Stunden vor Abgang der Post einschreiben zu lassen — Sie kommen eine Stunde und fünf und fünfzig Minuten vor Abgang und können also nicht mehr mit fort! damit Basta!“Reisende. „Aber hören Sie doch, wir sind ja erst angekommen!!“ Postsekretar. „Teufel auch! lassen Sie mich in Ruh, meinen Sie denn die Post ist wegen des Publikums da!?“ — Donnernd fliegt der Schalter zu, eine Stunde und fünf und fünfzig Minuten später fährt der leere Postwagen zum Thore hinaus. — O die Polizei kann auch höflich sein !! „Wer hat diese Busenschleife verloren? „Ich Herr Commissar.“ „Wie heißen Sie?“ „Magdalena Wetzerin.“ „Was sind Sie, und was treiben Sie?“ „Nätherin und Stickerin.“ „Wo wohnen Sie?“ „Im Spitzelgäßchen Nro. 99 drei Treppen hoch.“ „Gut, ich werde Ihnen morgen Abends die Busenschleife selbsten bringen.“ ==== FB9-0195 Das Seefräulein. (Schluß.) „Du willst doch nicht?“ — fragte die Tante, fruchtlos warnend wie immer. „Nur heute noch, Tante, sei nachsichtig, und laß meinen Flegeljahren ihr göttliches, so leicht verjährbares Recht, und dann will ich gerne wieder so eingezogen sein, als wäre ich die Enkelin von fünfzehn Pastoren.“ „Wenn ich nur einige Hoffnung des Gelingens hätte —“ „Nu, wäre es denn zum ersten Male? Etwas Uebung hab’ ich ja voraus.“ Der Bauer betrachtete mit schlauem Auge das Mädchen und winkte ihm ermunternd zu, bis er nach kurzem Sinnen sagte: „Aber wahrhaftig, wir sollten den Bauern einmal etwas aufführen. Und ihr paßt gerade dazu; auf jeden Fall seid ihr schön genug. Nur den Hut thut herab, Fräulein, und die Haare laßt ein wenig fallen — weißes Gewand habt ihr so schon an. Es ist jetzt nicht mehr weit von Ave Maria — und so etwa zehn Vaterunser darnach, da macht euch auf und kommt hinauf in den Tanzsaal; dann geht nur keck hinein und singt oder sagt etwas und das Andre werd’ ich schon richten.“ „Aber wie wird das ausgehen unter diesen rauhen Menschen?“ fragte die Tante bedenklich. „Für diese rauhen Menschen steh’ ich gut“ — entgegnete der Bauer mit beruhigender Heiterkeit. „Entweder merken sie die Falschheit nicht — und im Herzen glauben sie alle daran — dann werden wir schon sehen, wie es weiter geht, oder sie merken’s und dann haben wir einen Hauptspaß. Dann seid nur auch gleich bei der Hand, gnädige Frau, daß euch nicht das Beste auskommt. Dann setzt ihr euch zu uns und das Mädel tanzt mit den Burschen, wenn sie nicht zu stolz ist. Ich werd’ ihr schon die saubersten heraussuchen. Gefehlt ist’s auf keinen Fall.“ „Hier, Alter, habt ihr mein Wort!“ sagte das Mädchen. „Ich komme ganz gewiß.“ Der Seebichler drückte mit dankenden Reden die feine Hand und ging in schalkhaftem Ernste von dannen. „Der Maler da oben,“ murmelte er vor sich hin, „der nimmt mir’s gewiß auch nicht übel; denn da wett’ ich meine arme Seel’, das ist sein Gegenstand.“ V. Schon mancher Becher war geleert, schon mancher Scherz gelungen, schon mancher Tanz getanzt. Dem Maler, als einem volksfreundlichen Jüngling, war bisher keine Minute zu lang geworden, aber als der Abend nahte und die Sonne hinter die Berge hinabsank, da überfiel ihn eine große Sehnsucht nach der lieben Stille des Sees, und voll süßer Ahnungen wollte er sich aufmachen und wäre auch gegangen, hätte ihn nicht der Seebichler, wieder eintretend, durch das Versprechen gehalten, daß er bald, ja recht bald mit ihm nach Hause ziehen werde. Die Musikanten spielten da wieder eine wilde Weise, die alle dahin riß, die jungen Leute — nur ihn nicht, der in dem wirren Lärm, in dem gellenden Jauchzen und dem dröhnenden Taktschlag der schwerbeschuhten Tänzer sich plötzlich nicht mehr heimisch fühlte. Aus seinen Träumen weckte ihn des Seebichlers Stimme, die mit großer Kraft in den drehenden Haufen hineinrief: Ave Maria! Im selben Augenblicke schwiegen die Spielleute, verstummte das Rauschen des Tanzen und die Abendglocke hallte in feierlichen Klängen durch den stillen Saal. Lenerl ging zum Fenster und sprach das Gebet. Als sie fertig war, sagte sie Allen freundlich guten Abend, wie es Sitte ist, wenn das Gebet vollendet. Mittlerweile waren auch die Lichter gebracht und auf den Tischen reichlich aufgestellt worden. Eine andächtige Regung hielt das junge Volk noch zurück, den unterbrochenen Reigen fortzuführen, als die Braut in scherzhafter Weise sprach: „Jetzt ist Betläuten vorbei und kommt dem Seebichler seine Zeit. Jetzt wird er bald anheben zu erzählen von seinen Bergmännlein und von den wilden Frauen.“ „Und grad heute ist’s meine Schuldigkeit,“ entgegnete der Seebichler, „weil ihr alle nicht mehr daran denkt, was früher der Brauch ist gewesen, wenn eine heirathet von denen Becker von Hausmaning.“ Auf diese Rede bemächtigte sich sämmtlicher Gäste eine große Spannung. Lenerl ließ sich auf einen Stuhl nieder, gegenüber dem sagenreichen Vetter; diesem zur Seite setzte sich Lenzel; die andern traten um ihn in einen engen Kreis. „Also, wißt ihr denn noch, daß dieses Geschlecht ist allezeit führnehm gewesen und achtbar, und hat seinen Reichthum von den Bergmännlein.“ „Ja, ja, so sagt man“ — sprachen nickend und lachend die Bauern und die Bäurinnen. „Und hat allezeit Freundschaft gehabt mit den wilden Frauen vom Staufen und mit den Seefräulein im Thumsee, die ihre Wäsche aufhängen am Karlstein im Mondschein.“ „So erzählen’s wenigstens die alten Leute.“ „Und das wißt ihr auch, daß in frühern Zeiten die wilden Frauen in Heimgarten gegangen sind und gesungen haben, wenn aus dem Geschlechte ein Kind zur Welt gekommen ist.“ Die Runde nickte abermals bejahend. „Gut, so will ich euch noch erzählen, daß meinem Vater sein Ahnel auch eine aus dem Geschlechte geheirathet hat, ein gar hübsches Mädel, wie das Lenerl da, und da ist zur Hochzeit ein Seefräulein gekommen, hat ihr Lied gesungen und mit dem Hochzeiter getanzt und ist eine ganz glückselige Ehe geworden. Das ist jetzt etwa hundert Jahre, und hundert Jahr davor soll sie auch schon auf einer Hochzeit gewesen sein. Und wenn etwa, hat das Seefräulein gesagt, aus dem Geschlechte zum dritten Male ein achtzehnjähriges Mädchen heirathet, dann kommt sie wieder und ist erlöst.“ „Und dann heirathet sie einen aus der Gemein’,“ fragte der Schlagerlenz — „oder etwa nit?“ „Sie kann sich auch sonst einen aussuchen,“ antwortete der Seebichler mit einem bedeutsamen Blick auf den Maler. „Ah, der Tausend,“ hob nun Lenerl an, „ich bin vor drei Wochen achtzehn Jahre alt worden. Und das wäre keine kleine Ehr’, ein Seefräulein zu erlösen.“ „Ja, aber, liebes Mädel,“ entgegnete der Seebichler, „das Seefräulein hat gesagt, es muß eine Jungfrau sein.“ „Wenn das ist,“ sagte Lenerl und erhob sich erröthend, knöchelte mit dem Zeigefinger auf den Tisch und sah dem Bräutigam frisch in die Augen — „wenn das ist, dann kommt sie noch heute.“ „Und da ist sie schon!“ rief der Seebichler wie in jähem Schrecken aus, so daß alle betroffen der Richtung seines starren Blickes folgten. Auf den Stufen aber, die in die andre Stube führten, mitten in der offenen Thüre stand eine weiße Gestalt mit langen schwarzen Haaren und sah hehr und milde in den Saal. „Das Seefräulein!!“ riefen alle wie aus einem Munde, und ganz verloren in Betrachtung. Nur der Maler stieß den Seebichler und flüsterte im höchsten Erstaunen ihm zu: „das ist ja das Fräulein vom See!“ „Freilich,“ sagte der andre, „weil es das Seefräulein ist“ — und damit schob er den Maler hinter sich, damit nicht etwa die Augen der Gestalt auf einen Gegenstand fielen, der sie zu früh in der Ruhe ihres Geistes stören konnte. Das Seefräulein aber streckte die Rechte wie segnend aus und sprach mit gehobener Stimme: Im tiefem See hat das Fräulein vernommen, Daß heute ein festlicher Tag gekommen Für die liebliche Jungfrau von achtzehn Jahren, Deren Vätern wir immer günstig waren, Für den ehrsamen Jüngling, der sie gefreit In ihrer schönsten Jugendzeit. Drum bin ich erschienen und trete ein. Und wünsche, ihr möget glücklich sein. Auf dieses nahm der Seebichler den Lenzel sowohl als das Lenerl bei der Hand, und trat mit ihnen der Erscheinung näher. „Edles Seeftäulein,“ sagte er dann in feierlicher Sprache, „hier bringe ich vor euch das junge Brautpaar, Lorenz Schlager aus unsrer Gemein’, und Helena Becker von Hausmaning, welches sich eurer Freundschaft herzlich empfiehlt.“ „Ja,“ sagte Lenerl, sich in tiefer Beklommenheit verneigend, „das ist eine besondere Ehre für uns vor allen Nachbarsleuten, daß Sie sich auf unsre Hochzeit bemühen, so weit herauf aus dem tiefen See.“ „Gewiß, eine besondere Ehre,“ fuhr Lenzel fort, der sich auch noch nicht ganz erholt hatte — „denn es hat’s kein Mensch mehr glauben wollen, daß es Seefräulein gibt.“ „Wenn ihr auch unsrer vergessen habt,“ erwiederte die Gestalt, indem sie die Stufen herniederstieg, „so haben wir doch stets in Liebe an unsre Freunde gedacht, und ihr Glück immer gefördert, so viel wir konnten.“ „Edles Seefräulein,“ hob da der Seebichler wieder an, „dieweil es ein alter Brauch ist, daß ihr, so ihr hier erscheinet, unsre Ergötzlichkeit euch gefallen lasset, so wollt’ ich an euch die Frage thun, ob ihr an unserm Tanze freundlich Theil nehmen möget.“ „Altes Herkommen und löblichen Brauch zu ehren bin ich da, und gerne bereit, meine Hand dem Bräutigam zu bieten zum sittigen Reigen.“ „Edles Fräulein,“ sagte der Seebichler ferner, „dieweil aber der heutige Bräutigam ein etwas rauherer Mensch, und für das feinere Frauenvolk nicht ganz gerecht ist, so wollt’ ich euch bitten, hier einen andern Gegenstand in Acht zu nehmen, der eine taugsamere Manier und schon den ganzen Tag auf euch gewartet hat.“ Bei diesen Worten wandte sich der Seebichler nach dem Maler um, der sich unbeachtet in seine Nähe geschlichen und in der größten Spannung, voll Bangigkeit und Entzücken, das Fräulein betrachtet hatte. „Nun, Herr Maler, gebt dem Fräulein euren Gruß!“ Der Maler nahm alle seine Fassung zusammen, trat vor, und verneigte sich. Das Seefräulein aber that einen Schrei des Erstaunens, daß die Bauersleute einander verwundert ansahen. „So lassen Sie mich, liebliche Elfe,“ sprach nun der Maler, ihre Hand erfassend — „wenigstens heute die Fingerspitzen an den Mund drücken und in Ihre Augen sehen, die so herrlich leuchten.“ „Gott im Himmel,“ sagte die Elfe, mit schwachem Sträuben, in der reizendsten Verwirrung — „was habe ich da für Muthwillen verübt und was werden Sie denken?“ „Hoffen will ich, liebes Fräulein, hoffen, daß die Zukunft noch ein Glück bewahrt, das mir längst verloren schien.“ „Ach, das sind meine eigenen Worte!“ „Vielleicht auch hat in der weiten Welt eine Seele, die ich nicht ahnte, die meinige verstanden und ihr — — —“ „Und ihr —“ „Sprechen Sie, Fräulein, um meines treuen, liebenden Herzens willen, sprechen Sie!“ „Und ihr geantwortet!“ sprach die Elfe. Nun aber besann sich der Jüngling auch nicht länger, sondern breitete seine Arme aus, und das Mädchen, wie unwiderstehlich angezogen, sank hinein, und er küßte sie mit einer Leidenschaft, als wäre es zum letzten Mal in seinem Leben. Des Fräuleins liebe Tante hatte im Verstecke dem ganzen Vorgang zugesehen, und war nun fröhlich zur Hand und innig gerührt, daß sich die beiden heikeln Seelen endlich gefunden. Der Seebichler aber sprang auf den Tisch und rief in seiner allerheitersten Laune: „Liebe Nachbarsleute, dieweil ihr in eurer sündhaften Verstocktheit immer gezweifelt, ob es ein Seefräulein gibt, so ist es also heute selber erschienen. Dieweil aber unser liebes, schönes Lenerl durch seine wunderbare Tugend dasselbige erlöst hat, so ist es leicht möglich, daß es das letzte Seefräulein ist, das auf der Hochzeit einer Beckertochter von Hausmaning erscheint. Damit wir aber ganz deutlich zeigen, was für eine große Freude wir haben, daß Alles so glücklich gegangen, so rufen wir: Vivat, Vivat, Vivat, der Herr Maler und das Fräulein vom See.“ Die ganze Bauernschaft brach in unermeßlichen Jubel aus, und das Beckerlenerl fiel dem Maler um den Hals und der Schlagerlenz dem Fräulein und der Seebichler umarmte die Tante. Und nun brauchen wir auch nicht mehr zu sagen, daß der Maler und das Fräulein noch viele tausend Liebesworte getauscht, und daß sie sich sehr dankbar gezeigt gegen den heitern Seebichler und die andern ehrsamen Bauersleute, und an ihrer Fröhlichkeit anmuthig Theil genommen haben. Das aber können wir nicht verheimlichen, daß der Maler und das Fräulein, sobald der Schlagerlenz und das Beckerlenerl gemalt waren, auch Hochzeit hielten und ein glückliches Paar geworden sind. L. St Alles im Ständesaal. Nach der Melodie: Sag, wo sind die Veilchen hin u.s.w. Sagt, wo sind die Töchter mein, Malchen und Susanne? Nun der Tisch gedeckt will sein, Fehlet auch die Hanne. — „Ei, die sind im Ständesaal, Heute gibt’s dort Hauptscandal.“ Und die Köchin, hat sie heut’ ’s Kochen ganz vergessen? Alles hat doch seine Zeit, Sonderlich das Essen. — „Ei, die ist im Ständesaal, Heute gibt’s dort Hauptscandal.“ Aber läßt denn meine Frau Jedes nur so gehen? Sie, die sonst doch so genau, Sollt’ auf Ordnung sehen. — „Ei, die ist im Ständesaal, Heute gibt’s dort Hauptscandal.“ Nun! so fahr’ ich auf das Land Aus dem Stadtgewirre; Schafft den Kutscher mir zur Hand, Der die Pferd’ anschirre! — „Ei, der ist im Ständesaal, Heute gibts dort Hauptscandal.“ Und wo bleibt denn mein Barbier? Sitzt er bei den Karten? Eben schlägt die Glocke Vier, Noch läßt er mich warten. — „Ei, der ist im Ständesaal, Heute gibt’s dort Hauptscandal.“ Auch der Zeitungsträger hat Sich nicht eingefunden. Kann ich ohne Zeitungsblatt Kürzen meine Stunden? — "Ei, der ist im Ständesaal, Heute gibt's dort Hauptscandal." Und wo steckt der Doctor denn, Den ich nöthig hätte Wegen der elektrischen Rheumatismuskette? — „Ei, der ist im Ständesaal, Heute gibt's dort Hauptscandal." Ach mein Gott ! So sitze ich Hier ja wie auf Kohlen. Lieber soll der Teufel mich Auf der Stelle holen! — "Der ist auch im Ständesaal, Heute gibt's dort Hauptscandal." Roman. Die Sklaven. „Ich weiß gar nit, was die Leut immer wolln — mit dene Geschlafen — es geht'm gar nit so schlecht so'm Geschlafen — in der Früh hat er seinen Reis — zu Mittag hat er seinen Reis und auf die Nacht — hat er wieder seinen Reis." Nächtliche Wanderung eines gestorbenen Censors, derzeit Gespenst. (Schluß.) Schmerzvolle Visite bei einem anderen alten, lieben Freunde und Kollegen, welchen Kummer, Galle und Wuth zu dem verzweiflungsvollen Entschlusse getrieben haben, sich selber auszutrocknen, um der Nachwelt auf diese Weise ein Pracht-Exemplar büreaukratischer Herrlichkeit als Mumie zü überliefern. Der Censor verwüstet eine fliegende Buchhandlung. und wird von den rachsüchtigen fliegenden Buchhändlern verfolgt. Nächtliche Wanderung eines gestorbenen Censors, derzeit Gespenst. Das geängstigte Gespenst macht verschiedene, leider vergebliche Selbstmordversuche. Der Censor zu Grabe getragen harrt seiner baldigen Auferstehung. Abgelöst. So geht’s mit den politischen Capacitäten. „Herr Parlamentsmayer, haben sie auch ächte Havannah-Cigarren?“ „Tuth mir leid, Herr von Bimberger, damit kann ich nicht dienen, denn wissen’s, mit de Havannah-Cigarren ist’s so a eigne Sach’. Erstens sind’s sehr theuer, und zweitens sind’s sehr schwer z’kriege, und schaugn’s, wenn ma’ nacha wirkli welche kriegt, dann sind’s keine.“ Die Unabhängigkeit der Schule von der Kirche. Schulmeister und Pfarrer stehen in einem gleichen Verhältnisse zu einander, wie der Hund zum Hirten. — Was soll nun, wenn man diese beiden von einander trennt, aus den Schaafen werden? ==== FB9-0196 Abenteuer in Australien. Murrumbidgi in Australien, den 11. August 1848. Geehrte Herrn Braun und Schneider in München. Wir leben hier mitten im Busch und kriegen gar keine Zeitung, aber neulich kam einmal ein frischer Ansiedler von Deutschland{ Fritz Schulze aus Stötteritz bei Leipzig, der Tabakssaamen von dort mitgebracht hat, und der hatte auch einen ganzen Pack Ihrer Zeitung, die Fliegenden Blätter. Herr Je haben wir da gelacht — die ganze Nacht haben wir gesessen und gelesen, und wenn's Abends hell wurde, erst recht wieder angefangen — da stehen doch verflucht komische Sachen drin; — ne, der Witz mit dem kitzlichen Handwerksburschen ist zu herrlich — mein Franz ist gerade so kitzlich, und wie er das Bild sah, schrie der Bengel grad heraus. Aber auf meinen Wunsch zu kommen — Sie haben auch was von Thieren und Länderbeschreibungen drin, was recht gut ist, denn da finden die Kinder doch auch was Nützliches, und da fiel mir ein, daß ich Ihnen auch was von hier aus schicken könnte denn hier gibt's kuriose Sachen, die sie Einem in Deutschland am Ende noch nicht einmal glauben. Und meine Schreibart ist auch kurios, sie hat keinen Stiel, wie Fritz Schulze sagt, das schadet aber Nichts, bei einem guten Apfel — hätte ich nur einen — denk ich mir immer, kommt auch Nichts auf den Stiel an, wenn nur der Apfel recht saftig ist, und da will ich Ihnen denn einmal so ganz einfach hier erzählen, was mir bis jetzt Sonderbares hier in Australien passirt ist, und ich will auch gleich im Brief fortfahren, nachher, wenn Sie's drucken wollen, können Sie sich die Sache schon ein Bischen zustutzen, aber meinen Namen lassen Sie drunter, ich möchte gern, daß mein Vater und meine Mutter in Zwenke auch einmal was Gedrucktes von mir zu lesen kriegten — na die werden sich freuen; so haben sie doch das viele Geld, was sie an mich gewendet, nicht umsonst weggeschmissen. Um Ihnen aber nun erst einen kleinen Begriff von unserem ganzen Land zu geben, so muß ich Ihnen da vorher eine ganze Menge Geschichten sagen, ohne die Sie meine Erzählung gar nicht recht begreifen würden. In Australien ist nämlich, wie Sie auch wohl schon aus Büchern gelesen haben, Alles verkehrt. Wo wir in Deutschland Norden haben, da ist hier Süden, denn wir sind hier auf der anderen Seite vom Aequator, und das kommt mir vor wie ein Bild, das man vor einen Spiegel hält; wenn auf dem Bild der Mann den rechten Arm in die Höhe hält, so thut er's im Spiegel auf der Linken, und die Warze die ich so im gewöhnlichen Leben neben dem linken Auge habe, die sitzt mir im Spiegel, ich mag mich nun drehen, wie ich will, neben dem rechten. Die Nordwinde sind daher bei uns heiß, und die Südwinde natürlich kalt, denn die ersteren kommen vom Aequator herunter, die anderen vom Südpol herauf. Die Sonne geht im Westen auf, steht Mittags im Norden und geht im Osten wieder unter. Natürlich ist es dabei Nachts hell und am Tage dunkel, und wir müssen unser Mittagsbrod immer nach dem Abendessen verzehren. Das geht aber Alles, wenn man sich erst daran gewöhnt hat. Am sonderbarsten kam es mir immer vor, daß die Uhren auch danach rückwärts gehen müssen, und ich wurde im Anfang fortwährend confus, jetzt hab' ich mich aber eingerichtet, und da geht's prächtig. Was nun die Natur betrifft, so ist die womöglich noch curioser als die Himmelsgegend und die Sonne, und dicke Bände ließen sich über die Merkwürdigkeiten schreiben, die man da trifft. Von den Schnabelthieren haben Sie gewiß schon gehört, vierfüßige Thiere mit einem Entenschnabel — und von den Känguruhs, die wie die Flöhe springen, und die Jungen, wie in einer Brieftasche, mit sich im Leibe herumtragen. — Na, mit so einem Känguruh ist mir einmal eine schöne Geschichte passirt, doch davon später. Auch Vögel gibt's hier, die nicht fliegen können, mit Haaren statt Federn — die Kasuare; langbeinige Dinger, beinahe so wie ich den Vogel Strauß abgemalt gesehen habe, die schneller laufen wie ein Pferd. Schwarze Kakadus und schwarze Schwäne wie weiße Raben. Kirschen gibts die den Stein auswendig haben, was sehr bequem zum Essen ist. Und die Thiere, die bei uns in Zwenke und in Deutschland zahm sind, die sind hier wild, wie z. B. die Hunde, die laufen zu Tausenden im Walde herum, und keiner braucht ein Steuerzeichen oder ein Halsband. Aber wilde Schooßhündchen gibt's gar keine — meine Frau wollte immer, ich sollte ihr eins zahm machen, ich habe aber keinem erwischt — auch wilde Pudel sind mir noch nicht zu Gesicht gekommen, Einer ausgenommen, und der war meinem Nachbar Gottlieb Meier weggelaufen, den haben wir aber auch nicht wieder gesehen. Das sonderbarste ist aber das Land selber — ein paar Flüsse laufen anstatt von den Höhen in die See, von der See in die Höhen hinein, auf den Bergen liegt dabei das meiste flache Land, und in den Ebenen ist es manchmal so gebirgig, daß man nicht mit einem Luftballon darüber weg kann. Doch das sind lauter Sachen, die Sie am Ende auch in einer Naturgeschichte finden können, und mit denen ich Sie nicht länger langweilen will; ich werde daher von Sachen sprechen, die Sie in Deutschland noch nicht wissen können, weil sie eben erst entdeckt sind, und die werden Ihnen größeres Vergnügen machen. Australien ist nämlich, wie Sie auch auf der Charte sehen können, ein Land, von dem man aus dem Inneren selber eben so wenig weiß, wie von den Mondbergen in Afrika. Nur dunkle Gerüchte hat man dann und wann über sehr große wilde Thiere, noch viel wildere und grausamere Menschen, und unbefahrbare Seen gehört, ohne etwas Gewisses darüber bestimmen zu können. Nur so viel blieb ausgemacht, einzelne „Bushranger“, d. h. solche Männer, die als Sträflinge in die Kolonien deportirt und entwischt waren, und nun einzeln oder in Banden in den Wäldern herumirrten, kamen nie wieder zurück, wenn sie eine gewisse Grenzlinie jener unbekannten geheimnißvollen Länderstrecken betreten hatten. Besonders hörten wir in unserer deutschen Kolonie am Murrumbidgi viel von einem riesigen Amphib, das weiter diesen Fluß hinauf gefunden und an Größe und wunderbarer Bauart Alles übertreffen sollte, was bis jetzt, selbst Australien, in der Thierwelt hervorgebracht. Unter uns Deutschen waren nun besonders sechs noch junge kräftige Leute, Meier, Müller, Schneider, Schultze, Huber, und ich selber, die wir uns schon lange für solche Sachen interessirten, und alles Mögliche gethan hatten, diesem Wunderthiere einmal die Zeit abzulauern und es irgendwo im Wasser zu erwischen. In den dicht angesiedelten Plätzen ließ es sich aber gar nicht sehen, und schien die Gegenwart der Menschen überhaupt zu meiden, denn selbst einzelne Indianer, die wir so weit bringen konnten, uns Rede zu stehen, (ein hartes Stück Arbeit, da sie weder deutsch, noch wir so viel Kauderwelsch sprechen, uns mit ihnen zu unterhalten), versicherten stets, sie hätten wohl an der und der Stelle viel Kurra kurra (Spektakel) im Wasser gehört, von einem wirklichen Thier aber posso bassi (so viel wie gar Nichts) gesehen. Weiter jedoch den Tadimek (großer Fluß oder Strom) hinauf, wohne ein Stamm Hos – qer – ker (Menschenfresser), die zu ihren Waddies oder Keulen riesige Knochen hätten, also auch jedenfalls das Thier kennen müßten, dem sie dieselben abgenommen. Das klang wahrscheinlich genug, wir glaubten aber doch kein Wort davon, und besonders nicht, da wir selber nie eines solchen Spur gefunden, an die wirkliche Existenz eines derartigen Ungeheuers, bis wir endlich einmal im Tauschhandel aus dem Inneren einen hohlen zu einem Trinkbecher ausgearbeiteten Zahn bekamen der eine solche Größe hatte daß wir jetzt wohl das Dasein einer mammuthartigen Bestie, auf welche die Gerüchte schließen ließen, nicht mehr ableugnen konnten, und nun auch beschlossen, ihr, wenn das irgend möglich sei, auf die Spur zu kommen. Es war am dritten Juli, also mitten im Winter, denn die Jahreszeiten sind hier ebenfalls gerade umgekehrt von denen in Deutschland, als wir uns, in einem großen Canoe, wie es die Indianer brauchen, aufmachten den Murrumbidgi hinauf zu fahren. Der Winter ist übrigens in diesen Breiten sehr milde, und an Schnee oder Eis gar nicht zu denken. Aus dem Murrumbidgi ergoß sich ein kleiner Fluß, eine Art Bayo oder Canal gerade nördlich hinauf, Niemand wußte wohin; zwischen ungeheueren Wäldern lief der hindurch und an diesen Ufern lebten sowohl die „Hos – quer – ker“ resp. Menschenfresser, als auch dies Fabelthier, das, wie uns ein alter Eingeborener versicherte, in ihrer Sprache Squorra – Squorra hieß. Es hatte jetzt allem Anschein nach weiter keine Schwierigkeit mehr, als „den und den Platz" aufzufinden, wo das Ungethüm hausen sollte, und leicht schien die Sache allerdings insofern nicht, da wir ungemein vorsichtig sein mußten, den Menschenfressern nicht zu gleicher Zeit in die Hände zu fallen. Der Fluß war glücklicher Weise nicht angeschwollen, und hatte auch hie und da eine Sandbank, auf der wir nach Spuren suchen, und steile Ufer, in denen wir uns, als wir die Nähe des richtigen Platzes erreicht zu haben glaubten, eine Höhle graben konnten. Das geschah denn auch am siebenten Morgen unserer Ausfahrt von „Deutschland“ (der Name unserer Colonie) und wir zündeten vor der Oeffnung der Höhle ein Feuer an, um uns weniger daran zu wärmen, als die mitgebrachten Provisionen zu kochen. Es war ein reizender Winterabend, und so mild, wie ihn sich der älteste Mann in unserer Gesellschaft, Huber, gar nicht erinnerte, je in Australien erlebt zu haben; der Platz wo wir uns befanden, hatte ebenfalls etwas ungemein Romantisches — riesenhafte Bäume ragten über die Uferbank hinaus, zwischen denen Känguruhs herumhüpften und die Kasuare manchmal ihre langen Hälse durch die Sträuche steckten. (Schluß folgt.) Wanderlust. (Fortsetzung.) Nach Kolumbien, nach Kolumbien Muß ich, Alter, dich anpumpigen Wo die Erde gräßlich bebt; Wo die Geistlichkeit in masso, Wo hoch überm Chimbarasso Der blasirte Kondor schwebt — Dahin, Alter, laß mich ziehn. Nach dem Kape, nach dem Kape Laß mich ziehn, geliebter Pape, Wo die gute Hoffnung wächst, Wo des Meridianes Odem Aus dem Hottentottenboden Den famosen Kapwein hert — Dahin, Alter, laß mich ziehn. Nach dem alten Abessynien Soll mein Fuß sich auch erkühnigen, Wo der Strauß entschwirrt dem Ei; Wo die Nilkataraktere Zu des großen Negus Ehre Schäumen in die Nubierei — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Magyarien, nach Magyarien Träumt' ich schon in jungen Jahrigen, Wo das Roß die Zügel beißt; Wo die ew'gen Sporen klirren, Wo aus goldenen Geschirren Der gesammte Adel speist — Dahin, Alter, laß mich ziehn! In dem hohen Land der Schotten Möcht' ich mich zusammenrotten Mit den Söhnen edler Lairds; Wo für Ossians Duftgestalten Noch dem Enkel düstrer Skalden Glühet sein gewürfelt Herz — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Hollandien, nach Hollandien Werd ich ziehn, dem Dünensandigen, Wo die feinsten Käse her; Wo mit Wechseln aller Welten Unter köstlichen Gemälden Wandelt hin der Millionair — Dahin, Alter, laß mich ziehn! (Schluß folgt.) Die abgefaßte Katzenmusik. Es geht halt Nix über an guaten Bedienten. Auf der reizenden Bergstraße, die von Heidelberg nach Darmstadt führt, fuhren im Rücksitze des hessischen Eilwagens zwei Herrn von sehr verschiedenem Aeußern. Der eine war ein seiner geschniegelter Bursche, reich gekleidet, aus dessen Dialekt und seiner Emsigkeit, womit er mit seinem Nachbar ein Gespräch anzuknüpfen suchte, man schließen mußte, daß seine Heimath die sogenannte nordische Metropole der Intelligenz sei. Er konnte nicht genug die Gebirge längs der jottvollen Bergstraße bewundern, jene sanften wellenförmigen Hügel, die allerdings dem Bewohner der sand- und kartoffelreichen Mark, als Gebirge erscheinen. Sein Nachbar blieb bei all diesen Ergüssen des märkischen Kartoffelherzens kalt; er war ein Mann mit offenem freundlichem Gesichte, dessen kleine Aeuglein mit Wohlgefallen von Zeit zu Zeit, von der schmächtigen Figur seines Nachbars abschweifend, auf dem eigenen wohlgenährten Bauche haften blieben; aus der schwarz und gelben circa 1/4 Zoll dicken Schnur, woran wahrscheinlich seine Uhr hing, so wie aus der Melodie des Liedes: Es gibt nur ein' Kaiserstadt, s' gibt nur ein Wien, die er gemüthlich vor sich hin summte, konnte man so ziemlich sicher schließen, daß er einer von jenen oberösterreichischen Landjunkern sei, deren höchster Genuß der Anblick der alten Kaiserstadt und ein „guts Bratl" ist. Der Berliner versuchte abermals das Gespräch anzuknüpfen durch die Bemerkung, daß es eben doch angenehmer sei mit eigenem Wagen zu reisen, als in einem hessischen Postwagen. Durch einen heftigen Stoß, den in diesem Augenblicke beide wahrscheinlich in Folge der Nichtüberstimmung der Chaussesteine mit den Wagenfedern erhielten, sah sich der Oestreicher, durch einen so praktischen Beweis der eben vom Berliner ausgesprochenen Aeußerung überführt, verlaßt, ihm zu erwiedern: Do hobens wohl recht, Euer Gnaden, daß dös vüll ongnehmer ist, mit'n eigne Wogn z'reißen, ols mit so 'nem verfluachten Postwogn; ober dös sog ich Ihna, ’n guaten Bedieantn müassens derzu hoben. Da haben Sie eben einmal recht, Verehrtester! Ich kann Ihnen da mal eben eine Jeschichte aus meinem eegenen Leben erzählen. Früher als ich eben noch mit eijener Equipage reiste, passirte mir ooch eenmal, daß mir auf dem Wege von Magdeburg nach Berlin, als ich noch eene Stunde von Berlin war, das vordere Rad an meinem Wagen zerbrach. Ich war außer mir! Was thut aber der Kerl? mein Bedienter nämlich, springt der Kerl eben mal vom Bocke herab, nimmt die Axe in den Arm und läuft so neben her, bis wir eben nach Berlin kamen. Ick sage Ihnen, Freundken, es jibt eben mal doch Nischt befferes, als eenen famosen Bedienten. Darauf der Oestreicher. Dös is no nix, Euer Gnoden, da is mer a emol so e Gschicht passirt, die wor aber anderst. Do fohr i a emol von Linz auf Wean, und do passirt mer zwei Stunden vor Wean s'Unglück, daß mers hintere Rod an mein Wogen dervonfliegt. Mein Andresel, dös Lueder, springt der nicht hinten obi steckt se d' Axen in — salva veni — und schlägt mers Rad bis auf Wean nei. I sog Jhne, Euer Gnoden, s'geht halt nix über an guaten Bedienten! Aus den Erlebnissen eines Freiwilligen im Dänenkriege. (Ein Auszug aus einem Briefe des Freischärlers Nickelmayer an seine Ehehälfte.) „— — — Bei Kolding ging’s aber heiß her, kann ich Dir sagen; eben sag’ ich noch zu mein’m Nebenmann: „Was Rike wol macht“ — auf Einmal höre ich was über meinem Kopfe brummen — ich bücke mich, und die Kanonenkugel geht mir über der Mütze hin —; in demselben Mojement aber, wie ich so die Beine etwas sperre, summt mir so ’n andres Vieh zwischen den Knieen durch. Es muß wenigstens 3—500 Pfund gewogen haben, denn mir ging die Luft dermassen aus, daß ich vor Angst die Arme auseinanderbreitete — hast Du nicht gesehn, singen mir da so’n Paar Pfundstücke dicht an den Ellenbogen vorbei und reißen ein 10—20 Hintermänner um — fo geht’s Einem hier! Du kannst diese Geschichte auch an unsern kleinen Willem erzählen, damit er früh sich an die Gefahren des Krieges gewöhnt, und seinem Vater Ehre macht! — Laß doch Schnudelmeyer mir noch fünf Pfund von dem Tabak zuschicken — — —.“ Je nach Umständen. „Schändlich is es, ihr Leut! — wie kann mer em freie Mann Priggel gewe! mer sollt beim Militär alle Priggel abschaffe!“ — „Sage se emal, Herr Nachbar, wie ich hör, sinn ihne ja heut zwa Geselle unruhig warn un hawe die Arweit verlasse!“ „Ja! es is schändlich, ihr Leut! — Die Aeser sellt mer iwerlege und sellt’n 25 gewe, aus’m ff, denn mer werd sonst net mehr mit’n fertig.“ Neueste geologische Entdeckung. Hofmeister. „Sie sehen also, Herr Baron, die Erde besteht nicht allein, wie die oberflächlichen Herrn Geologen meinen, etwa nur aus Felsen, verschiedenen Thonarten, Metallen und dergleichen, sondern auch aus alten Gabeln, alten Hüten, Bürsten, Kämmen, Schuhsohlen, Häfen und dergleichen Gebilden der Manufaktur.“ Der Peterspfenning. Walther von der Vogelweide === FB9-0197 Abenteuer in Australien. (Schluß.) Unmassen von Enten schwammen auf der Oberfläche des Stromes (an denen das eine Eigenthümlichkeit ist, daß sie die Federn unter der Haut und die Schwimmhäute auf dem Rücken haben). Der Morgen brach eben an, im Osten sank die Sonne in ihr braunes Laubbett, und nur noch durch die kahlen Stämme der Bäume *) schimmerte hie und da ein einzelner Strahl und auch dieser verschwand endlich hinter den starren Zweigen des dichten Buschwerks. Es wurde rabenfinster und unumgänglich nöthig, Wachen auszustellen, die uns sowohl vor einem Angriff der Wilden warnen, als auch in Kenntniß setzen sollten, wenn sich je irgend eine Spur von dem Ungeheuer, das wir an diesem Fluß zu finden hofften, zeigen würde. Die erste Wache verlief ohne das mindeste Außergewöhnliche; Meier, der am Fluß unten stand, wollte nur gesehen haben, daß sich das Wasser bewegt hätte, gehört hatte er aber Nichts — dasselbe (Nichts gehört zu haben) bestätigten die Uebrigen. Jetzt kam die Wache an mich. Müller, den wir zum Hauptmann gewählt hatten, war ein alter Revierjäger aus Deutschland und erst ein Jahr in Australien, und als er mich anstellte, sagte er: "Schuster — hier ist ein kapitaler Fleck — hier hat der Herr Oberförster im vorigen Jahr einmal auf einem Stand drei — es mochte ihm wahrscheinlich einfallen, daß wir jetzt in Australien und zum ersten Mal auf der Stelle wären, denn er hielt plötzlich inne, drückte mir die Hand, und fuhr fort — guter Schuster, thut mir den einzigen Gefallen und schlaft nicht ein — wenn was da ist — hier muß es vorbei", und damit überließ er mich meinem Nachdenken und legte sich an's Feuer nieder. Es war, wie schon gesagt, ein herrlicher Tag, aber pechstockraben finster, nur die Sterne gaben ein mattes Licht das ich auf dem helleren Wasserspiegel konnte flimmern sehen, und der graue Sand, der das Ufer bildete, stach weiter gar nicht von der Fluth ab, als daß er keinen Wiederschein gab. Gerade da, wo das Wasser beginnen mußte, lag ein hoher dunkler Felsblock, fast rund wie ein Ballon, und sonst auch nicht ein einziger Stein am ganzen Ufer. Ich hatte eine ganze Weile da gesessen und meine eigenen Betrachtungen gehabt, wie die ungeheure Steinmasse wohl dahin gekommen sein konnte, und was für eine Portion Kraftsuppe dazu nöthig gewesen sein mußte, einen solchen Fels von dem ursprünglichen Platz, wo er entstanden, hier, Gott weiß wie weit, herzuschleudern als ich — das Blut stockt mir noch in den Adern, wenn ich selbst jetzt daran zurückdenke, — ein ganz eigenthümliches Athmen, oder vielmehr Schnauben hörte, und gleich darauf an dem hin und wieder flickernden Glanz der Sterne auf der Fluth erkannte, daß sich die Oberfläche des Wassers lebhaft bewege, oder, wie eigentlich hier der richtige Ausdruck wäre, lebhaft bewegt wurde. Ich bin sonst gerade kein besonders kurageuser Kerl, hier fangen mir aber doch die Glieder am ganzen Leibe an zu zittern, und das Gewehr flog mir in der Hand herum, als ob ich Fackeball damit spielte. Das dauerte aber nicht lange, und ist, wie mir Müller nachher sagte, das Hirschfieber — oder in diesem Fall, das unbekannte Bestienfieber" gewesen. Das Schnarchen oder Schnauben dauerte indessen immer fort, blieb dusemang auf derselben Stelle, und schien akurat hinter dem Felsklumpen vorzukommen, der am Wasser lag. Eine volle Viertelstunde hielt ich's so aus, schrie weder um Hülfe, noch regte ich mich sonst, hielt aber die geladene Büchse fortwährend in der Hand und gerade auf den Stein zu gerichtet, damit ich gleich, rechts oder links, wo etwas heraus kommen sollte, hinfahren könnte, und sah mir bald die Augen aus dem Kopfe — aber es kam Nichts, und was für ein Ungeheuer es nun auch war, es blieb jedenfalls kluger Weise hinter dem Stein liegen. Da faßt ich mir endlich ein Herz schnallte mir meinen Riemen, den ich um den Leib trug, ein Loch enger, damit ich im Nothfall recht tüchtig ausgreifen könnte, drückte mir den Hut fest in die Stirn, nahm noch einmal einen tüchtigen Schluck aus meiner Wachholderflasche, die ich, Gott sei Dank, bei mir führte, und schlich so leise auf dem grauen feuchten Sand und Lehm hinter meinem Busch vor die Uferbank hinunter, daß ich nicht um einen Louisdor einen Schritt von mir selber hören konnte. So kam ich endlich bis dicht an den Stein, und das Herz schlug mir so laut in der Brust, daß es Schultze wollte oben auf der Uferbank gehört haben, glitt leise rechts herum, daß ich das Wasser dicht davor überschauen konnte und — sah nicht das mindeste — der Platz war öde und leer, das Schnauben hatte aber ebenfalls aufgehört, und nur von der anderen Seite schien mir noch so ein halblautes Röcheln herüber zu tönen. Vorn herum genirt ich mich zu gehen, so ein Ungethüm konnte auf einmal aus dem Wasser fahren, und ich bin von je schreckhaft gewesen; ich kroch also deshalb wieder zurück, umging den runden Felsblock und suchte ebenso vorsichtig von der anderen Seite anzukommen. — Aber auch hier Nichts — dieselbe Stille; ich wartete wohl eine Viertelstunde — Gott bewahre, nicht die Spur von einer Bestie. Sowie ich aber zu meinem Versteck zurückkroch, ging der Spektakel von Neuem los, und näherte ich mich dem Fels wieder, so konnte ich mich auch darauf verlassen, daß ich mich umsonst bemüht hatte. Um den Stein herum kam ebenfalls Nichts, und ich versuchte deshalb ein Auskunftsmittel; ich wollte nämlich auf den Stein hinaufklettern, mich oben flach auf den Bauch legen, und dann erwarten, ob das Ungethüm — denn daß dieses es sein mußte, daran zweifelte ich jetzt nicht im Geringsten mehr — dadurch verlockt, auf's Neue herauskommen würde, wonach ich vielleicht im Stande war, ihm ganz ungesehen, und da oben auch sicher, eins auf den Pelz zu brennen. Das war aber ein schwerer Stück Arbeit, als ich im Anfang vermuthet, und der Fels, wenn auch nicht ganz glatt und eben, sondern eher mit einer Masse von rauhen Stellen bedeckt, doch sonst so feucht und schlüpferig, daß ich wohl sechs bis sieben Mal den Versuch machte, immer aber wieder ausrutschte und zurückfiel. Die Flinte genirte mich dabei, da ich sie bis jetzt in der Hand gehalten; ich hing sie also auf den Rücken, und umging nun noch einmal die Stelle, irgend vielleicht einen Sprung oder Spalt entdecken zu können, in den ich mich hineinzwingen und darin hinauf arbeiten konnte. Glücklicher Weise fand ich eine Art Vorsprung, der mir unter dem Fuß wie mit Moos bewachsen schien, trat hinauf, ergriff mit beiden Händen eine Art kurzes hartes Gras, das oben wuchs, und war eben im Begriff den Gipfel zu gewinnen, als ich ein furchtbares Schnauben, anscheinend dicht unter mir, vernahm, und dabei schien der ganze Fels, als ob sich irgend ein Koloß dagegen werfe, zu erbeben. In Angst und Entsetzen riß ich meine Büchse von der Schulter, ließ aber dadurch meinen Halt fahren, rutschte aus und kam, ich weiß jetzt selbst nicht mehr wie, an den Drücker, der Hahn schlug nieder, der Schuß fuhr heraus, und bei dem Knall war es, als ob die ganze Erde unter mir zusammenbräche — der Boden wankte unter mir, ich wurde — wie mir es im ersten Augenblick schien — in die Mitte nächster Wache hineingeschleudert — und blieb dann wahrscheinlich besinnungslos am Boden liegen. Als ich wenigstens später wieder erwachte, versicherten auch meine Kameraden, die mich jetzt alle umstanden, daß ich eine volle Stunde, und zwar von neun bis acht Uhr in diesem Zustand gelegen habe. Aber — Entsetzen — ich sprang auf und schaute mich in sprachlosem Erstaunen ringsum — der Felsblock — über den ich noch vor kurzer Zeit meine Betrachtungen angestellt — der Felsblock, um den ich rechts und links, die Bestie dahinter vermuthend, herumgekrochen, der Felsblock, auf den ich — unseliges tollkühnes Menschenkind ich — hinauf geklettert — war verschwunden, und mir jetzt Nichts weiter übrig geblieben, als fest davon überzeugt zu sein, jener runde kolossale Klumpen sei eben das Ungeheuer gewesen, das wir gesucht, und daß sich hier auf so eigenthümliche Weise mir gezeigt habe. Meine Kameraden wollten es im Anfang nicht glauben, die vorige Wache bestätigte aber, daß ein solcher dunkler Körper, den sie ebenfalls für einen Fels gehalten, dort gelegen habe, und wir fanden auch noch mit Sonnenaufgang, wäre das überhaupt nöthig gewesen, die riesigen Spuren eines Ungethüms im Sande, die genau zu beschreiben ich einen ganz großen Bogen Papier haben müßte. Was nun thun? Die Bestie existirte — lebte, allem Anschein nach im Wasser, und kam auch wohl wieder mit nächstem Morgen zum Vorschein, war es aber gerathen mit einem solchen gigantischen Wesen anzubinden, und gab es auch nur eine Hoffnung, es zu überwältigen? Ich behauptete nein; Müller aber, der schon einmal einen Dachs mit zwei Köpfen wollte gefangen haben, erklärte, er gäbe die Hoffnung nicht auf, dies australische Mammuth zu bezwingen, und nachdem wir uns die Nacht hindurch auf jede nur mögliche Weise gestärkt und ausgeruht hatten, legten wir uns, die mit doppelter Ladung versehenen Büchsen im Arm, sämmtlich auf die Lauer, um wenigstens einen Versuch zu machen, ob das Geschöpf nicht mit Pulver und Blei dahin zu bringen sei, sich ausstopfen zu lassen. Doch ich will Sie mit einer langen Betreibung unserer vierzehntägigen Nachtwachen nicht belästigen und langweilen— es wird Ihnen ebenso lieb sein, wenn Sie erfahren, daß wir die Bestie in unserem Verstecke fünfmal zu verschiedenen Zeiten zum Schuß bekamen, und daß unsere Kugeln jedesmal abprallten, als ob wir sie gegen eine alte Mauer abgeschossen hätten. Ein Glück war es dabei, daß jenes Ungethüm nicht bösartiger Natur zu sein, und solche Schießübungen etwa übel zu nehmen schien. Gott bewahre, es kullerte sich nur nach jeder Salve langsam in das Wasser zurück, und blieb dann ein oder zwei Tage verschwunden, kam jedoch am dritten immer wieder so gemüthlich zum Vorschein, als ob nicht das Mindeste zwischen uns vorgefallen wäre. Was mich am meisten beunruhigte, war, daß wir, so genau wir auch alle zusammen aufpaßten, gar keine gewisse Form an ihm bestimmen konnten, ja Müller schwor sogar hoch und theuer, es müsse rückwärts aus dem Wasser kommen, und seitwärts wieder hineingehen; dabei war es gewöhnlich so dunkel, daß sich gar Nichts genau erkennen ließ— denn das ist in Australien ebenso, daß man in der Dunkelheit Nichts sehen kann — und wir sahen uns deshalb auch genöthigt, nur stets auf's gerathewohl nach dem Coloß die Gewehre abzufeuern, was besonders Müller sehr schmerzte, der darin allerdings einen Unterschied machte, ob er einem Thier die Kugel hinten oder vorne aufsetzte. Doch, wo’s fehlt an Geschick, da hilft manchmal das Glück" und so sollt's auch hier sein. Durch den ewigen ungünstigen Erfolg endlich verdrießlich gemacht, hatten wir schon angefangen die ganze Geschichte als eine hoffnungslose aufzugeben, und Müller und ich waren eines Abends, gleich nach dem Frühstück, den Fluß ein Stückchen hinaufgegangen, um dort nach unserem Canoe zu sehen, was wir da angebunden hatten, als wir plötzlich ein fürchterliches Geräusch hörten, kaum noch Zeit hatten hinter einen Baum zu springen, und nun — aber nun passen Sie auf, jetzt kömmt die Beschreibung. Aus dem Wasser, katzenmadenaß, kam mein Felsblock von neulich Abends heraus — ein gelbbraunes rundes Elephantenartiges, widriges aber auch schauerlich aussehendem Gestell, beinahe wie ein kolossaler Igel, aber ohne Stacheln. Und wie kam es an's trockene Land? — Das rathen Sie einmal. Steine kloppen will ich mein Lebelang, wenn's nicht rückwärts heraus kam, wie ein Krebs, so daß wir im Anfang uns gar nicht ausfinden konnten, wo ihm eigentlich der Kopf oder der Schwanz saß — was ich, beiläufig gesagt, jetzt noch nicht einmal recht weiß. Erst wie es ganz nahe bei uns war — denn es wollte wahrscheinlich in den Busch auf die Weide gehen, sahen wir, daß es vorn eine Art von Fächer oder Biberschwanz, etwa so groß wie eine mäßige Tischplatte hatte, mit dem es sich die Fliegen abwehrte; da wo aber vernünftiger Weise der Schwanz hätte sitzen sollen, trug es eine Art Kopf mit kurzen borstigen Ohren und einem Auswuchs wie eine Nase. Wie es dicht bei uns war, denk ich mich rührt der Schlag, hebt der Müller seine Büchse und will dem Ungethüm eins 'aufbrennen. Jesus Maria, Müller, ruf ich erschreckt — plautz fährts aber aus'm Rohr heraus — gerad auf's Blatt — wie der Müller nachher meinte, und einen Schlag thats dabei, als wenn Einer mit einem Ausklopfestock auf einen festen Bogen Pappe geschlagen hätte. Dem Squorra–Squorra schadete das aber nicht soviel, nur den Fächer drehte es nach uns herum, sah uns mit seinem Hintertheil eine Weile stier an, wedelte ein paar Mal mit dem Kopf, und fuhr dann langsam, aber auch wieder verkehrt, in sein Element zurück. Von dem Augenblick an blieb's weg, wie's Röhrwasser — nicht die Probe kriegten wir mehr davon zu sehen, und wir kehrten nach etwa vier Wochen wieder ohne Squorra–Squorra in die Colonie zurück. — Ich gab übrigens den Versuch nicht auf und zog später noch einmal dort hinaus und zwar nur mit Müller zusammen; wie's uns aber dabei ging, und auch die Geschichte mit dem Känguruh und dem Apassum, das erzähle ich Ihnen im nächsten Brief, denn heute wird's mir zu lang und das Schiff will abgehen. Für jetzt also, meine lieben Herrn Braun und Schneider, leben Se recht wohl, grüßen Sie mir Ihre lieben Frauen und Kinder unbekannter Weise — und behalten Sie in gutem Andenken Ihren unbekannten Freund. Ferdinand Schuster Am Murrumbidgi in Süd-Australien in einer sehr schönen Gegend NB. Das Vieh ist nicht sehr theuer, und das Futter mordmäßig. *) Es möchte hier nöthig sein, zu bemerken, daß in Australien die Bäume im Winter nicht die Blätter, sondern die Rinde abwerfen und vollkommen geschält und nackt dastehen. Ein unglücklich mitleidbedürftig Individuum. „O mein lieba Herr, schenken Sie mir unglücklichem, mitleidbedürftigem Individuum doch en Kreuzer, i hab' so viel Hunger, daß i vor Durscht net woas, wo i heut Nacht schlafe soll!" Kühner Entschluß. „Franzy! trag' Sie mir den Brief auf die Post! aber gleich!" „Was, bei so einem Wetter? wo man kein' Hund nausjagen soll, — da soll ich bis auf die Post gehn?! — Na — wissen's was, gnädiger Herr, da schenk' ich lieber einem Bettelbuben einen Sechser, daß er mir ihn hintragt!" — "Weiß Sie was, Franzy — geb' Sie mir den Sechser, da trag ich ihn hernach selber auf die Post." Deutscher Amtsstyl. Aktuar: Schreiben Sie weiter: "Der entwendete Hut war nach Art der Hausknechte und in demselben stand der Hutmacher darin." — Eine traurige Geschichte. Ein Häring liebt' eine Auster Jm kühlen Meeresgrund; Es war sein Dichten und Trachten Ein Kuß von ihrem Mund. Die Auster, die war spröde Sie blieb in ihrem Haus; Ob der Häring sang und seufzte Sie schaute nicht heraus. Nur eines Tags erschloß sie Ihr duftig Schaalenpaar; Sie wollt' im Meeresspiegel Beschauen ihr Antlitz klar. Schnell kam der Häring geschwommen, Streckt seinen Kopf herein, Und dacht an einem Kusse In Ehren sich zu freu'n. O Harung, armer Harung, Wie schwer bist du blamirt. — Sie schloß in Wuth die Schaalen, Da war er guillotinirt. Jetzt schwamm sein todter Leichnam Wehmüthig im grünen Meer, Und dacht: "In meinem Leben Lieb ich keine Auster mehr." J. G. Noch eine traurige Geschichte. „Kaum gedacht, — kaum gedacht — ist der Lust ein End gemacht.“ — Altes Lied. Die rothe Republick in Krähwinckel. Eine Tragi–comoedie. I. Aufzug. Abends 9 Uhr nach dem Jahrmarkte. (Der Schulze sitzt mit vielen Gästen in der Zechstube und debattirt heftig, während dessen kömmt ein blinder Musikant, geführt von einem Knaben in die Stube, und fängt an, auf einer Clarinette zu blasen. Der Schulze gestört, fährt wild auf und es beginnt folgender Dialog): Schulze. "Wer seid Ihr?" Blinder. "Ein armer Musikant." Sch. "Habt Ihr ein Musikpatent?" B l. "Nein." Sch. „Wer hat Euch Erlaubniß zum Blasen gegeben?" B l. „Niemand." Sch. „Und Ihr wagt es, ohne alle Erlaubniß herumzublasen? Marsch fort, oder ich laß Euch vierundzwanzig Stunden in's Loch werfen. So lange ich Schulze von Krähwinkel bin, muß Ordnung und Polizei da sein. Ohne Erlaubniß blasen, das wäre mir das Wahre. Ordnung und Ruhe muß sein!" II. Scene. Der Schulze debattirt wieder. (Es stürzt Jemand zur Thüre herein schreiend aus vollem Halse): "Ja, Herr Schulz, kommens und helfens." Sch. „Nun, was giebts." Antw. „Vornen auf dem Marktplatz ist eine furchtbare Rotte von Menschen, sie fangen an die Buden zu demoliren, sie schießen schrecklich und schreien: Freiheit und Gleichheit, es lebe die Republik. Der Gemeindediener liegt schwer geprügelt und todt unter den Buden, Alles geht zu Grunde, kommens und helfens." Sch. „Was — ich? Das geht mich nix an. Hab's dem dummen Kerl, dem Gemeindediener, schon gesagt: Er soll sich nicht in solche Dinge mischen. Schießen ist erlaubt, s' ist eine von den Märzerrungenschaften, und s' Demoliren und s' Republik machen gehört zur höhern Polizei, dös geht Seiner Gnaden an. Ich hab blos die niedere Polizei." (Ein Zweiter stürzt herein „Herr Schulz. Gott sei uns gnädig. Sie rufen die rothe Republik aus." Sch. „Was? Republik, rothe Republik? Ja, dös muß man Seiner Gnaden berichten." Folgen nun drei wichtige Documente zur Geschichte der rothen Republik in Krähwinkel. I. Bericht des Schulzen an Se. Gnaden. Euer Gnaden Herr Oberrichter thue ich durch einen reitenden Bothen hiemit amtsgetreu kund, daß hier, wie zu Lörrach, bei Gelegenheit des Jahrmarktes die rothe Republik so eben Nachts zehn Uhr ist ausgerufen worden. Alle Buden sind demolirt, aus ihren Trümmern erwachsen Barrikaden, allenthalben hört man furchtbares Schießen, darunter der schreckliche Ruf „Republik". Der Polizeidiener liegt schwer verwundet unter den Buden, bald beginnt das Morden, Alles geht zu Grunde, wenn Euer Gnaden nicht kommen und durch Ihre gewohnte Energie die Schlechten niederdonnern und die Guten ermuntern. In allerunterthänigst, submissest- gehorsamster Ehrfurcht Herkules Großmaul, Schulze II. An den Schulzen Herkules Großmaul. In Anbetracht der mir zugekommenen Anzeige, das Attentat zu Krähwinkel zur Errichtung der rothen Republik, der zerschlagenen Buden, aufgerichteten Barrikaden, des furchtbaren Schießens, des gemordeten Polizeimannes betreffend, hat Unterzeichneter augenblicklich beschlossen, an den Ort der Gefahr zu eilen und mit gewohnter Energie zu handln, bleibt jedoch in Berücksichtigung mancher Rücksicht zurück, wie folgt: 1) Aus Gesundheitsrücksichten, bin schon mehrere Tage mit heftigem Catarhalfieber geplagt. 2) Aus Familienrücksichten, liegt die gnädige Frau seit sechs Tagen in den Wochen und könnte der Schreck ihr schaden. 3) Aus Standesrücksichten, gehört mein Leben nicht mir, sondern dem König. 4) Aus pecuniären Rücksichten, die Gemeinde Krähwinkel ist sehr arm, und gerichtliche Commissionen wie bekannt, kostspielig. 5) Aus Amtsrücksichten wird jedoch seiner Zeit ein Substitut in Krähwinkel eintreffen. 6) In Beruhigungsrücksichten, ist bereits eine Estafette nach H. abgegangen, so daß bis Mittag 300 Füseliere in Krähwinkel eintreffen und der rothen Republik mit Einem Schlage ein Ende machen. Bis dahin treu dem König! Fridolin Kleinherz, Oberrichter Ill. S ch l u ß p r o t o k o l l. Actum zu K. d. 31. Feb. 1848. Praes. Assessor Krempler, Schulze Großmaul, 6 Inculpaten und Haso, Actuar. (Das Attentat der rothen Republick in Krähwinckel betreffend.) Die 6 in rubro bezeichneten Inculpaten, ledige Bursche v. 18—20 Jahren, haben, überwiesen, das Geständniß abgelegt, daß sie am Abende des letzten Markttages den Versuch gemacht, die Republik in Krähwinkel zu proklamiren, den Schulzen zu beseitigen und das Regiment in Krähwinkel an sich zu reißen. Zu diesem Zwecke begannen sie mit Hinwegräumung der Buden, um Platz für die Republik zu erhalten, und prügelten den sich entgegenstellenden Gemeindediener, der insofern an Leib und Leben Schaden nahm, da die beiden Knöpfe an seinen Strupfen im Sturze über die Budentrümmer zu Grunde gingen, auch sein starker Ohrenbart etwas gequescht wurde. Was das Schießen betrifft, so schoßen obige Inculpaten allerdings, bei ihrer Ergreifung fand man aber Schlüsselbüchsen. In Anbetracht alles dessen erlaubte sich der protokollführende Assessor, gewichtige Worte der Mahnung an sie zu sprechen, ihnen das Handgelübde abzunehmen, ähnliche Attentate zu unterlassen, und sich ferneren unbefugten rothen Republikmachens zu enthalten, worauf sie im Frieden entlassen wurden. Dem vorsichtigen treuen Schulzen Großmaul und dessen eifrigen Diener wird das gebührende Lob gespendet. Die Commissions- und Quartier-Kosten sind der Gemeinde zur Zahlung angewiesen und der Gemeindepfleger darüber in Kenntniß gesetzt. Wie ein königlicher Beamter, aus Auftrag der Regierung, die Beschwerden des Volks untersucht. „Die Sendung kann nach Umständen längere Zeit, ja selbst mehrere Monate dauern, da sich sehr schwierige Anstände ergeben haben, von deren Vorhandensein man sich erst durch den Augenschein überzeugt hat.“ === FB9-0198 Memoiren eines Opferpfennigs. Die Reihe zum Erzählen traf heute den alten, etwas dicken Pfarrer. Er weigerte sich aber lange. „Mein Leben ist so einfach gewesen,“ sprach er, „ich mag mein Gedächtniß noch so sehr anstrengen ich weiß nichts Sonderbares aus meinem Dasein, das euch unterhalten könnte.“ Damit war aber der Gerichtshalter am wenigsten zufrieden, „es wäre kommen zu können sich nicht einzubilden gewesen, wenn die Zweckerfüllung der Gesellschaft eine notorische Unmöglichkeit gewesen wäre“ — solches und viel Gefährlicheres brummte er in den Bart, aber so leise, daß ihn kein Mensch hörte. Der Pfarrer aber hatte schon jenes Schmunzln in seinem Gesicht ausgesteckt, womit ein Kramer die Auslegung einer recht raren Waare begleitet. Einige Wischer, Schneuzer und Husten, und das Schifflein der pfarrlichen Erzählung war durch das Kneipen, Drücken und Stemmen der hörlustigen Gesellschaft unterstützt, flott geworden, wie folgt: „Am Sonntag nach Jakobi, am Herrnraster Kirchweihfest, sind es gerade sechs Jahre gewesen, da ich aus Veranlassung sothaner Kirchweih etwas später als gewöhnlich nach Hause kam. Ich zündete kein Licht mehr an, denn der Vollmond hatte einen breiten Lichtkegel mitten durch mein Zimmer geschoben, so daß es ganz hell war. An meinem Tische sitzend, überdachte ich die Ereignisse dieses Tages. Auf der Kirchweih, wo man auf freiem Waldplatze fröhlich versammelt gewesen war, hatte ich manchen weißkopfigen Bekannten getroffen, von dem ich noch wußte, wie er braun oder blonde Locken getragen hatte, mancher war gar nicht mehr erschienen, weil er die Kirchweih schon jenseits feierte. — Das Mondlicht durchdrang meine Seele und warf da seinen wehmüthigen Schein auf manche alte traurige Erinnerung. Ich lieb’ es nicht, wenn die Seele so hinabglitscht in die Vergangenheit, denn es macht einen das weich und betrübt. Ich stand also auf, um die Opferpfennige von heut Morgen, die noch neben meinem Dintenzeug lagen, in ihre Schublade zu thun. Da fiel mir ein ungeheurer österreichischer Zweiring auf, der durchlöchert war und den ich schon mehrmals auf dem Opferteller gehabt ausgegeben und wieder erhalten hatte. „Bist heute auch wieder da,“ dacht’ ich mir; „wenn ich gerade kein sehr großes Verlangen nach dir habe, so muß ich doch gestehen, schier rührt mich die Treue, mit der du immer wieder zu mir zurückkehrst.“ Damit nahm ich ihn zwischen zwei Finger, und betrachtete das große Loch, womit ihn eine frevelhafte Hand durchbohrt hatte. „Ei wie nett sich das Mondlicht ausnimmt, durch das Loch des Pfennigs angeschaut; die Strahlen schienen wie glänzende Haarbüschel durcheinander gewunden, ich meinte in den Garten hinauszusehen, die Nachtblumen waren alle offen, und leuchtende Johanneskäfer schwebten um dieselben wie grünliche Edelsteine. Aber der Garten liegt ja auf der andern Seite des Zimmers, dacht’ ich mir, die Blumen kann ich nicht gesehen haben. Ich schaute nochmal durch den durchlöcherten Pfennig und sah das alte Schauspiel, ja je länger ich hinschaute, desto schöner ist es geworden. Ich setzte mich nieder, um das Ding bequemer beobachten zu können, und bald sah ich vor meinem Blicken eine ziemlich tiefe Höhle sich ausbreiten, von grünlichem Licht durchstossen, die Wände von glänzenden Steinen und Metallen bedeckt, der Boden von Metalladern, wie von Straßen und wogenden Bächen durchzogen. Auf einem dieser Bäche tauchte ein Kahn auf, der auf den Wellen dahinschaukelte; wie er jetzt um eine Art winzigen Vorgebirges herumfuhr, erhielt er auch einen Fährmann, ein sonderbares Männchen; war es wirklich so klein, oder schien es mir nur durch die Ferne so klein — ich konnt’ es nicht unterscheiden. Aber etwas Lebendiges war es gewiß, und es kam mir immer näher; auf dem Rand des Schiffleins reitend hing ein Füßlein in den Bach hinaus, und diente als Ruder. Das Männlein schien Verlangen nach mir zu tragen, denn sobald es meiner ansichtig wurde, grüßte es gar zierlich mit der Rechten und zappelte mit den Ruderfüßchen, so daß der Kahn merklich schneller schwamm. Es war sicher kein bloßes Spiel der Phantasie — denn das Männlein landete, ging gebeugt durch das runde Thor der Höhle und da saß er auf meiner Streusandbüchse. Der Pfennig aber war wie zuvor mein gewöhnlicher durchlöcherter Pfennig. Aber soviel war unzweifelhaft: ich hatte Gesellschaft, und wie ich zu meinem Schrecken hörte, keine stumme Gesellschaft. Mein Männlein hatte sich auf der Streusandbüchse zurechtgesetzt, schaute mit herrschender Miene um sich, hustete, schneuzte sich, und that überhaupt wie Einer, der ins Zimmer hereingehört. „Hab’ die Ehre, guten Abend zu wünschen,“ so redete er mich mit einer Verbeugung an. Ich hatte schon mein Exorcismen-Buch holen wollen, aber so höflich, dacht’ ich mir, ist kein böser Geist. Ich betrachtete jetzt das Wesen genauer. Ein Claquehütchen unter dem Arm, gestickte Weste, sammtener Rock, weißseidene Strümpfe mit Schnallenschuhen, gepuderte Haare — Alles dies deutete an, daß das höfliche Männchen nicht ein Zeitgenosse von mir sei. „Sie haben es verschmäht,“ erwiederte ich ihm, „bei der Thür hereinzukommen und das muß Sie mir nothwendig etwas verdächtig machen. Soll ich daher mich mit Ihnen in ein Gespräch einlassen, so belieben Sie Sich zuerst über die drei Fragen zu äußern: Wer Sie sind, wie Sie hieherkommen konnten und was Sie hier wollen.“ — Ein freundliches Lächeln überflog das kupferröthliche Gesicht meines Gastes und er hub an: „Vor der Hand bin ich jetzt Ihr Gast, daß Sie aber zu wünschen wissen, woher ich ursprünglich bin und stamme, das find’ Ich natürlich und Sie sollen sogleich Ihre Frage beantwortet haben: Wer ich bin? In gerader Linie stamme ich von dem Riesengeschlecht Enakim.“ Hier hob sich der Kleine und warf sich in die Brust, es war dies auch sehr nothwendig, wenn man sein Haselnußgroßes Mäulchen betrachtete, aus dem sich das Wort Enakim mühsam herauswand. „Von dem Riesengeschlecht Enakim also“, fuhr er fort, „die Kinder Gottes, und die Kinder der Welt — ich setze voraus daß Sie ein bibelkundiger Theologe sind. — Die Kinder Gottes, und die Kinder der Welt standen sich, wie Sie wissen, in spröder Abgeschlossenheit gegenüber, da war kein Handel und kein Wandel, kein Verkehr, und kein nützliches Hin und Her — kurz Nichts, und die bessern Kräfte blieben brach liegen. Da hatten von den Gotteskindern einige den guten Einfall, Wohlgefallen zu fassen an den Töchtern der Welt und dieser herrlichen Alliance entsproßte das Geschlecht der Enakim. Sie werden, mein Herr, schon oft Ihren exegetischen Scharfsinn angestrengt haben, die Spur der Enakim’s zu finden, die Bibel meldet von ihnen nichts. Ich kann Ihnen aber mit der Nachricht dienen, daß dieselben in Geister und Schützer des Verkehrs unter den Menschen sind verwandelt worden. — Bewundern Sie“, fuhr der Kleine mit Emphase fort, „bewundern Sie die Weisheit dieser Maßregel. Wer war geeigneter zu Vermittlern des Verkehrs als gerade wir, die wir unsere Abstammung von Söhnen Gottes und den Töchtern der Welt herleiten, und also das natürliche Verbindungsmittel Beider sind. Wir haben die Frömmigkeit der Kinder Gottes und haben auch die Schönheit und die kluge Gewandtheit der Welttöchter, und der von uns unterhaltene Verkehr hat keinen andern Zweck, als Frömmigkeit und Schönheit, Einfalt und Klugheit, kurz Himmel und Welt zum Menschenthum zu verschmelzen. Ueberdieß waren meine Enakischen Ahnen so unbequem, daß Menschen und Engel sie gern loshatten, was konnte daher weiser erdacht werden, als sie zu Geistern des Verkehrs zu machen? Unsere riesigen Gestalten haben wir zwar mit denen vertauschen müssen, in der ich hier erscheine, aber dieser Tausch steht in notwendiger Verbindung mit den von uns bezogenen Wohnungen. Nach dem Willen unseres Stammherrn haben wir nämlich in den Münzen unsern Aufenthalt genommen. So beschränkt auch diese Logien sein mögen, so sehr erleichtern sie das uns obliegende Geschäft. Denn es giebt keinen Winkel des Erdkreises, den wir in unsern Münzenwohnungen nicht erreichten. Wir sind in dem Geldkasten des Reichen und in der Ledertasche des Armen, wir halten die entferntesten Punkte der menschlichen Gesellschaft besetzt, auf den höchsten Höhen und in den tiefsten Tiefen sind unsere Wachtposten aufgestellt, kein Ereigniß geschieht, keine Regung im menschlichen Herzen erhebt sich, die wir nicht zur Beförderung des Verkehrs benützen. Drei Rangordnungen bestehen unter uns: Gold-, Silber-, Kupfergeister; ich gehöre zu letzteren. Meine Geschäfte sind in jetziger Zeit gut; denn verschiedene Pfennigsunternehmungen als Pfennigmagazine, Pfennigatlasse, Pfennigmeetinge sind Erzeugnisse meines erfinderischen Geistes, und ich arbeite jetzt, schloß das Männchen, mit behaglichem Selbstgefühl an der Erichtung von Pfennigregierungen und Hellerparlamenten.“ „Der spricht nicht übel,“ dacht’ ich mir, „will schauen ob ich seinem Redefluß nicht ein neues Bett eröffnen kann. Wer Sie sind, sagt ich, also das wüßt’ ich jetzt — aber wie Sie hieher kommen“ — „Das,“ unterbrach mich der Kleine, „sollen Sie gleich hören. Ich gehöre zu den besonders Beglückten meines Geschlechtes. Der heilige Bann, der in unsere Wohnungen uns einschließt, ist das dem Metall aufgedrückte Gepräge. Sobald die Formen der Münzen geschlossen sind, ist auch das Thor verriegelt, durch das einer meiner Brüder in der Münze festgehalten wird. Wenn das Gepräge sich abreibt, so ist die Münze wieder das, was sie zuvor war, ein unbelebtes Stück Metall. Wird aber nur ein Theil des Gepräges unterbrochen, so hat der Münzengeist ein Thörchen, durch das er aus seiner Wohnung schlüpfen, und in menschlicher Gestalt erscheinen kann. Nun betrachte meine dort liegende Wohnung, und in der runden Oeffnung derselben wirst du den Weg erkennen, der es mir möglich gemacht hat, hier mich mit dir in Freundschaft zu besprechen, während meine Brüder, die dort in jenen Pfennigen wohnen, noch manche Jahrzehnte harren müssen, bis sie von ihren schweren Geschäften abgelöst werden.“ Es war hier als ob mein auf dem Tisch liegender Pfennighaufen von unsichtbaren Händen wäre gerüttelt worden, denn eine Bewegung ging durch sie hindurch, der ein leises wehmüthiges Klingen folgte. Der Kleine aber auf der Streusandbüchse erzählte weiter : „Und ferners sollst du wissen, mein Freund, das Brustbild, das auf dem Gepräge der Münzen sich erhebt, ist das uns verhaßte Zeichen, daß wir dem Menschen dienen müssen. Ist nun dieses Brustbild, wie bei meiner Wohnung dort der Fall durchbohrt, so werden wir befreit, wenn wir mit jenem menschlichen Sinn in Berührung gebracht worden, der am Brustbild durchbohrt ist; in dem Augenblick nun, da die Strahlen deines Auges durch die Oeffnung im Aug meines herrschenden Brustbildes fielen, hatte für mich und ich hoffe auch für dich die glückliche Stunde geschlagen, wo mir die runde Oeffnung zum Ausgangsthore wurde, durch das ich zu dir gelangen konnte.“ Zu dem Theil seiner Worte, der seinen Ausgang als ein Glück auch für mich bezeichnete, nickte ich bejahend. Das Männlein schien auf diese Höflichkeit gewartet zu haben, denn er hatte eine Zeitlang inne gehalten. — Dann erzählte er weiter: „Was unsere äußere Erscheinung betrifft, so müssen wir uns nach der Zeit richten, in welchem unser herrschendes Brustbild regiert hatte, darum erscheine ich in Etwas altmodischer Kleidung.“ Ich ergriff meinen merkwürdigen Pfennig, und las die um das augenlose Brustbild stehenden Worte: Josephus primus S. R. Imperii Augustus, das war also ganz richtig mit der Kleidung; hätte meinem Gaste nicht die erforderliche Körperlänge gefehlt, er hätte unbedenklich als Kammerherr am weiland Kaiser Joseph’s Hof auftreten können. In Erstaunen versunken betrachtete ich bald den Pfennig, bald das im Mondlicht wie neugeprägtes Kupfer schimmernde Gesicht meines Männchens. Es schien, als ob von seinem Gesicht die Mondstrahlen auf den Pfennig sich zurücksenkten und wie eine Art von Mondstäubchen mit tanzender Bewegung den Raum erfüllten, der zwischen dem Sohn der Enakims und seiner Wohnung lag. Ich war so in die Betrachtung dieses Schauspieles vertieft, daß ich eine ziemliche Weile die Erzählung meines Gastes überhört hatte; als ich auf seine Worte wieder aufmerkte, war er schon lange beschäftiget, mir die Absicht seines Hieherkommens auseinander zu setzen. „Wir wandeln alle Wege, wir kennen alle Wünsche, wir wissen alle Wehe, keine Freud’ kann uns entgehen, wir zählen alle Thränen, wir hören alle Seufzer und was selbst dem Sonnenlicht sich entzieht, vor uns verbirgt es sich nicht. Haben unsere herrschenden Brustbilder nicht Augen, durch die wir Alles sehen, nicht Ohren, durch die wir Alles hören, nicht Herzen, durch die wir Alles fühlen können? Und hat mein Brustbild dort nicht auch einen Mund, durch den ich dir Alles erzählen kann, wenn du es zu wissen Lust hast? So erkläre dich, sterblicher Pfarrer!“ „Wird mir sehr angenehm sein“ — erwiederte ich, durch die plötzliche, ungewohnte Apostrophe in Verlegenheit gesetzt. „Wann werd’ ich wieder das Vergnügen haben Sie zu sehen?“ „Du kannst, so oft du Lust hast, durch den dir bekannten Zauber mich zu dir bringen, aber es ist ein Stammesgesetz, dem wir Kupfergeister unterworfen sind, daß wir keinem Sterblichen zweimal nacheinander erscheinen dürfen, wenn wir nicht dazwischen einmal unter den Leuten gewesen sind und da unsere Geschäfte gemacht haben. Willst du mich also wieder sehen,“ fuhr das Riesenkind mit zitternder Stimme fort, „so mußt du mich zuerst ausgeben.“ — Da knackte die Uhr und es fiel der erste Schlag von der zwölften Stunde. Daher jenes Zittern in der Stimme meines Gastes; er durfte, wie ich später erfuhr, nicht über eine Stunde außerhalb feines kupfernen Schilderhauses zubringen. Die Zeit war jetzt vorbei, er eilte sich zum Abzug; er sprach nicht mehr, zappelte unruhig mit den Füßen und hielt sein Auge starr auf sein Pfennighaus geheftet. Eine andere merkwürdige Erscheinung konnte ich dabei beobachten. Von den zwischen dem Gesicht des Männchens und seinem Haus hin- und hertanzenden Mondfädchenstrahlen hab’ ich schon Meldung gethan. Ich hatte sie natürlich nicht gezählt, aber jetzt merkt ich, daß es zwölf waren, vermuthlich die Stunde zu bezeichnen, wo der Urlaub des kleinen Enakims aus war. Denn mit jedem Schlag der Uhr riß ein solches Fädchen, so daß ich ihre Zahl ganz bequem bestimmen konnte. Und so oft ein Fädchen abriß, neigte sich das stumme, starre Männchen mehr dem Pfennig zu, mit dem letzten Schlag von zwölf Uhr, riß das letzte Fädchen, und mein Gast war verschwunden. Als mich am andern Morgen das Läuten in die Kirche aufweckte, erinnerte ich mich noch dunkel an die Ereignisse von gestern Abends. Ich wußte Nichts Rechtes damit Anzufangen; war’s etwas Geschehenes ? Hab’ ich’s gelesen ? Ist es mir in Herrnrast erzählt worden? Nichts von dem! Ach wie närrisch dacht’ ich mir und sprang aus dem Bett, da das Läuten immer dringender wurde: Ein Traum war’s, und dazu ein sehr angenehmer. Als ich von der Kirche heimkam, ein spärliches Häufchen Opferpfennige in der Hand, die ich zu meinem gestrigen Pfennig-Vorrath legen wollte, da sah ich den bewußten Zweiring mit dem Aug durchlöcherten Kaiser Joseph, und die Zweifel über die Natur der nächtlichen Ereignisse erwachten aufs Neue. Die Streusandbüchse fand ich vorgerückt, auf dem löchrigen Bleche lag ein Häufchen nicht hineingerüttelten Sandes, und man denke sich! Der Sand zeigte deutlich die Spur, die ein kleiner Sitzender zurückzulassen pflegt. Angesichts dieses stummen, aber unverwerflichen Zeugnisses gebot ich dem hämisch spottenden Spiel meiner Zweifel Einhalt, und sobald diese etwas eingeschüchtert waren, tauchten die kleinen Genien der Erinnerung Schaarenweise in meiner Seele auf; der eine präsentirte eine Tafel, die das genaue Conterfey des bewußten Pfennigmännchens enthielt, der andere trug einen Stift und notirte exegetische Bemerkungen über das Schicksal der Enakims, ein dritter endlich hatte breite Papierrollen unter dem Arm, und als er sie aufmachte, enthielten sie genau alle zwischen mir und dem Männchen gewechselten Worte. Dadurch wurde ich endlich wenigstens veranlaßt, bis zur völligen Aufklärung der Sache, die Gegenstände, die mit den örtlichen Verhältnissen zusammenhingen, in besonderen Gewahrsam zu nehmen; die Streusandbüchse wurde anf die Bücherstelle gesetzt in einen Winkel, den ein seit Jahren ruhig schlummernder Staub als eine heilige Stätte bezeichnete, den keines Ungeweihten Fußtritt noch Kehrbesen berührt; dabei hütete ich mich sehr sorgfältig, den die Sitzspuren tragenden Sand einzuschütteln; den Zweiring aber, als Hauptvehikel des Zaubers, wickelte ich in ein Stück Zeitungspapier und steckte lhn in die Uhrtasche, damit er sich nicht mit gewöhnlichen Pfennigen vermische. Wem sollst du ihn jetzt geben? Denn ehe nicht der Pfennig wieder im Verkehr gewesen, kann die Zunge seines geheimnißvollen Bewohners nicht gelöst werden. Es verging kein Tag, an dem ich mir diese Frage nicht stellte So saß ich eines Nachmittags am Rand eines Weihers, der von dichten Föhrenbäumen und Erlenbüschen gar lieblich beschattet war und an dem ein Gangsteig vorbeiführte. Es ruhte sich angenehm im trockenen Moos und Haidekraut, und bei dem leisen Geräusch der bewegten Blätter, durch die sich einzelne Sonnenstrahlen tanzend stahlen, um die glänzenden blauen Augen des Weihers zu küssen, ließ sich auch manches denken. Da hörte ich nicht gar fern von mir ein starkes, schier keuchendes Athmen, das Knistern in den dürren Blättern und Nadeln deutete auf schwere Fußtritte, und bald sah ich den Gangsteig herauf durch die Föhrenzweige einen alten Mann mit Hülfe eines Stabes daherwanken. (Fortsetzung folgt.) Herr Wenzeslaus von Böheim, der war ein wackrer Mann, Er saß beim Rheinweinfasse vom frühsten Morgen an; Und war ihm das langweilig, so ging er auf die Jagd, Aus den Regierungssorgen hat er sich Nichts gemacht. Sanct Nepomuck, der fromme, der predigte ihm Buß’, Herr Wenzel sprach mit Lachen: „Man werf’ ihn in den Fluß! „Das helle Moldauwasser wird ihm gedeihlich sein, „Bleib Jeder bei seinem Leisten, — ich bleib bei einem Wein!“ Ein Herold kam geritten, und bracht die schlimme Mähr, Daß er als Lump des Reiches und Throns verlustig wär. Herr Wenzel strich den Schnurrbart und sprach: „Das ist mir Wurst! „Ich bin ein Mensch vor Allem, drum hab ich immer Durst, „Und soll ich den nicht stillen von wegen meiner Kron, „So mag der Teufel holen den deutschen Kaiserthron. „Viel lieber ein Privatmann beim vollen Fasse Wein, „Als ein blamirtes Lastthier, ein deutscher Kaiser sein.“ Er ließ sich pensioniren, und trank dann frisch und froh Und wenn ich Kaiser werde, so mach ich’s eben so! J. G. Gränzverlegenheit. „Sie sehen, Herr Gränzwächter, daß ich nix zu verzolle hab’, denn was hinte auf’m Wagen ist, hat die Lippi’sche noch nit überschritten, in der Mitt’ ist nix, und was vorn drauf is, ist schon wieder über der Lippischen Gränze drüben.“ Mittel gegen Zahnschmerzen. „Als probates Mittel gegen Zahnschmerzen dürfte die thierische Wärme, auf diese Art angewendet, bestens empfohlen werden.“ Honneur. Major. „Kerl, was macht er da?“ Soldat. „Herr Major, ich mache Honneur.“ Major. „Weiß er auch, was ein Honnörrr ist?“ Soldat. „Nein.“ Major. „Dummer Kerl! Ein Honnörrr ist dasjenige vor demjenigen, dems zukömt. Merk ers sich.“ Wunderkinder. Eine Künstlernovellette. „Haben Sie schon den kleinen Pumpernik gehört?“ „Nein — wer ist denn der kleine Pumpernik?“ „Wie — Sie wissen nicht, wer der kleine Pumpernik ist?“ „Nein — verzeihen Sie, ich bin hier fremd.“ „O da müssen Sie ihn hören, so was haben Sie in Ihrem Leben nicht gehört! Diese Zartheit, diese Reinheit, diese Präzision, diese — diese — — —“ „Sie spannen meine Neugierde auf’s Höchste, was macht denn der kleine Pumpernik?“ „Ja so, Sie wollen wissen, was er macht? Ganz richtig, Sie sind hier fremd, er schlägt Tschinellen — er phantasirt auf der Tschinelle — o, er hat dieses Instrument zu einem Salon-Instrument erhoben!“ „Wie alt ist denn der kleine Pumpernik?“ „Er ist eigentlich gar noch nicht alt, denn im vorigen Concerte, das er zum Besten eines wohltätigen Zweckes gab, ist er gerade geimpft worden.“ „Geimpft und Komponist, den muß ich hören. Wo bekömmt man denn Sperrsitze?“ „Nun erlauben Sie mir, das kann man nur Ihnen verzeihen, da Sie fremd sind; alle Sperrsitze sind schon auf zwei Jahre vergriffen.“ „Also belieben Sie mir zu sagen, wo die Entreebillets zu kaufen sind?“ „Entreebillets? nun hören Sie, wenn ich nicht wüßte, daß Sie fremd sind, — Entreebillets werden gar keine ausgegeben.“ „Ja, aber zum Henker, wie kommt man denn hinein?“ „Sehr einfach, machen Sie es nur so, wie ich und tausend Andere es machten; heute, wenn das Concert aus ist, drängen Sie sich hinein, und bleiben da ruhig darin, bis das nächste gegeben wird, man wird Ihnen schon das Entree abfordern.“ „Wie, ich soll mich da allein in den großen Saal einsperren lassen?“ „Sie glauben, Sie sind allein? O da irren Sie sich; Sie finden den Saal so voll, wie beim Concerte selbst.“ „Also gibt es im Tage mehrere Concerte?“ „Was fällt Ihnen bei, jeden zweiten Tag ist ein’s annoncirt.“ „Und da soll ich zwei Tage nicht essen, nicht trinken, nicht schlafen?“ „So sprechen Sie jetzt, wenn Sie ihn aber werden gehört haben, werden Sie noch zwei Tage bleiben.“ — Ich dankte für die Auskunft und ging. Ich fragte einen zweiten, einen dritten, jeder erzählte dasselbe. Ich kam Geschäfte halber, da ich zwei Tage nicht opfern konnte, nicht dazu, das Wunderkind zu hören. Nach zehn Jahren führte mich der Weg wieder in die Residenz. Ich begegnete zufällig demselben Herrn, der mir damals von dem kleinen Pumpernik erzählte. „Nun,“ fragte ich, „was macht Ihr kleiner Pumpernik?“ „Heute gibt er wieder ein Concert,“ erwiederte er. „Und sind wieder alle Sperrsitze vergriffen?“ „Ich bitte Sie, Sie werden doch nicht drei Gulden E.=M. zum Fenster hinauswerfen wollen, „gehen Sie hinein, wenn Sie gerade Lust haben, Sie finden überall Platz, sind schon vier Zwanziger zu viel gewagt auf den — — —“ hier verschluckte er leider das Wort. Mich verfolgte das Schicksal, ich war abermals verhindert, hineinzugehen; ich kam Nachmittags in ein Kaffeehaus und las da „Concert-Referate;“ ein Artikel fiel mir auf: „Pumpernik’s vorletztes Concert.“ — „Froh sind wir,“ hieß es darinnen, „der Mühe enthoben zu sein, über diesen Künstler referiren zu müssen, der im Vergleiche mit der kleinen, jüngst auf demselben Instrumente spielenden Chinesin Tschin-ging-gan-tschu-tschi, ein reiner Schatten ist; das ist Tschinelle gespielt! Das ist Gefühl! Vielleicht, daß er durch eifrige Studien es noch zu einer größeren Sicherheit bringen kann, wir wünschen ihm dies zu seiner bevorstehenden Reise in’s Ausland. — — Also eine Chinesin hat das Wunderkind verdrängt, also eine Chinesin ist jetzt die Mode des Tages geworden? Armer Pumpernik!“ Wieder zehn Jahre später kam ich in die Residenz, wieder derselbe Herr; meine erste Frage ist: „Was macht der Pumpernik?“ „Pumpernik? wer soll der Pumpernik sein? Ist er nicht ein Schneidermeister ?“ „Verzeihen Sie mir, Pumpernik der kleine Tschinellen-Pumpernik, das Kind des Publikums, der Pumpernik, der in’s Ausland gegangen ?“ „Ah, von dem sprechen Sie, ich habe gehört. der arrogante Mensch, der schon glaubte, auf der höchsten Stufe zu stehen, ist als Mohr bei einer Musikbande in Afrika eingetreten für dort mag er die Tschinellen gut schlagen. „Und die kleine Chinesin? ich kann ihren Namen nicht aussprechen.“ „Verzeihen Sie, Sie erkundigen sich da um sehr fade Personen, und ich kann Ihnen auch nicht dienen, was aus ihr geworden, vermuthlich nicht viel. Mein Gott, wir haben jetzt schon so viele gute Tschinellenspieler, mit derlei Virtuosen ist es aus; aber den Dudelsack sollten Sie von dem kleinen Gegenfüßler spielen hören.“ — — Ich empfahl mich sehr höflich, stieg in meinen Wagen und kam seit der Zeit nimmer in die Residenz. Forstexamen. Forstrath. „Was verstehen Sie unter Forstnebennutzung, Herr Kandidat.“ Kandidat. „Forstnebennutzungen sind vielerlei, z. B. Stangln die man den Bauern verkauft ohne daß der Förster was davon weiß, und überhaupt alles was sich unser einer, der durch seinen splendiden Gehalt drauf angwies’n is, so nebenbei verdienen muß, wenn er leben will.“ — Gewissensfreiheit. „He, Leidenstoffer! sag’ mir emol, waas ischt denn dees, Gewissensfreiheit?“ „Na, siehst Du, dees will ich Dir gleich saga’; nehma wir emol e kleens Beispiel: ich setz den Fall, Du schlagst eenen todt; — da mußt Du Dir jetzt, wenn Du a rechtschaffener Kerl sein willscht, e Gewisse d’raus macha; hawe’ wir aber emol Gewisse’sfreiheit, so kannscht Du Dir eens d’raus macha, oder nit, wie Du grad willst, und schau: dees heeßt man Gewisse’sfreiheit.“ — Zur Jagdfreiheit. „Nun! Nachbar, itzt haben wir die Jagd einmal, itzt muß Alles umgetauft werden, an die alte Zeit darf man gar nicht mehr erinnert werden. — Den Bogen — der heißt nimmer der „Richterbogen“ — den heißen wir jetzt „den Grundrechtbogen“ — und den Hauptwechsel dort, wo der Wechsel alleweil am stärksten ist, — wie heißen wir denn den?“ — „Nun — den heißen wir den Ministerwechsel.“ === FB9-0199 Memoiren eines Opferpfennigs. (Fortsetzung.) Ich pflege an keinem Wässerlein vorüberzugehen, ohne daß ich hineinschaue, ob kein Fisch darin schwimmt, lasse kein Grasfleckchen unbetrachtet, es könnte zwischen den Gräsern irgend ein seltenes Blümchen versteckt sein, es ist kein Rauschen auf einem Baume, ohne daß ich hinaufschaue, denn ein Eichkätzchen könnte auf den Zweigen luftig herumtanzen, und wenn es in der Luft schwirrt, so muß ich schnell und scharf hinblicken, ob nicht ein merkwürdiger Vogel mit seltsamen Federn vorübergeflogen ist. So ist es auch meine Gewohnheit, an keinem Menschen vorbeizugehen, ohne daß ich ihn anrede. Oft hab’ ich dabei einen guten Fang gemacht, freilich oft auch meine Worte wie ein leeres Netz zurückziehen müssen. Wie’s mir diesmal ging, sollt ihr sogleich hören: — „Grüß Gott, Vater, wohin bei dieser Hitze?“ — so rief ich dem Alten zu. Er hätte mich nicht gemerkt, wenn ich nicht an sein Gehör mich gerichtet hätte, denn seine Augen waren ganz davon in Anspruch genommen, für feine alten Füße die besten Stellen im Wege auszusuchen, und statt viel auf die Umgebung zu schauen, mußten sie nach zuverläßigen Stellen spähen, wo er seinen Stab sicher anstemmen konnte. Ich muß sagen, sie gefielen mir diese Augen, als er sie jetzt emporwandte, um den Ort zu finden, von dem die Anrede gekommen war. Es waren hellblaue, noch ganz glanzreiche Augen, die Wangen waren freilich sehr verwittert und faltig, und zeigten, daß sie schon sehr lang Sturm und Sonnenschein und weiß Gott was noch Alles ausgehalten hatten; aber hätte man die Wangen nicht gesehen, die Augen hätte man für junge Augen gehalten. Nachdem ich nun eine Weile diese Augen und sie mich betrachtet hatten, fragte ich weiter: „Hier ist angenehmer Schatten—nicht ein wenig ausruhen?“ „Mein Geschäft,“ antwortete der Greis, „läßt nicht zu, daß ich im Wald sitze und ausruhe, wenn auch der Schatten noch angenehmer wäre.“ „Und was ist Dein Geschäft?“ fragte ich weiter. „Ich bin ein Pfennigsammler, eine beschwerliche Arbeit,“ antwortete der Alte mit einem tiefen Seufzer. „Ein Pfennigsammler? Was ist das für ein Geschäft?“ „Man heißt es sonst auch Betteln,“ sprach der Alte. „Ah so,“ erwiederte ich und griff in die Tasche, um ihn sein Geschäft vollenden zu helfen. „Aber wie kannst Du sagen, daß dies ein so beschwerliches Geschäft ist?“ „Ja wohl beschwerlich! recht beschwerlich! Ach, wie sind die Pfennige so schwer und wie brennen sie in die Finger, wenn man sie so anrühren muß.“ „Daß ist ja gut,“ meint ich, „wenn sie schwer sind; das ist ein Zeichen, daß ihrer Viele beisammen sind.“ „Nicht immer, Herr ! Ein einziger Pfennig kann einen schier zu Boden drücken, wenn er ein schweres Gepräge hat.“ Bei dem Worte „Gepräge“ fuhr mir ein Gedanke durch die Seele, in Folge dessen ich mein schon aufgefischtes Almosengeld wieder in die Tasche zurückgleiten ließ, und neugierig fragte: „Schweres Gepräge — wie versteht Ihr das Vater?“ „Wenn ein Pfennig gegeben wird mit einem Fluch, mit einer Verwünschung, mit Hohn und Spott,“ entgegnete der Bettler — „ist das nicht ein schweres Gepräg, zu schwer oft für meine alten Kräfte? Jedes andere Gepräge wird abgefegt, aber dieses Gepräg in Ewigkeit nicht. Jeder Almosenpfennig, der mit diesem Gepräg versehen ist, wird am Tag der Rechenschaftsablegung wie ein falsches Geld ausgeschieden, und die Zähren, die ein Bettler darauf weint, bleiben ihm wie eine unverwischbare, anklagende Umschrift eingeätzt. Ach so ein Pfennig, wenn er von den unwilligen Blicken des Gebers wie mit brennendem Feuer übergossen wird, wie ist er so heiß, wenn man die Hand darnach ausstrecken muß. Ihr wißt es nicht, Herr, aber wahr ist’s und Gott weiß es, es ist ein beschwerliches Geschäft um das Pfennigsammeln, besonders für einen alten Mann.“ — Das ist der Mann, dacht ich mir, der meinen Pfennig haben soll. — „Hier Alter, habt ihr einen Pfennig,“ sprach ich, „bei mir soll euch das Einsammeln nicht erschwert werden, seid zufrieden, und wendet ihn gut an.“ Ich erhielt meinen Vergeltsgott, und der Bettler wankte fort. „Einwickeln hätt’ ich den Pfennig nicht sollen,“ warf ich mir jetzt in Gedanken vor; „wie der alte Mann das Papier gesehen hat, hat er gewiß, in der Hoffnung was Rechtes zu finden, das Papier weggewickelt. Und was fand er, einen durchlöcherten Zweiring. Diese Täuschung hätt’ ich ihm wohl ersparen können. Hätt’ ihm noch was anders dazu geben können. Statt dessen noch die plumpe Ermahnung, den durchlöcherten Zweiring gut anzuwenden, als ob er darnach aussah, daß er einer solchen Mahnung bedurft hätte. Schlecht gefischt, schlecht gefischt, dacht ich mir“ Und das war richtig, denn ich hatte nur Unzufriedenheit mit mir selber erfischt. Ihr könnt euch denken, meine Freunde, daß ich von der Zeit an jeden Pfennig genau betrachtete, der mir durch die Hände ging. Ich hatte sonst die Opferpfennige immer ungezählt zu dem ältern Haufen geworfen, von jetzt an aber nahm ich jeden in die Hand und ihr errathet leicht warum. So oft ich etwas einkaufte beim Krämer oder Bäcker, nahm ich absichtlich großes Geld, damit mir herausgegeben werden mußte, und wenn der Bäcker oder Krämer nicht gleich die verlangte Münze fand, so sprach ich: „Laßt mich schauen,“ um seinen ganzen Münzenvorrath durchsuchen zu können. Da ich wußte, daß die Bettelleute gewöhnlich eine ziemliche Anzahl Pfennige bei sich tragen, so ließ ich mir oft von ihnen wechseln, ja gab ihnen wohl für ihren ganzen Vorrath an Kupfergeld, Silbermünze. So erhielt ich zwar einen großen Pfennighaufen, aber der rechte war nicht darunter. Ich erschrack über die Masse des cursirenden Geldes, es erschien mir dasselbe wie ein Meer, und mein Pfennig wie ein Tropfen in demselben. — Wie ihn da herausfinden? Es war so ein Vierteljahr verflossen, ich hatte die Hoffnung aufgegeben, meinen durchlöcherten Zweiring wiederzusehen, als ich einmal nach vollendetem Gottesdienste noch eine Zeitlang in der Kirche verweilte, weil Niemand mehr d’rin war und ich solche von der Einsamkeit durchathmete Räume über alles liebe. Ich hatte an der wohltätigen Ruhe, die von der Nähe Gottes in den Kirchen ausgeht, mich gesättiget und wollte gehen. Da fiel ein einschichtiger Strahl der vorrückenden Morgensonne durch das hohe Kirchenfenster auf den Altar, so daß ein auf demselben bisher von mir unbemerkter Gegenstand hell aufglänzte: es war einer von den Opfertellern, den die Frau Schullehrerin frisch gescheuert hatte und der deswegen so hell glänzte. Da zog, wie ein scharfer Luftzug der unwillige Gedanke durch meine Seele und verscheuchte all’ das angenehme Gefühlswesen, der Gedanke: „Diese Nachlässigkeit, einen Opferteller dastehen zu lassen.“ Und sofort trat ich hin, um den vergessenen Teller in die Sakristei zu tragen. Aber wer schildert mein Erstaunen, auf dem Teller lag mein sehnsuchtsvoll gesuchter, durchlöcherter Zweiring. Wie kam er daher? Wer hat ihn hingelegt? Ich konnte mir diese Fragen nicht beantworten und wollte auch nicht länger grübeln! mit dem Durchlöcherten in der Hand eilte ich heim, und ich weiß heutigen Tages nicht, ob ich die getadelte Nachlässigkeit des Meßners gut gemacht habe und den Opferteller nicht selbst auf dem Altar habe stehen lassen. Als es eilf Uhr schlug in der Nacht, saß ich auf meinem Schreibstuhl, das Enakimsmännchen auf der Streusandbüchse und ich lauschte auf seine Erzählungen Da ich meinen Pfennig einmal wieder gefunden, so fand ich ihn immer öfter und leichter; wie manche Mitternachtsstunde ist mir zu früh gekommen. wenn das Männchen durch den lästigen Schlag der Uhr in seinen interessantesten Erzählungen unterbrochen wurde. Die Erzählungen waren verschiedener Natur, je nach der Art, von woher der Durchlöcherte mir zugekommen war. Sie waren frommer milder Art, wenn ich ihn als Opfergeld erhalten hatte; wenn er mir vom Wirth herauf gegeben wurde, war der Gegenstand der Erzählungen ein tumultarischer; Familien- und Bettlergeschichten wechselten mit denselben ab, je nachdem der Pfennig bei dem Einen oder bei dem Andern geweilt hatte, ehe er in meine Hände gelangte.“ — Somit, schloß der alte dicke Pfarrer gegen den Gerichtshalter gewendet, hab ich das meinige zur Zweckerfüllung der Gesellschaft beigetragen. „Nichts! Nichts! das gilt nicht,“ schallte es von allen Seiten der Versammlung. „Da habt Ihr uns bloß die Schaale gegeben, und den Kern wollt Ihr uns mit Eurer gewöhnlichen Bockbeinigkeit vorenthalten. Wir wollen wissen, was der Pfennigmann Euch vorgeplaudert hat. Nur heraus damit, das wollen wir wissen. Oder,“ setzte drohend ein strickender zwanzigjähriger weiblicher Vorwitz dazu, „oder Ihr verfallt in die gesetzliche Strafe der Gesellschaft.“ „Und die wäre?“ fragte das pfärrliche Alterthum. „Die bockbeinige Vorenthaltung gilt für Hochverrath an der Gesellschaft, und die Strafe dafür ist furchtbar. Ihr werdet des Rechts verlustig, die Gesellschaftskokarde zu tragen, macht Euch für ewige Zeiten unfähig, ein Gesellschaftsamt zu bekleiden, werdet des Pfandspieldirectoriums ohne Anerken-nungsbezeugung schimpflich entlassen, dürft keine Silbe mehr kritisiren, und die Viertelstunde, die man Euch aus besonderer Rücksicht auf Euer Alter täglich zu politisiren eingeräumt hat, wird gestrichen.“ — „Die Last einer solchen Strafe ist für mich zu schrecklich,“ unterbrach er den mit drohend aufgehobenen Strickapparat da-stehenden Richter, und zog aus der Brusttasche ein kleines, mit rothem Faden umwundenes Manuskript hervor. „Ich habe nämlich,“ fuhr er zum männlichen Theil der Gesellschaft gewen-det fort, „in jeder Nacht, unmittelbar nach dem Verschwinden des Männchens seine Mittheilungen zu Papier gebracht, und wenn ich der Nachsicht der Gesellschaft versichert bin, will ich sie vorlesen.“ Die Nachsicht wurde zugesichert und er begann zu lesen : 1. Der alte und der junge Melcher. Am 15ten mensis anno Domini zwischen 11 und 12 Uhr erzählte mir das Pfennigmännchen: „In seiner Brusttasche trug mich der Bettler fort. Es kamen noch viele Pfennige zu mir herein, einige sehr ungehobelte Bursche, die sich schämten, in der Tasche meines Bettlers zu sein; andere, die unanständig schrieen und lärmten, man habe sie gezwungen, in diese Höhle hereinzugehen, sie seien nicht da, um schmutzigen Bettlern zu dienen und dergleichen mehr. Ich lag dem Herzen des Bettlers am nächsten und so oft dasselbe schmerzhaft zuckte, oder recht ängstlich schlug, durfte man gewiß sein, daß ein ungebärdiger Pfennig hereinkam. Als wir bei der Wohnung des Bettlers angekommen waren, drang uns aus derselben der Lärm mehrerer streitenden Personen entgegen. Es war der Hausherr bei dem der Bettler wohnte, welcher mit seinem Weibe in Hader gerathen war. Dem Bettler schien dieß nichts ungewöhnliches, er schüttelte traurig den Kopf und schlich zur Stallthüre hinein. Im Stall stand eine magere Kuh, die nach Futter schrie, und ein Geischen, das ungeduldig herumsprang. Der Bettler steckte demselben eine Handvoll Blätter zu und raffte einen Büschel Heu zusammen, den er der hungernden Kuh hinwarf. Welche Unordnung war in diesem Stalle! Rechen, Schaufeln und Besen lagen durcheinander, die Futterkrippe war leer, dagegen lagen die schönsten Heubauschen auf dem Dünger, die Kuh streckte vergeblich den Hals, das geliebte Heu zu erreichen. Der Bettler ging so leise als möglich durch den Stall, an der feuer- und holzleeren Küche vorbei und stieg eine Leiter hinan. Er gab sich viele Mühe, nicht zu laut zu athmen, damit ihn das streitende Ehepaar nicht hörte, denn leider konnt ihm kaum entgangen sein, daß die Ehefrau ihr Kapitel „vom alten Lumpen“ angefangen, welches Kapitel einen für den Bettler sehr unerquicklichen Inhalt hatte, indem es alle die Schimpfwörter enthielt, womit die Ehefrau ihrem Mann die Last vorzuhalten pflegte, die dem Hauswesen aus der Ernährung des alten Lumpen, das war eben der Bettler, der Vater des Hausherrn, erwuchs. Das Stübchen des Bettlers war noch die angenehmste Stelle, die ich im Hause bemerkt hatte. Klein war es zwar und unter das Dach hineingebeugt, aber für seine Einrichtung groß genug. Eine Bettstelle mit einem Strohsack, ein dreieckiges Tischlein in der Ecke und ein Stuhl war Alles, was auf dem Boden stand. An den Wänden hing ein Krucifix und waren ein paar Bilder hingenagelt. Der Bettler setzte sich ganz ermattet auf seinen Stuhl; da war Niemand, der ihn begrüßte, Niemand, der ihn fragte, wie es ihm gegangen; statt dem Knistern eines suppenversprechenden Feuers, der Lärm der Streitenden. Nachdem der Bettler ein wenig ausgeruht hatte, wurden wir sammt und sonders aus der Tasche gefischt und auf ein Brettchen gelegt, das ganz oben an der Wand angebracht. Obgleich für uns Taschen und Geldbeutel so gut durchsichtig sind, wie für den Fisch das Wasser, in dem er schwimmt, so war mir das Brettchen in der Wand doch sehr angenehm, wegen der frischeren Luft, die dort herrschte, und wegen der freieren Aussicht, die man von dort aus genoß. Jetzt öffnete sich die hölzerne Thürklinke und ein gar schmuckes Mädchen von 16 — 18 Jahren trat herein. Sie ging auf den Alten zu, schlug ihr Schürzchen zurück und stellte ein dampfendes Schüsselchen auf den Tisch. Jetzt blickte der Alte auf, reichte dem Kinde die Hand und sagte in zärtlichem Tone: „gute Marietta — was bringst du mir denn? Wahrhaftig, eine ganze Schüssel, welch ein Ueberfluß! Setze dich her zu mir.“ Das Mädchen folgte der Einladung, und da der Alte zu reden fortfahren wollte, sprach sie: „Du hast mich zu deiner Hofköchin erwählt, und du weißt, Köchinnen habens nicht gern, wenn man ihre Sachen nicht gleich ißt.“ Der Bettler lächelte und nahm den in einer Spalte der hölzernen Wand steckenden Löffel, ihrer Aufforderung zu folgen. „Du machst dich, Kleine, nächstens wirst du Zulage erhalten — wie ist’s gegangen unten?“ fragte er, den Löffel, nachdem er gegessen, wieder in die Spalte steckend. „Nicht viel besser, als sonst. Alle Leute sind auf’s Feld gegangen mit Sicheln und Garbenbindern, und im Wirthshaus war kein Mensch als der Nachbar Der versoffene Hies war bei ihm, zuerst haben sie mit einander getrunken, dann gespielt und zuletzt gerauft. Dann ist der Nachbar heimgekommen und hat mit der Nachbarin angefangen, und die Metten ist noch nicht aus, wie du hörst unten.“ Der Alte horchte eine Weile und seufzte dann: „Armer Sohn — wie schrecklich.“ „Es heißt sonst,“ sprach das Mädchen, „die Söhne werden wie die Väter; ich hab mir oft gedacht, warum du deinen Sohn nicht so erzogen hast, wie du selbst bist.“ Der Alte stand plötzlich auf und schaute, dem Mädchen den Rücken wendend, zum kleinen Fenster hinaus. Das Mädchen schien wohl zu bemerken, daß sie den Alten könnte beleidigt haben; sie schob ihm mit ängstlicher Miene noch ein Stück weißes Brod hin, und war erst wieder heiter, als der Alte mit Appetit dasselbe aß. Ich habe damals auf dem Gesichte des armen Mannes Dinge gesehen, welche von einem menschlichen Auge nicht bemerkt werden können. Bald erhoben sich aus seinem Herzen Zorneswolken und das Gesicht schien in ein Feldlager verwandelt worden zu sein, alle Muskeln in reicher Beschäftigung, Blitze für die Augen zu bilden. Jetzt entfielen diese Blitze machtlos dem Auge und aus der Tiefe quellende Thränen überflutheten dasselbe. Die nette Marietta ging fort; lange hatte der Greis vor einem Krucifix knieend geweint und war dann in sein Bett gestiegen. Eigenthümlich, und mir ganz unverständlich waren seine Träume. Ich sah in den Bildern, die seiner Seele entstiegen, ein weites Schlachtfeld, kämpfende Schaaren tummelten sich auf demselben und besonders war eine Scene hell und deutlich. Ich erkannte, daß der Träumende seine Erinnerung besonders auf dieselbe gerichtet hatte. (Fortsetzung folgt.) Anssicht eines Handlungsreisenden von der Wettersseite. Musterung eines Freicorps anno 1848. Eine verunglückte Volksversammlung. Vormärzliche Lieder. Von R. Reinick. II. Feurige Liebe. Wächst ein Kraut in unserm Garten, Feurige Liebe heißt das Kraut; Kommt des Nachbars schmucke Tochter, Hat mich freundlich angeschaut, Steckt das Kräutlein mir in’s Knopfloch, Spricht: „Wie blaß ist dein Gesicht!“ „Feur’ge Liebe trag’ am Herzen „Roth und glühend, frisch und licht!— — Hab’ das Kräutlein auch getragen, Bis es welk und unscheinbar, Hab’ mir’s aus dem Sinn geschlagen; Doch da ging’s gar wunderbar: Wurzel schlug es mir im Herzen, Dehnt sich drin gewaltig aus, Brennt wie Nesseln; unter Schmerzen Treibt es Blüth’ um Blüth’ heraus. — Hätt’ ich’s früher nur geahnet, Daß das Kraut so wunderlich, Hätt’ ich labend sie gebeten: „Schatz! behalt es nur für dich!“ — Aber jetzt! ich fühl’s, ich fühl es: Auszurotten geht’s nicht mehr. Aus dem Knopfloch läßt sich’s reißen, Aus dem Herzen nimmermehr! III. Nachts in der Ferne. Die Nacht ist nicht so schweigsam, wie du meinst, Es zieh’n der Wesen viel im nächt’gen Raum, Und ob du heiter blickest, ob du weinst, Sie flüstern sich es zu, du merkst es kaum. Sie flattern weiter durch die stille Luft, Sie schwingen über alle Wipfel sich. Du wähnst, es sei der Nacht geschäft’ger Duft, Du glaubst allein zu sein, — du täuschest dich! Die leichtbeschwingte, unsichtbare Schaar, Sie schaut in deine Seele tief hinein: Dein Heimlichstes, sie macht es offenbar, Doch fürchte nicht’s, sie kündet’s mir allein. Sie hat dein liebes Bild mir hergebracht; Mir lacht dein Auge, winkt dein rother Mund! — Wie sie geschwätzig ist, die stille Nacht! Wie heiß, wie treu du liebst, sie thut mir’s kund. Eine Scene im Sessionsbüreau. „Sie wollen sich zum Dienste stellen, Johann Peter Classen?“ „Jau —“ „Haben Sie auch vielleicht besondere Neigung zu einem Fache, etwa zum Dragoner?“ „Ne —“ „Oder möchten Sie gern Jäger werden?“ „Ne —“ „Oder bei der Artillerie angestellt werden?“ „Ne —“ „Aber zum Teufel, was wollen Sie den werden, Johann Peter Classen?!“ — „Ick? Milledär.“ — Monolog eines bei der Feuersbrunst sich verspätet habenden Spritzenmannes. „Habe mir worhofftig die verfluchte Kerle ’s gonze Feier schonst verdurbe …!“ Jagdabenteuer. Neue Dressurmethode. „Jetzt will ich dir a mal zeigen, du Hundsviech, wie ma’ d’ Ant’n aportirt!“ Das erlegte zufällig gefundene Wildschwein. „Da geht her — da liegt de Sau!“ „Lassen’s den Hund aus — i bitt’ Ihnen um des Himmel’s Willen — lassen’s den Hund aus!!“ „Gestern san mer d’ Schnepf’n zu hoch g’strichn, da hab i mi heut da nauf g’setzt. Jetzt mein i allweil, sie streichen noch höher, denn hör’n thu ichs in einem fort — aber sehn thu ich koanen!“ „Meinen G’nicker *) muß i hab’n, gehts wie’s mog. Tropf elendiger — gibst den G’nicker her!!! “ *) Waldmesser „I hob mein Theil!“ „Un i den mein a!“ — === FB9-0200 Memoiren eines Opferpfennigs. (Fortsetzung.) Es war ein verworrener Knäuel von Kämpfenden, und aus dem Zusammenlaufen aller auf dem Schlachtfeld zerstreuten Soldaten schloß ich, daß es sich dort um eine wichtige entscheidende Sache handle. So war es auch denn ich bemerkte mitten unter dem wilden Getümmel einen stattlichen Mann, den seine goldgestickte Kleidung als einen Heerführer kenntlich machte. Um seine Person stritt es sich, die einen wollten ihn mit sich fortreißen, die andern suchten ihn zu befreien. Jetzt werden seine Anhänger zurückgedrängt, einer der Feinde faßt ihn am Hals und schreit ihm mit wüthenden Geberden etwas zu. Ich vermuthe es war eine Aufforderung, sich zu ergeben, denn man sieht wohl im Traume, aber hört Nichts. Der General scheint sich nicht ergeben zu wollen — weh sein Dränger hat schon den Säbel geschwungen, noch eine Minute und das Haupt des Feldherrn ist gespalten. Aber blitzschnell fährt ein anderer schwertbewaffneter Arm dazwischen, die Spitze seines Schwertes ist gegen den Feind des Feldherrn gerichtet; die Klinge fahren aneinander und dieser ist gerettet, sein Feind sinkt mit einer ungeheuern Wunde auf der Stirn vom Pferde. Wer ist der Retter des Feldherrn, ich kann ihn noch nicht sehen, denn er war bald im dichten Kampfgewühl wieder verschwunden. Der Kampf ist aus, der General hat gesiegt, da sitzt er müde auf einer Lafette, seine Officiere um ihn. Er fragt sie sehr eifrig um Etwas, was sie ihm nicht beantworten können. Da kommt ein Haufen Soldaten, sie tragen einen Kameraden im Triumph auf ihren Schultern; wie der Feldherr seiner ansichtig wird, so springt er auf, eilt auf ihn zu und umarmt ihn, den gemeinen Soldaten. Die Officiere schütteln ihm die Hand, einer setzt ihm einen schnell geflochtenen Tannenzweig auf den Helm. Es fehlte nicht, es muß dies der Retter des Generals gewesen sein; wie ich ihn näher anschaue, erkenn ich in seinem Gesichte deutlich die Züge — des vor mir schlafenden Greises. Gewiß war ihm dies einst geschehen, denn sein im Traum daliegendes Antlitz glänzt vor Freude — es steigt vor ihm ein langer, schön geordneter militärischer Zug aus, an der Spitze der siegreiche Feldherr, von vielen Generälen umgeben, und mitten unter den glänzenden Uniformen ist das schlichte Kleid eines gemeinen Reiters zu erkennen — es deckt die jugendlichen, geschmeidigen Glieder dessen, der jetzt als schwacher alter Mann vor mir im Schlafe liegt. Ich sah jetzt eine große Stadt im Traumbild sich gestalten, bei dem Einzug in dieselbe sehe ich den träumenden Greis mit Ehren überhäuft. Jetzt erklärte ich mir die ganze Haltung des Greisen, den Schmerz über die trüben Tage der Gegenwart, da er solche Tage in seiner Vergangenheit hatte! Ich sah jetzt die Soldaten zerstreut im Lande hinziehen, sie gehen mit der Miene des Siegers, offenbar ist es ein erobertes Land, das sie durcheilen. Aus den Nebeln der Traumeslust bildet sich dort ein einsames Haus, es muß, nach den vielen Nebengebäuden zu schließen, ein bedeutender Bauernhof sein. Aber der Gräuel der Verwüstung ist darüber hingegangen. Die Ställe sind offen und leer, die Thüren und Fenster sind zerbrochen, selbst der in der Mitte des Hofes stehende Brunnen ist umgeworfen und zerstört. Ich überschaue die ganze Wohnstube und sie bietet ein neues Bild des Jammers. Der Tisch umgestürzt, die Tischschublade herausgeriffen, Löffel und zerbrochene Schüsseln bedecken den Boden. Und um das Bild der Verwüstung noch grauenvoller zu machen — mitten unter den Trümmern steht eine Wiege mit einem kleinen Kinde und vor der Wiege sitzt ein ungefähr zweijähriges blondes Mädchen und nagt an der Brodrinde, die es seinem kleinen Nachbar geraubt hatte. Jetzt ertönen Schritte auf der Hausflur, das größere Kind, das diesen Laut schon lange nicht mehr gehört haben mag, klammert sich an die Wiege, erhebt sich und wackelt mit freudigem Antlitz der Thüre entgegen. Diese geht auf und wer tritt herein? Es ist mein Greis! Das Kind eilt auf ihn zu, umfaßt eines seiner Knie und hebt die gefalteten Hände betend zu ihm empor. Der vertrauungsvolle Blick aus dem lieblichen Gesicht machte den beneidenswerth, der ihm Hilfe bringen und sein Vertrauen rechtfertigen konnte. Ich freute mich auch für den Krieger, der seinen Muth in Rettung seines Feldherrn so glänzend erprobt, daß ihm jetzt auch eine Gelegenheit geboten war, seinen Edelsinn zu zeigen. Aber schaudervoll war das, was folgte. Der Soldat, grimmig durch die getäuschte Hoffnung auf Beute, faßte das arme Kind an einem Füßchen, ich sah seine blonden Löckchen in der Luft flattern, und an die Wand geschmettert rann das Blut desselben herab. Der Wüthrich eilt zur Wiege, durchsucht sie und da er Nichts von versteckten Schätzen findet, stürzt er die Wiege um, des Köpfchens und der Hände nicht achtend, die aus dem eingeschnürten Bett jammervoll heraushingen. Ich sah später denselben Soldaten in einem Gebüsch mit verzweiflungsvollen Blicken sitzen; plötzlich sprang er auf und eilte auf den Schauplatz seiner Gräuelthaten zurück. Dieselbe Bauernstube tauchte aus dem Bereiche der Träume wieder auf, mit ängstlichem Tritt, scheu umherblickend geht der Soldat zur Thüre herein, stürzt auf die Wiege hin und kehrt sie rasch um. Aber ach — das Gesichtchen des Kindes war blau, seine Augen mit Blut unterlaufen, es hatte sich schon zu todt gezappelt. Das Blut an der Wand war auch schon geronnen und schaute wie die Buchstaben eines furchtbaren Zeugniffes auf den Mörder herab. Dieser wagte mit seinen Augen nicht den kleinen Leichnam zu suchen, verhüllte sein Gesicht und eilte der Thüre zu. Während ich dieses Bild sah, warf sich der Träumende ungestüm hin und her und tiefes Stöhnen entwand sich seiner Brust. Ich war so in die Betrachtung dieses Traumbildes versunken, daß ich gar nicht bemerkte, wie sich eine dunkle Hand neben uns Münzen auf dem Brettchen eingefunden hatte und die Pfennige hastig zusammenräumte. Ich prallte vor Schrecken so zurück, daß mein Pfennighaus mit mir zurück wollte. Die Hand aber, die schon die Finger nach mir gekrümmt hatte, gehörte einem jungen Manne, der mitten im Stübchen stand und den ich sogleich aus der Gesichtsähnlichkeit als den Sohn meines bettelnden Greises erkannte. Der Schreckliche hatte sich während der Nacht heraufgeschlichen, um seinem Vater die erbettelten Pfennige zu stehlen. Ich habe viele Diebsgeschichten gesehen, eine schauderhaftere nie. Vor der Thüre des Stübchens kauerte eine Weibsgestalt im Nachtrock, wie eine große Katze mit brennenden Augen; ich irrte mich nicht, es war das Weib des Sohnes, die ihn zu diesem Bubenstück verleitet hatte. Ich war nicht geneigt, mich stehlen zu lassen. Vermöge der uns Geistern inwohnenden Kraft, die möglichen Folgen jeder menschlichen Handlung in Bildern zu zeigen, suchte ich den Dieb von der Niederträchtigkeit seines Beginnens zu überzeugen. Die Aussicht in eine weite Landschaft dehnte sich vor den Augen des ungerathenen Sohnes aus, ein riesiger Galgen erhob sich in der Mitte derselben, von Leichnamen behangen und Raben umstattert. Im raschen Wechsel ließ ich ihm seinen Vater schauen, wie er, von Thür zu Thür wandelnd, die Almosenpfennige einsammelte. Ich zeigte dem Dieb sein eigenes Bild, wie er am Rand eines Abgrundes hineilte, zu seinen Füßen riß sich gähnend der Schlund der Hölle auf; ich bot alle meine Kraft auf, dieselbe mit Schreckensbildern zu bevölkern. Der Dieb stutzte wirklich einige Sekunden; aus seinem Herzen stiegs auf wie eine Hand mit gehobenen Finger drohend. Es war sein Gewissen. Ich fing schon an mich des Siegs zu freuen, aber der weibliche Unhold an der Thüre winkte ungeduldig — ein rascher Griff der Hand, und ich war mit allen meinen Genossen in der Tasche des Diebes. Wie es uns Geldgeistern eine Freude ist, unserm rechtmäßigen Herrn zu nützen, so haben wir die Gewalt, denen, die uns widerrechtlich in ihre Gewalt bringen, zu schaden. Wir machen auch so häufig davon Gebrauch, daß wir das Sprichwort in Umlauf gebracht haben: „Ein unrechter Heller frißt zehn gerechte.“ Ich entzündete das Herz des Weibes unseres Diebes mit Lust nach uns, sie stahl viele von uns wieder ihrem Manne; dann säete ich diesem den Argwohn ins Gemüth, seine Frau habe ihm wohl schon auch früher Geld gestohlen und sie sei Ursache, daß er nie bei Münze sich befand. Zorn, Streit und Haß erfüllte das Haus; den Genius der Arbeitslust, dem wir sonst so folgsam gehorchen, hatten wir glücklich vertrieben. Melcher, so hieß der böse Sohn, war eines Tages in seinem Grimme fortgegangen, um sich auf der Kegelbahn zu erholen. Dieselbe lag abseits hinter dem Dorfwirthshause und war schon durch einige Spielgenossen Melchers belebt. Das hier zusammengebrachte Geld war meistens durch Betrug und Diebstahl erworben, und was die Spieler für Metallklingen gehalten hatten, wenn die Münzen auf den Spieltisch geworfen wurden, waren nichts als Klagen oder gegenseitige Aufmunterung zur Rache, die sich die Geldgeister zuriefen. „Ich bin, hört ich einen ansehnlichen Silbergeist drohen, ich bin einer armen Wittwe gestohlen worden, der ich lange als Spargeld gedient und deren Sorgen um die Zukunft ich zerstreut habe — weh dem, der mich bekommt.“ „Ich war,“ rief ein anderer, „das sorgsam gehütete Taufgeld eines braven Mädchens und soll jetzt in die schmutzige Ledertasche eines Wirthes. Kann ich das gedulden ?“ Melcher war in seinem Spiel sehr unglücklich gewesen, er hatte nur mehr mich in seiner Tasche, denn ich war, so oft er mich ergreifen und auf den Spieltisch werfen wollte, seinen Händen entschlüpft. Es galt den letzten Wurf; Melcher durchstöberte feine Tasche und ich mußte heraus. „Das ist ein schlechter Pfennig,“ rief ein Spieler, „den mögen wir nicht, der hat ein Loch. Troll dich heim Melcher, du bist ausgezogen, da nimm deinen Zweiring, bett’l dir noch einen dazu, damit du wenigstens einen Kreuzer hast. In Gesellschaft geht der Durchlöcherte leichter. Das Spiel ist aus, wenn du sonst nichts mehr hast. Der Durchlöcherte hat ein Loch in deine Tasche gefressen — b’hüt dich Gott.“ Und Hohngelächter erfolgte. Der Wirth wollte Melchern nichts mehr verabreichen; denn der Besitzer eines Zweirings ist bei Wirthen nicht angesehen. Und es setzte sich Melcher, nachdem er mich zornig wieder eingeschoben, in der Ecke der Kegelbahn nieder und schaute seinen Genossen nach, die jubelnd in die Wirthsstube zogen, um dort ihres Gewinnes sich zu erfreuen. Melcher mochte eine halbe Stunde so in stummer Verzweiflung dagesessen sein, als er eine Gesellschaft bekam. Es war ein verdächtig aussehender alter Mann, der mich erschreckte, als ich sein fatales, dämonisches Gesicht erblickte, und als er sich jetzt neben Melcher auf die halbverfaulte Einfassung der Kegelbahn hinsetzte. „Du bist ein Narr, Melcher,“ hub er an, „daß du dich so grämst; wenn ich an deiner Stelle wäre, ich wüßte schon den Ort, wo ich anklopfen müßte, um Geld zu erhalten.“ — „Geld erhalten?“ frug Melcher hastig, „woher könnt ich Geld erhalten?“ „Bei wem anders, als bei deinem Vater, dem alten Schlaukopf. — Dein Vater,“ fuhr er leiser fort, „hat einmal, da er noch Soldat war, einem vornehmen Herrn das Leben gerettet, da ist er bedeutend belohnt worden, und ich weiß gewiß, daß der alte Graukopf noch manchen Thaler verborgen hat. Er hat auch, so hab ich oft gehört, ein Geldstück; wenn du das bekommen könntest, so wärst du ein geborgener Mann, denn dies Geldstück ist ein Sammelgeld, und wer es in der Tasche trägt, dem kann das Geld nie ausgehen. Mach, daß du das bekommst.“ Melcher stand auf und eilte fort, seine geballte Faust in der leeren Tasche; mehrmals war er im Begriff, mich voll Grimmes wegzuwerfen, schob mich aber jedesmal wieder seufzend ein. Sein Weg führte ihn durch ein kleines Gehölz; es war recht schön da, die Luft sonnig und frisch, der Gesang der Vögel lustig und von allen Seiten herschallend. Wer weiß, ob nicht die treue mütterliche Stimme der Natur sein Herz beruhigt hätte, wenn nicht sein Unglück ihm gerade den Gegenstand seiner erregten Begierde zugeführt hätte. So oft die zornigen Gedanken seines Herzens, die raublustigen Blicke seiner Augen gleich wilden, beutesuchenden Thieren durch die Gebüsche sprangen, kehrten sie gemildert wieder zurück; gewiß hätten sie sich zufrieden gegeben — aber da saß am Wege Niemand anderer als sein alter Vater. Melcher hemmte seine Schritte und trat vor den Greis hin, schweigend seine funkelnden Augen auf ihn heftend. — „Wo kommst du her, Melcher?“ fragte ihn der Alte mit besorgtem Blick. — „Du hast dich nie um mich bekümmert, Vater, was liegt dir daran, woher ich komme.“ „Was, ich hab mich nie um dich —“ „Nein,“ fiel ihm Melcher heftig ins Wort, „nie um mich bekümmert. Das ist leider Gottes wahr. Könntest du’s sonst ansehen, daß ich in bittrer Noth lebe, während du Ueberfluß hast, daß ich um Pfennige fischen muß, während deine Thaler grau werden.“ „Du bist ein thörichter Mensch — wer hat dir dies wieder in den Kopf gesetzt, woher sollt ich Thaler nehmen? Ich bin froh, wenn nur die Leute ein Stück Brod geben, von dir bekam ich auch das nicht.“ „Was?“ schrie Melcher zornig, „was? weißt du, wie viel Jahre ich dich schon gefüttert habe? Ich will mein Kostgeld haben, eine Wohnung hast du mir auch noch nie bezahlt. Du weißt, ich bin dir gar Nichts schuldig.“ „Leider,“ antwortete der Alte seufzend, „hab ich zu viel auf dein Herz vertraut. Ich habe mir, da ich dir den Hof übergab, Nichts abgenommen als gute Behandlung; den ersten Theil hast du treulich gehalten, du hast mir nichts gegeben, aber was gute Behandlung ist, kenn ich nur vom Hersagen anderer Leute.“ „Du hast ja Nichts gebraucht. Aber ich brauch jetzt Geld, und will es von dir haben. Verläugne mir dein Geld nicht, die Leute wissens besser als dein Sohn, also her damit, oder ich werd mirs auf eine andere Weise verschaffen.“ — „Gottvergessener Mensch,“ sprach der Alte, vor Unwillen bleich, und stand auf um fortzugehen, „ich habe nichts als meine siebzig Jahre und meine Armuth: sie sind aber nicht so schwer, als der Gedanke, daß ich einen solchen Sohn aufgezogen habe.“ — Melcher streckte seine Hand nach dem Alten aus, und wie er sie ausstreckte, schien es mir, als hab er das unsichtbare Band zerrissen, das zwischen Vater und Sohn geschlungen ist, und als sei der Schatten einer höllischen Verfinsterung auf Melcher gefallen. Er hatte den Greis am Halse gefaßt und rief wuthentbrannt : „Nein, du kommst nicht von dieser Stelle. Einer von uns beiden muß des Teufels sein, wenn du mir nicht sagst, wo du dein Geld versteckt hast. Und die Sammelmünze will ich gleich auf der Stelle.“ — „Sammelmünze,“ antwortete der Alte, sich vergebens loszumachen suchend, „welche Sammelmünze ?“ fragte er nochmal, und begegnete mit unerschrockenem, verachtenden Blick dem Aug seines Sohnes. „Stell dich nicht so,“ sprach der Sohn und schüttelte grimmig lachend den Alten. „Du hast eine Teufelsmünze, die macht, daß dir das Geld nie ausgeht; du hast sie lang genug gehabt, mich gelüstet es, dich davon zu erlösen.“ — „Allerdings hab’ ich eine solche Sammelmünze, aber bei dir und deinesgleichen gilt sie nicht. Es ist mein flehender Blick und das Mitleid der Menschen, das kennst du aber nicht.“ „Ich will keine Predigt von dir, Alter, ich will Geld haben, mach weiter oder —“ Was jetzt geschah, war fürchterlich zu sehen; der Greis setzte sich zur Wehr und hielt seinen Arm über sein graues Haupt, um die Streiche zu entkräften, die von der geballten Faust seines Sohnes gegen dasselbe gerichtet waren. Ich konnte nicht mehr hinsehen; ich erinnerte mich nur, wie der Greis am Boden lag und die Kniee seines Sohnes umfaßte, dieser blind vor Zorn zurück sprang, und mit einem dicken dürren Baumast zurückkehrte. Hastig hatte der Alte seine Taschen durchsucht und hielt zitternd eine Handvoll Pfennige als Lösegeld für sein Leben dem Mörder entgegen. Vergebens, mit geschwungenem Prügel stand dieser vor ihm, wie Kain vor Abel. (Fortsetzung folgt.) Erbkaiser? „Erbkaiser? — Erb? — Kaiser ?— — Hm! — Da drängen sich mir zwei Elemente auf: — Entweder erbt der Kaiser das Volk, — oder — das Volk erbt den Kaiser. — Es frägt sich nun: „Was ist das weniger Schlimme?“ — Wundschau. Wundarzt. „Ick habe nun, Herr Assessor, den Körper des Inculpaten genau untersucht, — an demselben aber nichts wahrnehmen können, als eine Contusion an der Schulter, ohngefähr in der Größe eines Kronenthalers.“ Assessor. „Schreiben Sie, Herr Aktuar: — bei der gerichtlichen Visitation fand sich an dem Körper des Inculpaten nichts vor, als eine Contusion an der Schulter, ohngefähr so groß, wie zwei Gulden zweiundvierzig Kreuze.“ — Ein Minister aus dem Volke. I. Wie der Assessor Janus, nachdem er bei der Beförderung 150 Mal übergangen worden, gewaltig demokratische Gedanken in seinem Kopfe zu wälzen beginnt. II. Eindringliche Protestation des Volkes wider das bestende Ministerium III. Assessor Janus tritt als Wühler und Volksredner auf, und entflammt die Gemüther seiner Zuhörer durch patriotische Reden gegen das Ministerium — und nebenbei für sich. IV Assessor Janus, durch das Volk zum Minister erhoben, vor dem Fürsten. Die Hofluft scheint auf seinen Rücken bereits etwas drückend einzuwirken. Einige Monate später. V. Eine Deputation erinnert den Minister Janus an seine noch immer nicht gehaltenen Versprechungen. Minister. „Gedulden Sie sich, meine Herren! Leider ist der günstige Zeitpunkt noch nicht gekommen, um Ihren so gerechten Wünschen Rechnung zu tragen. Versichern Sie jedoch den lieben Bürgern, daß ich nie aufhören werde für ihr Bestes zu sorgen. Adieu !“ VI. Ordonnanz. „Excellenz! habe zu melden, es zeige sich bedenkliche Gährung im Volke. Man rottet sich auf den Straßen zusammen und will die Erfüllung Ihrer Versprechungen nöthigenfalls mit Gewalt erzwingen.“ Minister. „Ei was. Narrenpossen! Lassen Sie indessen nur ein paar Bataillone ausrücken; sobald die Francaise zu Ende ist, werde ich sogleich die umfassendsten Maßregeln ergreifen, um der Emeute zu steuern.“ VII. Wie der Volksminister Janus seine volksfreundlichen Gesinnungen glänzend bethätigen läßt, VIII. und das Volk zuletzt ihm dieselben ganz nach Gebühr belohnt. Im Gartenhause. An einem Frühlingsabend schien Selene Auf Wald und Flur mit wonniglicher Lust. Im Gartenhause weint so manche Thräne Die Neuvermählte an des Gatten Brust. „O,“ rief Rosaura, „welch’ ein heilig Flimmern Welch’ mildiglicher, himmlischsüßer Schein! O welch’ ein holdes, zauberisches Schimmern. O Mondnachtglanz ich denke ewig dein! Das traute Plätschern einer nahen Quelle, Die neuerwachten Sänger ringsherum, Das Abendläuten aus der Waldkapelle, Schafft diesen Park mir zum Elysium. O Luna, möcht’ an deinen Busen fallen, Umarmen, küssen dich am Herzen mein! O dürft’ ich so beim Mond hinüberwallen, Ich würde über-, überglücklich sein! Was wünschest du im Thränenthal der Mängel? Was wünschest du dir, süßes Männchen traut? Mein Heinrich, o mein hochgeliebter Engel, Was wünscht dein Herze?“ — „Speck und Sauerkraut.“ Kasp. Hagen Kleine Täuschung. Verwalter. „Hört er’s, Dipfelhuber, wie’s kloppt? des verdammte Herzkloppa! Ja, seit der letzte Katzenmusik hat’s mi am Bandl; des hat der Schrecke gmacht. Hör’ er nur emal, wie’s kloppt!“ Schreiber Dipfelhuber. „Euer Gnaden, Herr Verwalta, i’ hör’ koi Sterbeswörtle.“ Verwalter. „Nu, des muß er ja do’ höra.“ Dipfelhuber. „Noi, i’ hör’ nix, als daß im Dorf hinten drescha.“ Verwalter. „Richti, des ischt’s! schau, han i’ jetzt wahrhafti’ gmoant, es isch mei’ Herzkloppa wieder.“ Sanitätspolizei. „Bestellen Sie mir auf morgen Nachmittags vier Uhr den Gerichtschirurgen, damit an dem unterm Gestrigen Ertrunkenen die geeigneten Wiederbelebungsversuche schleunigst vorgenommen werden.“ Consequenz. „Eier Ekselenz! In dem gewaltigem Sieg, wu Ihre Truppen die vorige Woche über die Insorgenten erfochten, häben sich mehrere Jüden merkwerdig ausgezeichnet und haben auch davor von Ihnen schöne Verzierungen auf die Brust erhalten, und sind erhoben worden. Ich bin a Jüd’. Haben Sie die Gnad’, mir aach Ehr’ anzuthun, und mich zu belohnen!“ „Nur dem Verdienst seine Krone! Der zufällige Umstand, daß Ihr mit jenen tapferen Männern gleiche Religion habt, berechtigt Euch nicht zum geringsten derartigen Anspruch.“ „Gnädiger Herr ! Haben Sie doch den Befehl herausgegeben, daß bei hochverrätherischen Vergehen einzelner Juden wir Alle solidarische Verbindlichkeit haben, worum sollten Sie mir jetzt diese gerechte Bitte abschlagen? Muß ich das Böse mit leiden, worum soll ich das Gute nicht aach mit genießen?“ — === FB9-0201 Memoiren eines Operpfennigs. (Fortsetzung.) „Halt, Elender!“ klang es jetzt plötzlich aus dem Wald, und eine nervige Faust hielt den geschwungenen Arm des entsetzlichen Sohnes auf. Dieser kehrte sich rasch, und sobald er einen dritten neben sich sah, wendete sich diesem auch sogleich sein Zorn entgegen. Den Prügel wegwerfen, ein langes Messer auf den Fremden zucken, war wirklich das Werk eines Augenblickes. Der Fremde aber, der das grüne Gewand eines Jägers trug, sprang auf die Seite, zog ein Pistol aus seiner Jagdtasche und feuerte es auf Melcher ab. Der Schuß ging fehl und die Kugel fuhr hart neben dem auf der Erde liegenden Greis pfeifend in den Boden. Melcher rüstete sich zu einem neuen Angriff; so mit geschwungenem Messer, sich emporsträubenden Haaren, wuthbleichem Gesicht, war er schrecklich anzusehen. Er hatte es aber mit einem gewandten Gegner zu thun. Rasch kehrte dieser die abgeschossene Pistole um, und gebrauchte sie als Keule. Ein wohlgezielter Schlag traf die Rechte Melchers so heftig, daß ihm das Messer aus der Hand fiel. Noch hätte also der Rasende Zeit zur Besinnung gehabt, aber umsonst. Mit einem gewandten Griff hatte er sein Messer wieder aufgerafft und ging mit demselben bewaffnet auf den Gegner los. Dieser führte einen zweiten, weitausgeholten Schlag mit der Pistole und es bedurfte keines dritten. Melcher, an der Stirne getroffen, taumelte zurück und kehrte sich um, er schien fliehen zu wollen, that aber bloß ein paar Schritte und fiel dann mit dem Gesichte an eine schneeweiße Birke, an der er langsam herabrutschte. Er war ganz todt, sein Blut und Gehirn rann an der Birkenrinde herunter.— Wehklagend bemerkte es sein Vater, er stürzte sich auf den Sohn, ihm das Blut aus dem Gesicht zu wischen, und dann wollte er gar den todten Körper auf seine Schultern laden und forttragen. Der Fremde riß ihn zurück, sprach hastig etwas von einer Gerichtsvisitation, und nachdem er einige Sekunden spähend umhergeschaut hatte, zog er ein weißbeinernes Pfeifchen hervor und entlockte demselben einige scharfe Töne. Bald eilten ein paar Jäger herbei, diesen befahl er bei der Leiche zu wachen, er selbst, den zögernden Alten mit sich fortziehend, verschwand im Walde. Da lag also Melchers Leichnam und ich in der Tasche seines Kleides. Denk dir, wie schrecklich mir dieser Aufenthalt wurde. Den einen Theil des schrecklichen Zustandes, neben einer Leiche existiren zu müssen, wirst du als alter Pfarrer leicht begreifen; der andere Theil ist nur mir als Geist beschieden. Wie soll ich dir die Veränderung deutlich machen, die mit dem Menschenleib in jenem Momente ergeht, wo das Leben aus ihm entweicht? Aber denk dir die Erde, wenn die Sonne untergeht und sich die Finsterniß auf dieselbe lagert, da ist jetzt alles anders, du würdest sagen geisterhafter; ein ganz anderes Leben erwacht unter den Strahlen des Mondscheines. Viel Aehnliches damit hat der Leib eines gestorbenen Menschen; wenn seine Sonne, die Seele und das Leben ihn verlassen hat, so sinkt die Ewigkeit auf ihn herab, wie die vom Sternenlicht durchzitterte Nacht. Es ist schauerlich zu sehen, wie der Leib, von dem letzten Strahl des Lebens verlassen, still und geräuschlos hinab gleitet in den Schooß der Unendlichkeit; wie beim Erlöschen des irdischen Lebenslichtes die ersten Strahlen der Ewigkeit auf ihn fallen, und wie da die Geister, denen er angehört, entweder wie süße Mondstrahlen herbeischweben oder wie schauerliche Nachteulen aus der Tiefe schwirren — beide, um den Leichnam zu bewachen bis zur Auferstehung. Das Alles könnt ihr Menschen nicht sehen und du kannst auch das Mißbehagen nicht beurtheilen, womit ich die Ankunft der höllischen Geister bemerkte, die wie gefräßiges Ungeziefer sich um den ihnen verfallenen Leichnam Melchers sammelten. Leider dauerte das schier zwei Tage, denn so lang ging es her, bis diejenigen erschienen, die eine amtliche Einsicht vom Tatbestand nehmen mußten. Außer den bestellten Wächtern hatte sich noch eine Menge Zuschauer eingefunden; schier zu jeder Stunde des Tages bemerkt ich welche, aber keiner kam, der ein herzliches Mitleiden geäußert hätte. Der alte Melcher — er hieß nämlich wie sein erschlagener Sohn — aber war immer zugegen, hinter einem dickten Gebüsch versteckt, wo ihn Niemand sehen konnte. Aber er sah nicht nur die Leute, sondern mußte auch manche herzkränkende Rede derselben hören. — „Der einzige Nutzen,“ sprach Einer, „den der junge Melcher hier auf Erden gebracht hat, den genießt man jetzt. Man kann sich ein Beispiel nehmen, wohin solch gottloses Leben führt. Gut ist’s, wenn Gott hie und da so auffallend straft, sonst meinten unsere Leute gerad, sie dürften gar thun, was sie wollten.“ „Schon von Jugend auf,“ redete ein Anderer, „ist er ein entsetzlicher Kerl gewesen. So jähzornig, gleich geflucht und immer gespielt, wie ein Ratz. Es war kein besseres Ende für ihn zu erwarten.“ „Mein Gott,“ war des Dritten Meinung, „sein Vater war selbst nicht viel werth in dem Punkt. Ich thu ihm Nichts von seiner Ehre, aber warum hat er seinen Sohn nicht besser erzogen? Warum hat er diese Wurzeln des Zornes und der Spiellust nicht aus seinem Herzen gerissen? Antwort — weil er sie selbst im Herzen hatte; ich weiß noch gut, wie er vom Soldatenleben heimkam, meinte man doch, er wolle Alles fressen. Und ich hab von seinen Kameraden, die mit ihm beim Militär gewesen sind, schauderhafte Sachen erzählen hören.“ — Seufzen und Schluchzen drang jetzt aus dem Gebüsch, das hinter der Leiche war, ein Mädchen stieß den Redenden in die Seite und flüsterte: „Sei doch still, der alte Melcher sitzt dort und hört Alles.“ Es war Marietta, die so gesprochen und ihrem alten Freund den Schmerz ersparen wollte, den ihm solche Reden machen mußten. Es gelang ihr aber nicht. „Meinethalb soll er’s hören“ — hieß es, und nun ging’s noch ärger über den alten und jungen Melcher los. So wenig ich die Seelnonnen mag, so war es mir doch angenehm, als jetzt eine dergleichen erschien und zu beten anfing: „Herr gib ihm die ewige Ruhe, Vater unser.“ Aber welch’ ein Gebet! Die vorbetende Seelnonne musterte mit verächtlichen Blicken den schlechten Anzug Melchers, es war als ob sie jedes Vaterunser reute; die Leute beteten zerstreut und gedankenlos mit, und die höllischen Geister schlugen bei jedem: „Herr gib ihm die ewige Ruhe“ ein Hohngelächter auf, denn sie wußten, daß alles Gebet den Verstorbenen ihnen nicht entreißen konnte. Gegen Abend desselben Tages kam endlich die gerichtliche Kommission. An der rechten Seite des Beamten ging der junge Mann, aus dessen Hand Melcher den Tod erhalten hatte; er sah recht stattlich und kriegerisch aus; mir that es wohl, endlich einem Blick zu begegnen, der über die traurige Scene einige Theilnahme zeigte. Nach geschehener Untersuchung begann der Beamte eine Schrift zu dictiren — kaum aber hatte er Namen und Titel des jungen Mannes genannt, als der alte Melcher aus seinem Versteck hervorstürzte und demselben zu Füßen fallen wollte. Da er ihn anblickte, stand er wieder still, trat einige Schritte zurück, trat wieder vor und entfernte sich aufs Neue mit scheuer Schüchternheit. Bald erklärte sich das Betragen des alten Mannes. Der, auf den er bald freudenvoll hineile, vor dem er dann wieder erschreckt zurücktrat, trug den Namen und Rang desjenigen Generals, den Melcher einst in der Schlacht aus der Todesgefahr entrissen hatte. Der junge General, der sich der Jagd wegen in der Umgegend hier aufhielt, reichte gerührt dem Retter seines Vaters die Hand und sprach: „Es freut mich, daß ich dir vergelten konnte, was dir mein Vater noch schuldig ist. Ich habe dich aus der Hand jenes jetzt todten Wüthrichs befreit.“ „Ach,“ jammerte der alte Mann, „Sie waren nicht geboren, als ich das Glück hatte, Ihrem Vater das Leben zu retten. Ach, mein Sohn war auch nicht geboren. Sie stehen in herrlicher Jugendkraft vor mir und mein Sohn der liegt am Boden, von Niemand betrauert, von Niemanden beweint.“ Er bedeckte sein Antlitz mit seinen beiden Händen und weinte und schluchzte heftig. Der junge General versank in schmerzliches Hinsinnen. — „Wir können nicht länger warten, Herr General“ — so mahnte der Commissär im Amtston, die Uhr in der Hand. — Die Leiche wurde aufgeladen und man schickte sich schon zum Heimzug an, als der arme Melcher dem Beamten in den Weg trat, und, ihn mit der Hand fassend, heftig rief: „Das Blut, das Blut dort an der weißen Birke ist auch von ihm, nehmet es mit, um Gotteswillen nehmt es mit.“ — Das Volk umstand sie in einem Kreise und einzelne Züge des Mitleides leuchteten in den Gesichtern auf. Einer nahm sein Fürtuch, trat zur Birke und wischte das Blut ab. Der alte Melcher aber sagte zum General: „Vergessen Sie’s nie, mein Herr, Gott ist immer gerecht; jene schönste Zeit meines Soldatenlebens, wo Gott die Rettung meines Feldherrn in meine Hand gegeben hatte — ich hab sie mit einer That befleckt — ach — ich wundere mich, daß ihre Last mein Herz noch nicht erdrückt hat. Seit Jahren tracht ich Ihren Vater zu sehen, aber jetzt kommt sein Sohn mir auch das Leben zu retten. Ach, was ich Ihrem Vater gethan, Sie haben es mir gestern bezahlt, und was ich noch gethan, ach, es ist auch bezahlt. Schrecklich! schrecklich! Zur weißen Wand, mit Kindesblut bedeckt, von meiner Hand vergossen, kommt auch noch die weiße Birke mit meines Sohnes Blut bedeckt, vergossen von der Hand, die Gott zu meiner Rettung geschickt hatte.“ Es war mir, als hätt’ ich das Rauschen zweier großer Fittige gehört, und als ich aus meiner Höhle emporblickte, sah ich über der ganzen Scene den Engel der Vergeltung schweben, den ich noch immer bemerkte, wenn ein Urtheil Gottes auf Erden vollzogen worden ist. Er schwebte zwischen Erd und Himmel, und seine Flügel waren so groß, daß der Himmel ganz verdeckt schien, ernst und traurig aber ruhte sein Blick auf Melchers Leiche. So bis neun Uhr Abends hin wurde es in Melchers Haus ruhig; die Leute, die beim Todtengebet dagewesen waren, hatten sich entfernt; die Leiche lag in der Wohnstube, ein Oellicht stand ihr zu Haupten. Doch als aus der Küche zwei Weiber hervortraten, war es mit der Stille aus, sie sprachen anfangs etwas schnell mit einander, dann aber entstand ein lauter Streit zwischen den Beiden. Es war aber die Seelnonne und Melchers Weib, die sich heftig zankten und zwar über die sogenannten Grabsachen Melchers — d. h. jene Gegenstände von Geld und Kleidern, die der Todte beim Sterben an sich hat und die der Seelnonne verfallen. Das Weib behauptete, ihr Mann müsse noch Geld in der Tasche gehabt haben und das gehöre ihr. Die erzürnte Seelnonne aber sprang gegen die Hausthür und schrie in die stille Nacht hinaus: „Erlogen ist’s, nichts hat der Lump in der Tasche gehabt, als diesen elenden durchlöcherten Pfennig und den mag ich auch nicht.“ Damit warf sie etwas in’s Gras hinaus. Und gerad dieser elende, durchlöcherte Pfennig das ist meine Wohnung gewesen. (Schluß folgt.) „Was geht vor?“ „So ein armes Vieh, so ein Hund, der sich nun den ganzen Tag abgehetzt hat, thut Einem doch leid, wenn man es sollte nachher zu Hause laufen lassen.“ „Laufen lassen? — den Hund nach der Jagd? da ließ ich eher all meine Kinder nebenher laufen.“ Erwerbsbeeinträchtigung. „Geh weg Bettelweib, ich muß hier fechten.“ Gerechte Klage. „Ach Fritze, wie siehst Du in dem Anzuge aus!“ „Ja, was kann ich davor? mei Vater hat mirn octroyrt.“ Wann wird Deutschland einig sein? „Weib! jetzt halt ichs nimmer aus — hab’ ich gemeint Deutschland sei schon eins, und derweil geht das Durcheinander erst recht an. Weißt was, ich leg mich nieder und schlafe bis Deutschland einig ist, dann weckst mich auf!!“ — Liebs Männle — wach auf — wach auf! — jetzt scheint mirs, könnte Deutschland einig werden, wenn nit wieder was dazwischen kommt.“ Lieder von H. Radein. Neue Folgen. I. Warum ich singe? Mit Deines Haares goldnen Flechten Hast Du die Seele mir umwunden, Mit Deiner Augen blauem Zauber Hast ewig Du mein Herz gebunden; Die Worte, die Dein Mund gesprochen, Sind, wie ein lichter Frühlingssegen Mir tief in meine Brust gefallen, Und blühen als Lieder Dir entgegen. II. Herbstfrühling. Sage mein Herz, warum ist’s in dir so frühlingshelle? Waltet doch draußen der gelbe Herbst, der trübe Geselle! Sag’ meine Brust, warum treibst du denn Frühlingsboten? Fallen doch draußen vom Baum die Blätter, die herbstesmüden! Sag’ meine Seele, warum’s in dir wie Frühlingsruf erschallt? Ziehen doch von dannen schweigend draußen die fröhlichen Sänger im Wald! Das macht: Sie ist aus der Ferne zurückgekehrt, Und hat mir den ganzen Frühling wieder beschert. III. Nachtgedanken. Ich durchwandle die Straßen nächtig und leer, Und über mir leuchtet die Sternenmenge So zahllos, als wäre dem strahlenden Heer’ Die blaue Unendlichkeit selbst zu enge. Du hast mir das Herz so mächtig geschwellt, Daß es all die Liebe nicht kann umfassen; Ich möchte die ganze, weite Welt An meinem Glücke genießen lassen. (Fortsetzung folgt.) Jagdabenteuer. Eine schwere Aufgabe. Laß’ d’ Hund aus Sepperl! In drei Teufels Namen, warum laßt denn d’ Hund nit aus ! ! ! Naiv – aber wahr. Graf. „Hiesel sperrs Maul nicht immer so auf, sonst fliegt dir dock noch mal a Schnepf hineinei.“ Treiber. „War scho recht, Herr Grof, Es trefft’s a s’ koan.“ Eigenes Unglück. „Sage mir um Gotteswillen, Amalie, warum bist du immer so traurig und niedergeschlagen, du die Gattin des reichsten, weder von einem Staats— dienste abhängigen, noch an ein Geschäft geketteten, folglich freiesten ungebundensten Mannes der Stadt.“ „Nun, meine liebe Julie, wenn du denn durchaus darauf bestehst, den Grund meines Kummers zu kennen, so höre. — Du weißt, daß mein Gatte, als ich ihn heirathete, Wittwer war. Meine Freundinnen, die vor mir sich verehelichten — sind, da die eine einen Rath, die andere einen Major heirathete, nun Frau Räthin und Frau Majorin geworden, und nur ich habe das Unglück, noch nicht Wittwe zu sein.“ Lassen wir’s beim Alten. „I sag’s Ihne, Herr Oberschreiber, es ist nix mit der deutschen Einheit, es geht net zamma s’ kann net zamm gehn, des sehn die Democratschi und Stutionellen net ein! — Wolln wir an Kaiser haben — leidet’s Rußland net. Wolln ma a Flotte — leid’s England net. Wolln ma d’ Republik — leid’s Frankreich net. Wolln ma die Verfassung, leidens unsere Fürsten net — was ist da zu macha? — nix ist zu macha — also lassen wir’s beim Alten, na wissen wir doch, daß wir nix hab’n.“ === FB9-0202 Memoiren eines Opferpfennigs. (Schluß.) Ich war froh aus der Gewalt der Seelnonne gekommen zu sein und befand mich im thauigen Grase sehr wohl. Ich lag nicht sehr lange da, als ein guter Freund von mir aus dem Geschlecht der Mondstrahlen mich besuchte, und sich neben mir auf den Boden niederließ. Ich hatte Bleichino, so hieß der Strahl, schon in meiner Jugend, wenigstens vor hundert Jahren kennen gelernt; mein Haus war damals noch glänzend vom Gepräge und undurchlöchert und war zu St. Nicolaitag einem Kind von seiner Base geschenkt worden; das Kind war, in Freude über mich versunken, heimgegangen, und hatte sich nicht enthalten können, mich im Mondschein nochmal zu betrachten. Bleichino, seit seiner Schöpfung ein Freund zarter Mädchenaugen, gaukelte gerade um die Augen jenes Kindes und da haben wir unsere Bekanntschaft gemacht. Darum saßen wir auch wie alte Freunde bei einander. Ich erzählte dem Strahl alles, was mir in Betreff Melchers begegnet war; er wußte viel von Mädchenblicken, mit denen er spazieren gewandelt von weißen Stirnen, auf denen er herumgeflattert, von rothen Lippen, die er umspielt und von zarten Wangen, die er in seligem Entzücken umflossen. Von seiner neuesten Geliebten, einem achtzehnjährigen Mädchen, wußte er zwar den Namen nicht, aber so viele Lobpreisungen und überschwengliche Herrlichkeiten von ihr entströmten wie reichliche Wasserfälle seinem Munde; mit allen möglichen Blüthen und Blumen, Gewürzen und Edelsteinen, Lichtern, Sternen und Sonnen verglich er sie, so daß mir gewiß das Lachen ausgekommen wäre, hätte ich nicht fürchten müssen, ihn zu beleidigen. „Holla,“ rief er jetzt begeistert, „frohlocke Freund im Kupferhaus, daß deine Augen gewürdigt sind das Licht meiner Liebe zu sehen — denn, dort kömmt sie dahergewandelt, die Liliengleiche, wie ein Sonnenstrahl, lieblich wie eine in Erfüllung gegangene Sehnsucht!“ — Ich schaute hin und sieh Marietta schlich sich aus dem Hause Melchers; der alte Melcher hinter ihr, den sie vermuthlich besucht hatte, wollte ihre Hand gar nicht loslassen. Er schaute ihr mit seinem bleichen Gesicht noch lange nach, als das Mädchen gegen uns herwandelte. Bleichino kam wie außer sich, er tanzte und sprang und fing an besonders hell zu leuchten. Deßwegen hat mich auch Marietta „der liliengleiche Sonnenstrahl“ (um mit meinem Freunde zu reden) im Grase liegen sehen. Sie hob mich auf und trug mich in ihrer Hand; Bleichino hüpfte tanzend vor ihr, um ihr den Weg zu erleuchten. Daheim setzte er sich vor ihr Fenster und wurde nicht müde, alle nützlichen Sprünge und Burzelbäume zu machen. Mich aber hat beim letzten Liebes- und Freudopfer, das für Melcher in der Kirche war, die Marietta geopfert und so bin ich wieder zu dir gekommen.“ So sprach der alte Pfarrer und schlang den rothen Faden um sein Manuskript; das ist die erste Mittheilung meinet nächtlichen Gastes gewesen. Der kleine Schelm saß ganz traurig und niedergeschlagen da; nicht ich allein, sondern jeder hätte gemeint, das Schicksal Melchers sei ihm nah gegangen und habe ihn so betrübt; aber später hab ich erfahren, daß der Grund seiner Betrübniß darin lag, weil er meine Gesellschaft gegen die Marietta’s hatte vertauschen müssen. Das hätte sich doch kein Mensch träumen lassen, meine Gesellschaft und die einer achtzehnjährigen Puppe — schloß kopfschüttelnd der Pfarrer. „Darunter will ich nicht verstanden sein,“ antwortete die strickende Gesellschaftsrichterin, „ich fänd’s im Gegentheil unbegreiflich, wie es einer sich hätte anders träumen lassen können. Ich habe dadurch erst einige Achtung vor euerem Kupfergast erhalten, da er doch Gefühl zeigt und Unterscheidungskunst.“ Der Pfarrer war beleidigt und appellirte an das Rechtsgefühl der Gesellschaft. — „Rechtsgefühl haben wir,“ sprach das Mädchen, und hub ein Papier auf, das dem Alten aus seinem Manuscriptpäckchen gefallen war; „hier ist etwas von euerm Eigenthum, sucht eine Gesellschaft, wo man es euch so schnell wieder zurückgestellt hätte. Doch halt, zuerst muß ich doch lesen, was droben steht.“ — „Nichts,“ rief der Alte, „her damit du Vorwitz“ und so riß er ihr das Blättchen zornig aus der Hand. „Ach, das begreif ich gar nicht,“ entgegnete das Mädchen im weinerlichen Ton, „ihr seid doch Pfänderspieldirector und Archivar unserer feinsten und theuersten Gefühle, und so lang ich denke, war ein Pfänderspieldirector immer der höchsten Sanftmuth beflissen und hat sich Alles gefallen lassen, und seit ich euch kenne oder ihr mich, was gestern an meinem Geburtstag achtzehn Jahre gewesen sind, habt’s Ihr auch immer so gemacht. Wie seid Ihr so sonderbar?“ Der Alte mußte lachen, und das um so mehr, da jetzt auch der Gerichtshalter mit folgender Stylisirung angesegelt kam: „Ich bin zwar über den Inhalt des fraglichen Blättchens nicht vollständig instruirt, sollte er aber desselben Betreff’s sein, wie das Vorgelesene, respective, wenn das, was auf dem Blättchen steht, auf den alten Melcher et Consorten reflectirt, so dürfte die Kommunikation und Mittheilung besagten Blättchens anher sehr wünschenswerth erscheinen.“ Dem Mädchen wurde das Papier wieder eingehändigt mit dem Auftrag, es vorzulesen. — „Aha,“ rief sie, „jetzt weiß ichs, warum der Herr Pfänderdirector dies nicht hat vorlesen lassen wollen. Es ist ein Brief von derselben Marietta, wegen der er schon auf seinen Kupfergeist eifersüchtig war. Und der Brief, ach! ist auch an Jemand Andern, als an unfern liebgeschätzten Pfänderdirector gerichtet !“ Aber ein ihr sehr gut anstehender Ernst ebnete ihre von Muthwillen aufgeregten Gesichtszüge, als sie den Brief ein wenig näher betrachtete. Mit wohlklingender Stimme las sie: „Melcher schreibt dir, liebe Marietta, folgenden Brief: Da ist mein Sohn todt gewesen und da hab ich unendlich viel geweint; einmal über sein Todtsein und dann über die Reden der Leute, ich sei daran Schuld. Und wie sie bei seiner Leiche gebetet, da hab ich mich nicht hingetraut, denn sie hätten mich noch mehr ausspotten können; ich saß heraus hinter dem Holzhaufen und betete mit. Da wurd’ ich so traurig, daß ich nicht mehr beten konnte, ich schaute ganz starr in die finstere Nacht hinauf; gerade so dunkel, so finster, dacht ich mir, liegt die Ewigkeit vor mir, und bald, bald muß ich zu ihr hinüber. Als ich so in den dunkeln Himmel hinausschaute, da leuchtete ein Stern auf aus seiner Tiefe, so daß ich vor Freude schier erschrocken bin. Ich hörte wieder das Beten, es war deine Stimme, die so hell herausklang durch’s Fenster; gerad wie ich den Stern sah, war’t ihr bei der Litaney und ich hörte dich deutlich antworten: „Erbarme dich seiner.“ O Erbarmen Gottes, seliger Stern in der Nacht der Ewigkeit für alle Sünder. Wie bist du mir damals so lieblich vorgekommen. O verlaß mich nicht mehr. Amen.“ Die Leserin faltete den Brief und steckte ihn mäuschenstill unter ihr Brusttuch, der Pfarrer ließ es geschehen. — „Wie kam der Brief in deine Hand?“ — fragte jetzt einer aus der Gesellschaft. — „Der alte Melcher hat ihn mir gegeben, als ich letzthin in der Stadt war, denn dort lebt er beim alten General.“ — „Hat er nicht Langeweile in der Stadt?“ — „Nein, die Marietta vertreibt ihm prächtig die Zeit.“ — „Ist die bei ihm?“ fragten drei weibliche Stimmen zugleich. „Freilich,“ sprach der alte Pfarrer lächelnd; „daß der alte Melcher beim alten General ist, das ist sehr natürlich zugegangen, wie aber Marietta die schöne Frau des jungen Generals geworden ist, das soll eine sehr wunderbare Geschichte sein, aber ich hab’s nie von der Frau Generalin heraus bringen können; deßungeachtet frag ich sie jedesmal darum, so oft ich zu ihr komme; sie wird so hübsch roth dabei und an ihrem bescheidnen Lächeln seh ich mich nie satt; wers aber von euch Mädchen wissen will, der gehe hin und frage sie selbst.“ — „Was?“ rief die Strickerin, „Marietta ist die Frau des jungen Generals geworden? die Treulose! armer Pfänderspieldirector, armer Bleichino!“ M. O. Nur consequent. Doktor. „Machen Sie in Ihrem Spitale auch Versuche?“ Professor. „Das glaub’ ich! da haben wir z. B. für die Lungenentzündung drei Abtheilungen. In der ersten bekommen die Kranken gar nichts, in der zweiten bekommen sie Brechweinstein, in der dritten Brechweinstein und Aderlässe. Es sterben überall gleichviel.“ Doktor. „Glauben Sie nicht, daß mancher Kranke der ersten Abtheilung durch eine Aderlässe zu retten gewesen wäre?“ Professor. „Ganz gewiß, aber dies darf nicht sein. Wir müssen consequent bleiben, um zu einem Resultate zu gelangen.“ Der treue Ehemann. „Schrei Du nur zu! ich ziehe Dich doch nicht raus. Das passirte mir mein Lebtag nicht wieder, daß die nochmal von einer Brücke runterstürzte.“ Anzeige und Empfehlung. Der gehorsamst Unterzeichnete, erst kürzlich hier eingetroffen, beehrt sich, einem hohen Adel und verehrlichen Publikum anzuzeigen, daß er demnächst ein Juweliergeschäft in hiesiger Stadt eröffnen wird. Wie es die Serben machen, wenn sie Lust auf ein wohlfeiles Schweinefleisch haben. Wenn der serbische Bauer lange genug kein Fleisch gesehen und nichts als Kukuruz gekaut hat, so gebraucht er eine unschuldige Kriegslist, um sich ein Schweinchen zu verschaffen. Gewöhnlich wagt er sich dann ein Stück in’s Ungarische hinein, und trachtet darnach, einer Schweineheerde zu begegnen. Hat er eine entdeckt, so nimmt er seinen großen. breitkrempigen Filzhut vom Kopf und schlägt die Krempe an drei Seiten so in die Höhe daß ein respektabler Dreimaster daraus wird. Das Innere der dadurch gebildeten Höhlung füllt er sodann mit Kukuruz (Mais) den er zu diesem Endzweck in der Tasche bei sich führt. Darauf geht er unbefangen, als führe sein Weg da hinaus, mitten durch die Heerde. Der Hirt verfolgt ihn zwar, so weit er ihn sehen kann, argwönisch mit den Augen, aber er sieht blos, daß der Serbe sehr oft den Kopf schüttelt, gleich als spotte er über das schlechte Aussehen der Heerde. Darüber ärgert er sich so sehr, daß er es gar nicht gewahr wird, wie ein feistes Schwein, das der schlaue Serbe sich ausersehen hat, nach und nach eine ganz entgegengesetzte Richung, nemlich die Spur der durch das Kopfschütteln ausgestreuten Kukuruzkörner, verfolgt. Das gierige Borsteenvieh geräth dann in den Hinterhalt, wo der serbische Bauer ihm schmunzelnd auflauert und das Messer durch die Gurgel zieht. Die Folgen einer Beleidigung. In Spanien, In der Türkei, In Italien, In England, In Russland, In Frankreich In der Schweiz, In Tyrol, In Judäa, In Schwaben, In Holland, In Potsdam. Die Brautwerbung. Um die Lieb’ ist’s a wunderbarliche Sach’! ’s Wasser dringt leicht überall ein, aber doch muß es irgend a Löchel finden; ’s Zuglüftel braucht ’nen Spalten, wenn er auch noch so klein ist, und der Sonnenstrahl a Ritzerl. Die Lieb’ aber, die muß um a gut’s Theil schmächtiger sein, als Wasser, Luft und Licht. Sie kommt in’s Herzkammerl, wo das schärfest’ Aug’ keinen Eingang sieht; sie ist da, gählings, eh’ man’s enttraut, — man weiß nit wie und woher. Hätt’ Einer ‘nen dreifachen Küraß vor der Brust, die Lieb’, wenn’s grad will, kommt ihm doch auf’s Leb’n; und ob’s nachher a junger Springer oder a alter Stallhinkerist, — die Lieb’ fragt nit nach’m Taufschein. Der Herr Amtsschreiber ist schon a g’standner Mann — ich schätz’ ihn für einen guten Fünfziger — und sammt dem hat er sich noch verplämpert, und wie verplämpert! Das muß man ihm aber lassen, ‘nen schlechten Gusto hat er nit, der Herr Amtsschreiber, denn sein Gegenstand, des Gartners Kathi, ist a Madel, wie nur alle heilige Zeiten ein’s auf die Welt kommt, — a G’sichtl wie Milch und Blut, a Körperl wie eingossen und Füßeln wie drechselt. Und a Paar schwarze Aeugeln hat’s im Kopf, man meint, die müßten die Rupfen anzünden, wenn’s am Spinnrad sitzt. Und wie hat der Amtsschreiber sich seiner Kathi als Liebhaber und Bräutigam vorgestellt? Das eben ist der Jux! Von allen verliebten Prinzen und Prinzessinnen, wie’s im Kaiser Octavianus, in der schönen Magelone und in den andern alten G’schichtbüchern vorkommen, hat in dem Punkt Kein’s so a schwer’s Stuck aufg’führt, wie unser Amtsschreiber. Der Kathi ihre Mutter ist die Wittib vom Gartner Peter selig, und lebt mit der Tochter von ’ner kleinen Pension, die ihnen der Herr Graf zahlt. Auch haben’s a Häusl im Dorf mit ’nem Ackerl und Wiesfleckel, just groß g’nug, daß sie sich a Kuh halten können. Man kann nit sag’n, daß es ihnen schlecht ging’, den Leuteln, wenn’s auch g’rad keinen Ueberfluß nit hab’n. Doch gut — daß ich zur Hauptsach’ komm’! Am letzten Christabend sitzen die Kathi und ihre Mutter schön traulich beisamm’ im warmen Stübel und reden über dies und das, und, wie’s die Gelegenheit gibt, auch von den vergangnen Zeiten, da der Vater noch gelebt hat und die Kathi lang noch nit tausend Wochen alt gewesen ist. Die Mutter kann nit g’nug sag’n, wie der Vater sich allemal auf den Tag g’freut hat und wie er oft den ganzen Morgen im Wald ’rumg’loffen ist, um das schönst’ Christbäumel heimzubringen für seine Kathi. Und derweil sie so plaudern, geht’s im Hausflötz draußen auf einmal trapp trapp, die Thür’ wird aufgerissen, und es kommen zwei Knecht’ vom Schloßbauhof ’rein, die trag’n ’nen schweren, schweren Futterkorb und setzen ihn mitten in der Stuben nieder. Die Weiber verhoffen nit wenig über die Erscheinung und eh’ sie wieder zur Besinnung kommen und fragen können wie oder was? sind die Knecht’ schon zum Tempel ’naus. Die armen Weiber! — sie traun sich Anfangs fast nit zu schnaufen, g’schweig’n denn von der Stell’ zu geh’n; z’letzt aber wird die liebe Neugier doch Herr über die Furcht, und sie rucken langsam und mit aller Vorsicht, Eine die Andere beim Rock haltend, gegen den Korb vor. Und was sehen’s dort? Der Korb ist eben voll Aepfel, Nuss’, Leckerln und anderm solchen G’nasch’, und oben drauf liegt a großer Bogen Papier, der ist mit allerhand Schnirkel Schnarkel eingesäumt, und in der Mitt’ steht g’schrieb’n: Der tugendsamen und liebwerthen Jungfrau Eva Katharina Knoblauch zum heiligen Christ. Itzt hätt’ Einer das G’frag und das G’schnatter der Zwei hör’n soll’n, wie’s hin - und herrathen, was das zu bedeuten hab’ und woher’s kam’ und von wem’s sein möcht’. Und währenddem sie sich noch die Köpf’ zerbrechen über die kuriose B’scherung, da — schau, wie der Muxl sein G’spiel hat — werden die Aepfel und Nuss’ im Korb auf einmal lebendig und rudeln und pudeln über einander her, und es arbeitet sich zuerst a Kopf ’raus, und darnach a schwarzer Frack, und nit lang steht’s an, so kommt der ganze Amtsschreiber zum Vorschein, wie er leibt und lebt. Der stellt sich auf die Bein’, macht seinen Servus vor der Mutter und Tochter, und bittet recht schön, sie möchten ihm’s nit übel nehmen, wenn er sie allenfalls erschreck’t hätt’ er hätt’ einmal seine extra Manieren, und solche Ueberraschungen wären a b’sondere Liebhaberei von ihm. Drauf thut er den Weibern vordemonstrir’n, auf was er’s eigentlich abg’seh’n hätt’, nämlich, daß die schöne Kathi zu den andern Präsentern im Korb auch ihn, den Amtsschreiber, mit darein nehmen möcht’. Kurz, er legt der Kathi mir nix dir nix sein Herz zu Füßen und ruckt am End’ mit ’nem förmlichen Heirathsantrag ’raus. No, die Kathi hat ihn doch abfahr'n lassen, den alten Federfuchser, der zu ihr paßt, wie die Sichel in die Degenscheid’? — Wenn ihr das meint, so seid ihr auf’m Holzweg und kennt der Weiber ihre Mucken schlecht. Der Amtsschreiber hat a gut’s Brod, denn er weiß die G’richtshändel schon so zu drehen, daß für ihn allemal a Abschnitzl ausfallt, und Frau Amtsschreiberin zu heißen und in der Kirchen im vordern Stuhl zu sitzen, das ist a nix Klein’s. Mit einem Wort — die Kathi sagt Ja, der Handel wird richtig, und nächster Tage ist die Hochzeit. Ich bin der Mann nit, der aufschneid’t. Was ich erzählt hab’, ist in der Wirklichkeit so g’scheh’n, und wenn’s nit wahr ist, dürft ihr mich’nen Schelmen heißen. Adalbert Müller. Die neue Freiheit. Was?? eine jede mißliebige Bemerkung gegen die Regierung und ihre Maßregeln mit Kerker bestraft? Das ist ja eine Freiheit zum Haarausraufen? Das ist ja nicht erlebt worden unter Napoleon, Cavaignac, Abel, Windischgrätz, Wrangel etc. Solche republikanische Gesetze sollen leben! *) Schluß folgt. Was wollen denn eigentlich die Demokraten? „Wenn ich nur begreifen könnt, was eigentlich die Demokraten wolle? s’Brat’l kost 9 kr. und s’Bier ? 5 kr. Jetzt soll mir ein Mensch sagen, was die noch Alles wollen??“ === FB9-0203 Der Müllerstreit. Unter den hessischen Städten ist fast keine, die sich eines höheren Alters rühmen könnte, als Frankenberg. An der Gränze des ehemaligen Frankenlandes gelegen, soll sie im sechsten Jahrhunderte schon der König Dieterich zum Schutz gegen die Sachsen erbaut haben. Gewiß ist, daß sie sich durch einen ausgebreiteten Handel sehr bald zu Reichthum und Ansehen erhob; besonders berühmt waren ihre vier Jahrmärkte, auf Petritag, am ersten Mai, zu Michaeli und Martini. Dann stunden die Krämer ntit ihren Buden von dem Kirchhofe das Markt hinab bis an den großen Brunnen, und eben so die Mittelgasse herunter bis zum Aschenborn. In der Untergasse waren gute Gewänder von Tuch und Wolle feil. In der Hintergasse verkaufte man den Waid, der zu jener Zeit in großer Menge zu Frankenberg gebaut wurde, also daß es noch bis auf den heutigen Tag bei der Edder auf dem Waidlande heißt. Auf dem Hepenberge hatten die Seiler ihre Kramladen und in der Steingasse die Leinweber. Auf der Dielenbrücke wurden Schuhe und Leder feilgeboten, in der Staubgasse Milch, Käse und Butter, und auf der Haide waren Pferde, Kühe, Schaafe und Schweine ausgestellt. Dies Alles bildete einen so besuchten, köstlichen Jahrmarkt, daß in ganz Hessen nicht seines Gleichen zu finden war. Der Wohlstand der Bürger zeigte sich nicht nur in schönen Kleidern, sondern mehr noch in prächtigen Wohnungen, die auf den Handel und den Zusammenfluß vieler Fremden berechnet waren. Zwar bestanden sie meist aus Holz, waren aber bis zum Giebel gar kunstreich ausgeschnitten und verziert. Sie hatten Erker mit Spitzbogen und durchbrochenen Säulen, und im ersten Stock einen Balkon, auf welchem man lustwandelte und mit den Nachbarn geselligen Verkehr unterhielt. Hier waren die Balken mit zinnernen Spangen beschlagen und in den Gemächern befand sich köstlicher Hausrath. Allein es konnte nicht ausbleiben, daß der zunehmende Reichthum nicht auch Ueppigkeit, Hochmuth und andere Laster hervorgebracht hätte; oder daß sich neben dem betriebsamen Bürger auch reiche Müßiggänger ansiedelten, welche den weisen Einrichtungen des Stadtrathes Hohn sprachen und den weniger Bemittelten drückten. Wir wissen, daß die sogenannte Fleischglocke daher entstanden ist, daß die vornehmen Junker und reichen Prasser zu Frankenberg ihr Fleisch früher als die andern von den Metzgern holen ließen; und daß, wenn die Bürger kamen, sie sich mit dem Ueberrest begnügen mußten. Es wurde also verordnet, kein Metzger solle sein Fleisch zum Verkaufe früher auslegen, als bis der Zunftknecht mit einer Glocke das Zeichen dazu gegeben habe. Auf diese Weise hatte es sich dann ein jeder selbst zuzuschreiben, wenn er schlechtes Fleisch für sein gutes Geld erhielt. Nicht so leicht aber, als die Angelegenheit wegen der Metzger, war der Streit mit den Müllern geschlichtet. Und damit verhielt es sich also: Im Jahre 1280 erhob sich nämlich eine Zwietracht zwischen den Bürgern von Frankenberg und den Müllern vor der Stadt. Die Letzteren waren von allen städtischen Abgaben, Geschoß, Bede, Feuerschilling etc., sowie auch von den städtischen Diensten seit undenklichen Zeiten befreit gewesen, und hielten darauf, als auf ihr wohlerworbenes Recht. Gar manchmal zwar hatte man den Versuch gemacht, den Müllern gleiche Lasten, wie den übrigen Einwohnern aufzulegen; da sie aber gute Freunde unter den Rathsmitgliedern hatten, und nicht innerhalb der Stadtmauern, sondern an der Edder wohnten, so waren alle Versuche ohne Erfolg geblieben. Die Wohlhabenheit der Müller hatte unter solchen Umständen sehr zugenommen und der Neid darüber natürlich auch. Darum wurden der Feinde immer mehrere und in dem gedachten Jahre trug sich außerdem noch etwas zu, das die Vorrechte der Müller aufs neue bedrohte. Unter den einsflußreichen Bewohnern der Stadt war nach dem regierenden Bürgermeister keiner, der mehr gegolten hätte, als der Stadtkämmerer Christoph Becker oder Pistorius, wie er sich nach damaliger Sitte und als ein Gelehrter lieber nannte. Er war ein langer, hagerer Mann, wohl erfahren in den Rechten und Verordnungen der Stadt, geschickt und eifrig in seinem Amte. Und da er zugleich auch mit weltlichen Gütern gesegnet war, so hätte gewiß manche Mutter ihn sich zum Eidam gewünscht, und seine Fehler — von denen ja jedes Menschenkind elnen größeren oder geringeren Antheil besitzen soll — willig übersehen. Nichts desto weniger beharrte Ehren-Pistorius im ehelosen Stande. Ein Jahrzehent nach dem andern verstrich; die Gestalt des Stadtkämmerers wurde immer hagerer, seine Wangen runzeliger, seine Haare dünner, und noch immer führte er mit der alten Haushälterin dasselbe einförmige, freudlose Dasein. Viele konnten nicht begreifen, warum der angesehene Herr Becker sich zu solchem Opfer verdamme? Andere behaupteten, er sei zu geizig, durch Frau und Kinder seine Ausgaben zu vergrößern; auch litte das seine Haushälterin nicht, die ihn gewaltig unter dem Pantoffel halte. Noch Andere wollten wissen, der Stadtkämmerer sei gar kein so standhafter Verächter des schönen Geschlechts als er äußerlich scheine, und entschädige sich im Geheim am Leckerberge für den aufgelegten Zwang. Von diesem Leckerberge aber berichtet ein ehrlicher Chronist: „Es saßen hier die Spinnerinnen, Wollkämmerinnen, Nähterinnen und andere gute Dirnen, da gingen die leichtsinnigen Gesellen zu und geschahe viel Leckerei daselbst.“ Ohne bestimmen zu wollen, wieviel an dem Gerede wahr sei oder nicht? so ließ sich doch nicht läugnen, daß Herr Christoph Pistorius seit einiger Zeit öfter wie sonst einen Nachmittag oder auch einen ganzen Abend bei dem Müller Gebhard zubrachte und eine ganz besondere Neigung zu dem Hause zu haben schien. Dem alten Gebhard, meinte man, könnten unmöglich diese Besuche gelten; denn der sei ein ungebildeter, aufgeblasener Mensch, wenn er auch dem Stadtkämmerer in Betracht vor dessen hoher Stellung und Einfluß im Rathe mit großer Ehrfurcht begegne und sich durch seine Freundschaft geschmeichelt fühle. Gewiß sei die schöne Margarethe, des Müllers einziges Töchterlein, ein weit stärkerer Anziehungspunkt für den verliebten alten Junggesellen. Und das bestätigte sich dann auch immer mehr. Anfangs hatte er nur freundlicher gelächelt und zierlicher sich ausgedrückt, wenn die Jungfrau in’s Zimmer trat. Bald aber wußte er sich ihr mehr zu nähern, sie in ein Gespräch zu verflechten, oder sonst ihr seine Aufmerksamkeit zu beweisen. Zuletzt brachte er sogar kleine Geschenke, und das Gewählte, Jugendliche, womit er sich seit Kurzem kleidete, gab der ganzen Stadt die Gewißheit, daß auch für den Stadtkämmerer endlich die Stunde geschlagen habe. Nur Margarethe in ihrem schuldlosen, unbefangenen Sinn merkte nichts. Herr Christoph Pistorius war ihrem Vater ein geschätzter Gast, dem sie als solchen schon nicht unhöflich begegnen konnte, und dem sie die seinem Amte, seinen Jahren und Kenntnissen schuldige Achtung mit Freuden selbst dargebracht hätte, wäre er ihr nicht durch sein süßliches, zudringliches Wesen widerlich geworden. Zudem besaß der Müllerbursche Kurt ihr ganzes Herz. — Die Liebe spielt oft sonderbar. Kurt war der ärmste von allen Knechten ihres Vaters und nicht einmal schön. Aber ein offenes, ehrliches Gesicht hatte er, und die blauen Augen blickten so treu und wahr, daß Margarethe meinte, so ein Blick ließe sich nie vergessen. — Gesagt halten sich die Beiden noch nichts und das war auch nicht nöthig. Aechte Liebe bedarf des Wortes nicht. Es konnte auch nicht besser werden, als es war. Denn das Mädchen verhehlte sich nicht, daß ihr Vater den ganz mittellosen Kurt nicht sehr freundlich empfangen würde, wenn dieser als der Bewerber der einzigen Tochter auftrat. Im Ganzen aber kümmerte sie es wenig. Sie war noch jung, er war noch jung, sie konnten also warten. Blieben sie sich nur treu unter allen Umständen, so müßte sich die Sache schon machen. Nun traf es sich, daß den Vorgesetzten der Stadt die üblichen Geschenke überbracht werden mußten. Damals nämlich war noch die gute Zeit, wo der wohlhabende Bürger es nicht für möglich hielt, etwas Wichtiges zu feiern, ohne daß die Vornehmen nicht auch ihren Theil davon bekommen hätten. Wurde ein Schwein geschlachtet, der Herr Bürgermeister erhielt die größte Wurst. War der Flachs gut gerathen, so mußte das schönste Gebund in den Kasten der Frau Bürgermeisterin wandern. Wurden Kuchen gebacken, oder war Michaeli, oder Neujahr, oder Kindstaufe oder Hochzeit: die Mitglieder des Raths wurden stets dabei bedacht. Dafür konnte man denn in zweifelhaften Angelegenheiten auf ihre Freundschaft rechnen, und die Prozesse dauerten nicht so lang. Besonders hatten die Müller und darunter der alte Gebhard diesem Umstande die Erhaltung ihrer Freiheiten von Geschoß, Bede und Feuerschilling zu verdanken. Margarethe hatte gar manchmal schon das ausgesuchteste Obst oder das feinste Mehl zu der alten Haushälterin des Stadtkämmerers getragen. Oft aber hatte dies auch die Magd oder einer der Burschen gethan. Diesmal schien noch eine besondere Absicht damit verknüpft zu sein, die vielleicht durch die häufigen Besuche des Stadtkämmerers veranlaßt worden war. Der Vater befahl Margarethen sich so sorgfältig zu schmücken, als ginge es zur Kirche, und immer hatte er noch etwas Schönes in den Korb zu legen, den Margarethe tragen sollte: so daß diese endlich meinte, er sei ihr zu schwer, der Vater solle ihn doch lieber durch die Magd hinschicken. Nein! hatte er mit einem eignen Blicke gesagt, du selbst mußt es übernehmen. Susanna, des Stadtkämmerers Haushälterin, empfing die schwerbepackte Margarethe mit der ausgesuchtesten Freundlichkeit. Anstatt ihr aber den Korb abzunehmen und die Sachen wie sonst Stück vor Stück zu loben und zu bewundern, führte sie das Mädchen eine Treppe hinauf in das Studierzimmer des Herrn Pistorius, wo dieser selbst im vollen Glanze seiner Würde thronte. Margarethe hatte noch nie dieses Heiligthum betreten und konnte sich eines leichten Zitterns nicht erwehren, als sie sich so plötzlich mit dem unangenehmen Menschen allein befand. Sie blickte nach der Thür, aber Susanna war verschwunden und die ganze Sache kam ihr wie abgekartet vor. Um so mehr beschloß das geängstete Mädchen sich auf sich selbst zu verlassen, und mit diesem Vorsatz kam ihr neuer Muth. Dieser wuchs noch bedeutend, als sie von der Straße herauf ein lustiges Lied von einer ihr wohlbekannten Stimme erschallen hörte. Verstohlen lugte sie durchs Fenster und sah wirklich den treuen Kurt, wie er am gegenüberstehenden Hause lehnte, als wisse er, daß ihr Gefahr drohe. Herr Becker nöthigte mit den süßesten Worten Margarethe zum Sitzen und nahm selbst neben ihr Platz. Nach einem verlegenen Räuspern begann er viel von der Ehre zu schwatzen, die seinem Haufe heute widerfahren. Es sei zuweilen, bemerkte er, ein recht öder Ort. Die großen Gemächer ständen leer. Wenn er mit seinen Arbeiten beschäftigt am Schreibtisch sitze und Sufanna nicht etwa in der Küche poltere: rege sich doch auch in dem ganzen Dinge keine Maus. Was helfe ihm nun all’ der Ueberfluß und die Pracht? Schon oft sei ihm daher der Gedanke gekommen, sich eine Gefährtin zu wählen, die sorgsam und liebend in dem Hause schalte und den mühevollen Lebensweg ihm erheitern helfe. Noch aber habe er keine würdige finden können. Allein jetzt sei dies geschehen und die Auserkorne sei Niemand anders als Margarethe selbst. Im Laufe des Gesprächs hatte der Stadtkämmerer des Mädchens Hände gefaßt und wollte — wahrscheinlich hatte er dies Manoeuvre auf dem Leckerberge gelernt — zum Schluß seine Erwählte küssen und umarmen. Allein Margarethe, die das Ding voraus gesehen und auf einen kräftigen Beistand von außen rechnen konnte, hatte ihre Rechte losgemacht, und eben als Pistorius seinen welken Schnabel spitzte, erhielt er eine so derbe Ohrfeige, daß ihm Hören und Sehen verging. Obgleich nun des Mädchens Abneigung sich ihm auf eine sehr fühlbare Weise kund gethan hatte, so zweifelte er doch keineswegs an einem vollständigen Sieg. Und nachdem Margarethe aufgesprungen und er einigermassen seine brennende Wange abgekühlt hatte, machte er einen neuen Versuch. „Lose Schelmin!“ rief er, „so entkommst du mir nicht.“ Dabei faßte er ihren Leib und die entzündete Lust gab ihm Riesenkraft. Margarethe schien unterliegen zu müssen. Ein lauter Angstschrei entrang sich ihren Lippen. Im Nu vernahm man hastige Schritte auf der Stiege, die Thür ward aufgerissen und der Müllerbursche stürzte in’s Gemach. Der arme Stadtkämmerer wußte nicht, wie ihm geschah. Furchtbare Schläge fielen von der Faust des Müllerburschen wie dichter Hagel, und trafen alle so gut berechnet und gezielt, daß auch nicht einer verloren ging auf der langen, hageren Gestalt des Vernichteten. Halbtodt sank er auf den Boden hin, während Kurt sein gerettetes Mädchen nach Hause brachte. Susanna flickte endlich nothdürftig lhren Gebieter zusammen. Die Wunden wurden mit Wein gewaschen, der zerschlagene Kopf mtt Binden umwickelt und die Glieder auf einem Lotterbettlein zur Ruhe gebracht und mit Hafergrütze gestärkt. Von den Gefühlen, welche Pistorius gegen seine Braut, gegen die Müller und Müllerburschen hegte, kann man sich ungefähr einen Begriff machen, wenn man die einzelnen Laute und Ausrufungen zusammen rechnet, die ihm während mehrerer Tage, wo er das Bett hüten mußte, entfuhren. Jeder Schmerz am Kopf, jeder Stich in den Beinen entlockte ihm eine Verwünschung. Jeder Blick in den Spiegel auf seine geschwollenen Backen und blau unterlaufenen Augen war mit einem Racheschwur an den Müllernund der ganzen weiblichen Welt verbunden. Selbst die Haushälterin mußte Anfangs viel leiden. Hatte sie doch Margarethen immer so sanft und liebenswürdig geschildert und den Plan mit dem alten Gebhard eigentlich zuerst in Anregung gebracht. Aber merkwürdig war’s. Wenn sonst der strenge Herr Stadtkämmerer nur einen leichten Vorwurf wagte, so entfuhr Sufannens Munde ein so ungeheurer Schwall von scharfen und spitzigen Redensarten, daß er vor Angst nicht wußte wohin, und gern sein Maul hielt. Jetzt —? auch nicht eine Sylbe erwiederte die Alte. Sie lächelte so sonderbar vor sich hin, daß es dem Kranken fast vorkam wie Schadenfreude, und als gönne sie ihm die erhaltenen Schläge von Herzen. Und so war es auch. Susannens Ruhe bei Tag und Nacht wurde unaufhörlich durch den Gedanken erschüttert, daß Herr Becker über kurz oder lang sich eine Frau in’s Haus holen könne und werde. Und was dann lhr Schicksal sei, wie sie das so lang besessene warme Nest stracks räumen müsse, war an den Fingern abzuzählen. Die täglichen Predigten und Schildrungen von der Verchwendung, dem Leichtsinn und der Eitelkeit der Mädchen hielten nicht mehr vor. Pistorius hatte diealten Lieder so oft gehört, daß sie keinen Eindruck mehr auf ihn machten. Susanna kam endlich zu der Ueberzeugung, es müßten kräftigere Mittel angewandt, gleichsam eine Radikalkur gebraucht werden. Und dazu hatte sie sich denn die ganze Geschichte ausgedacht. (Schluß folgt.) Der hat gut reden. „Höre se, Gardist! Ihr schießt doch nicht auf’s Volk, wenn’s was gebe soll?“ — „Jewiß schießen wir!“ „Was ihr schießt? und eben hab ich eenen gefragt von eueren Leuten, und der sagt’, daß er nicht schieße!“ „Welcher war denn det?“ „Der eene do.“ „Ja der! det jlob ich schon, det ist unser Tambour!“ Neue Dressur. „Ja was thun denn Sie? Sie hetzen ja Ihren Hund auf mich?“ „Sind Sie ruhig. — Ich muß sehen, ob das Vieh Appel hat und auf den Mann geht.“ Aus den Kammern. Im Sitzungssaale. Präsident. „Wir hätten nun über den berathenen Gegenstand Beschluß zu fassen. Ich bemerke aber, daß die Kammer nicht beschlußfähig ist.“ Im Büffet. (Ein Sekretär tritt herein) „Meine Herren! Wollen Sie sich gefälligst in den Sitzungssaal begeben. Die Debatten sind geschlossen. Es wird nur noch abgestimmt.“ Lieder von H. Radein. (Fortsetzung.) IV. Spiegel. Die schöne, weite Himmelsau, — Die spiegelt sich in des Meeres Wogen; Sie haben das liebe, lichte Blau Voll tiefer Sehnsucht tn sich gesogen. Käm’ es Dir einmal in den Sinn, Mir in mein Herz hineinzuschauen; Du fändest Dein eigenes Bild darin Und Deine Augen, die himmelblauen. V. Warum denn? Zum Frühling darf ich’s sagen, Daß er so mild und lau; Den Himmel darf ich loben, Daß er so lieblich blau. Es ist mir nicht verboten, Zu rühmen der Sonne Gold; Und der Rose darf ich’s entdecken, Daß ihr mein Herz so hold Und Allem, was schön ich finde, Darf gesteh’n ich’s zu jeder Frist; Nur Dir darf ich’s nicht sagen, Wie herzlich lieb Du mir bist. V. Seelenblumen? Der Lichthauch, der sonnig die Erde grüßt, Wenn die Lieder des Mai durch die Schöpfung flöten, Hat der Rose die Purpurknospe geküßt, Daß sie aufbricht in jugendlich holdem Erröthen. Der Blick, der aus Deinen Augen quellt, So freundlich und licht, wie des Frühlings Segen, Hat die Blumen zur Blüte mir aufgeschwellt, Die schlafend mir tief in der Seele gelegen. (Fortsetzung folgt.) Neueste Münchener Moden. Für den Sommer, und besonders für alle, welche den Dultplatz zu bereisen haben. Für den Winter. Sehr praktisch für die ganze Stadt und die nächsten Umgebungen. Wie ist das zugegangen? Matthies. „Ssü, Hinrich, büst her reden — —?“ Hinrich „Ne — — —.“ Matthies. „Büst her föhrt —?“ Hinrich. „Ne — — —.“ Matthies. „Büst denn her gahn?“ — Hinrich. „Ne — — —.“ Matthies. „Wosukken büst denn na Rahlstedt kamen?“ — Hinrich. „Ick häw mien witbunte Koh herleiet.“ — Die neue Freiheit. (Schluß des Artikel pag. 79 in Nro 202 der fliegenden Blätter.) Jagdabenteuer. Der Wildschütz. Gnaden, Herr Gerichtsverwalten. „Der Kerl macht eine sehr drohende Schußmiene!“ Der Wirth und Krämer. „Gnaden Herr Gerichtsverwalter, wir verlassen uns ganz auf Ihna, was Sie in dieser gefährlichen Lage thun, thun wir auch.“ Gnaden, Herr Gerichtsverwalter. „Gut, meine Getreuen, wir bleiben mit Gottes Hilfe in der dermaligen Stellung ganz ruhig bis es völlig Nacht geworden, dann brennen wir leise rückwärts durch.“ Die Saujagd. Ein Schütze. „Schauen’s auf, Herr Lehrer, a wilde Sau“ Lehrer. „O, steh mir bei, du liebe Frau!“ === FB9-0204 Der Müllerstreit. (Schluß.) Sie wußte, wie ihr denn nichts in der ganzen Stadt unbekannt war, daß ihr Gebieter die schöne Müllerstochter mit begehrlichen Augen betrachte, und berechnete leicht, daß die starke Mitgift vom alten Gebhard den schwankenden Entschluß befestigen und endlich zur Reife bringen müsse. Aber sie wußte auch eben so sicher, daß Margarethe nimmer ihren Kurt aufgeben und sich den Bewerbungen des alten Knaben fügen werde; mochte auch Gebhard sich wirklich von der Aussicht blenden lassen, den Stadtkämmerer zum Schwiegersohn zu erhalten, Margarethe war ein unerschrockenes Kind, sie wußte sich im Nothfall selbst zu schützen. Zudem beneidete die Haushälterin die Müller um ihrer Rechte und Freiheiten willen. Und wenn’s gut ging, so wurden zwei Fliegen mit einer Klappe getödtet. Hatte sie früher auf alle Mädchen ohne Aufnahme gescholten, so war Margarethe die einzige, die sich für den Stadtkämmerer paßte. Dieser, von der unerwarteten Zustimmung überrascht, glaubte wirklich, es sei hier ein Wunder geschehen, und säumte keinen Augenblick, die ihm gleichsam vom Himmel beschiedene Braut mit Sturm zu erobern. Wie es ihm gelungen, haben wir oben gesehen. Das Eine war nun erreicht. Pistortus war für immer vom Heirathsfieber kurirt. Es bedurfte nur geringer Nachhülfe, um auch das Andere zu bewirken. „Eine Sünde und Schande ist es,“ sagte Susanna, indem sie dem bald Genesenden die Kissen seines Lagers aufschüttelte und zurecht legte, „eine Sünde und Schande ist es, wohin der Hochmuth führt! Jedes Fräulein von hochadeligem Blute hätte sich eine Ehre daraus gemacht, ihre Hand einem in Amt und Würden stehenden Manne, einem Gelehrten, zu reichen! Und dieses Müllerkind, dieses Bauernpack, schlägt sie aus? Aber das kommt Alles daher, daß man zu nachsichtig gegen sie ist, sie nicht zwingt, die Dienste und Abgaben in gleicher Weise zu leisten, wie jeder andere ehrliche Bürger. Sie erwerben sich ungemessene Reichthümer dadurch, pochen auf Rechte und Freiheiten, und nehmen sich heraus, die Vorgesetzten der Stadt zu behandeln wie ihres Gleichen. Dürfte ich nur eine Stunde im Rathe sitzen, was sollten mir die Müller...!“ „Susanna,“ unterbrach Herr Becker die streitbare Haushälterin, „reich’ sie mir doch einmal den Spiegel her. Ich glaube, ich kann Morgen wieder ausgehen. Die Geschwulst hat bedeutend nachgelassen. Es hat doch Niemand den eigentlichen Grund meiner Krankheit erfahren?“ „Keine Seele!“ versicherte diese. „Ihr habt in dem großen Aktenschranke etwas suchen wollen, seid hinaufgeklettert, das Müllermädchen hat in dem Augenblick die Thür geöffnet, Ihr habt Euch schnell umgedreht, um die Eintretende, wie es Eure löbliche Sitte ist, mit Höflichkeit zu Bewillkommnen; dadurch ist der Stuhl, auf dem Ihr standet, umgekippt, Ihr habt Euch an dem Schranke zu halten gesucht, dieser ist gleichfalls in’s Wanken gerathen, und so ist Stuhl, Tisch und Schrank mit Euch zusammengestürzt. Ein Gottes Glück nur, daß Ihr selbst noch mit dem Leben davon gekommen. So habe ich die Sache meinen Bekannteren erzahlt und so glaubt sie die ganze Stadt.“ „Aber wie ist es mit Margarethe? Wird sie nicht das Ding anders darstellen?“ „Kein Gedanke daran,“ versicherte Susanna. „Ich habe gesagt, Margarethe sei von dem Schreck und dem Gepolter so außer sich gewesen, daß sie fast ohnmächtig geworden und sich von dem Müllerburschen habe müssen führen lassen. Seid gewiß, wenn sie anders spricht, glaubt ihr Niemand. Mein Wort gilt. Die Müller sind so verhaßt bei jedem ordentlichen Bürger, daß keiner auf ihr Geschwätz etwas gibt.“ — Kaum vermochte nun der Stadtkämmerer sich auf das Rathhaus zu schleppen — und die Begierde, sich zu rächen, beschleunigte außerordentlich feine Herstellung — so beschloß er gleich jenem Römer jede Sitzung mit den Worten: Praeterea censo, Carthaginem esse delendam! das heißt auf deutsch: Schließlich trage ich darauf an, daß man die Müller ihrer vorgeblichen Rechte und Freiheiten beraubt! Auch brachte er eine Schrift zu Stande, worin er sonnenklar bewies wie unrecht, wie verderblich und wie schändlich es sei, daß die Müller die Bede, Geschoß und Feuerschilling nicht zahlten, und wie nothwendig und christlich es sei, sie mit den übrigen Bürgern gleiche Lasten tragen zu lassen. Es bedurfte aber eines solchen Beweises gar nicht, jeder Frankenberger war davon im voraus überzeugt. Es fragte sich nur warum man die Müller nicht schon längst dazu angehalten habe und wie man sie überhaupt dazu zwingen könne und wolle? Was das Erste betraf, so kam hier Mancherlei zur Sprache, was die Herrn vom Rathe nicht gern veröffentlicht gesehen hätten. Denn die Müller hatten ja ihre Rechte durch einen freiwilligen Tribut sich erhalten. Nahm man ihnen diese, so fielen natürlich die vielen reichen Geschenke in Zukunft weg. Allein große Zeiten bringen auch große Entschlüsse hervor, und so wurde man denn nach ernsten und häufigen Beratungen eins: diesen Ausfall im Haushalte hintanzusetzen und strenges Recht ohne Ansehen der Person zu üben. In dem dem Stadtkämmerer zugefügten Leibesschaden und durch die freilich unbeabsichtigte Bedrohung seines Lebens, d. h. weil Margarethe zufällig in dem Augenblicke die Thür geöffnet hatte, wo Herr Pistorius über dem Aktenschranke kramte, war die Ehre und das Leben der ganzen Stadt bedroht und beschimpft und man durfte ein kleines Opfer nicht ansehen. Man schritt also zum zweiten Punkt, und kam überein: es müsse den Müllern vor allen Dingen bekannt gemacht werden, daß ihre vorgeblichen Rechte und Freiheiten von nun an aufgehoben seien. Ihrerseits waren die Müller auch nicht müßig gewesen; der alte Gebhard konnte als das Haupt der ganzen Genossenschaft betrachtet werden. Obgleich er sich nun die Verbindung mit dem einflußreichen Stadtkämmerer als sehr annehmlich gedacht, so hielt er doch streng auf Zucht und Sitte; und Margarethe hatte nicht ermangelt, die Behandlung des saubern Herrn mit grellen Farben zu malen. Ohne die zufällige Dazwischenkunft Kurts, sagte sie, wäre sie ganz in der Gewalt des Ehrlosen gewesen. Susanna sei eine schändliche Kupplerin, und von den Gerüchten vom Leckerberge, die jetzt plötzlich wieder auftauchten, könne man aus den ganzen Lebenswandel des Stadtkämmerers schließen. Glaubt er etwa, er könne mit uns verfahren, wie er wolle, weil er in der Stadt wohnt und wir nur Müller sind? hatte man gesagt. Wir wollen ihm aber zeigen, daß wir uns eben so viel dünken, wie er! Ja, keinem Bürger, keinem Stadtkämmerer und selbst dem Bürgermeister wollen wir weichen. Wir sind freie Männer und wollen es bleiben! — — Für gewöhnlich herrschte Neid und Zwietracht unter den Müllern. Jeder that dem Andern, wo er konnte, jeden möglichen Tort an. Und dem alten Gebhard namentlich waren alle gram. Jetzt waren auf einmal Alle die besten Freunde und machten die Gebhard zugefügte Beleidigung zu ihrer eigenen. Selbst auf die andern, auch jenseits des Stadtgebietes liegenden Mühlen dehnte sich die Verschwörung aus, welche gegen die Bürger von Frankenberg angezettelt wurde. Boten wurden abgesendet zu beiden Ufern der Edder entlang. Versammlungen wurden berufen, Reden gehalten, und der unbedeutende, von Niemand beachtete Kurt war plötzlich eine wichtige Person geworden, dessen Wort etwas galt. Das Gerücht, welches bei solchen Gelegenheiten nie müßig ist, hatte die Müller schon früher von den Rathsbeschlüssen in Kenntniß gesetzt, ehe sie noch gefaßt worden waren, und sie wußten also,. welche Gefahr ihnen drohte. Darum säumten sie denn nicht, Gegenmaßregeln zu treffen, und beschlossen, ihr Gewerbe vor der Hand einzustellen, wenigstens für keinen Frankenberger Bürger Frucht zu mahlen, und durch muthiges Zusammenhalten zu verhindern, daß dies auch sonst wo anders Der Müllerkrieg. geschehe. Kurt hatte die Idee dazu angegeben, und der Erfolg zeigte, daß er richtig gerechnet hatte. Nach wenigen Tagen schon begann der Mangel in der Stadt fühlbar zu werden. Zwar hatten noch einige Bäcker Vorräthe an Mehl, allein da man nicht wissen konnte, wie lange die Spannung dauern würde, hielten sie damit zurück. Die Metzger, als sie sahen, daß sie von den Bäckern kein Brod erhielten, wollten nicht schlachten. Und somit wurde der Stadt auch das zweite notwendigste Lebensbedürfniß, das Fleisch, entzogen. Die übrigen Handwerker mußten daher ihre Arbeiten gleichfalls einstellen, ihre Gesellen entlassen, und sehen, wie sie sich mit ihren Familien durchhülfen! So drang die Noth von einem zum andern und verschonte selbst die Reichen und Vornehmen nicht. Dumpfes Murren bemächtigte sich in kurzer Zeit der ganzen Bevölkerung. Die brodlosen Armen, die verabschiedeten Gesellen und Lehrlinge durchzogen haufenweise die Straßen. Selbst die, welche noch keinen eigentlichen Mangel litten, entbehrten doch höchst ungern eine ihnen zur Gewohnheit gewordene Lieblingspeise. Es waren nämlich damals und sind auch noch jetzt die Frankenberger Afterkuchen sehr berühmt, wegen ihres angenehmen, süßen Geschmacks. Wer es nur einigermaßen machen konnte, der mußte jeden Morgen seinen frischen Afterkuchen genießen. Kamen Fremde in die Stadt, so war das erste, das man ihnen vorsetze, ein frischer Afterkuchen mit Butter; und es ist nicht unwahrscheinlich, daß Viele aus weiter keiner andern Absicht Frankenberg besuchten, als nur um diese Götterspeise an Ort und Stelle frisch und ächt zu essen. Während nun in der Stadt die Gährung ihren höchsten Grad erreicht hatte, die Müller an der Edder aber fest vereint der Dinge harrten, die da kommen sollten: war man auf dem Rathhause beschäftigt, eine Gesandtschaft zu ernennen, welche den Müllern ankündigen sollte, daß sie ihre Abgaben wie jeder andere Bürger entrichten müßten, auch zu gleichen Diensten und Lasten verpflichtet wären. Man hätte zu diesem Geschäft keinen ungünstigeren Augenblick wählen können. Zwar glaubte das Volk, als es den feierlichen Zug, bestehend aus zwei Stadrräthen, dem Stadtdiener und einem Trompeter, über den Markt schreiten sah, es handle sich um Abhülfe der allgemeinen Drangsale und hatte sich mit freudigem Jubel den Abgeordneten angeschlossen. Wurde auch in diesem Wahne noch bestärkt, als es zum Thore hinaus nach den Müllern ging, die man als die Ursache der gänzlichen Störung von Handel und Gewerbe bezeichnete. Allein bald sollte es eine Meinung ändern. Der Zug gelangte jetzt vor die erste Mühle und der Trompeter erhielt Befehl, sein Stückchen zu blasen, wie das bei feierlichen Verkündigungen des Magistrat Sitte war, und auf welches Zeichen sich sämmtliche Bewohner des Hauses zu versammeln hatten, um in demüthiger Stille die Befehle der Obrigkeit zu empfangen. Allein so laut auch der Trompeter blies, es zeigte sich kein Mensch, und die Mühle war wie abgestorben. Die beiden Stadträthe blickten sich verlegen an und der Stadtdiener sagte naiv: „Das Nest ist leer! wäre nur der Stadtkämmerer mitgegangen, der wüßte Bescheid in den Mühlen.“ — Herr Pistorius hatte aber wohlweislich die Ehre der Gesandtschaft von sich abzuwenden gewußt. Die Erinnerung an Kurts Fäuste war noch zu frisch. — Die Erwähnung des Stadtkämmerers regte den Eifer der Stadträthe aufs Neue an. Mit derselben Würde schritt man nach der zweiten Mühle, machte hier dieselben Manoeuvres, fand aber eben so geringen Erfolg. So gings nach der dritten, vierten; nirgends war eine Spur von den Müllern zu erblicken. Nun entfernte man sich aber immer mehr von der Stadt, verlor sich endlich in Feindes Land und die Sache wurde bedenklicher. Endlich traf man auf die Rebellen. Sie bildeten ein Corps von wenigstens dreißig Köpfen, und behaupteten eine feste Stellung auf dem Edderdamm. Doch waren sie ohne Waffen, nur trug jeder einen Eimer mit Wasser. „Was ist Euer Begehr?“ fragte Kurt, nachdem der Trompeter geblasen. „Will die Stadt für den uns angethanen Schimpf Abbitte und Genugtuung leisten, so sagt es kurz. Wir sind bereit anzunehmen und die Feindseligkeiten aufzuheben.“ „Eine hochweise Obrigkeit der Stadt Frankenberg,“ begann einer der Räthe und trat etwas vor, „sendet uns, um den Müllern hiermit anzukündigen, daß ihre vorgegebenen Rechte und Freiheiten aufgehoben und vernicht ...“ Er konnte das Wort nicht vollenden, denn alle dreißig Wassereimer gossen ihren Inhalt auf ihn und seine Gefährten aus. Das unerwartete Sturzbad wirkte wunderbar auf die Versammlung. Fluchend und schreiend stürzten Alle mit wilder Hast dem Thore zu. Aber der Weg war weit. Noch manchmal füllten die Müller ihre Eimer im Strome und sendeten sie mit schallendem Hohngelächter der Menge nach. Dieser vollständige Sieg über die Bürger machte die Müller so kühn, daß einige ihre eigene Sicherheit vergaßen und die Fliehenden bis über die Brücke verfolgten. Hier von den Ihrigen abgeschnitten, von der Uebermacht gedrängt und ihrer Vertheidigungsmittel beraubt, hielt es nicht schwer, sich ihrer zu bemächtigen. Unter diesen befand sich Kurt. Er wurde als das Haupt der Rebellen gefangen und in die Stadtvogtei abgeführt. So verkehrte sich der Jubel der Müller in Wehklage, und auf ihrer Seite war der Verlust. Leicht konnte die Bürger ihre durchnäßten Kleider trocknen; wer aber verschaffte jenen den thätigen, unentbehrlichen Kurt wieder? — Namentlich war Margarethens Schmerz groß und selbst der alte Gebhard trauerte. Denn seit Kurt die Seele des ganzen Unternehmens geworden und Margarethens Ehrenretter gewesen, hatte er mit Freuden die Zustimmung zu der Hochzeit des Pärchens gegeben. Statt dessen seufzte jetzt der Arme im tiefsten Kerker und alle Macht der Liebe reichte nicht hin, ihn aus demselben zu befreien. Zuletzt mußten die Bürger Frankenbergs seine Retter sein. Am folgenden Morgen entbehrte die ganze Stadt wieder ihre frischen Afterkuchen, und leicht war es einzusehen, daß, wenn die Müller vorher nicht gemahlen hatten, sie es jetzt noch weit weniger thun würden, wo ihr Liebling im Gefängniß sitze. Mit dem frühesten erschien also eine Deputation der angesehensten Bürger auf dem Rathhause und verlangte Gehör. Der erschrockene und noch halb schlaftrunkene Bürgermeister ließ eiligst die Mitglieder zusammen kommen. Aber kaum konnten sie sich durch das tobende Volk drängen, das den Markt und alle Straßen angefüllt hatte. Man hörte sein Geschrei selbst in der RathsVersammlung, und es bedurfte nur weniger Worte, um über das Verlangen desselben in’s Klare zu kommen. „So kann es nicht länger bleiben,“ begannen die abgeschickten Bürger, „es droht der Stadt eine allgemeine Auflösung, wenn dieser Streit mit den Müllern nicht beigelegt wird. Mahlen sie nicht, so können die Bäcker nicht backe. Schon haben die Metzger erklärt, sie würden kein Fleisch liefen, wenn man ihnen kein Brod verschaffe. Die Weber haben ihre Gesellen entlassen. Unsere Vorräthe an Mehl sind aufgezehrt. Es ist die höchste Zeit, daß dem Elend gesteuert werde.“ Die geängsteten Rathsherrn kratzten sich hinter den Ohren. Endlich platzte einer mit der Frage heraus. „Wie sollen wir aber die widerspenstigen Müller zur Nachgiebigkeit bringen ?“ „Ihr habt das Mittel dazu in den Händen,“ antworteten die Bürger. „Gebt den gefangenen Burschen frei und sie werden sich fügen.“ „Wie soll es denn mit den Abgaben, Geschoß, Bede und Feuerschilling gehalten werden?“ fragte der Stadtkämmerer. „Gebt uns Vollmacht, mit den Müllern zu verhandeln, und wir wollen sehen, was sich thun läßt.“ „Von Herzen gern,“ war die Antwort des Rathes, der froh war, sich nicht zum zweitenmale den Wassereimern der Müller aussetzen zu müssen. Einige verständige Bürger begaben sich dem zu Folge noch am nämlichen Tage zu den Mühlen, besuchten den alten Gebhard nicht als Abgesandte vom Rath, sondern aus freundlicher Theilnahme an seinem Mißgeschick. Sie fanden Margarethen in Thränen und ihren Vater fluchend auf die Tollheit und den Leichtsinn der Jugend. Die wenigen Tage, wo die Müller ihr Gewerbe eingestellt, hatten eine unbeschreibliche Verwirrung in den Familien angerichtet. Sonst ging Alles seinen geregelten Gang, weil jeder Arbeit hatte. Jetzt wußte Niemand wo er dran war. „Beim Henker!“ schrie Gebhard, „ich will gern alle Abgaben und Dienste doppelt entrichten, wenn ich nur wieder die Mühlen klappern hören darf. Es ist ja so nicht zum Aushalten!“ — „Ist das Euer Ernst?“ fragten die Bürger. Und als dieser es nochmals versicherte, gaben sie ihr Wort, daß Kurt in einer Stunde schon wieder frei sein sollte, und eilten mit frohem Herzen nach der Stadt. Noch war die Frist nicht vergossen, so erschien der Ersehnte, gefolgt von einer zahllosen Menge, die ihn als den Retter aus der größten Noth begrüßte. Nach wenigen Wochen wurde dann Kurts und Margarethens Verbindung mit einem solchen Glanze und einem solchen Aufwande an frischen Afterkuchen gefeiert, daß man sich noch bis auf den heutigen Tag davon erzählt. Ph. Hoffmeister. Offene Meinung. „Na, Bauer Prügelhuber, sag er mir mal, was sagt er zu dem jetzigen Volkswirrwarr?“ „Howürden, da kann ich Ihne gar nix sage, des Ding verstaundi halt net so.“ „Was glaubt denn eigentlich der Prügelhuber wer recht hat, die linke oder die rechte Seite ?“ „Ja, Howürden, des Ding kann ich Ihne wieder nit sage, ich verstaunds halt net so.“ „Na, für eine Partei muß der Prügelhuber ja doch gstimmt sein !“ „Ja, des scho.“ „Zu welcher gehört denn nachher der Prügelhuber?“ „No, wenn ichs Ihne halt sage muß, so will ichs Ihne halt sage!“ „Heraus damit.“ „Ich glab halt, daß die linke Seite gscheidter is, und da bin ich halt a auf der Seiten.“ „Ja, warum denn auf der linken Seite grad?“ „Sehn’s Howürden, wenn i halt in der früh einspane thu, so thu i halt mein Rößle, weil i glaub, daß das gscheidter is, links auf die Sattelseite, und s’ Oechsle auf die Rechte.“ Der neue Herrgott. „Aber Nachbarin, habts’ es g’hört, jetzt woll’ns unsern Herrgott a noch absetz’n und ’n neuen machen.“ „Ah was war denn jetzt dös — wanns dann nur ja den heiligen Leonhard nehmeten, der versteht doch aach gleich was vom Viech.“ Folgen des Zweikammersystems. In der ersten Kammer zeigt sich eine starke Hinneigung zur Aristokratie. In der zweiten Kammer nimmt man sich viel Freiheiten heraus und versichert sich auf energische Weise der Sympathien des Volkes. Diensteifer. „Die Verordnung lautet: Jedes zweirädrige Fuhrwerk muß einen Silbergroschen Brückengeld zahlen. Obs von ’nem Roß gezogen wird oder nicht, steht nicht drin. Also zahlens, oder Sie werden arretirt.“ Lieder von H. Radein. (Fortsetzung.) VII. Träumen und Wachen. Mir träumt’, ich sah Dein Augenpaar Mit süßem Blick auf mich gerichtet; Da ward die Nacht, die um mich war, Zum hellsten Tagesglanz gelichtet. Es sprach mein Mund so Viel mit Dir, Von tiefster Seelenlust begeistert; Und Du gabst lächelnd Antwort mir, Und hast mein Herz nicht streng gemeistert. Wenn ich Dein Bild im Traume seh’, Da weiß ich Dir so Viel zu sagen, Und wenn ich wachend vor Dir steh’: Trau’ ich mich kaum ein Wort zu wagen. VIII. Dein Blick. Dein Blick, er ist der Morgenstrahl, Der golden in das Herz mir leuchtet; Dein Blick, er ist der Frühlingsthau, Der mir die welke Brust befeuchtet. Dein Blick, er ist ein Himmelslied, Das sich in meine Seele gießet; Dein Blick, er ist — Dein lieber Blick, Der Alles, Alles in sich schließet. (Fortsetzung folgt.) Aufhütten-Malheur. „Ja was treib’ns denn, lassens doch den Auf los, ins drei Teufels Namen! Fahren ja die Geier schon wie die Narren ’rum. I will aber schon a rother Republikaner werden, wann i noch mal so ’n Malefiz-Maler mit auf d’ Aufhütten nimm.“ Hohe Unschuld. „Herr Commissär, wenn auch hundert Zeugen gegen mich aussagen — ich gebe Ihnen mein Ehrenwort — ich habe die Sachen nicht gestohlen.“— Die Auswanderer. Oder wunderbare Fahrten und Abenteuer der Herren Parnabas Mühlhuber und Casimir Heulmeyer in Amerika. „Ach Herr Jeses, Herr Wühlberger, wollte ich sagen Herr Wühlhuber, se scheinen mir och Ihren Paß geholt zu haben; wo wolln se denn hinkutschiren mit ihrem Seitensäbel?“ — „Wo kann eener denn annersch hingehn als nach Amerika? mit dene Sakerments-Färschte mit ihre verthierte Söldlinge kann ja ein orntlicher Mann wie ich nich mehr umgehe — das Deutschland kann von mir aus die Kränk kriege!“ — „Mein Herr Wühlberger —“ „Merke se sich amol, Wühlhuber heeß ich —“ „Also mein Herr Wühlhuber, sähn se, ich reese ooch nach Amerika, mir wards in Deutschland zu roth — ich will zwar nich die Färschten vertheidigen — aber die rothen Herren Republikaner hab’n uns doch böse in die Titsche geführt. — Nu, wenn Sie’s recht is, do machen mer die Reese miteinander.“— „Das könne se thun von mir aus — aber ich bitte mir’s aus, daß Sie uf der Reese kei so reactionäres Zeug doher schwätze. — Merke se sich dees!“ — (Fortsetzung folgt.) === FB9-0205 Brief aus Schleswig-Holstein. Gelibte Eltern und Geschwüster. Ihr werdet schon lange auf einen Brief von mir gewardet haben, aber ich konte mich noch nicht entschlüßen zu schreiben, ehe ich nicht edwas recht Groses schreiben konte. Aber jetz halte ich es nicht Mehr aus ich muß euch mitthailen, wie es mir gegangen ist und was ich vor Merkwirdigkeiten erläbt habe. Also wir haben einen grosen — doch aber nein das darf ich nicht gleich von forne herein fagen, sonst zerstere ich den Eintruck wie unser Schulmeister immer sagte. Ich will euch meine ganse Reiße hahrklein erzehlen. Als wir mit unsrer Kompani aus der Karnison ausrickten, mußten wir erst acht Stundten dichtig marschüren bis wir zum gansen Regimende kamen. Ich habe gans abscheilig geflugt underwegs, denn meine Hihneraugen drickten mich gewaldig und dazu hatte ich auch noch neie rintsleterne Stiefelln an warum ich gar nicht mit im Schritt fortkomen konnte und mein Hindermann trat mir immer auf die Hacken so das ich eine grose Blahse hatte, als wir entlich beim Regimende ankamen warum ich auch sehr froh war. Noch an denselben Tage war Rewi. Das ganse Regimend mußte aufmarschüren und tefüliren, es ging alles prechdig und das Komanto klapte nur so. Als die Rewi vorbei war, komantirde der Generall. „Nun schreit es lebe unser allerknätigster Fürst und wir haben auch aus vollen Hälzen geschrin. Das hat ungeheires Aufsähn gemacht und ich habe am andern Dage in einer Zeidung gelesen wo geschriben stand, das niemals nicht ein Lebehoch mit mehr Feuer und freuwilliger ausgeprachten geworden were. Dann wurden die Trubben auf den Bahnhof gebracht, der Bahnhof ist nämlig allemal das Wirtshaus wo der Damfwagen nicht weiter kann und erst wider eingeheuzt und Wasser auf die Lakemitife gegosen. Die Basaschüre so heisen die Reißenten auf den Damfwagen giesen aber auf den Bahnhof Bier auf sich, damit Sie hibsch frisch bleiben. Nein aber so etwas habe ich mein Lebdage nicht gesehn, wie so eine Eisenbahn. Denkt euch da liegen liebe Eltern und Geschwüster, auf der Erde lange Eisenstangen und darauf leuft der ganse Blunder und gans alleine. Vorneweg zuerst ist die Lakemitife das ist der Wagen wo der Dampf oben herauskomt und den laufen die gansen andere Wagen nach. Ich war mit ofenen Munde stehen gebliben weil ich so was mein Lebdage noch nicht gesehn hatte und der Korberal mußte mir einen Eksdraripenstos geben als es fortgehen sollte weil ich vor Verwunterung gar nicht wieder zu mir kommen konte. Jetz mußten wir in die Wagen einsteichen es waren aber nicht genug da und darum mußten die zuletzt angekommen waren in die schlechtesten. Ich kam in einen wo lauder Gitter rinksherum waren aber kein Deckel obendrauf und keine Size aber es wurden Bretter gebracht. Mir sagte Jemand das dies eichentlich die Wagen weren worin die Ochsen und das liebe Fieh vortgedranzbortit würde aber das glaube ich nicht denn die Ochsen werden nicht mit den Damfwagen fahren die können laufen. Und wenn es auch wahr ist so schatet es auch nichts das ich in einen Ochsenwagen gefahren bin denn ich bleibe deshalb doch immer euer lieber Sohn und der Korberal fuhr auch mit. Und wie sich jetz die Zeiten äntern kann es wohl auch noch dahin kommen das speter die Ochfen nur in der ersten Klasse auf den gebolsterden Damfwagen fahren wollen, was mich recht freuen sollte. Aber ging das rasch als es erst fortging das pfif nur so sas einen ortentlich die Nasenspitze gans roth wurde. Und gans voran auf die Lakemitife stand einer der mußte eine gans merkwirtig gute Lunge haben denn alle Minuten pfif er einmal das uns Hören und sehen verging. Zuerst kamen wir nach Leibzig aber wir konnten von der Stadt nicht viel sehn denn wir marschürten um die Thore herum wo die Anlagen sind welche sehr schön sind. Aber wir musten auf dem Fahrwege marschüren der sehr schmutzig war weil es grade regnete. An einer Stelle ich glaube Sie nannten es der Roßblatz lag der Schmuz auf den Fahrwege so hoch, das mehre von uns die Stiefeln stecken liefen und wir nur im Drauermarschschrit weiter konnten. Auser diesen unreinligen Schmuz und Regen auf den Fahrwege haben wir aber von Leibzig nichts gesehn was übrigens sehr schön ist. Es ging sogleich wider auf einen andern Bahnhof wo wir wider eingebackt und vortgedranzbortirt wurden allein aber erst mußten wir eine ganse Zett lang in Regen stehn und in Naßen das ich einen infahmen Schnubfen bekam und in einen fort niesen mußte als der Generall vorbei ging und wir das Gewehr prösendirten warum mich der Korberal einen Esel nannte was aber doch ganz unrecht ist. Endlich stigen wir in die Wagen und dismal kam ich mit in einen sehr schönen Wagen wo gewehnlich nur Menschen fahren wie mir ein Kamerat sagte. Derselbe Kamerat sagte mir auch das das Pfeifen auf der Lakemitife kein Mensch ist sondern es die Lakemitife selbst gans von alleine mnacht, was ich dann auch selber mit angesehn habe. Nun ging es fort und zwar nach Berlin wie ich underwegs hörte; vor Berlin fürchte ich mich ortentlich denn unser Pater hatte gesagt das in Berlin ein abscheiliches Volk wohne die immer nur plindern und morten warum der liebe Herrgott jetzt auch Berlin in Belacherungsstand erklärt hätte. Ich war deshalb gans engstlich. Der Weg bis Berlin ging in einer sehr traurichen Gegend und ich glaube man kann das nicht einmal eine Gegend nennen denn man steht nichts als Feld. Die Berge scheinen Sie zu der Eisenbahn gebraucht und abgedragen zu haben denn manchmal geht es ungeheier hoch auf grosen Dämmen das man meinen kennte es ging in den Himmel wenn es so fort ginge. Manchemal geht es aber auch tief in die Erde hinein das ich einmal laut anfing zu schrein denn ich dachte es ginge schon mit Damf in die Hölle weil unser Pater einmal gesagt hat das die Eisenbahnen eine Erfintung des Teifels weren. Aber es machte sich und wir kamen wider an das Dageslicht warum ich ortentlich froh wurde. — So kamen wir nach Berlin. Nun dachte ich jetz kommt Dein letztes Stindlein nimm Dich in Acht denn die Leite haben es hier auf Dich abgesehn. Aber wie sehr mußte ich mich erstaunen als die Berliner grade so aussahen wie die andern Deutschen und von Plintern und morten war gar keine Rede nicht. Das sagt nur unsern Pater Hochwirden das hette ich gesagt. Aber ist das eine Stadt das Berlin! Straßen so lang und breid das man gar nicht driber hinaussehe kann und alle geflastert warum mir aber meine Hihneraugen sehr weh thaten. Hier bleibn wir über Nacht und ich kam zu einen Schneider in Kwartür. Das war ein gans hibscher Mann und der hatte einmal die Welt gesehn und konnte erzehlen! Er hat auch in München gearbeit beim Schneidermeister Weidel und in Nürnberg beim Meister Müller weshalb mir viel mit einanders geblautert haben und er läßt euch bitten Weideln oder Müllern zu grißen wenn Ihr Sie sehn sollt, er hieße Stichel ließ er Euch sagen. Aber das Bier hier das ist merkwirtiges Zeig. Stichel fragte mich ob ich eine Blonde haben wollte. Ich dachte er meinte vielleicht ein Mädel und sagte ihn eine Schwarze were mir lieber. Da lachte aber Stichel und sagte das were Bier was mir aber doch gar nicht wahr schien. Da brachte Stichel ein Glas fast eine Elle hoch und worin gelbes tribes Bier war was ungefehr so aussah wie ein Paar ungewaschene Kasärnenhosen. Ich wollte lange nicht davon koßten denn ich dachte am Ende sind blonde Haare darin aber es war nur so ein Name und es schmöckte auch nicht gut. Da lobe ich mir unser Helles und Braunes hingegen hat der Korberal gesagt, das es in diesen Lendern wo wir jetz hinkömen mit den Bier nichts mehr sei. Stichel aber ist ein gans hibscher Mann und als wir am Morgen aufbrechen mußten da steckte mir die Frau Stichel noch eine gereicherte Magenwurst in die Kabottasche warum ich ihr auch dankte. Uebrigens habe ich von Berlin nicht viel gesehn weil wir Abends spet ankamen und früh fort mußten. Noch eins hette ich aber balde vergessen das sind die Gasladernen das ist nemlich fichse Luft die in einen Rohre ist und ohne Docht und Oehl brennt wenn man mit den Vidipus drankommt und auch sehr stinkt wenn Sie nicht brennt. Aber übrigens sind die Berliner gans gute Leite das kennt ihr dem Pater sagen. Auch hier ging es gleich wider auf den Bahnhof wo wir nach Hammburg fortfuhren. Diesmal kam ich auf einen Wagen der nicht so bekwöm war wie der vorigte aber doch besser als der Ochsenwagen zuerst. Er war so zwischen den letzten und den Ochsen mitten drinne. Von der Gegend konnte ich diesesmal gar nichts sehn weshalb ich auch nichts schreiben kann denn ich sas mit den Rüken am Fenster und vor mir sasen die Kameraten so dicke das ich nicht dazwischen durchsehn konnte aber mich auch nicht umdröhn warum mir sehr warm wurde. So kamen wir in Hammburg an was auch sehr schön ist weil es einmal gans abgebrand ist. Ich war aber so mide das ich mich in meinen Kwartüre gleich niderlegte und die Stadt gar nicht ansah. Am andern Tage ging es nun sehr zeidig wider fort und noch einmal auf die Eisenbahn. Jetz fuhren wir nun grade nach Hollstein hinein was man aber gar nicht märkt und nur auf der Landkarte denn die Felder sehen grade so grin aus wie bei uns was mir sehr merkwirtig vorkommt. Aber jetz hatte ich das Eisenbahngefare balde satt denn mir wakelten alle Knochen in Leibe aber es ging noch eine gute Strecke so fort bis wir an eine Festung kamen und der Korberal sagte: Hier steigt aus nun mißt ihr zu Fuße gehn das ist Rentsberg wo die Eisenbahn alle ist. Wir zochen daher mit flaternde Spiele und klingenten Fahnen wie man gewehnlich sagt in die Festung ein wo man uns sehr freindlich emsing und immer Vifat anschrie das es mir ortentlich angst wurde, aber entlich hörte das schreien auf und wir hatten Ruhe. Da es hieß es sollte von nun an zu Fuße fortgehn so legte ich mich recht zeitlich hin um auszuschlafen was auch gans recht war. Aber die Leite haben die ganse Nacht hindurch einen greulichen Schbekdakel verfihrt. Besonders sangen Sie das Lied Schlöswich-Hollstein meerumschlungen aber gans anders als unser Schulmeister zu Hause denn der sang uns immer das Lied auf der Fioline vor nach der Mehlodie: Guter Mond Du gehst fo stille was mir aber noch besser gefallen hat weil es so recht sanfte klingt. Wir blieben doch an den andern Tag in Rentsberg wo ich mich nun etwas umsehn konnte was ich aber nicht that weil es regnete. Mein Korberal sagte mir das wir in den vier Tagen auf die Eisenbahn so weit gefahren waren wie die beste Bodenfrau und der flodeste Gerichtsdiner in vier Wochen nicht laufen kennten. Nun denkt einmal an man sollte so was gar nicht glauben aber wahr ist es. Dann ging es weiter aber zu Fuße was mich in Anfang sehr inkomotirte weshalb ich sehr müde wurde. Abends spete kamen wir nach einer großen Stadt die Schlöswich hies und an einen großen Wasser liegt was man meerumschlungen nennt wie der Korberal sagte. Ich dachte nun das were das Meer weil gar so viel Wasser darin war das unser Schlosteig zu Hause gans und gar dagegen verschwintet aber es war noch nicht des richtige Meer was mich sehr wunderte. Auch in Schleswig schrien Sie uns immer Vifat an das mir die Ohren brummten und schrien auch: es leben die Deutschen was mich eigentlich ergerte denn das geht doch den Leiten gar nichts nicht an ob wir leben denn Sie haben sich um sich zu bekümmern das hat der Korberal auch gesagt. Den andern Tag mußten wir wider marschüren was mir immer noch nicht recht gefallen wollte weshalb ich auch lieber auf der Eisenbahn gefahren were aber in diesen Lande sind die Eisenbahnen noch gar nicht erfunden. Abends blieben wir in einen Dorf das ein ekliches Nest war aber den Namen habe ich vergessen und die Leite konnte ich auch nicht verstehn denn Sie reden eine gans sonterbare Sprache die mir grade wie Lateinisch vorkommt. Da konnte man nun schreien wie Einer wollte die Bauern verstanten Einen doch nicht. Ich wollte gerne Käse ässen und sagte es meiner Wirtin aber die hörte nicht. Ich schrie deshalb immer lauder Käse! Käse! aber da hette mir die Frau bald eine Schissel an den Kopf geworfen was doch sehr ungebiltet war. Abends mußten wir achtzehn Mann in einer kleinen Stube auf Stroh schlafen wo ich aber nicht schlafen konte denn mein Nachpar rechts schnargte grade so als ob ein achtspennicher Frachtwagen über eine Holsbricke fehrt und der andere links draumte wahrscheinlich schon von Kriege weil er im Schlafe immer mit den Händen um sich rumschlug und mir das eine Mal grade auf die Nase was sehr weh that warum ich ihn wider eins auf die Nase gab weshalb er aufwachte und wir uns anfingen zu prigeln. Und unser Leidenant mußte mit den Serschanden in einen Bette schlafen warum sich der Leidenant auch erkeltete und Bauchkneiben kriechte weil er die Nacht bloß gelegen hatte. Den andern Tag war ungeheirer Schbekdakel in den Dorfe denn da kam die Nachricht an das die Deutschen in den Dorfe Eckenpferde drei denische Schiffe in die Luft geschossen hetten, wobei sehr viel Menschen mit in die Luft geflogen sein sollen was ich aber nicht glaube, denn die Menschen kennen gar nicht fliegen das ist nicht wahr. Aber hibsch muß es doch gewesen sein und ich hette schon megen dabei sein. Wir haben auch dichtig schreien müssen, es lebe unser Fürst, es leben unsre tapferen Kameraten und dann schrien auch Viele es lebe Deutschland aber nicht alle weil es nicht komantirt war. Ich hatte auch mit gechbrien es lebe Deutschland warum mich der Korberal auch sehr wilde ansah aber gesagt hat er noch nichts. Wir blieben noch zwei Tage in den Dorfe warum ich mich mit der Bauerfrau auch noch mehrmals gezankt habe, ich habe aber nicht verstanden was Sie gesagt. Der Leidenant hat noch immer Bauchschmärzen. Nun ging es aber wider fort bis wir an eine Stadt kamen die Flöhnsburg hies was ich aber nicht behaupten kann weil auch hier die Leite ladeinisch reden was ich nicht verstehe. Hier in dieser Gegend müssen wir uns schon sehr in acht nehmen und auf der Hud sein denn die Leite sagen man hette uns verkiften wollen was doch gar nicht hibsch were und noch dazu Sinde. Aber es sollte noch besser kommen denn wir kamen nun in einen Landstrig der Hundewis oder Sundewis hies, ich kann mir immer die ladeinischen Namen nicht märken was auch nicht viel schaden wird. Aber hier ging erst der Black und die Strabaze recht los denn nun mußten wir gar die Nacht auf dem Felde bleiben was sehr kalt ist und regnete weshalb es Püwuak heißt. Da haben mir mangmal die Zäne geklabbert und ich hette lieber bei euch gesesen hinter den Ofen aber es ging doch nicht. In der Nacht wurden Wachfeier angebrant wo man vorne schwizt und hinten erfriert weshalb es am besten ist man dreht sich immer herum oder geht gar nicht hin was sehr kalt ist. Jetzt mußten wir uns auch unser Essen selber kochen was recht spashaft ist. Ihr wißt das ich auf meinen Dornister einen großen Feldkessel aufgeschnallt hatte warum es mich oft recht stert, aber jetzt war es noch schlächter, denn ich mußte noch den Kessel abwaschen wenn gekocht war, weshalb ich immer recht wilde war. Aber hibsch ist es im Feltzuge gar nicht das kennt ihr glauben und Abends kochten wir in den Kessel und Früh wusch sich die ganse Kompanie das Gesichte und die Hände in den Kessel was gar nicht hibsch ist aber ich doch nicht endern konnte. Das dauerte einige Tage da hies es auf einmal Morgen missen wir marschüren und den Feind angreifen. Da ging es nun fort als ob wir etwas verseimt hetten so liefen wir weshalb auch meine Hihneraugen sehr weh thaten was andres Wetter bedeitet aber nicht immer eindrifft. Auf diesen Marsche sah ich nun zum ersten Male das richtige Meer wo wir ganz nahe dabei waren. Aber das kennt Ihr euch nicht einbilten wie das aussieht. Denkt euch einmal die Entenpfitze in unsren Dorfe und als ob das ganze Dorf und die gnedige Herrschaft mit den Schloß nur Alles Entenpfitze were aber auch die ganse Umgegend so sieht ungefehr das Meer aus. Man sieht gar nichts als Wasser weshalb einen der Durst vergeht was gans natirlich ist. Nun habe ich aber das Meerwasser einmal getrunken was sehr schlecht schmekt denn es ist gans salzig was sehr schade ist, das Salz so in das Wasser zu werfen weil wir es bei uns bezahlen missen. Nun ging es aber wider fort und kamen wir in ein Dorf wo man die Denen schon sehn konnte warum mir auf einmal gans merkwirdig wurde was aber bald wieder verging. Noch an denselben Tag mußte ich auf die Vorbostenwache was eine sehr gefehrliche Sache ist weil da die Feinde immer nach Einen schießen. Ich konnte auch schon in der Ferne einen denischen Vorbosten sehn aber ich habe nicht nach ihn geschosen er auch nicht nach mir was auch gans recht ist. — Den andern Morgen ging es fort, da wurde Generallmarsch geschlagen und geblasen. Nun hies es jetzt geht der Krieg los, warum ich vorher noch einen dichtigen Zug aus meiner Feldflasche machte. Jetzt sahen wir ein Dorf was Dübbele heist wie der Korberal sagte und hier kam es zum Gefechte. Nun fürchtet Euch nur nicht liebe Eltern und Geschwüster denn tod bin ich nicht, das kann ich euch in Foraus versichern. Da wurde nun gedrommelt und geblasen das war ein greulicher Lerm und jetzt wurde auch geschossen. Ich schoß also zum ersten Male aber ich weis nicht genau wohin, ich hoffe auch das ich keinen gedroffen habe, was mir sehr leit thun sollte. Wir mußten die Gewehre wider laten und immer ging es forwärts das Einen oft die Kugeln um den Kopf flochen was pfeift und gar nicht hübsch klingt. Wir mußten jetz eine Wentung rechts machen wo ich auf einmal auf meinen Dornister einen dichtigen Knall hörte aber nichts weiter sah als ich mich umtrehte. Wir rickten immer mehr vor und die Denen zochen sich hinter Ihre Schantzen zurück wo Sie nun mit Kanonenkugeln schossen was sehr gefährlich ist und unangenehm. Viele meine Kameraten wurden gedroffen und blieben liegen was sehr traurig war aber wir rickten vor wie die Lewen. Jetzt wurde es aber gar zu arch und wir wurden ortentlich böse und schosen und stachen derb mit den Bajohnete. Ich muß auch Einen gedroffen haben, denn er schrie sehr, was mir sehr leit that. Nachdem wir so recht böse geworden waren, sahen die Denen das mit uns nicht gut spasen were und zogen sich immer weiter zurück. Dabei kamen wir aber den in das Handgemenge wo ich sehr wild wurde und derb zuhieb. Auf einmal fühlte ich einen Hib von Hinten warum ich auch umfiel und einen Denen sah der mir noch eins mit den Sebel geben wollte allein ein Kamerate von mir hat ihn noch zu rechter Zeit medergeschossen, was auch ganz recht war denn der Hieb hatte erst meinen Kopf treffen sollen ich hatte mich aber grade in den Mohmente gedreht. Ich stand jetzt wieder auf, sah aber das ich stark bludete. Jetzt hatten wir die Schantzen schon eingenommen und wir waren Sieger, warum die Denen sehr rasch ausrisen. Nun wurde ungeheuer Vifat geschrien und unsre Fahnen auf die Schantze gesteckt. Es waren aber sehr viele Todte worunder auch viele blos verwuntet waren wie ich. Ich wurte nun zum Girurgus geführt der mich verband. Es war ein Sebelhieb der durch den Kabott und die Hosen in den linken Schänkel gegangen war aber nicht tief was sehr schön ist. Als ich den Kabott auszog und in die Tasche greife sinde ich, denkt Euch geliebte Eltern die gereicherte Wurst vom Schneider Stichel aus Berlin, die ich gans vergessen hatte und die mitten endzwei gehauen war, warum der Girurgus lachte und meinte das ohne die Wurst die Wunde hätte viel gefehrlicher werden kennen. Ich bekamm ein Flaster und durfte ruhig ausruhen was fehr schön war, denn ich war sehr mide mußte mir aber vorher noch den Hib in den Kabott und den Hosen zunehen. Abends war ich schon viel besser und ich konnte gans gut gehn. Als wir nun in meinen Feldkessel wider kochen wollten, sah ich das ein großes Loch darinnen war und ich besann mich das ich es hatte im Gefächte so sehr auf meinen Kessel knallen heren, warum also ein Feint nach meinen Kessel geschossen hatte was sehr dumm war, weil wir keine Subbe mehr darin kochen konnten. Es war mir aber immer lieber, als wenn er nach meinen Dornister gezült hette, denn da habe ich meine Hämden und eine Flasche Branndewein. Am Abend war großer Jubel in unsern Lager und am andern Morgen war ich fast gans gesunt, mußte aber doch noch in Ladzarete bleiben. Es ist einstweilen wider eine grose Badalge gewesen bei Kolting oder wie das Ding heißt, ich habe aber nicht mit dabei sein kennen, aber es ist sehr böse dort zugegangen und die Birger haben mit heißes Wasser auf den Soldaten gegosen, was doch sehr unrecht ist und auch darum kein Bahrdohn gegeben. In einigen Tagen gehe ich wider mit zu die Armee ab und dann ricken wir in Jüdenland ein, was sehr merkwirdig sein soll. Sagt also meinen Bekannden das ich einen großen Sieg mitgemacht hette und auch bläsirt bin was Sie sehr freien wird. Nun lebt Alle recht wohl und schreibt bald wider an mich. Dies wünscht Euer lieber Sohn Strumpbacher, Soldat Individuelle Anschauung der deutschen Frage. „Lassen Sie mich aus! Kurz und gut die ganze deutsche Geschichte ist dechtl mechtl.“ „Was dechtl mechtl? — Ich sage Ihnen, sie ist nicht dechtl mechtl.“ „Sein Sie ruhig, Sie wissen ja nicht einmal, was dechtl mechtl ist!“ Was wollt ihr mehr? „Jetzt wißt ihr was: unsrer ganzen Provinz gehts schlecht, unsrer Gemeinde gehts noch schlechter, mir aber unter Euch Allen, das wißt ihr, am allerschlechtesten. Ich bin also der Mann, der am Besten weiß, wo Euch der Schuh drückt, ich kann’s den Herrn Ministern sagen, wo’s besser werden muß — mich müßt ihr also zum Landtage wählen. Ich werde dann gleich faktisch anfangen Euere Lage zu verbessern. Denn bin ich Abgeordneter, so kriege ich täglich drei Thaler, von den drei Thalern schicke ich zwei an die Gemeinde. den dritten behalte ich — sagt, was wollt ihr mehr?“ Die Excellenzerln. „Ihro königliche Hoheit haben befohlen vom Lande zu stoßen; ist Alles in’s Schiff gebracht?“ „Na gnä Herr, die kleinen Ercellenzerln da san no herauß’n.“ Wanderslust. (Schluß.) In Laplatien, in Laplatien, In dem Lande aller Grazien, Laß mich, Vater, Hütten bau’n! Wo die breiten Wasser wallen, Wo die frischen Büffel fallen, Und dem Tiger nicht zu trau’n — Dahin, Alter, laß mich ziehn. — Nach der Mark der kecken Dänen Will ich ziehn gleich nord’schen Schwänen, Wo der Sundzoll gierig schnaubt; Wo sich die Fregatten rüsten Und die Scharlachröcke brüsten, Und man sich so viel erlaubt — Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach den Polen, nach den Polen Brennen mir die raschen Sohlen Wo sich die Extreme fliehn: Dorthin, wo der Eiswind wüthet, Dorthin, wo der Aether siedet, Zu dem Nord - und Südpol hin Dahin, Alter, laß mich ziehn. Nach der Flur der alten Schwedigen Will des Drangs ich mich entledigen, Wo die Genie Lind entsproß. Wo der Dalkerl sich verpelzet, Wo im Kattegat sich wälzet Stumm der thranige Koloß — Dahin, Alter, laß mich ziehn. Nach Utopien, nach Utopien Werd’ ich ziehn nach allem Obigen, Wo die luft’gen Schlösser sind Wo kein Scheiden und kein Meiden, Wo man lebt in ew’gen Freuden, Und der Kommunismus grünt — Dahin, Alter, laß uns ziehn! === FB9-0206 Sand’l Auch eine Dorfgeschichte von C. Herloßsohn. 1. Der Mond schwebte mit seinem schönsten Lichte über den Häusern und Gärten des Dorfes. Es hatte vom Kirchthurm zehn Uhr geschlagen; jetzt lag heilige Sabbatstille in der blauen würzigen Sommerluft; nur von den Saatfeldern her rauschte es manchmal leise und man vernahm gedämpften Wachtelschlag. Die Straße herab von der Schenke, die auf einer Anhöhe zwischen riesigen Wallnußbäumen lag, schritt eine Gestalt, — erkennbar im Mondschein als ein junger, schlankgewachsener, rüstiger Bursche. Aber ein gewaltiger Gram schien sein ganzes Wesen niederzudrücken, seine Schritte wankten, oft drohte er niederzustürzen, er schien in seinem Schmerz kaum des Weges zu achten. An der nächsten Seitengasse bog er um die Ecke und stand vor einem Fenster, zu dem sich Weinreben emporrankten. Ein ungeheurer Seufzer entwand sich seiner Brust; dann rief er gegen das Fenster empor, mit etwas gepreßter aber doch ziemlich lauter Stimme: „Sandl! Sandl! Mach’ auf!“ — Oben blieb Alles regungslos während der Jüngling erwartend lauschte. Endlich von einem noch tiefern Schmerz ergriffen, rief er hinauf: „Sand’l, mach’ auf, oder ich zerschlag ’s Fensterkreuz!“ Jetzt begann es sich Oben zu regen. Eine, wie es schien, ältere Frauenzimmerstimme sagte aus dem Bett heraus; „So mach’ ihm doch auf — sonst gibt’s Spectakel.“ Am Fenster erschien jetzt eine jugendliche Gestalt im weißen Nachtgewande und schob den Riegel zurück. Dann verschwand sie rasch wieder und suchte ihr Lager. — Der Jüngling schwang sich mit ziemlicher Gewandtheit empor. Nur spärlich ward das enge Schlafgemach vom Wiederglanz des Mondes beleuchtet. In dem Bette zur Rechten ruhte unter schwellenden Kissen Sand’l, die zwanzigjährige, waldblumenfrische, schwellende Tochter des reichen Stadelhuber; das Lager zur Linken nahm ihre fünfzigjährige Base Veronika, deren Stimme wir zuerst vernommen, ein. Dieser Umstand wird bei unsern Lesern gewiß nicht den geringsten Verdacht gegen die Reinheit dieses nächtlichen Besuchs aufkommen lassen. — Bei seinem raschen Eintritt hatte der junge Mann in Folge der Dunkelheit und seiner tiefen Gemüthsbewegung, das Mißgeschick, vor des Mädchens Bett den Stuhl, worauf ein Wasserkrug stand, umzuwerfen, so daß ein ziemliches Geräusch entstand. Rasch brachte er zwar den Stuhl wieder empor und an das Lager der Geliebten; aber der Krug und sein Inhalt waren unwiederbringlich verloren. Bei diesem unerwarteten Ereigniß ließ die Base einen unterdrückten Schreckensruf hören, Sand’l aber sagte zu dem Jüngling mit harter Stimme: „Michel! Du hast an Rausch.“ „Hab’ ich an Rausch,“ versetzte Michel nicht ohne den Ton tiefer Kränkung, „so geht’s nur mich an. Ich bin fuchtig, —ich hab’ ’trunken aus Dischparation, wegen Deiner!“ „Das sagst immer,“ erwiderte das Mädchen, noch zürnend. „Du! Mach mir keine Flattusen von Vorwürfen. — Was hat der Alte g’sagt?“ „Er will nit.“ „Hast Du ihm gedroht, daß Du in’s Wasser springen willst?“ „Er glaubt’s nit.“ „So thu’s!“ „Ich? Allein? Na! denn dann könn’ mer uns doch nit heirathen und in an Jahr hast mi vergessen und nimmst Dir eine Andre. Was hätt’ i dervon?“ „Ja so — —“ versetzte Michel betroffen und der Gedanke schien ihm die Brust tief zu erschüttern. — „Und, wenn i hineinspring’ — so machst Du’s a so. Springen mer alle Beide ’nein!“ „Was hätt’ mer davon?“ „Blos um den Alten zu ärgern.“ „Das gibt uns auch nit ’s Leben wieder. Rath ’was Besser’s, oder geh.“ „Kreuz Himmelsakerment,“ rief der Jüngling in ungeheuerlicher Wehmuth, „i bin so dischparat, daß i Dei’n Alten umbringen könnt’ und mich derzu! — So gib mir an Rath !“ „Red’ Morgen noch einmal mit ihm und sei vernünftig und fang’ kein Streit im Wirthshaus an. Er kann’s halt nit vergessen, daß Du ihm damals den Bierkrug an Kopf geworfen. Er hätt können ’n Tod davon haben.“ „Ja,“ sagte der junge Mann mit gesenktem Haupt, und schien in tiefes Nachdenken versunken. — „Na, jetzt geh’,“ gebot Sand’l, „sonst schlafst hier ein. I weiß kein andres Mittel, — hast mi verstanden?— Jetzt lass’ mi schlafen, der Vater muß glei aus’m Wirthshaus kommen, und wenn er Di trifft — da geht der Spectakel noch einmal los. Gute Nacht!“ — Sie kehrte ihr Antlitz nach der Wand. „Gute Nacht!“ versetzte Michel mit gebrochener Stimme und hatte Mühe sich zu erheben, so gewaltig hatte die Schreckensbotschaft seine ganze Mannheit erschüttert, doch gewann er glücklich das Fensterkreuz und schwang sich hinauf. Aber sein Fuß mußte eine morsche Latte des Spaliers zum Stützpunkt gewählt haben, sie zerbrach krachend unter ihm, so auch die zweite, dritte und er stürzte ziemlich unsanft mit seiner ganzen Wucht von der beträchtlichen Höhe in den Koth der Straße. Aber das Geschick ist ja nicht stets nur den Glücklichen hold, zuweilen auch den Unglücklichen. Er hatte keinen Schaden genommen. Nach einer kleinen Weile erhob er sich mit einem „Mordsakerament!“ von dem erweichten Boden, dehnte und befühlte die Glieder und setzte seinen Heimweg fort. Das Schreckensreigniß schien ihm einen Theil seiner Mannsheit wieder gegeben zu haben. Oben, an den weichen Frauenseelen, war das Unheil nicht ohne Gemütherschütterung vorübergegangen. Beide kreischten leise auf: die Base betete: „Jesus, Marie, Joseph! Er wird doch ’n Hals nit ’brochen haben!“ — Beide lauschten mit angehaltenem Odem. „Na“ — sagt’ endlich Sand’l, „er flucht — er geht fort. Und hätt’ er ’n Hals ’brochen, so könnt’ mir auch nichts helfen. — „Dann schwieg sie und es herrschte tiefe Stille in dem traulichen Schlafgemach, das ein gemartertes Mädchenherz und eine theilnehmende, aber selbst hilflose Freundin und Verwandte umschloß. Der Schlaf schien Sand’ls Augen absichtlich zu fliehen: sie warf sich rastlos umher und seufzte mehrmals laut und aus tiefster Brust. Auch die Base schlief nicht und belauschte die Unruhe des Mädchens. „Was seufz’st, Sand’l? Es is die unglückliche Lieb’, die laßt Di nit schlafen?“ „Na,“ versetzte Sand’l resignirt, „es san die Flöh.“ „Auch mi beißts und juckts am ganzen Leib. Und die Hitz’, die fürchterliche Hitz in dem Bett!“ „Ja die Hitz und i hab’ an Durst, — und kein Tropfen zu trinken; den Krug hat er auch zerbrochen, der Tramp’l.“ „Ja die Männer, die Männer !“ seufzte Veronika; „ich hab’ vor dreißig Jahren a an Schatz gehabt; es war an schöner, an kreuzbraver Mensch; aber ’s Wilderern hat er sich halt nit abg’wöhnen können, g’rad wie der Michel ’s Trinken. ’S hat halt Jeder sein’ Schwachheit. — Und da haben’s ihn zur Straf’ unter’s Militär g’steckt, und da is er halt desertirt, weil’s ihm nit g’fallen hat. — Sie haben ihn wieder ’kriegt und nach seiner Straf’ hat er wieder dienen müssen, — und da is er halt zum zweitenmal desertirt, und wegen dessen und wegen einer G’schicht’ mit einer Uhr von seinen Kameraden — ich hab’ nichts G’wisses dervon erfahren können — hat er sechs Jahr müssen auf’s Zuchthaus kommen. Wie er seine Straf’ hat abg’sessen, hat’s ’n hier nit länger mehr g’litten, er hat sein Häusl und Stück Feld verkauft und is nach Amerika ausg’wandert. Das sein jetzt g’rad zwanzig Jahr, und ich hab’ nie nichts von ihm wieder erfahren.— Wie wird’s ihm geh’n, wenn er noch lebt? Sonst war er ein honetter Mensch, und er hätt’ mi gwiß g’nommen, denn i hab’ auch a’ paar hundert Gulden Geld gehabt. — Aber sei nit bös, Sand’l: i hab’ Dir die G’schicht g’wiß schon hundertmal erzählt, aber ’s is, weil mer halt beide nicht schlafen können.“— „Und wegen dem Krug,“ murmelte Sand’l, „wird der Vater morgen sagen, daß ich’n zerbrochen und wird mich an dummes Mensch nennen. Ich kann doch nit sagen, daß ’n der Michel im Rausch umg’stoßen?! — Endlich fühlte der Schlummergott doch Erbarmen und senkte sich milde nieder auf die bekümmerten Frauenherzen. — Eine halbe Stunde später schritten zwei Männer gleichfalls vom Wirthshaus herab dem Dorfe zu. Dies waren Sand’ls Vater, der alte Stadelhuber, ein biederer Mann und felsenfester Character, vielerfahren und gereift in der Lebensschule, dabei würdevoll und herzlich: dann Siglmann, der Richter, sein treuer Freund, Sand’ls Pathe. Vater Stadlhuber schien diesmal etwas aufgeregt, vielleicht in Folge eines gehabten Streites, wozu sich, wie in der Leidenschaft jedesmal, der starke Geist des genossenen Getränkes steigernd gesellt haben mochte. — Der starke Gewitterregen des Nachmittags hatte die Straße aufgeweicht und fast grundlos gemacht: so kam es, daß Vater Stadelhuber, trotzdem daß ihn der Gevatter sorgsam am Arme geleitete, in eine ungeheure Pfütze trat, und beinahe im Kothe versank. „Mordsakerment!“ schalt er, als er wieder festeren Boden unter sich fühlte, „is das ein Malefizweg, wie er in der ganzen Gegend nicht an’troffen wird. Ein wahrer Hundsweg, im Winter und Sommer!“ „Den sollt’ freilich die Gemeinde machen lassen,“ beschwichtigte Siglmann, „aber Du weißt ja, wie zäh die is.“ „Alles soll die Gemeinde machen lassen, immer die Gemeinde, als ob ihr’s Geld zuregnen thät.“ „S’ is halt, weil kein’ Chaussee durch unser Dorf führt.“ „Es sollt aber durch jedes Dorf eine Chaussee führen. Zu was is die Regierung da, wofür zahlen wir Steuern und Abgaben, daß mer schwarz werden möcht’!“ „Freilich, freilich,“ entgegnete ablenkend der Richter, „wenn aber erst der Steidler, der Wirth, an meiner Stell’ Richter sein wird, so kann er’s vielleicht bei der Regierung durchsetzen. Da wird vielleicht Alles besser.“ „Der!?“ rief Stadelhuber mit einer Donnerstimme, und blieb, an der Schulter seines Freundes sich festhaltend, wie eingewurzelt stehen. „Hat er denn nicht erst gestern, weil er zum Schulbau zweihundert Gulden freiwillig bezahlt, die Ehrenmedaille und a große Belobung vom Kreisamt bekommen? Er ist emal ä reicher Mann.“ „Und betrügt und bestiehlt alle Welt. Hat er mich nicht beim Verkauf des Grundstückes um vierhundert Gulden gebracht und is aus Pratiken und Finessen zusammengesetzt! — Solche Leut bekommen an Ehrenzeichen! Eh’ der Richter wird, eh’ steck’ ich’s ganze Dorf in Brand! — Hast Du denn die G’schicht’ von dem Juden, dem er’s Pferd verkauft hat, vergessen? Er hat sich hoch verschworen, daß das Roß kein’ Fehler hätt’. — Wie der Jud’ in stockfinstrer Nacht fortreit’t, und denkt, das Pferd kennt die Weg hier besser als ich, und laßt ihm den Zügel, stürzt er beim Maiwald’l den Abgrund sechs Klafter tief hinunter. ’S Pferd blieb todt auf“m Fleck, der Jud’ ist wie durch an Wunder mit’m Leben dervon gekommen. Die Juden haben halt immer Glück. Alleweil, wie der Jud’ wiederkommt und will sein Geld zurück, weil’s Pferd blind g’wesen is und droht mit der Klag’, sagt der Steidler ganz spöttisch: Ja blind sein is ka Fehler, des is a Unglück, und ich hab’ nur für die Fehler garantirt. Er hat die G’schichte im Kalender von an andern Juden gelesen, ihm hat’s aber dienen müssen. Der Jud hat geklagt, aber verloren, denn am todten Pferd is nit zu beweisen gewesen, daß es blind war, und seinem Knecht, der d’rum gewußt, hat der Steidler mit a paar Gulden ’s Maul g’stopft!“ „Du willst aber doch,“ sagte nach dieser etwas harten Aeußerung der Richter nicht ohne ironische Beziehung, „seinem Sohn, dem Daniel, Deine Sand’l zur Frau geben ?“ „Ich — ich werd’ mein Kind dem Kerl, dem Roßtäuscher seinem verstudirten Sohn geben? Hätt der Bursch was g’lernt, wär’ er in der Stadt geblieben beim Studiren. So aber is er wieder da und soll die Oekonomie treiben! Er wird’s mit Gelehrsamkeit ausführen; wird was schönes rauskommen. Eher werf’ ich mein Mädel in ’n Teich wie ’ne junge Katz’ !“ „Aber Du hast’s ihm ja heut beim Bier selbst versprochen, daß es richtig, is. Er hat Dein’ Hand d’rauf.“ (Fortsetzung folgt.) Zeitungsnachricht. In der Nacht vom so und so vielten wollen mehrere Leute in der Richtung von so und so heftigen Kanonendonner gehört haben. Bam oder Bom? Der Süd-Deutsche. „Bruada. wie war’s, — ruha mer a wengla unter dem Bam?“ Der Nord - Deutsche. „Jewiß, Brüderchen, jewiß — aber det muß Du Dir merken — man sagt nicht Bam, sondern Bom.“ Was ist ein längst und tief gefühltes dringendes Bedürfniß? Minister. „Was bringen Sie von unsrer Nachbarstadt? Erster Officier. „Die Bürgerwehr von Xhausen fühlt sich gedrungen, dem Bedürfnisse der Zeit entsprechend eine Adresse sämmtlicher Wehrmänner um unbedingte Annahme der Reichsverfassung, worin sie als getreue deutsche Männer die alleinige Lösung der jetzigen unseligen Wirren erblicken, zu geneigter Berücksichtigung zu übergeben.“ Minister. „Und Sie, mein Lieber? ich hoffe doch nicht, daß das wackre Grenadier-Bataillon sich auch in solche ganz außer allem Bereiche eines treuen Unterthanen liegende politische Händel mischt?!“ Zweiter Officier. „Ein längst gefühltes Bedürfniß erkennend, wagt es das in der Adresse unterfertigte Bataillon, Euer Excellenz die allerunterthänigste Bitte um Verleihung der kgl. Gnade, besagtem Bataillon das Recht zum Tragen von Porte-épées allergnädigst gewähren zu wollen, allerunterthänigst zu Dero Füßen zu legen, da ein solches Porte-épée zu Epauletts und Bärenmütze unumgänglich nothwendig erscheinen dürfte.“ Variationen eines Verses. (Volksredner.) Bleibe im Lande und nähre dich redlich. (Scheerenschleifer.) Bleibe im Lande und nähre dich rädlich (Rother Republikaner.) Bleibe im Lande und nähre dich röthlich (Regierungsrath.) Bleibe im Lande und nährte dich räthlich (Räuberrotte.) Bleibe im Lande und nähre dich röttlich. (Rettigweib.) Bleibe im Lande und nähre dich rettlich. In usum serenissimi. Die Abschaffung des griechischen Literaten Plato betreffend. Elendest Unterzeichneter als königlicher submissester Lehrer eines königlich allerhöchstwohleingerichtetsten königlichen Gymnasiums erkühnt sich, in königlicher allerunterthänigster Unterwürfigkeit ersterbend, an den allergnadenreichsten königlichen Stufen eines allerhöchstbeglückenden königlichen Thrones seine quasi Anfrage allerunzielsetzlichst niederlegen zu dürfen, — ob es nicht vielleicht königlich zweckdienlicher und den Forderungen der Gegenwart qua entsprechender erscheinen zu dürfen die allerhöchste königliche Gnade haben möchte, — wenn hinfüro im oben erwähnten allerunterthäinigsten königlichen Gymnasio statt der veralteten — gewiß allerunzeitgemäßesten Werke des radikalen griechischen Schriftstellers Plato ein anderer, — einer allerweisesten königlichen Entscheidung anheimgestelltwerdensollender Autor etwa neuerer Zeiten zur Uebung der königlich griechischen Sprache gelten werden würde. — da Allerelendest Unterzeichneter, — durch allersubmissestes langjäihriges königliches Studium — zur allerunzielsetzlichsten Ueberzeugung gekommen zu sein behaupten zu können das Glück hat, — daß obiger radikaler grichischer Literat Plato primo als blinder Akatholik zu vegetiren das Unglück gehabt habe, und secundo sogar ein quasi Republikaner gewesen sei, was sich aus seiner von ihm erschienenen Piece „De republica“ unzweideutigst herausgestellt haben dürfte. Mit dieser allerunzielsetzlichsten allerdümmsten Bemerkung vor einem königlich allerhöchsten Throne erstirbt in allertiefster Ehrfurcht Eines königlichen Thrones allerunterwürfigster submissester königlicher Sklave kgl. Dr. Florian Bratschlegel kgl. Lehrer und aufgelößter kgl. Wehrmann des kgl. Freicorps. Die Weisheit auf dem Katheder. Es gehört bekanntlich zu den Eigenschaften großer Männer, daß sie ihre Ansichten und Meinungen über die verschiedensten Dinge in kurzen, kernigen Sätzen aussprechen, mit wenigen Worten Vieles sagen. In dieser Absicht sind folgende Sätze, Blitzfunken eines großen Geistes gesammelt und zusammengeschrieben worden. Die Seele ist durch die Erlösung potenzirt und in den Adelstand erhoben worden. — Die Leichtgläubigkeit ist ein Mangel der Jugend und die Schwatzhaftigkeit ein Fehler des Alterthums. — Die gegenwärtige Uebervölkerung kommt von der Impfung und von der Aufhebung der Klöster. — Der Schatten weicht dem Wesen. Wenn z. B. bei einer Schulprüfung Seine Majestät der König selbst zugegen wäre, würden wir da vor seinem Bilde, welches immer da hängt, unsere Verbeugung machen? Gewiß nicht, das wäre ja lächerlich, das wäre ja einfältig. — Der Elephant ist ein sehr schamhaftes Thier und beschämt durch diese Tugend viele Menschen. Wenn er sich baden will, so sucht er sich immer die entlegensten und verborgensten Stellen aus. — Wenn man einen Menschen zu unserm lieben Herrgott addirt. so gibt es immer wieder unsern Herr-Gott, weil das Endliche zum Unendlichen verschwindet ! — Einem Menschen, der ziemlich bedeutend viel trinkt, sollte man das übermäßige Bier entziehen. — Ich sehe gar nicht ein, warum man die Wüste „Sahara“ nicht urbar macht!? — Der Egoist macht sein Ich zum Centrum seines Ich’s.— Es hilft nichts. wenn wir nicht an die Hölle glauben, gerade so, wie der Jäger nicht ferner vom Strauße ist, weil er den Kopf unter die Decke steckt. — In der Bibel steht: „Ein Feuer, das nie erlischt, ein Wurm, der nie erstirbt.“ Doch das ist vielleicht kein wirklicher Wurm, sondern es ist wahrscheinlich bildlich genommen. — Aus den menschlichen Knochen wird Phosphor bereitet, wir tragen also den Zündstoff für Fegfeuer und Hölle schon mit uns herum; ein schlagender Beweis für die Existenz beider! — Der große Vorzug der christlichen Kirche vor der jüdischen, muhammedanischen und jeder andern besteht auch vorzüglich darin, daß der Christ selbst dann noch gefaßt ist, wenn ihn Muth und Fassung schon gänzlich verlassen haben. Lieder von H. Radein. IX. Vom Frühling hab’ ich stets geträumt. Vom Frühling hab’ ich stets geträumt, So oft es Winter werden wollte: Daß er vom kalten Todesschlaf Die Erdenbraut erwecken sollte. Doch niemals hat mir die Natur So einen schönen Lenz gefeiert, Als wenn sich Deiner Seele Bild Im Spiegel Deines Aug’s entschleiert. X. Indiscretion. Der Mond hat einst bei stiller Nacht Mir mein Geheimniß abgelauscht: Ich hab’ einst laut an Dich gedacht, Da hat mich der grüne Wald umrauscht. Die Nachtigall hab’ ich zur Freundin Von meinem Herzen erwählt. Und den Blumen hab’ ich schon lange Von meinem Lieben erzählt. Dem Echo an der Felsenwand Hab’ ich Deinen Namen anvertraut, Und wie ich vor Deinem Bilde stand, Hat die Sonne durch’s Fenster hereingeschaut. Und willst Du mir’s nicht glauben, Daß mein Herz Dein Eigenthum: So kannst sie Alle fragen, Sie wissen Alle darum. XI. Und Du fragst noch? Mir ist die Brust so öd’ und schaurig. Als wär’ sie vom Winter eisumhüllt: Und daß Du fragst, warum ich traurig, Das hat mich mit bitterm Weh’ erfüllt. Willst Du die bleiche Rose fragen, Wenn ihre Liebe der Herbst zerbricht: Mein Herz muß weinen, mein Herz muß klagen; Warum es trauert, weißt Du’s denn nicht? XII. Nach dem Balle. Es schweigt der wilde Laut, der mich umfangen, Und in des nächt’gen Dunkels Haus Ist mir die Seele heimgegangen, Und breitet bunte Träume vor mir aus. Da ist ein Traum von Liebesduft umschimmert; Wie ward er über Nacht so blaß! Dir war ein früher Sarg gezimmert, Du süßes Bild machst mir das Auge naß. Hinweg, was sollen diese Träume taugen, Und all der dumme Herzensdrang: Mir fallen zu die müden Augen, Und schlafen will ich, schlafen tief und lang. Die Auswanderer. oder wunderbare Fahrten und Abentheuer der Herren Barnabas Wühlhuber und Casimir Heulmaier in Amerika. (Fortsetzung.) Herr Casimir Heulmaier richtet sich zur Reise und kauft sich eine Studierlampe mit farbigem Schirm; ferner einen Rasierpinsel und eine Caffeemaschine. Herr Barnabas Wühlhuber richtet sich zur Reise und kauft sich eine Beißzange; ferner ein Allarmhorn und eine Allarmglocke. (Fortsetzung folgt.) === FB9-0207 Frankfurter Epistel. Parlamentarische Reflexe von H. Jobs. 1. Episteln. Eveline an Clara. Meine theure Clara! Mit Freuden berichte Ich Dir die wundersame Geschichte, Wie gestern durch Glück und eigene Kraft Ich mir ein herrlich Kleinod verschafft. Du weißt, was jüngst einer Dame gelungen, Die Mathy’s Handschuh-Knöpfchen errungen, Mit goldenem Reifchen zierlich umlegt, Und jetzt als Nadel am Busen es hegt. So kam, was ich längst gewünscht mir hatte, In der gestrigen Nachmittags-Debatte Durch aufmerksamen, behenden Witz Der Zahnstocher Vogt’s in meinen Besitz. Die hohe Versammlung schwatzte und murrte, Da Jucho das Protokoll abschnurrte; Behaglich blickte Soiron durch‘s Haus Und Detmold schälte sich Birnen zum Schmaus. Herrn Grävell sah man die Stirne reiben, Wigard einen dringlichen Antrag schreiben; Indessen Vogt, in der Tasche die Hand, Zahnstochernd bei den Reporters stand. Der geistvolle Deputirte von Gießen That eben erst seine Mahlzeit beschließen, Und sprach vergnüglich und lachte laut, Was Herren und Damen sehr erbaut. Da ließ, den brausenden Lärm zu versöhnen, Herr Simson die Tagesordnung ertönen Und sprach mit gehobener Klingel sofort: Herr Wurm von Hamburg erhält das Wort. Vogt war wie gepackt von Geierkrallen Entsetzt ließ er den Zahnstocher fallen Und sprang mit einem Tiegersatz Zwölf Klafter weit vom bisherigen Platz. Ich aber wußte mit klugem Dichten Ganz unbemerkt es also zu richten, Daß leise mein Taschentuch von der Bank Das Werkzeug umhüllend niedersank. Das sah nun einer der schönen Geister, Ein Journalist, Renommichel heißt er, Der hob das Tuch behend in die Höh; Ich sagte freundlich: merci Monsieur! Sobald ich ans der Kirche gekommen, Hab’ ich den Zahnstocher hervorgenommen, Und ließ ihn fassen beim Juwelier In höchst geschmackvolle silberne Zier. Voll Neid sehn heut’ besuchende Damen, Die in meiner Etagère kramen, Das Reliquienstück in seiner Pracht Was mir verdoppelte Freude macht. — Ich will nun zu andern Neuigkeiten Für Dich, meine liebe Clara, schreiten; Jedoch das Staats-Int’resse läßt kaum Für andere Fragen offenen Raum Der April ist diesmal recht heiß gelaunet ! Drum alle Welt auch billig erstaunet, Daß Rösler von Oels noch nicht zur Zeit Hat angezogen sein Nanking-Kleid. Jüngst gingen wir nach dem Sandhof spazieren: Doch that ich mich herzlich ennuyiren, Weil in der begleitenden Männerschaar Kein einziger Deputirter war. Unser blonder Giskra macht jetzt Besuche Im Ueberrock von schwarzem Tuche: Der steht ihm nicht so gut, wie ich fand, Als ihm seine blaue Kurtka stand. Der Radeaux ist wieder hier jetztunder; Sein Aussehn ist gottlob viel gesunder, Nur sind die Augen noch etwas matt, Weil er Verdruß um’s Vaterland hat. Du fragst, wie es geht meiner kranken Tante: Doch hab’ ich nicht Zeit zu sehen Verwandte. Es ist kaum möglich heutzutag’, Daß man allen Verhältnissen Rechnung trag’. Du fragst, was ich lese von neuen Werken? Auch darin wirst Du Veränderung merken: Doch entre nous gesteh’ ich Dir frei, Daß diese Errungenschaft lästig sei. Sonst haben wir Paul de Kock gelesen, Friederike Bremer, und ähnliches Wesen; Und wollten wir einmal hoch hinaus, So kamen die „Dorfgeschichten“ ins Haus. Doch nun die parlamentarischen Lichter Sind lauter große Gelehrte und Dichter; Da wird man vor Verlegenheit heiß, Wenn man von ihren Werken Nichts weiß. So muß ich nun um geistige Spenden Fast täglich zu Demmert und Oehler senden; Erst hab’ ich Grimm’s Grammatik begehrt, Dann Moriz Hartmanns „Kelch und Schwert.“ Auch Grävell’s „Menschen“ mußt’ ich verspeisen Und Venedey’s französische Reisen. (Der Venedey war krank, wie man spricht; Er trägt noch ein schwarzes Tuch um’s Gesicht.) Der Abgeordnete Uhland von Schwaben Soll zwei Schauspiele geschrieben haben: Der aber ist ein mürrischer Mann, Mit dem man nicht conversiren kann. Ich wünsche Dir nun recht wohl zu leben, Stenographische Blätter komnten so eben, Da muß ich doch nachseh’n, offenbar, Ob Alles genau so steht, wie es war. 8. April 1849. Deine Freundin Eveline Schnabel P.S. Noch Eines hab’ ich Dir nicht verkündet: Daß ich mir jüngst ein Album gegründet, Wie dies in Frankfurt seit einiger Frist Bei politischen Leuten eingeführt ist. Zwar Detmold klagt, das Schreiben in’s Album Von Herrn und Damen bring’ ihn halb um Und was hernach noch bleibe gesund, Das richten Jordan’s Reden zu Grund. — Von den Sprüchen, die das meinige zieren, Werd’ ich für Dich eine Auswahl copiren. Ein solches Album besitzen, verräth Viel Geist, Gemüth und Publizität. ——— 2. Epistel. Billet des Jouralisten Renommichel an seinen Freund Leopardi 7.April, Nachmittags Ich möchte gern, der Erholung wegen, Zu Milani gehn, wie wir täglich pflegen, Doch bin ich leider so überhäuft, Daß meine Stirne von Arbeit träuft. Erst schreib ich noch (glaub nicht, daß ich dichte), Neun parlamentarische Berichte. Im ersten kämpf’ ich für Ordnung und Ruh: Den send’ ich der „Kölnischen Zeitung“ zu. Im zweiten wird deutlich geschrieben, Wie Gagern Verrätherei getrieben; Im dritten bericht’ ich nach Berlin, Die Linke bewirke Deutschlands Ruin. Im Vierten werd’ ich dem Schmerling flattiren, Im fünften die Republik proklamiren; So richt’ ich mich gewandt und gescheit Nach Zeit, nach Ort und Gelegenheit. Erst gestern hab’ ich berichtet nach Norden, Daß Lasaulx deutschkatholisch geworden; Heut’ muß ich nun melden, das ist klar, Wie jenes Gerücht voreilig war. Doch werd’ ich, um mein Geschäft zu treiben, Dieselbe Nachricht nach Mannheim schreiben, Damit ich als ein honetter Mann Sie morgen auch dort widerrufen kann. — Warum ich mich Abends nicht kann zeigen, Das sollst Du wissen, doch streng verschweigen: Mir steht um sieben am Taunus-Thor Ein herrliches Rendez-vous bevor. Von Ansehn wirst Du die Holde kennen, Doch ihren Namen darf ich nicht nennen; Sie blickt, wie ich längere Zeit schon seh’, Oft heimlich nach mir mit stillem Weh. Sie lies’t, halb freudig und halb erschrocken, In meines Hauptes wallenden Locken, Im Glanze meines schwermüthigen Blicks Die Ahnung künftigen Weltgeschicks. Heut’ reicht’ ich ein Tuch ihr, das eben gefallen, Da hört’ ich die zitternden Worte fallen: „Ich wohne nächst der Kunst-Gallerie; Um Sieben, mein Freund, erwart’ ich Sie.“ Ihr Vater ist (doch darfst Du nicht fragen) Ein Trillionär, wie die Leute sagen, Der bald mir wohl, von Liebe gerührt, Das einzige Kind in die Arme führt. Dann werd’ ich in patriotischem Muthe Drei und dreißig Procent von seinem Gute Zum Opfer bringen (mein Wort als Pfand!) Der Republik und dem Vaterland. Zwei Reisende. Der Deutsche. (Auszug aus einem Brief des Doctor Käsemayr, Salonich den 13. Febr. 1849.) . . . . . Ich wollte gerade vom Wege ein hübsches Exemplar der gelben Radwanze (Reduvius flavus?) aufheben, als ich plötzlich von vier Männern zu Boden geschlagen wurde. Sie zerschlugen meine Spiritusflasche, zerrissen die eingelegten Pflanzen u. s. f. und zerrten mich mit fortwährenden Prügeln zum Aga. Umsonst wies ich mehrere Papiere vor, namentlich ein durch hohe Verwendung Seiner fürstlichen Hoheit, meines allergnädigsten Landesherrn Selbst von den einschlägigen hohen Regierungen mir allergütigst ertheiltes Permissions-Certifikat de dato 12. August 1817, worin mir auf wiederholtes Ansuchen endlich die allergnädigste Erlaubniß ertheilt worden war: „in den fuldaischen, schaumburgischen und ansbachischen, sowie in den reussischen „Ländern mit Einschluß von Lobenstein, von allen wild und frei herumkriechenden und fliegenden Insekten sammeln zu dürfen „(wofür ich jedoch Doubletten in schönen Exemplaren an die betreffenden staatlichen Sammlungen gratis abzugeben habe)“ und meinen Paß, worin „alle Behörden des In- und Auslandes höflichst ersucht werden, mich ungehindert pas- und repassiren zu lassen“: der grausame Aga ließ mir all mein Geld wegnehmen und eine schmerzliche Bastonnade geben, worauf ich elendiglich auf allen Vieren bis nach Budschah zurückkroch, und nun in der 7. Woche hier in Saloniki krank liege, und schrecklich leide . . . . Fr. Crum. im Orient. Der Engländer. (Aus Mr. Hosken’s, Chirurgen vom k. Wachtschiff: „the importunate“, Reise im Inneren von Oman, Atlantic Journal 1848.) . . . . . das Mädchen wurde von seinem Vater, einem alten Scheik, bei den Haaren nach Hause geschleppt; Mr. Hosken aber von den Soldaten, als er sagte, daß er ein Engländer sei, vor den Pallast des Padischah gebracht, wo er ein Schreiben von einem unserer Commis in Multan, Mr. Brown, abgab. Nachdem jedoch dem berüchtigten christenfeindlichen Dschauf el Ammr das Schreiben verdollmetscht worden war, wurde Mr. Hosken auf der Stelle hineingeführt und erhielt einen etwas erhöhten Platz unter dem Thronhimmel, zur Rechten des Padischah, welchem Hosken sogleich seinen Rock und Hut zu halten gab, während er selbst einige Erfrischungen einnahm. Die Mitglieder der Hofkapelle spielten auf gegebenes Zeigen die Lieblingsstücke des alten Ammr; später erschienen Tänzerinnen, und die Truppen mußten zuletzt einige Manövers vor Mr. Hosken ausführen. Da es spät wurde und Mr. Hosken sehr ermüdet war, entließ er den Padischah freundlich, und begab sich zur Ruhe in dessen Harem . . . . . . . Fr. Crum. Sand’l. (Fortsetzung.) „Nix hab’ ich ihm versprochen, Sakerment! — Ich hab’ gemeint ich wollt’s beschlafen und Morgen wird’s ausgemacht. Wenn i mein’, ich will’ was beschlafen, so heißt das so viel, als es wird nichts draus.“ „Sein Sohn ist der einzige und wird doch emal der reichste Mann im Dorf. Und en guter Mensch is er auch. — Wenn Du aber nit willst, — der Michel möcht’ Deine Tochter auch und sie hat ihn gern; sie hat’s meiner Frau an’s Herz gelegt.“ „Dem Michel-Senger, meinst Du, dem versoffenen Kerl, der an mir fast zum Mörder geworden wär’! Eher dreh’ ich ihr den Hals um.“ — Sie waren bei diesen Worten an der Wohnung Stadelhuber’s angelangt. Hier schüttelten sie einander biederherzig die Hände, Stadelhuber ging etwas schwanken Schrittes, in Folge der Aufregung, in sein Haus, welches kurz vorher Michel durch das Fenster verlassen hatte; der Richter schlug den Weg weiter hinab in’s Dorf ein, wo seine Wohnung lag. Daniel Steidler, der Sohn des reichen Wirthes, hatte zwei Jahre studirenshalber in der Stadt zugebracht. Das Lateinische und Griechische wollte ihm aber nicht recht zu Kopf und er gab die beabsichtigte Anwaltscarriere auf den Rath seines Professors auf und ging auf die landwirtschaftliche Anstalt zu L**. Hier lernte er etwas Tüchtiges, um später die Theorie mit der Praxis verbinden zu können, dann kehrte er zu seinem Vater zurück, dessen einziger Sohn er war, und suchte dessen Landwirthschaft auf rationelle Weise zu heben. Daniel konnte sich, was körperliche Vorzüge betrifft, mit Michel durchaus nicht messen: er war außerordentlich hager und dünnbeinig, hat semmelblondes Haar, matte, graue Augen, von denen das Eine noch dazu schief stand, und eine etwas schlottrige Haltung. — Doch war er von redlichem gutmüthigen Charakter, und sein Wissen, sowie der städtische Schliff, den er sich angeeignet, gab ihm sichtlich über die andern jungen Leute im Dorfe ein fühlbares Uebergewicht, zumal da er seinen Jugendfreunden trotz der veränderen Verhältnisse mit der ehemaligen Herzlichkeit und Brüderlichkeit zugethan geblieben. Darum durfte es Michel, als dessen Nebenbuhler er gleich bei seiner Rückkehr auftrat, nicht wagen, sich an ihm zu reiben; denn zwanzig, dreißig Arme erhoben sich im Nothfall zu seinem Schutze. Die Sand’l liebte er — er sah in ihr nicht nur eine schmucke Dirne, sondern auch die künftige, rührige Hansfrau für seine ausgedehnte Wirthschaft. Zudem erfüllte er den Wunsch seines Vaters, der diese Verbindung lebhaft forderte. Nicht jeder einzige Sohn eines reichen Vaters hat, wie wir wissen, solche gesunde Ansichten, wie sie Daniel Steidler hatte. 3. Am folgenden Morgen ging Vater Stadelhuber zu seiner gewöhnlichen Stunde ins Wirthshaus. Er blieb diesmal länger als sonst; die Suppe dampfte schon vierzig Minuten auf dem Tische, ehe er erschien. Der Sand’l klopfte das Herz unter einer schweren Beklemmung, eine finstre Ahnung stieg in ihr auf; — dies ungewöhnlich lange Ausbleiben konnte etwas Tragisches bedeuten. Sollte er in Folge der neuen Werbung Michels, zu Welcher sie selbst gerathen, mit diesem abermals einen feindlichen Zusammenstoß gehabt haben? Diese Befürchtung durchschauerte sie, aber sie unterdrückte sie mit einem tiefen Seufzer. Der Vater war diesmal zwar aufgeregter als sonst; aber er schien in guter Laune, denn er summte ein Lied, als er eintrat. Nachdem er Platz genommen und den Tischsegen gemurmelt, sah er seine holde Tochter mit einer verschmitzten Miene an, die etwa sagen wollte: „Jetzt kommt die Ueberraschung ! — Dann langte er eine schwere goldene Kette aus der Tasche, legte sie vor Sand’ls Teller und sagte in entschiedenem Tone: „Hier ist Dein Brautgeschenk! Du bist’n Daniel Steidler seine Verlobte. Er hat mein Wort. Und jetzt mach‘ mir keine Flausen, sonst werd’ ich wild!“ Sand’l brach in Thränen aus die Base bemächtigte sich des Goldschmuckes und betrachtete ihn wohlgefällig. (Schluß folgt.) Was gilt? „Nun guter Freund! Was meint Ihr dazu? gefällt Euch das Bild? könnt Ihr’s erkennen?“ „War scho recht; zuvor müssen’s mer aber sag’n wos gilt, dees auf dem runden Ding do, oder dees auf dem Vierecketen? Subordination. „Was? das wolle mir emol sehn, Herr Steckelmaier, ob ich mir von Ihne was sage zu lasse brauch? — Ich thu nit mehr mit!“— Die Auswanderer, oder wunderbare Fahrten und Abenteuer der Herrn Barnabas Wühlhuber und Casimir Heulmeier in Amerika. (Fortsetzung.) Während die Auswanderer im Hafen der Abfahrt des Schiffes harren, sucht Herr Barnabas Wühlhuber Propaganda zu machen: „Merke se sich dees, Bürger Heulmaier, folge mir der Mahnung Struves, eines Mannes, dessen Mund immer die ganze Menschheit im Aug hot! Mag der Dom der Reaction noch so hoch empor rage, een enziger Stoß — un’ er verstummt. Das Schwert der Volkswuth fletscht die Zähn’ un’ zerschlägt die hohnlachenden Reste der heulenden Camarilla. Das kenne se sich merke !“ (Fortsetzung folgt.) === FB9-0208 Sand’l. (Schluß.) „Grein’ nit,“ — sagte zürnend der Vater, „und verdirb mir’s Essen nit, sonst werf’ ich die Schüsseln zum Fenster hinaus und Dich hinterdrein. — In vier Wochen is Hochzeit, — dabei bleibt’s, denn ich halt’ mein Wort. Mit ‘n alten Steidler is Alles schon ausgemacht und der Junge kommt nach‘m Essen herunter. Daß Du ihm ein freundliches G’sicht machst!“ — Schwere Thränentropfen rollten von Sand’ls Wangen in die heiße Griessuppe hinab, welche sie schweigend und im stumpfen Schmerz verzehrte. Nur ein paarmal schweifte ihr Blick über das funkelnde Geschmeide. Die treue, zartfühlende Base vermochte keinen Trost zu spenden. Schweigend ging die Mahlzeit vorüber. — Nachdem er seinen letzten Krug Bier geleert, ging der Vater hinauf auf’s Feld. Er war ein energischer, consequenter Character der keinen Widerspruch duldete. Dies wußte seine Tochter, sie ergab sich, wenn auch mit gebrochenem Herzen. So hatte Michel mit ihm nicht gesprochen! Der Jüngling hatte den letzten, entscheidenden Versuch in der That unterlassen; denn am Morgen, nachdem der Rausch von ihm gewichen, bemächtigte sich seiner eine namenlose Zaghaftigkeit. Er besaß nur Muth im Zustande der Aufregung, dann war er aber auch ein furchtbarer Schläger. Von diesem Tage an, wo sein herbes Loos gefallen, mied er auch die Bierschenke und ging in das Wirthshaus zur Mühle, das am untern Ende des Dorfes lag. Er zog sich in sich zurück, wie ein Leidender, der in der Außenwelt keinen Trost findet. Diesen aber jetzt auszusprechen unternahm die Base, nachdem sich der Vater entfernt. „Wein’ nit, Sand’l!“ sagte sie, „füg’ Dich in Dein Schicksal, es is halt einmal Deine Bestimmung, und der Vater will’s so haben. — Wir können halt nit immer den heirathen, den wir gern möchten. Es geht den vornehmen Stadtfräulen akurat ebenso und jetzt mach‘ mir die Lieb’ und leg dein Tuch ab und häng die Ketten um und schau Dich in’ Spiegel. Ich hab’ gewiß schon hundert Copulationen hier bei uns angesehen, aber so ‘ne Ketten hat noch keine Braut gehabt. — Gott! was werden die Andern für Augen machen und sich ärgern, — besonders ‘n Müller seine Lorel.“ Sand’l wischte sich die Thränen aus den Augen, schlang die Kette um den üppigen Hals und trat auf der Base Geheiß vor den Spiegel, wo sie schweigend verharrte. Die Base fuhr fort: „Ich kann Dir übrigens sagen, so übel is der Daniel doch nit, und wenn Du nit den Michel im Kopf hättest, möcht’ er Dir schon gefallen. ‘S gibt keine im Dorf und in der Nachbarschaft, die ihn nit gern genommen hätt’. Er is halt der reichste und Du wirst die reichste Frau bei uns, reicher als die Müllerstochter, denn da sein fünf Kinder und es vertheilt sich. Und dann hat er auch studirt, er hat bessere Manieren, als all’ unsre Burschen, er is gar nit so roh wie sie, er spricht besser er flucht nit so oft, und was er sagt, is einschmeichelnd.“ „Wenn i nur wüßt’, was mit ‘m Michel is,“ sagte Sand’l, noch immer vor dem Spiegel stehend, mit wehmüthig resignierter Betonung. „Ich kann Dir keinen andern Rath geben, als: schlag Dir ‘n aus ‘m Kopf. Er wird halt später eine Andere heirathen. Es is Alles schon dagewesen.“ — Sand’l schwieg und legte die Kette in den nußbaumnen Schrank. Um drei Uhr erschien Daniel Steidler. Er trug einen neuen schwarzen Anzug, der in der Stadt gemacht war, und ihm nach Verhältniß recht vortheihaft stand. Er brachte seiner Braut ein Album in goldverziertem Maroquin, worin sich allerlei Liebesbilder und Verse befanden. Dem Gebote des Vaters gehorsam, empfing ihn Sand’l freundlich, — sie nöthigte ihm die sechste Tasse Caffee und das dritte Glas Liqueur auf, und als erging, ließ sie sich freiwillig von ihm küssen. Solche Gewalt hat ein strenger Vater über ein demüthiges Kinderherz. — Von diesem Augenblick an aber war der alte Stadelhuber äußerst freundlich und freigebig gegen seine Tochter. — 4. Der Vorabend der Hochzeit erschien. Sand’l war mit der Base allein in der Kammer. Sie hatte eine große Schüssel mit Seifenwasser auf den Stuhl gestellt und wusch sich Hals, Nacken und Arme. Nachdem dies Geschäft beendigt, sagte die erfahrne Base, die Mutterstelle bei ihr vertrat: „Jetzt Sand’l thu’ mir auch den Gefallen und wasch Dir die Füß’. — Wenn Du halt vor ihm die Strümpf’ ausziehst, wie das im Ehestand natürlich vorkommt, muß er glauben, daß Du Dir alle Tag’ die Füß’ g’waschen hast! — Denn er war ja länger in der Stadt und sieht auf so ‘was.“ Sand’l entstrumpfte sich, und that wie ihr geheißen. Dann suchte sie ihr Lager und entschlief nach einigen Seufzern und einem stillen Nachtgebet, das sie jedochsehr zerstreut sprach. — Unter dem Zulauf des ganzen Dorfes fand am folgenden Morgen die Trauung statt, Braut und Bräutigam wurden bewundert und beneidet, aber auch getadelt und gescholten. — Beim Hochzeitsmahl, das im obern Stock des Wirthshauses ausgerichtet wurde, herrschte ungeschminkte Fröhlichkeit. Allmählich kehrte anch die Röthe der Ergebung auf die blassen Wangen der Braut zurück. — Der Bräutigam befand sich schon im Schlafzimmer. Sand’l ließ sich von der Base auskleiden und verschloß die goldene Kette im Schrank. Plötzlich seufzte sie und fragte die Base leise: „Weißt Du nichts vom Michel?“ „Er is schon seit Mittag im Wirthshaus, tanzt mit allen Madeln, hat zwei Leut blutig geschlagen, und die Baßgeigen in tausend Splitter zerbrochen. Der führt sich schön auf!“ „Es hat halt nit sein sollen,“ sagte Sand’l mit wehmüthiger Resignation, „vielleicht hätt’ er mich als Mann auch g’schlagen, wie der Vater meint. — Na, in Gott’s Namen! — Sie drückte die Hand der Base und folgte ihrem Gatten in das Schlafgemach. — Draußen zog der Mond in seltener Pracht über die Landschaft und goß wehmüthigen Schimmer über die Erde herab, die so reich ist an stummen Schmerzen und geknickten Hoffnungen. So trennte die Macht der Verhältnisse zwei zarte Herzen, die der Himmel für einander geschaffen! — Amor der Schelm. Ich stand bei ihr einst am Herde, Das Feuer flackerte hell, Auf einem Pfannenstiel Saß Amor, der tolle Gesell. „Ich liebe Dich eigentlich gar nicht,“ — So sprach ich leise zu ihr; „Ich liebe Dich eigentlich auch nicht,“ So sprach sie leise zu mir. Da wallte die Milch aus der Pfanne Mit Zischen und argem Gebraus, Und mitten im sprudelnden Schaume Saß Amor, und lachte uns aus. Ihr Jünglinge und Jungfrau’n Ach, seid doch auf der Hut: Gar niemals thut solch Lügen Bei zwei Verliebten gut! — August Corrodi. Buchhändleranzeige. Kein Tod mehr! Gekrönte Preisschrift von Karl Winter, (Doctor der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe) Preis 36 Kreuzer. Einem längst gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, hat sich die unterzeichnete Buchhandlung entschlossen, obengenanntes Werk in Verlag zu nehmen und der so gerne lebenden Menschheit den letzten Dienst zu erweisen. Wer sich die Mühe nahm, den Erzeugnissen unserer Presse zu folgen, wird uns gewiß Beifall und Dank nicht versagen. „Kein Zahnweh mehr!“ — „keine Hühneraugen mehr!“— „keine Hämorrhoiden mehr!“ — „keine Lungensucht mehr!“ — und nun „kein Tod mehr!“ — dies sind die Titel unsres Verlags. Seit Herr Dr. Winter auch den Freund Hain in’s Leichentuch gewickelt, wird für die Menschheil wenig mehr zu thun übrig bleiben. Licht hat Prometheus vom Himmel geholt, Herr Dr. Winter aber die Unsterblichkeit. Lobende Empfehlung des Werkes wäre überflüssig, es spricht für sich selbst. Buchhandlung von Fürst in Nordhausen. Wie der Michel ’s erste Mal zu Gericht geht. Du Himmelsakerments-Bauernluder, du grobs muß ich dir lernen, was Höflichkeit is un’ was sich schickt?!!“ Wie der Michel Höflichkeit gelernt hat. Und wie er jetzt zu Gericht geht. Lied der Schleswiger im dänischen Heer. (Wörthlich nachgeschrieben im Bivouac bei Nyeberg-Mölle in Jütlland im Mai 1848.) Melodie: Ein freies Leben etc. Als Gott das erste Menschenpaar Stieß aus dem Paradiese — Da baten sie um Brod und Wein, Doch zürnend sprach Jehova: Nein! Ich geb’ Euch nichts als — Grütze! D’rauf ließ er sie nach Langeland Mit Dampfschiff „Skirner“ reisen; Die Grütze war ihr täglich Brod, Und wären sie nicht längst schon todt, Sie müßten Grütze speisen. Wenn dort ein Kind geboren wird, Gleich ißt die Mutter Grütze; Und auch den Säugling füttert man, Sobald er nur ‘mal schlucken kann, Mit nichts, als lauter Grütze. Was helfen bei dem Hochzeitsfest Gesang und Wein und Witze Dort sitzen Braut und Bräutigam Stumm gegenüber, schau’n sich an, Und essen schweigend Grütze! Ja selbst der arme Kranke muß Mit Grütze sich begnügen. Wenn schon im Tod sein Auge bricht, Und bis erlöscht sein Lebenslicht, Muß er in Grütze pflügen! Und ist er todt, dann wird gekocht So ‘n großer Topf voll Grütze! Die schlingt man weinend dann hinein, Das muß ein schön Begräbniß sein, Bei nichts als lauter Grütze! O Frederik führ’ uns zurück Nach Schleswig-Holsteens Fluren! Wo es doch Wein und Braten gibt, Wo uns ein deutsches Mädchen liebt, Und keine Holzschuh’ spuren! Anmerkung. Grütze aus Buchweizen ist das Nationalgericht der Dänen und Jüten. — Letztere tragen die in Schleswig verhaßten unförmlichen Holzschuhe. Das Schwurgericht. Wie das Schwurgericht is, Gevatter, das will ich euch gleich verzählen; seht Ihr, rechts sitzt der Staatsanwalt und links der Angeklagte uf ener Bank, die mer deshalb die Angeklagtebank heest. An der eenen Seite da sitzen die Geschwornen. Hinten quervor die Richter an eener langen Tafel, worauf die Corpus delicti liegen, un ganz vorn sitzen uf großen Bänken die Zeugen. Nu kommt der Staatsanwalt, der macht den Angeklagten so schwarz als möglich. Das leid’t aber dem sei Vertheidiger nich un macht seinen Clienten wieder so weiß als möglich. Das Schwurgericht. Nu kömmts darauf an, wie grau das er wird (was man ooch graviert nennt un danach sprechen die Geschwornen das Urtheil: Schuldig oder nicht schuldig. Beruhigende Auskunft. „Sagen Sie gefälligst, wo ist den in diesem Flusse ein Platz, wo man sich ohne Gefahr badet?“ Polizeidiener. „Jedesmol wo einer ertrunken ist, an der Stelle hat unser löbliches Magistrat ein Verboth gegen das Baden anschlagen lassen; und wo Sie so ’n Anschlag nicht sehen, da können Sie sich dreist baden, da ist noch keiner ertrunken.“ Ausdauer. (Morgens 8 Uhr.) Sergeant. „Sagen s’ amal, Jungfer Kellnerin, is der Corporal Lamp’l schon da gwesen?“ — Kellnerin. „No nit, Herr Scherschant, aber er wird scho no komme.“ — Sergeant. „So, — da wart ich a wenig, — bringen’s mir a Maßel.“ (Abends 9 Uhr.) Sergeant. „Sie Jungfer, wie is, ist der Lamp’l, der Corporal, no nit da?“—Kellnerin. „Na, Herr Serschant und jetzt wir er nimma kommen, wissens weil der Zapfenstreich scho vorbei is.“—Sergeant. „So, is All’s ein Ding! i muß doch no a wenig warten, bringen’s mir no a Maß’l.“ Papierschnitzeln. 1. Verwalter des Gemeinde-Spitals. „Er gehört nicht unserer Gemeinde an, sohin ist er verpflichtet, die Verpflegungskosten während seiner Krankheit zu entrichten.“ Vagant. „Ja, aber wovon, ich habe ja gar nichts!“ Verwalter. „Nun, so muß ich halt auf seinen nächsten Diebstahl Beschlag legen.“ ——— 2. „Herr Assessor, die Reihe zum Abstimmen ist an Ihnen,: sind Sie auch der Meinung, daß die Gläubiger in dieser Nachlaßsache zur Geltendmachung ihrer Ansprüche aufgefordert werden sollen?“ „Vollkommen einverstanden; nur würde ich die unbekannten Gläubiger speziell vorladen lassen.“ ——— 3. „Nun Lery, habt Ihr schon gehört, der Doctor S. . . . Euer Glaubensbruder, der sich stets so innig Eurer Religion annahm, ist zum Christentum übergegangen.“ „Hett’s doch se sege gar nix. Mer brauche ka Doctor, unser Relijon is gesund.“ ——— 4. In einem fetten Geheg befanden sich mehrere Esel, dabei ein einziges Pferd. Die Esel beschwerten sich über das Pferd beim Wolf, als König der Thiere, in den nördlichen Gauen. Se, Majestät fragte, warum das Pferd aus ihrer Gesellschaft solle entfernt werden? Ob es etwa sie mißhandle, oder das Futter ihnen wegehme? „Dieses Alles nicht!“ war die Antwort der Esel, „allein wenn das Pferd unter uns ist, so sieht Jedermann zu sehr, daß wir Esel sind.“ ——— 5. „Nun, lieber Schwenkfelder, wem habt ihr denn zum Landstand gewählt?“ „Den Gutspächter in Tromelsberg !“ „Was Donnerwetter! den Dummkopf? der kann ja nichts, als Fressen, Saufen und Cigarrenrauchen. Der versteht von der Politik und von der Staatswirthschaft so viel, wie die Kuh vom Spanischen. Nun das übersteigt allen Glauben, solche Leute zu wählen.“ „Oho, oho, nur nicht so gar anmaßend. Muß denn nicht in einem freien constitutionellen Staate Jeder, der Arme wie der Reiche, der Gebildete wie der Dumme, der Große wie der kleine, vertreten und repräsentirt werden. Nun warum sollen wir Dummen nicht auch von Uns selbst einen Abgeordneten beim Landtag haben. Wollt ihr Gescheiten nur allein vertreten sein?“ 6. „Na, Sie zahmer Engländer, haben Sie Sich noch immer keiner Partei angeschlossen?“ „Ja, juter Jolt, wenn ich man wüßte, welche Partei siejen wird.!“ „Nun, natürlich die Radicalen.“ „So? Meinen Sie? Da will ich mir doch jleich ‘ne Blouse kaufen.“ ——— 7. „Du bist kein Hofmann,“ rief ein Fürst einem von ihm gefehlten Fuchse nach, „sonst hättest du dich todt gestellt.“ ——— 8. Scene aus einer Synode. Präsident. „Es steht heute der Antrag des Herrn X. bezüglich der Einführung eines neuen Gesangbuches — auf der Tagesordnung!“ Eine Stimme. „Frommherz bittet ums Wort.“ Präsident. „Sie haben es.“ Frommherz. „Ich erlaube mir, einen dringlichen Antrag einzubringen: die Wahl eines protestantischen Kirchenoberhaupts aus der Mitte der Augsburger Confessionsverwandten selbst betr. — denn ich frage: wie kann der König von Bayern, der notorisch katholisch ist — —“ Präsident. „Ich muß den Herrn Redner erinnern, daß der Antrag durchaus vom heutigen Gegenstand abzusehen scheint.“ Frommherz. „Gut — so werde ich meinen Antrag als Modifikation an den Antrag in der heutigen Tagesordnung — das neue Gesangbuch betreffend — anlegen.“ ——— 9. Fürst und Bauer. „Nun, mein Lieber, wie geht es Euch; seid Ihr mit Eurer Lage zufrieden?“ „Ja, Herr Ferscht — bei uns is die Menschheit recht geruhig. Ober des erklärn Se mer amol, was es mit der Rebiblik for a Bowandniß hot. Sie sogn se soll a net übel sa. Was halt’n denn Sie dervon, Sie müssen ja das Ding am Besten verstehn?!“ ——— 10. Besuch im Taunusbad Gattin. „Siehst de Mennche, da gehe mer alle Dag spaziere. Guck emol do enuf, wie prächtig! Des is e Ruin’!“ Gemahl (hinaufschauend). „Do obe? Da seh ich ka Ruin! Awer wann mer sei Fraa uf en Kurplatz schickt, des ist ä Ruin!“ Privatvergnügen eines wilden Keulers nach der Jagd. ——— Was dem Hansemaierbauern auf der Jagd geträumt hat. ——— === FB9-0209 Visionen. 1. Die Gnomenschule Krystalle blinkten von den Wänden Des Gnomentages matten Strahl. Mit auf die Brust gekreuzten Händen Zog Gnomenjugend in den Saal. Ein grämlich stolzer, augenblöder Gelehrter Gnome schoß herein. Voll Wuth bestieg er den Katheder, Und näselnd fing er an zu schrein: flieht, Gnomen, flieht die neue Lehre! Werft eure Blicke nicht empor! Verlockt vom Irrlicht eitler Ehre Steigt zu den Menschen nur ein Thor. „Nach unten geht des Weisen Streben, Zur Tiefe ruft uns die Natur. Hier unten waltet Licht und Leben; Dort oben Schaum des Lebend nur. „Laßt euch von Thoren nicht bethören, Den Menschen leuchte schönres Licht. War ich nicht dort? Ich kanns beschwören. Ihr Tag ist Nacht. — Ich sahe nicht. „Das ist des Menschentages Wonne! — Für Menschen eben gut genug. „Denn das Gesschrei von ihrer Sonne Ist alles eitel Lug und Trug. „Hier unten strahlen die Krystalle, Hier, Gnomen, ist die Welt des Lichts. Betrüger sind die Neurer alle, Und ihre Menschen sehen nichts!“ ——— 2. Die Wetterhexe. Es trieb ein geisterhaftes Säuseln Vom Kreuzweg tändelnd sich hervor, Der Staub fing an sich bunt zu kräuseln, Und stieg im Wirbeltanz empor. Am Kreuzweg stand ein junger Bauer, Sein Anzug sprach vom Ueberfluß; Doch seine Wangen bleichte Trauer, Sein Blick war Lebensüberdruß. Er warf dem Wirbel sich entgegen, Mit Wuth umfassen wollt’ er ihn; Allein es stob nach allen Wegen Der Staub, der sein zu spotten schien. Da hub der Jüngling an zu klagen: „Noch immer fliehst du, Zauberin? So bändigt nichts dein tolles Jagen? Und nimmer ändert sich dein Sinn? „Soll nimmer dich mein Arm umfangen? Erhörst du nie der Liebe Flehn.? Wird stets an meinen bleichen Wangen Ein Staubgewölke nur verwehn? „Entsage diesem tollen Schwärmen! Komm endlich, komm und werde mein! Soll mich verehren dieses Härmen? Nicht länger trag’ ich diese Pein!" Und wieder fing es an zu säuseln — Wie lieblich für des Jünglings Ohr! Der Staub gerieth in buntes Kräuseln, Und stieg im Wirbeltanz empor. Dann fing er an sich zu gestalten, Und um den Jüngling tanzte wild, Umwogt von eines Mantels Falten, Ein nebelhaftes Mädchenbild. Die Miene düster und zerflossen, Zwei Blitzen gleich ihr Augenpaar, Und wolkenartig hingegossen Das aufgelöste Rabenhaar. „Ha! rief der Jüngling mit Entzücken, Dein Herzensfrost ist aufgethaut? Ich darf an meine Brust dich drücken? Du folgest mir als meine Braut? „So nenn’ ich wirklich dich die Meine? Und mich betrügt kein eitler Schein? O zögre nicht! Komm in das Deine! Mit Gut und Blute bin ich Dein. „Nie, Theure, sollst du bei mir darben, Von Frucht sind unsre Bäume schwer; Die Scheune faßt nicht unsre Garben, Nie find des Hauses Kammern leer. „Die Ställe hallen vom Gebrülle Der Heerden, die kein Mangel drückt. — O Glück! — Du herrschend in der Fülle, Und ich durch deinen Kuß entzückt." Er stürzte vor mit Wuthverlangen; Sie fing ihn auf mit wilder Lust, Und ihre Zauberarme schlangen Unlösbar sich um seine Brust. Dann schwang sie sich empor mit Sausen, Riß ihn im Wirbel mit herum, Und raste fort mit Sturmesbrausen In ihr verlobtes Eigenthum. Es stürzten wurzellos die Bäume; Die Saat verschlang ein Hagelmeer; Durch der Gebäude volle Räume Schoß donnernd Strahl auf Strahl umher. Aus allen Räumen schlugen Flammen, Gepeitschet von des Sturmes Wuth, In einen Feuersee zusammen, Und weithin schnob und stob die Gluth. In Rauch und Asche sank die Fülle, Die Dächer stürzten krachend ein, Und durch die Ställe scholl Gebrülle Der Schreckenswuth und Todespein. Hoch schäumt’ es auf im nahen Weiher, Die Luft durchgellt’ ein Schreckenslaut. — Herabgestürzt versank der Freier, Und weiter fuhr im Sturm die Braut. ——— 3. Der Fackelkampf. Die Nacht war ohne Mond und Sterne, Doch weit erleuchtet war das Thal. Es warf bis in die weitste Ferne Ein Fackelzug den Flammenstrahl. Still zog ein dumpfes Menschenwogen, Ein Pilgerheer das Thal hinan. Mit Fackeln in den Händen zogen Die Führer in der Nacht voran. Der Schein der Fackeln war verschieden: Die flammte grün, die blau, die roth; Doch ging der Zug in tiefem Frieden, Und keine Farbe machte Noth. „O, rief ich, glücklich Volk. Das Flimmern Des eiteln Scheins verwirrt dich nicht. Du fragst nicht, wie die Farben schimmern, Erhellt den Weg dir nur das Licht." Noch sprach ich, als ein wüstet Toben Im Kreis der Führer sich erhob. Beschreiet wirklich unser Loben? Verträgt des Schicksals Neid kein Lob? Verworren schallt’ es hin und wieder: „Zu seiner Farbe Jedermann!" Die Führer tobten auf und nieder, Und das Parteigezänk begann. Aus Menschen wurden Ungeheuer, Der Geist des Haders riß sie fort; Die Blicke sprühten Höllenfeuer; Aus jedem Auge drohte Mord. Die Zungen schossen Flammenpfeile Des Hohns und der Verdächtigung, Zu Gottes Ruhm, der Welt zum Heile, Ins Feuer der Erbitterung. Dann ließ die Wuth sich nicht mehr halten, Die Rothen fingen an zu schrein, Daß Erd’ und Himmel widerschallten, Und schlugen mit den Fackeln drein. Die Gegner stießen schnell zusammen, Und höllisch war der Fackelkampf. Wie blitzten Funken, zischten Flammen In bunter Färbung durch den Dampf. Die Pilger schauten mit Ergötzen Zuerst den Streit und lachten Hohn. Dann stürmten alle mit Entsetzen Ins dunkle Thal hinab und flohn. Die Kämpfer aber rasten weiter, Bis ihrer Waffen letzter Strahl Erloschen war, und um die Streiter In Finsterniß versank das Thal. (Schluß folgt.) Rechtsbegriff. „Sie haben Ihren Prozeß leider verloren Herr Pechhuber!“ — Dann is mir Unrecht herganga“. — „Wer sagt dies?“ — „Dös sag i.“ — „Und wer sagt, daß i an Prozeß verloren hob?“ — „Dös sagt unser Landrecht.“ — „No do hob mer’s schon.—Bin i a geborner Münchna mitt’n in da Stadt. Woas geht mi do s’ Landrecht an.“ Ein Schnapstrinker. Fuhrmann. (Ein Schnapsglas auf einen Zug leerend und dabei eine Grimasse schneidend.) „Brrr! Pfui Teufi!“ (Pause.) (Dieselbe Grimasse wiederholend.) „Pfui Teufi! Brrr!“ Fuhrmannsbua. „Vata! des is gwiß net da rechti, weil’st so a Gfries schneid’st?“ Fuhrmann. „Dummer Kerl! merk’ dir’s, des muaß sei, grad des is da rechti.“ Kräftige Auffassung. Lieutnant. Also wiederholen wir noch einmal: „Ich sage diejenige Mannschaft, welche der Armee vorausgeht, nennt man Avantgarde. Stoßt nun die Avantgarde auf ihrem Marsche auf Reisende so hat sie dieselben festzuhalten und sich genauen Bericht über Allles, was sie auf ihrem Wege beobachtet haben, geben zu lassen, und das in Erfahrung gebrachte also gleich dem Kommando zu melden. Also wer weiß es jetzt?“ Nach langem Schweigen erhebt sich der Soldat Martelhuber aus Biermannigen, Landgericht Tölz. Lieutenant. „Also Martelhuber, was hat die Avantgarde zu thun, wenn sie Reisende trifft?“ Martelhuber. „Anhalten.“ Lieutenant. „Ganz gut und was weiter.“ Martelhuber. „Niederschlogen.“ Zwei Nebenbuhler. Die Werbung. „Dein! Ewig Dein!“ „O Gott!“ Ein Jahr später. „O Gott!“ „Dein! Ewig Dein!“ Wer ist der Glückliche? Jagdabenteuer „Na! heut bin i s’ erstmal und a s’ letztmal am Antenfall g’wes’n; der Jaga stimmt mi weita nimma. Sagt er zu mir: Sie, bei den Scherm fall’n Ant’n, da sitzens Ihna a. I sieh weita net, daß an einzige fallt, streiche alle vorbei.“ Strenge Strafe. „Du Malefi-Kerl du, jetzt hab ich dir gesagt, du sollscht a bissel Feuer macha und mir ‘ne neuback’es Semmel holn, jetzt hast du den Ofe glühend gemacht un a altbacke Semmel bracht, nun setz di hinter de Ofe un iß de Semmel auf, un kommst nit eher ‘raus, bis sie verzehrt is.“ Von Pontius zu Pilatus Der Supplikant, ein pensionirter, alter Unteroffizier will Anstellung und begibt sich I. zum Minister. Supplikant. „Excellenz, dreiundzwanzigjährige Militärdienste, meine Zeugnisse, werden für mich sprechen. Ich bitte um Anstellung bei den Eisenbahnen.“ Minister. „Thut mir sehr leid, aber ich kann mich mit dergleichen nicht befassen, Gehen Sie zu dem Herrn Referenten, dem ist Allles überlassen.“ II. Der Supplikant bei dem Referenten. Referent. „Es thut mir sehr leid; aber das hängt nicht von mir ab. Gehen Sie zu dem Director der Posten und Eisenbahnen.“ III. Der Supplikant bei dem Director der Posten und Eisenbahnen. Direktor. „Es thut mir unendlich leid. aber darin habe ich nichts zu reden. Gehen Sie zu dem Bahnamtsverwalter.“ IV. Der Supplikant bei dem Bahnamtsverwalter. Verwalter. „Mein Gott, was soll ich damit zu fassen habe; ich habe bloß zu berichten. Gehen Sie zum Referenten im Ministerium. Der allein hat zu bestimmen.“ V. Der Supplikant abermals beim Referenten. Supplikant. „Ich bin zu Ihnen zurückgewiesen worden.“ Referent. „Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich nichts damit zu schaffen habe. Gehen Sie zum Teufel“. Papierschnitzeln. 11. Hans. „Sag’ eemal, Jörge, was ist für ein Unterschied zwischen der Infanterie und der Cavallerie?“ Jörge. „Dummkopf, das ist ja ganz einfach; was jene gehen, reiten diese.“ 12. Bauer. „Hier Herr Stadtrath, bring ich die Bons, die unsere Gemeinde von der provisorischen Regierung für Lieferung von Hafer, Heu, Kartoffeln und Erbsen erhalten hat. Ich soll Sie ersuchen, die Dinger auszulösen, wie’s uns versprochen worden ist.“ Der Stadtrath. „Ja lieber Freund, die werden auch ausgelös’t, aber nur nicht jetzt, wo wir unsere rechtmäßige Regierung wieder haben, die erlaubt sich keinen Eingriff in die Handlungsweise der vorigen provisorischen Regierung. Aber, wenn die einmal wieder kommen sollte, da komme Er nur auch wieder, da werden die ganzen Bons ausgelös’t.“ 13. Patriarchalische Justiz. Pfleger. „Herein !“ (Bader Oberhuber tritt ein, hinter ihm Drechsler Zwicknagl. Beide verneigen sich tief.) Pfleger. „Oberhuber, was will er?“ Oberhuber. „Hochfreyli Gnaden Exlenz! I halt’s nimmer aus des ewige Föppeln und Tuchiren vom Nachbar Zwicknagl, und denken’s nur die affrontirliche Aeußerung, die er am letzten Sonntag beim Betzlbräu g’macht hat: Neun und neunzig Narren und a Bader machen hundert. Wissen’s waß’s is, Euer Gnaden, Hochfreyli Gnaden Exlenz will’ ich sag’n, ich leid es einmal nicht mehr. Ich verlange erkleckliche Satesfaction und Genugthuung.“ Pfleger. „Zwicknagl Hat er des wirklich böswillig gesagt?“ Z w i ckn a g l. „Hochfreyli Gnaden Exlenz! Gesagt hab’ is; aber des is ja a alter Spaß, wer wird denn so was a glei übel nehma. Und richti is amal, wissen’s ja selber Euer Gnaden Exlenz, ‘s hat jeder Bader ‘n Strich, bringt’s ja der Beruf mit sich.“ Pfleger. „So so! Hm hm! Also „neun und neunzig Narren und a Bader machen hundert,“ hat er g’sagt?—Wißt’s waß’s is, ich bring auch nicht mehr heraus. Zahlts mit einander.“ 14. Das erste Protokoll. Practikant. „Jetzt aufgepaßt! — Der Inhalt der von Euch zu Protokoll gegebenen Punkte ist also in nuce wie folgt: pro primo: puncto der von Eurem Weibe angegebenen eingebrachten dos negirt Ihr die von derselben behauptete Quote. pro secundo: puncto alimentationis offerirt Ihr Eurem Weibe eine Aversal-Summa per 2000 fl.; und pro tertio: wollet Ihr sodann in perpetuum von Eurem Weibe quoad torrum et mensam getrennt sein! Verstanden?!“ Bauer. „Failt (fehlt) si nix, Gnod’n Herr Kommissär.“ 15. Edelmann. „Auf jener Hut ist mir das Recht zugstanden, zu weiden.“ Bauer. „Sie? A Racht? Se hoba ka Racht. Dos Racht wor Ihne, den große Harrn zu kle und do hobe se dos Wörtli „Vor“ fürgsetzt und hobe aus’m Racht ä Vorracht gmocht. Un wer vorm Racht is, is nit im Racht.“ 16. Polizeicommissär. „Ich sage Ihnen, Fräulein —“ Emancipirte. „Bitte, mein Herr. ich bin kein Fräulein.“ Polizeicommissär. „Gleichviel! Frau oder Fräulein, das kann ich hier nicht untersuchen. aber das muß ich Ihnen ernstlich bemerken, daß die Freiheit, die Sie sich in Ihrem äußern Erscheinen herausnehmen, durchaus anstößig ist.“ Emancipirte. „Warum? Ist die Polizei so moralisch?“ Polizeicommissär. „Darum handelt es sich nicht: die Moral ist nicht unsre Sache, aber ein männliches Auftreten kann in einem geordneten Staatsleben in keiner Weise geduldet werden.“ 17. (Eine Volksversammlung zur Vorberathung für die Wahlen der Abgeordneten, unter freiem Himmel gehalten. Die Theilnehmer sind meistens Bauern.) Ein Redner spricht. „Männer, deutsche Brüder, biedre Bauern. An euch wende ich mich, wackre Landsleute. Ihr wißt, Morgen sind die Wahlen für München. Ihr wißt nicht, was diese Wahlen auf sich haben. Das Wohl und Weh von Deutschland, von Europa liegt in euern Bauernhänden. Betrachtet einmal die Zeit. Man hat euch gesagt: Ihr werdet von euern Lasten frei sein! — Ihr werdet es, glaubt mir; aber nicht gleich. Seid zufrieden, daß es geschehen wird.— Ihr sollt Morgen also wählen. Es ist die höchste Ehre, die je einem Menschen zu Theil geworden ist — nach München gewählt zu werden — es ist aber auch die höchste Verantwortung. Bedenkt nur: ein solcher Abgeordneter trägt auf seiner armen Seele 50,000 Seelen, und ihr —ihr, Männer, ihr tragt Morgen jeder 500 Seelen auf eurer Seele. Darum wählt einen Mann, der ein vorzügliches Gewissen hat, einen klaren Kopf — aber vor Allem ein gutes Gewissen. Nicht wahr, das ist euch auch der Liebste? Bayern, Deutschland, hoch! — Ho — o — ch! Ho — o — ch. Verworrene Stimmen. „Der war groad recht. An Advokaten kennen merr brauch‘n — S’is nerr um die fufz’gtausend Seelen. Der hot a so schon gnug af’m Gwiss’n, moan i.“ 18. Preuße. „Kellner, bringen Sie mir einen Schoppen 1850ziger Ausbruch.“ Kellner. „Sie verzeihen, den haben wir noch nicht!“ Preuße. „Es ist doch schrecklich, was man in Süddeutschland noch weit zurück ist; wir in Preußen trinken den Wein immer ein Jahr voraus.“ Die Auswanderer, oder wunderbare Fahrten und Abenteuer der Herrn Barnabas Wühlhuber und Casimir Heulmeier in Amerika. (Fortsetzung.) „Sehn Se, liebes Wühlhuberchen, s’ is se doch kee Spaß so ‘ne Seereise; ich sage se, wees Gott, wenn das Amerika mich täuscht, nachher bin ich außer mir. „Westwärts zieht die Weltgeschichte,“ sagt e großer Dichter, abber e Land ohne König, ohne vornehme Herren, ohne Hofmusik, ohne Hoftheater, ohne Hofjagd-Intendanz, ich sage se, Wühlhuberchen, s’ kann sich nicht haltet, s’ mags ma(en wie’s will. Die Amerikaner müssen ihren König kriegen, mer muß den ungleichen Menschen zu ihrem Glück verhelfen — das ist jetzt unsre Aufgabe.“ (Fortsetzung folgt.) === FB9-0210 Visionen (Schluß.) 4. Der Leichenzug Was schaffen heimlich die Gesellen? Was soll das stumme Werk der Nacht? Darf ihren Fleiß kein Tag erhellen? Kein Auge sehn, was sie gemacht? Tief hängt das Nachtgewölk herunter, Kein Strahl des Himmels dringt herab. Ein Irrlicht aber gaukelt munter; Es gaukelt um ein tiefes Grab. Gestützt auf ihre Schaufeln starren Die Nachtgesellen vor sich hin. Sie scheinen lange schon zu harren, Und ungeduldig ist ihr Sinn. Jetzt wird’s lebendig in der Ferne, Es fackelt plötzlich Irrlichtschein, Gleich einem Heer verirrter Sterne, Um einen Zug die Schlucht herein. Ein finstres Häuslein Ritter schreitet Mit blanker Waffe stumm voran. Ein schmaler, bleicher Mönch geleitet Sie die geheimnißvolle Bahn. Dann kommt ein Sarg. Mit Gold und Orden Geschmückte Herren tragen ihn. Es folgen bunt gemischte Horden, Zu deren Seiten Mönche ziehn. Still war’s bisher, und scharf zu spähen Schien jedes Auge. — Droht Gefahr? — Das Grab ist nah, kein Feind zu sehen, Und den Gesang beginnt die Schaar: „Bald ist vollbracht, wonach wir ringen, Und wieder unser ist die Macht. Kein Gegner wacht. Es wird gelingen. Es siegt des Glaubens Wundermacht. „Das freie Licht, das feindlich arge, Beleuchtet nie mehr Recht und Pflicht. Ha, fürchtet nicht, daß aus dem Sarge Es wieder in das Leben bricht. „Hinab, hinab! Den Sarg bedecke Das geizig beutefrohe Grab. Kein Zauberstab des Geists erwecke, Was fromme List dem Grabe gab.“ — Ha, Thoren! Noch ist’s nicht gelungen, Noch lebt und wacht des Lichtes Hort. Was fesselt plötzlich eure Zungen? Was reißt in wilde Flucht euch fort? Ein Donner grollet durch die Klüfte, Der Sarg erbebt, der Deckel bricht, Ein Strahlenmeer durchwogt die Lüfte, Und auferstanden ist das Licht. Atlantis. Das Segel hängt erschlafft und faltig, Ein Spiel der Wellen ist das Boot, Die Strömung wallt und wogt gewaltig: Doch für den Schiffer hat’s nicht Noth. Vom Steuer ist die Hand gesunken, Der Athem röchelt hohl und schwer, Das Lockenhaupt wiegt, schlummertrunken Zur Brust geneigt, sich hin und her. Mag’s wallen, wogen, strudeln, schäumen, Verderben drohen hier und dort! Der Schiffer ruht in seinen Träumen, Und brausend führt der Sturm ihn fort. Die Sonne steigt, sie eilet nieder, Den Fluthen nahet schon ihr Lauf, Da reckt er endlich seine Glieder Und fährt bestürzt vom Schlummer auf. „Wo bin ich?“ klagt er in die Fluthen, Die reißend mit ihm fliehn, hinaus. „Schon glühn des Abends Schauergluthen, Und mit dem Morgen fuhr ich aus. „Wo ist der Tag, mein Tag geblieben? Ich wurde, falscher Träume Spiel, Vom Wellenzuge fortgetrieben, Und nie mehr find’ ich Weg und Ziel. „Atlantis hob vor meinen Blicken Den ewig jugendlichen Strand. Ich sahe Frucht und Blüthe nicken Im winterlosen Wunderland. „Und günstig wehten mir die Lüfte, Hinüber zog ihr sanfter Flug. Schon athmet’ ich des Ufers Düfte, Dem mich das Boot entgegentrug. „Vergessen war der Erde Kummer, Ach, anzulanden dacht’ ich schon; Da sank mein Haupt! — Ein kurzer Schlummer, Und Alles, Alles ist entflohn. „Ist kein Erbarmen? Kein Erlösen? Verscherzt ein Traum des Himmels Huld? Verfiel mein Loos der Macht des Bösen? Tilgt keine Sühne meine Schuld?“ Kein Retter hört das eitle Klagen, Es naht kein Helfer in der Noth. An einer Klippenwand zerschlagen Versank der Schiffer und sein Boot. 6. Der gefesselte Riese. Es donnert fern. Das Ungewitter Hat sich vertobt. Vom Wetterstrahl Und Sturm zerstreute Zweige, Splitter Und Blätter decken weit das Thal. An einer kronberaubten Eiche — Es traf der Blitz ihr stolze Haupt — Liegt ausgestreckt wie eine Leiche Ein Riese, starr und sinnberaubt. Ein Zwerg, der lauernd nahte, schleichet Um den Erstarrten, gafft ihn an Und ruft, indem er still entweichet Ein Heer von Zwergen schnell heran. Ein Jeder trägt sein Bündlein Fäden, Sie schaun des Riesen starre Ruh, Bewitzeln ihn mit losen Reden, Und lächeln gar vergnügt dazu. „Ans Werk! Ans Werk! Wir müssen eilen Ermahnt ein Greis. Kommt, schnürt ihn fest, Umgarnet ihn mit euern Seilen, Eh die Betäubung ihn verläßt.“ Geschäftig werden alle Hände, Die Männlein rennen hin und her, Und des Verbesserns wird kein Ende, Denn das Geschäft ist groß und schwer. Doch endlich, endlich ist’s gelungen, Der Riese liegt gefesselt da, Mit tausend Fäden dicht umschlungen, Und Alle schrein: „Viktoria!“ Da kehrt des Riesen Athem wieder, Er schlägt die stolzen Augen auf. Den Zwergen schüttern alle Glieder, Und Viele fliehn in blindem Lauf. Die Kühnern harren aus mit Beben, In ihrer Macht ist sein Geschick; Er kann nicht Hand und Fuß erheben, Doch schrecklich ist sein Herrscherblick. Der Riese sieht erstaunt die Seile, Mit denen er gefesselt ist, Betrachtet Alles eine Weile, Und lächelt ob der Zwerge List. Dann spricht er höhnisch: „O ihr Thoren! Mit Zwergefesseln bindet man Nicht, den ein Riesenweib geboren, Seht was ich will und was ich kann.“ Ein leichtes Zucken reißt die Stricke Den Spinnenfäden gleich entzwei. Der Riese steht im Augenblicke Auf seinen Füßen frank und frei. 7. Der Brodbaum. „Ein Brodbaum!“ schrien entzückt die Wandrer. Der fruchtbeladne Riese stand Im Sandmeer einsam, und kein andrer War weit und breit im dürren Land. Das war ein Jubeln und ein Jagen! Vergessen war der Wüste Gluth, Gewichen der Erschlaffung Zagen, Zu neuer Kraft gereizt der Muth. Den Schatten hatte bald die Menge, Doch keinen Ruheplatz erreicht. Es drängt in blindem Wuthgedränge Sich Jeder vor, und keiner weicht. Denn grimmig sind des Hungert Krallen, Verzehrend ist des Durstes Pein. Vielleicht ist eine Frucht gefallen, Und Jeder will der Finder sein. Umsonst. Zur Mehrung ihrer Qualen Ist rings der Baum bedeckt mit Frucht. Doch auf der Erde sind nur Schalen. Und Keiner findet, was er sucht. Dem Sturme folgt ein dumpfes Schweigen, Der Hoffnung Eifer ist erschlafft. Wer kann den Riesenbaum ersteigen? Versuche Jeder seine Kraft. Vertrauend auf die starken Glieder, Tritt Einer nach dem Andern vor. Doch halbweg gleiten Alle nieder, Und keiner dringt zur Frucht empor. Ein Jüngling nur, sehr zart gebauet Und krankhaft bleich, ist noch zurück Er hatte seiner Kraft mißtrauet, Doch jetzt versucht er auch sein Glück. Und was dem starken Arm mißlungen, Ist dem gelenken bald geglückt. Des Baumes Dickicht ist erschwungen, Und gierig eine Frucht gepflückt. Und schnell — er kann nicht widerstehen — Verzehrt er sie und labet sich. „Auch das noch! Hungernd das zu sehen! Erbraust es unten fürchterlich. „Der Selbstling! Uns hat er vergessen. Er ißt; verhungern mögen wir. Was liegt an uns? Er fand sein Essen, Und nimmer satt wird seine Gier. „Wir wollen ihm die Lust vergällen, Was stehen müßig wir herum? Herbei, herbei, den Baum zu fällen! Er ist gemeines Eigenthum. Den Sturm des Neides zu beschwören, Ermannt der Jüngling sich zu spät. Nicht Frucht mehr will man, nein, zerstören, Wenn Alles drüber untergeht. Es schmettern Aexte, Späne fliegen, Vergebens ruft des Jünglings Schmerz. Kein Flehen kann den Sturm besiegen, Die Rache treibt mit Gräueln Scherz. Es schmettert Schlag auf Schlag; es schwanket Des stolzen Gipfels Dickicht schon; Der Riesenstamm erbebt und wanket, Der tolle Haufen stäubt davon. Der Riese fällt mit Dumpfem Krachen, Im Sande dampft des Jünglings Blut: Die Helden nahen unter Lachen, Und theilen das gemeine Gut. Nächtliche Ruhestörer. Handwerksbursch singt: „Zum Zipfel- zum Zapfel zum Kellerloch nein, Alles mu — u ————“ Korporal: „Kerl, ich arretire ihn, wenn er nochmal das Maul aufthut, und die nächtliche Ruh der Stadt stört.“ Handwerksbursch: „Ja, awer, Herr Korporal, die da hinne mache doch noch mehr Lärm, arretirens die aach!“ Korporal: „Schafskopf, des is was anners, des is äne Patroulje, die sind commandirt, um die Ruhe aufrecht zu halten !“ Heuschreckenlied. Was ein g’rechter Heuschreck is’, Sitzt im Sommer auf der Wies’. Auf der Wiese muß er singen Alleweil hin und wider springen. Auf der Wies’ ist sein Gespann —*) Da fällt ihn kein’ Langweil an! Heuschreck hin, Heuschreck her: Ein alter Heuschreck hupft nicht mehr! Und die edle Heuschreckin Pfleget sein mit treuem Sinn. Und an ihrem grünen Busam Schläft der Heuschreck nächtlich ruhsam Schläft in’s kühle Gras versteckt Bis der Tag zum Springen weckt. Heuschreck her, Heuschreck hin — Es lebe auch die Heuschreckin. *) = Gespons. Heuschreckenlied. Und so lang der Sommer scheint Hupfen beede eng vereint. Er unzähmbar, wild, anarchisch, — Sie konstitutionell monarchisch, Bis im Herbst beim ersten Reif Beid’ sich strecken kalt und steif. Heuschreck hin, Heuschreck her — Ein todter Heuschreck springt nicht mehr. — Aus Frankfurt a./M. (Nach der Parlaments-Sitzung vom 30. Mai 1849.) „Ihr Mähd habts jetzt viel besser als die Herrschaften! Die Deputirte gehe fort, und das Militär, das bleibt hier!“ Papierschnitzeln. 19. Ein kleiner Judenknabe fragt seinem Vater ganz naiv: Papa, was ist dann ein „Rother?“ Der Jude schmunzelt, greift in die Hosen und sagt: „Adolph, du weißt nit, was ist a Rother? geh lauf auf die Straaße und nimm de erste Beste, stell’n uf de Kopf, und als es nit klingelt, das ist a Rother.“ — 20. Berliner Räthsel. „Du hör ‘n mal Bommelmayer, wat is dat: dat enne braucht kratzen bis et weg jeht, das andere beißen, bis es uf jeht?“ „Dat weeß ich nich!“ „Dann will ik es dir sagen: dat is eene Bart-Nuß.“ 21. Gschieht ‘m recht, warum fahrt er so schnell! Bürger A. „Sag mir doch, was habns denn jetzt gar für besondere Republikaner, die Rothen mein’ ich?“ Bürger B. „Schau! die rothen Republikaner san unter den anderen Republikanern grad des, was die reitenden Artilleristen unter den anderen Artilleristen sind, das heißt, es geht gschwinder bei ihnen; — und sie hab’n a rothe Federn af ‘m Huat und extra noch blutige Aug’n —; das san die rothen Republikaner; ma findt’s a nur da, wo der rothe Wein wächst; eigentlich g’hörns aber da hin, wo der Pfeffer wächst.“ 22. Hausherr. „Sie wollen ein Armuthszeugniß? Ich kann Ihnen keines geben.“ Wittwe. „Aber ich bitt’, Sie haben der Frau Räthin, die im ersten Stock wohnt und 900 Gulden Pension hat, auch ein Armuthszeugniß gegeben!“ — Hausherr. „Die Frau Räthin ist eine Parthei, die ihren Zins ordentlich bezahlt, und auf solche Partheien muß man schauen. Zahlen Sie ihren Zins zur rechten Zeit und Sie werden ebenfalls ein Armuthszeugniß erhalten.“ 23. Capitalsteuer. „Wir haben nun die Kapitalien zur Besteuerung aufzunehmen. Wie hoch belaufen sich die Ihrigen?“ „Das wird diesmal klein herauskommen. Gestern durchlief ich mein Hauptbuch und fand, daß sich meine Activ-Capitalien auf 25,000 fl., meine Passiv-Capitalien aber auf 19,000 fl. belaufen. Ich kann daher für diesmal nicht mehr als 6,000 fl. versteuern.“ „Was doch ihr Kaufleute so pfiffig seid. Unsereins kann auch noch ein Bischen rechnen. 25,000 fl. und 19,000 fl. machen zusammen 44,000 fl.’ „Bedenken Sie doch gefälligst, daß die 19,000 fl. Passiv-Kapitalien sind!“ „Das gilt dem Staat gleich, wie Sie Ihre Kapitalien einzeln benamsen. Kapitalien sind eben Kapitalien, und 19 zu 25 thut 44!“ 24. „Was hat denn Ihr Hund für ein sonderbares Zeichen um?“ „Das ist kein Zeichen, das ist eine Rettungsmedaille die er kürzlich erhalten hat.“ „Wie soll ich das verstehen?“ „Der Hund hat den Arzt vom Krankenbette seines Herrn weggebissen, und ihm dadurch das Leben gerettet.“ 25. „Ach, Herr Demokrat — das Bier is halt in unserm Wirthshaus zu schlecht. Sie solle vor Alles helfe kenna.“ „Gut. Dieser Sache soll in kürzester Zeit Rechnung getragen werden. Sagen Sie Ihrem Mitbürgern daß ich heute über acht Tage in Ihrem Dorf eine Volksversammlung halten werde.“ 26. Oberhofmeister. „Johann, ich hatte ihm gesagt, daß er Schlag 3 Uhr zu mir komnen solle; jetzt ist es 3 Minuten über 3 Uhr. — Ich muß mir diese auffallende Unachtsamkeit alles Ernstes verbieten!“ Bediente Johann. „Wenn Ew. Exzellenz sich allergnädigst überzeugen wollen, es schlägt erst in diesem Augenblicke drei.“ Oberhofmeister (verächtlich) „Ganz richtig, allein das ist die Stadtuhr. In meinem Hause richtet man sich aber schuldigermaßen nur nach der Schloßuhr, wonach zu achten.“ 27. „Herr Hauptmann! ich bitte gehorsamst um Urlaub, meine Mutter ist gestorben.“ „Was geht mich Seine Mutter an! — Meine Mutter ist schon lange gestorben, und ich gehe doch nicht in Urlaub.“ 28. Lehrer. „Ein Pfarrherr hat jährlich 1800 fl. Einkommen, 400 fl. gibt er seinem untergeordneten Amtsbruder, der ihm alle seine Geschäfte besorgt, 500 fl. braucht er, um recht gut leben zu können, was bleibt ihm dann noch, Johann?“ Johann. „900 fl.“ Lehrer. „Richtig — wenn nun ein Lehrer mit saurer Mühe jährlich 200 fl. verdient und wöchentlich 4 fl. braucht, was bleibt ihm übrig ?“ Johann. „Beim Pfarrer 8 fl. Schulden zu machen.“ Faxsimile’s aus dem Skizzenbuch eines alten Hauses. Gute Beweisführung. „Da schreien’s allaweil von dene Vorzügen und von dem Glück von ana Rebablik! Ja, sag’ i, waar schon recht!! — Fragen Sie amal, ob de alten Grieche da und de alten Römer übereinand glückli gwesen san mit ihra Rebablik! — Na, — sag i Ihna, net san sie’s gwesen, und wenn mir’s de alten Grieche und Römer selba sageten!! — Fragen Sie amal die heutigen Franken da und die Schweizer und die Nordameriganer, ob s’ ebban aa glückli san mit ihra Rebablik! — Na, sag’ i, — net san s’ glückli, sag’ i! — Und wenn das ganze Frankreich, die ganz Schweiz und das ganz Nordameriganer-Gsindl Ja saget, — so sag’ i halt doch allaweil Na und noch amal Na!! — Die Leut da beliiege sich nur selba, wenn’s Ja sage’ — oder sie sag’ns aus purer, nacketer Verzweiflung!!! —“ Triftige Antwort. „Herr geheimer Herr Owerschreiwer, i dat ehne blos bittn, ob desselbe Nescriptl schon fürti is oder net?“ „Ja da müßt Ihr halt in 14 Tagen wieder nachfragen!“ „Ober mer san von Bouchbach düham, un do brach mer holt 14 Stund, bis ma abikimma.“ „Nun gut, so mach er halt jeden Tag eine Stunde Wegs, so seid Ihr in 14 Tagen grade zur rechten Zeit hier. — Versteht Ihr?“ === FB9-0211 Dat Weetloopen1) twischen den Haasen un den Swinegel2) up de lütje3) Haide bi Buxtehude. (Plattdeutsche Mundart.) Düsse Geschichte is lögenhafft to vertellen4) awer wahr is se doch! Denn min Grotvader, von dem ick se hev5), pleggte6) jümmer7), wenn he se vertellde, dabi to seggen8): Wahr mut se doch sin, min Sohn, anners kann man se jo nich vertellen. De Geschichte hat sick awer so todragen9): Et wör an eenen schönen Sünedag Morgen t’or Harvs-Tiet10), just as de Bookweeten11) bloihde12). De Sunn wör hellig upgahn am Himmel, de Morgenwind ging warm öwer de Stoppeln, de Larken13) süngen inner Luft, de Immen sumsten in de Bookweeten un de Lüde güngen in öhren Sünndagsstaat n’ar Karken14) un alle Creatur wör vergnügt, und de Swinegel ook. De Swinegel stund vor siner Dör, hadd de Arme unterschlagen, keek15) dabi in den Morgenwind hinut un quinkeleerde16) een lütjet Leedken17) vor sick hin, so good un so schlecht un ewen een Swinegel to singen pleggt. Indem he’nu so half lise vor sick hen sung, fööl em up eenmal in, he kün ook wol, mittlerwiel sin Froo de Kinner wusch un awtröcke, en beten18) in’t Feld spazeren, und mal tosehen, wie sin Steckröwen19) stünden. De Steckröwen wören awer de nächsten bi sinem Huse, un he pleggte mit siner Familie davon zu eeten20); darum sach21) he se as de sinigen an. Gesagt, gethan. De Swinegel machte de Husdör achter22) sick to un schlog den Weg na’n Feld in. He wör noch nich ganz wiet von Huse un wöll just um den Busch, der vör ‘n Felde liegt, nach den Steckröwen-Acker hinupgahn, as em de Haas bemöt23), de in ähnlichen Geschäften utgahn wör, nemlich um sinen Kohl to besehen. As de Swinegel den Haasen ansichtig wör, so bot he em eenen fründlichen go’n Morgen. De Haas awer, de up sine Wiese24) een förnehmer Herr was un grausam hoffärtig dabi, antworde nix up den Swinegel sinen Gruß, sondern seggte to’n Swinegel, wobi he eene gewaltige höhnische Miene annahm: „Wie kummt et, dat du hier all bi to fröhem Morgen im Felde rumlöpst?“ — “Ick gah spazeeren,“ seggt de Swinegel. — „Spazeren?“ lacht de Haas, „mi dünkt, du könnst dine Beene ook wol to bettern Dingen gebruken.“ — Düsse Antwort verdröt25) den Swinegel ungeheuer, denn alles kund he verdragen, awer up sine Beene lot he nix kamen, ewen, wil se von Natur scheef wören. — 1) Wettlaufen. 2) Schweinigel. 3) kleine. 4) erzählen. 5) habe. 6) pflegte. 7) immer. 8) sagen. 9) zugetragen. 10) Herbstzeit. 11) Buchweitzen. 12) blühte. 13) Lerchen. 14) Kirche. 15) guckte. 16) trillerte. 17) Liedchen. 18) ein Bißchen. 19) Steckrüben. 20) essen. 21) sah. 22) hinter. 23) begegnet. 24) Weise. 25) verdroß. „Du bildest di wol in,“ seggt nu de Swinegel to’n Haasen, „as wenn du mit dine Beene mehr utrichten kannst?“ — „Dat denk ick“, seggt de Haas. — „Dat kömmt up’n Versöck26) an.“ meent de Swinegel; „ick pareer27), wenn wi iu de Wette loopt, ick loop di vorbi.“ — „Dat is to’n lachen, du mit dine scheefen Beene?“ seggt der Haas — „awer mintwegen mach‘t sin, wenn du so öwergroote Lust hast. Wat gelt de Wette?“ „Eene goldene Lujedor un ‘n Buddel Win,“ seggt de Swinegel. „Angenohmen!“ sprök de Haas, „slach28) inn, un dann kann’t losgahn.“ — „Nee, so groote Ihle29) hett es nich,“ meent de Swinegel, „ick bin noch ganz nüchtern, erst will ick to Hus gahn un en beten fröhstücken; inner halwen Stunne bin ick widder hier up’n Platz.“ — Damit ging de Swinegel, denn de Haas wör et tofreden30). Unterwegs dachte de Swinegel bi sick. „De Haas verlett31) sick up sine lange Beene, awer ick will em wol kriegen. He is zwar een förnehmer Herr, awer doch man ‘n dummer Keerl un betalen32) soll he doch!“ — Als nu de Swinegel to Hus anköm, sprök he to sine Froo: „Froo treck33) di an, du mußt mit mi na’n Feld hinut.“— „Wat givt es denn?“ seggt sine Froo. — „Ick hev mit’n Haasen wettet um ‘u goldenen Lujedor un ‘n Buddel Win; ick will mit em in de Wett loopen un du sost34) mit dabi sin!“ — „O min Gott, Mann,“ fing nu den Swinegel sine Froo an to lamenteeren, „bist du nich klook35), hest du dann ganz din Verstand verloren? Wie kannst du mit ‘n Haasen in de Wett loopen wull’n?“ — „Hol36) dat Mul, Wif37!“ seggt de Swinegel, „dat is min Saack, resonneer38) nich in Männergeschäfte. Marsch! treck di an un dann kumm mit!“ — Wat soll den Swinegel sine Froo maken? Se mußt wol folgen, se mug nu wull’n oder nich. As se nu mit enander unnerwegs wören, sprök der Swinegel to sine Froo: „Nu paß up, wat ick di seggen will. Sicht du, up den langen Acker, da will mi unsen Wettloop maken. De Haas löpt nemlich in der eenen Föhr39) un ick inner aunern un von baben40) fang wi an to loopen. Nu hest du witer nix to dahn, als du stellst di hier unnen in de Föhr, un wenn de Haas up die annere Süt41) ankummt. so röpst42) du em entgegen: „Ick bin all43) hier! — Damit wören si bi den Acker anlangt. De Swinegel wees44) da siner Froo ehren Platz an, un ging nu den Acker hinup. As he baben anköm wör de Haas all da. „Kann et losgehn?“ seggt de Haas. — „Ja wol,“ feggt de Swinegel, „denn mau to!“ — Un damit stellde jeder sick in sine Föhr: de Haas tellde45). Hahl een, hahl twee, hahl dree!“ un los ging he wie ‘n Stormwind den Acker hindahl46). De Swinegel löp ungefähr dree Schritt, dann dukte he sick dahl in de Föhr nu blev47) ruhig sitten. As nu de Haas in vullem Loopen unnen an Acker anköm, röp em den Swinegel sine Froo entgegen: „Ick bin all hier!“ — De Haas stutzte un verwunnerte sick nich wenig; he meente nich unners, as et wör de Swinegel sülvst48) de em dat toröp. Denn bekanntlich sütt49) den Swinegel sinn Froo just so ut, wie ehr Mann. De Haas awer meente: „Dat geiht nich to mit rechten Dingen, nochmal geloopen!“ — Un fort ging he widder, wie ‘n Stormwind, dat em die Ohren am Koppe slogen. Den Swinegel sine Froo awer blev ruhig up ehren Platz. As nu de Haas baben anlöm, röp em de Swinegel to: „Ick bin all hier! — De Haas awer, ganz uter sick vor Aerger, sprök: „Noch mal geloopen! Widder um!“ — „Mir noch so schlimm,“ antworde de Swinegel, „meinetwegen noch so oft, as du Lust hast.“ — So lööp de Haas noch dree und söbentig50) Mal un de Swinegel hull51) et immer mit em ut. Jedet Mal, wenn de Haas unnen oder baben anköm, seggten de Swinegel oder sine Froo: “Ick bin all hier!“ — To’u vör un söbeutigsten Male awer köm de Haas nich to Ende: dat Bloot flog em ut’m Hals un he blev dot up’n Platz. De Swinegel aber nöhm sine Lujedor un den Buddel Win, röp sine Froo ut de Föhr aff52) un beede gingen vergnögt mit enanner na hus, un wenn se nich sturwen53) sind, levt54) se noch. So begew55) et sich, dat up de Buxtehuder Haide de Swinegel den Haasen dot loppen hett, un siet56) jener Tiet hot et sick keen Haase widder in fallen laten, mit’m Buxtehuder Swinegel in de Wette to loopen. — De Lehr awer ut düsser Geschichte is: Erstens: Dat keener, un wenn he sick ook noch so förnehm ducht57), sick soll bikommen laten, öwer’n geringen Mann sick lustig to macken, und wör’t ook man een Swinegel. — Un tweedens: Dat et gerathen is, wenn eener freet58), dat he sine Froo ut sinen Stamme nimmt, un se just so utfüht59), as he sülvst. Wer also een Swinegel is, der mut tosehen, dat sine Froo ook een Swinegel is, un so wieter60)! 26) Versuch. 27) parire. 28) schlag ein. 29) Eile. 30) zufrieden. 31) verläßt. 32) bezahlen. 33) ziehe. 34) sollst. 35) klug. 36) halt das Maul. 37) Weib. 38) raisonnire. 39) Furche. 40) oben. 41) Seite. 42) rufst. 43) schon. 44) wies. 45) zählte. 46) hernieder. 47) blieb. (Aus einem alten Holsteinischen Kalender.) 48) selbst. 49) sieht. 50) siebenzig. 51) hielt. 52) ab. 53) gestorben. 54) leben. 55) begab. 56) seit. 57) däucht. 58) freit. 59) aussieht. 60) weiter. Bau-Regel. (Trinklied.) Einer. So Jemand baut ein neues Haus, Und baut zuerst den Söller, Da kommt niemals kein Sinn heraus; Zuerst bau er den Keller! Chor. Stoßt an! Zuerst den Keller! Einer. Und wer zuerst ein Mädel freit, Und denkt zu trinken künftig, Der hat es oft gar schwer bereut, Der war im Bau nicht zünftig. Chor. Stoßt an! Denn wir sind zünftig! Einer. Doch habt Ihr erst im Keller Wein, Da macht euch keine Sorgen! Die Liebe kommt von selbst herein, Ist’s heute nicht, ist’s morgen. Chor. Stoßt an! Fort mit den Sorgen! Einer. Der Keller erst. Das Dach hernach! Das ist ein gut Gezimmer. Im Keller Wein, und Lieb im Dach! Und Lieb’ und Wein für immer! Chor. Stoßt an! So sei’s für immer! R. Reinick Schau, trau, wem! Der Herr. Schönes Mädchen, o schau, Wie doch Alles so blau; Deine himmlischen Augen Wie die Blumen der Au! Das Schäfermädchen. Lieber Herre, nu schau! Wie doch Alles so flau: Deine Haare, deine Augen Wie die Schaafe so grau! Derr Herr. Schönes Mädchen, o schau, Nimm’s nicht so genau! Einen Kuß, liebe Kleine, Und ich nehm’ dich zur Frau! Das Schäfermädchen. ‘S gibt ein Sprüchel, heißt: „Schau!“ ‘S gibt ein Sprüchel, heißt: „Trau!“ Aber’s: „Wem“ kommt dahinter. Such wo Anders ‘ne Frau! R. Reinick Er muß das besser verstehn. „Herr Gensd’arme, lassen Sie doch diesen Armen frei gehen; der alte Mann mit einem Fuß kann Ihnen ja doch nicht entspringen.“ — „Ruhig! dieses Gesindel verstellt sich nur oft so.“ Schutz deutscher Arbeit. Ein düsteres Gemälde der schrecklichen Folgen des Freihandels! Die ganze deutsche Arbeitskraft auf einer Bahre davongetragen — der große Todte sammt seinen nächsten Anverwandten auf dem Wege in’s kühle Grab, gestorben an schlimmer Diät, am Stocken des eigenen Blutumlaufs, an unzuträglichen britischen Gerichten, an Ueberfüllung des Magens. Die stumme Gemütlichkeit in den Zügen des Verschiedenen weist eher nach dem Süden als nordwärts. Die Schraube, einst so energisch, und die Winde, die stets nach oben strebte, verrathen die tiefste Trauer. Sie wollen nicht länger leben, als bis die theure Bürde im Grabe liegt; dann legen sie sich zu ihr. Auch das Öelfläschchen trauert um die Freunde, die dahingehen, obgleich sie ihm nur immer Opfer zugemuthet. Voraus zieht mit keckem Schritte unverfolgt von der strafenden Gerechtigkeit der grinsende Mörder. Sein unseliges Panner flattert siegestrunken in den Lüften. Ein kleines Medaillon an der Seite, unverkennbar ein Orden, bezeugt daß sich der Thäter um eine naheliegende Seemacht sehr verdienstlich erwiesen. Den Zug beschließen zwei Ausländer, die als lachende Erben eintreten. Ihre Namen sind bekannt. Ihre Haltung ist äußerlich ernst und würdig — in ihr Inneres sehen wir nicht, doch dürfte es mit dem Aeußern in erheblichem Kontraste stehen. Das königliche Thier zur Rechten fand für gut, sich als unbefangener Zuschauer bei dem Acte Anzufinden, obgleich es im höchsten Grade betheiligt ist. Es verbirgt seine angenehme Aufregung nur unter einer Lorgnette; die ganze Gestalt drückt Zufriedenheit und Vergnügen aus über den gleichwohl so traurigen Vorgang. Dies ist die eine Alternative. Sehr tröstlich dagegen ist die andre, die wir auf dem zweiten Bilde sehen. Hier setzt der Künstler die Einheit des deutschen Reiches voraus und Schutz für die deutsche Arbeit. Es ist tiefer Friede, eine heitre stille Luft. Die Waffen hat der Adler abgelegt, doch ist die Tendenz des Rachens imponirend. Der Aar scheint einen ausgiebigen Wächterruf zu erlassen, ein wohlverständliches Ansuchen an die Gäste, den Schlagbaum ja nicht zu übersehen und nicht minder die beiden Gefäße in Acht zu nehmen, die er ihnen entgegen hält. Wenn man muß, erfüllt man solche Pflichten gern. Der ruderkundige Leoparde, oben noch so vornehm, so durchaus exclusiv, gibt sich hier, trotz des Krönleins auf dem Haupte, als bescheidenen Ouvrier, der zufrieden ist, daß noch so viele Gelegenheit *to make money übrig bleibt. Mit schalkhafter Freundlichkeit überreizt er seinen Silberling. Etwas aufgeregter scheint der Hahn, doch zeigt das, was er im Schnabel führt, wie gut er weiß worauf es ankommt. Jenseits der Schranken aber sieht der deutsche Beschauer sein eigenes theures Land. dessen Reize erhöht sind durch die Freuden eines sehr angenehmen Bürgerballes. In mäßiger Ferne liegt die gute Stadt, die so heiteres Volk beherbergt. Die rauchenden Schlote, die rollenden Bahnzüge, die brausenden Räder bedeuten uns, daß man hier in der Lage ist, zufrieden zu sein. Strömte Vater Rhein durch das Bild, so würden wir nicht ermangeln, auch Dampfboote zu sehen. Hier wohnen lauter wohlhabende Leute, die sich hin und wieder selbst an einem Werktage einen sittsamen Zeitvertreib gestatten, lauter ehrbares, tüchtiges Volk, nicht ohne Bildung, nicht ohne Bedürfniß nach mäßigem Luxus, nur im mündlichen Vortrag etwas zurückgeblieben — obgleich es zu rechter Zeit auch den rechten Lärm zu machen weiß. Nicht Ein Betrunkener stört dies kleine Fest, wenn auch das süddeutsche Nationalgetränke nicht gespart wird. Die Manieren sind schlicht, aber artig, gleichweit entfernt von puritanischem Ernst als südlicher Uebersprudelung. Meister Zirkel tanzt mit der ehrsamen Mamsell Zange, Herr Schere, der liebenswürdige Phantast, mit Jungfer Fingerhut; Ehren-Hammer, obwohl in etwas reifern Jahren und sehr solid, unterhält sich köstlich mit der Dame, die ihm zur Seite geht. Man sieht, diese Beiden passen vortrefflich zusammen. Die Nähe eines Rauchers so dicht an den Tanzenden darf wenigstens im Freien nicht befremden. Unter den ferner stehenden Mitgliedern dieses Arbeitercasinos ist besonders anziehend ein Verwandter jenes Herrn Zirkel, der oben beim Walzer beschäftigt ist. Seine freilich sehr krummen Beine verrathen gleichwohl eine reizende Symmetrie. Er pflegt seine Unterhaltung mit einem Gattenpaare, das in den angenehmsten Verhältnissen zu leben scheint. Auch die beiden Liebenden dürften nicht ganz zu übersehen sein, die von der Stadt her zögernd sich nähern. Alles athmet Wohlstand, Bildung, Freiheit und Größe. Wunderbare Entdeckung des Raubmörders Morzenpeter. (Nach der Erzählung des H. Amtsschreibers Schelle getreulich aufgezeichnet.) Der berühmte Räuber Morzenpeter, — vor ein paar Jahren ist er bekanntlich gehenkt worden, — macht der alten Hennenlise einen Besuch und hält um einen Zehrpfennig an. Weil sie aber gutwillig nichts hergibt, schnürt er ihr die Kehle zu und packt ihre paar Thaler Spargeld zusammen; im ewigen Leben denkt er, sind sie ihr doch zu nichts nütze. Um Aufsehen zu vermeiden, verscharrt er die Alte unter die Dielen im Schweinstall. Der Kopf hat aber in dem engen Raume keinen Platz mehr; er schneidet ihn ab und steckt ihn mit dem Scheitel voran umgekehrt in die Rocktasche, um ihn anderswohin zum Begräbnis zu tragen. Auf der Gasse begegnen ihm zwei Freunde; sie laden ihn ein, mitzugehen zu einem Glas Branntwein. Um keinen Verdacht zu erregen, folgt er ihrer Einladung. In der Branntweinkneipe treffen sie mehrere Gäste, zu denen sie sich setzen, und ganz guten Kümmel trinken, denn Morzenpeter ist jetzt bei Geld. Morzenpeter ist Liebhaber einer guten Prise Tabak; er zieht seine Dose hervor, reicht den Gästen und vergißt auch nicht die eigene Labung. Er steckt die Dose wieder ein, aber in Beklommenheit und Zerstreuung gerade zu seinem unheimlichen Gast. Die Dose war nicht gut zugedrückt, sie geht auf und entleert sich. Die Nasenlöcher fangen das Gewürz, und drei heftige kräftige Nießstöße aus ganz unerklärlicher Region verrathen den Mörder der stilllauernden Gerechtigkeit. — Neues Kammersystem. Präsident. „Meine Herren, Sie sehen, eine Abstimmung ist unmöglich, die ganze Linke hat sich entfernt. Ich bin genöthigt die Sitzung zu schließen.“ Präsident. „Meine Herren, ich bin heute wieder genöthigt, die Sitzung zu schließen. Die Rechte hat sich entfernt und die Kammer ist nicht mehr stimmfähig.“ Ubi bene, ibi patria. „Was treiben s’ denn Herr Nachbar? Sie wollen ja gar fort, wohin denn?“ „Ich mag ein für allemal nicht mehr hier bleiben, — ich wandre aus, — ich gehe nach Algier.“ — „Und warum denn?“ „Sehen S’, ich bin einmal Militär, und bei uns da habe ich keine Gelegenheit, meine Tapferkeit zu zeigen. — Sehen S’! neulich beim Wirth drüben haben wir so sechs recht gute Freunde ein bischen mit einander gerauft — gleich sind wir arretirt und gestraft worden. — Für was sind wir denn Männer“ — Deutsche? — Die Kraft, die ich in mir fühle, muß sich aufzeigen dürfen. — Sonst ist’s nichts!“— „Herr Nachbar, Sie haben recht. — Aber — eins haben Sie nicht bedacht — wäre das nicht, — ich wäre längst gegangen. — — In Algier — — da gibts kein Bier.“ „Was — wissen Sie das bestimmt?“ — „Ganz bestimmt.“ „Dann geh’ ich nach Amerika.“ „Da gibts auch keins“ — „Nun, so muß ich denn hier meine Tage enden!“ — Übertriebener Collegienbesuch. Student. „Herr Professor, ich wollte Sie bitten, mir doch gefälligst Ihr Publicum über gerichtliche Medicin zu testiren.“ Professor. „Ja mein junger Freund, sind Sie denn aber auch wirklich fleißig darinne gewesen?“ Student. „Im Anfang fehlte ich nie; gegen das Ende nöthigte mich jedoch eine anhaltende Kränklichkeit, öfters zu Hause zu bleiben.“ Professor. „Ja mein junger Freund, das Colleg, von dem Sie da sprechen, ist ja aber gar nicht zu Stande gekommen.“ Student. „Ach, da muß ich mich wohl geirrt haben! Entschuldigen Sie vielmals!“ Die Macht der Musik. Ah, ah, ah! schau die Dummheit von dene Stadtleute an — soviel verstehe mer auch — die Macht der Musik is a reiner Unsinn — das muß heißen: der macht die Musik. === FB9-0212 Der Feuerreiter. Eine Dorfgeschichte erzählt von Wilh. H. — Sonntag war’s und Nachmittag. Die Sommersonne brannte am Himmel, ein leiser Wind strich über die Saaten und bewegte sie in tausend wunderschönen Wellen wie eine hohe See; in den Furchen zwischen den Roggenfeldern gingen da und dort die Bauern, und maßen die Halmen und freuten sich, wenn die Aehren sie verbargen. Das war die größte Sonntagsfreude der guten Leute, aber nur Aeltere und Erfahrene begnügten sich damit nach dem vollbrachten Kirchengange. Die jungen Bursche, froh des arbeitledigen Tages, dachten nicht viel an Ernte und Korn; sie stolzirten mit den neuen Jacken durch das Dorf, ließen ihre goldverzierten Pelzmützen in der Sonne blitzen und dampften um die Wette aus den großen silberbeschlagenen Maserköpfen mit den schweren Silberkettchen. Zuweilen fing Einer, dem die Pfeife ausgegaugen war, so recht in übermüthiger Lust an zu singen, und flugs stimmten seine Genossen ein und weithin schallte das Lied: Ich stand auf hohem Berge, Schaut’ hinunter in’s tiefe Thal. Ei da sah’ ich ja ein junges Mägdelein — (bis) Bei drei jungen Burschen stehn etc. etc. Aber keiner von allen den lustigen Gesellen hatte, trotz der Anfangsstrophe des Liedes, auch nur einen Begriff von dem, was ein Berg ist. Ihre Heimath war die flache Ebene im Nordwesten Deutschlands, welche allmälig in das öde Meer der Haide verläuft. Dort hat das Auge weit und breit keinen andern Ruhepunkt, als das niedre Dach der Gehöfte und die struppigen Ulmen, die hier und da in kleinen Gruppen beisammen stehen. Das Dorf selbst bestand aus unregelmäßigen Häusergruppen; bald drängten sich mehrere kleine Wohnungen in einer Zickzackreihe an der Straße zusammen, bald lag ein einzelner Bauernhof, umgeben von Gärten, Feldparzellen und Wiesen abseits in stolzer Einsamkeit. Unter allen den letzteren erschien das sogenannte Hofgut am ansehlichsten. Es liegt auf einer fast unmerklichen Erhöhung des Bodens, der stillgestandenen Woge einstiger Anschwemmung, umhegt von hohen Pappeln, umgeben von Gärten und Baumstücken. Ein kleiner Teich, oder vielmehr eine grüne Lache, nicht weit von dem Hofe, speist die Wiesen, die sich in moorige Brüche verlieren; dort nimmt ein ziemlich breiter, träge fließender Bach das Rieselwasser auf. Das Hofgut besteht aus dem einstöckigen Bauernhaus, der gesonderten Scheune, den Stallungen und Schuppen: diese dreierlei Gebäude bilden die Seiten eines unregelmäßigen Vierecks, sie sind sämmtlich mit Stroh gedeckt und von Holz und Ziegeln erbaut. Der zwischen ihnen offene Hof ist keineswegs sehr einladend und reinlich, da und dort liegen Ackergeräthschaften, Wagen versperren die besten Passagen, auf welchen man der Düngerinsel in der Mitte ausweichen kann, überall schnattert und kratzt gemüthliches Federvieh, und ein halbes Dutzend munterer Fohlen springt in den seltsamsten Capriolen dahin und dorthin. Dennoch macht das Ganze den Eindruck des größten bäuerlichen Wohlstandes. Und der Hofbauer ist auch der reichste Mann im Dorfe; seine Felder sind die besten, sein Viehstand ist der zahlreichste und nie kehrt er vom Markte heim, ohne zwei schwere Geldkatzen kreuzweise über den Schultern zu tragen. Heute ist er nach dem Nachmittagsgottesdienst hinauf gegangen, um seinen Roggen wachsen zu sehen. Er ist Wittwer, und da Knechte und Mägde am Brunnen im Dorfe stehen oder vor der Schenke umherschlendern, so ist Niemand zu Hause, als des Hofbauern Tochter und die alte Anneliese, ein Erbstück der Familie. Diese sitzt vor der Hausthüre und füttert die jungen Hühner mit Brodkrumen und hat ihr Möglichstes zu thun, um dem naseweisen Spitz zu wehren, der gar zu gerne auch hier sein Amt, das Federvieh von den Pflanzenbeeten zu treiben, verwaltet hätte. Marie, des Hofbauern einziges Kind, war in den Garten hinter dem Haufe gegangen, der sich fast bis zu dem kleinen Teich erstreckte. Er war mehr dem Nützlichen, als dem Schönen, gewidmet; nur in der nächsten Nähe des Hauses blühte einiger Sommerflor auf den Rabatten, und die geschäftigen Bewohner des stattlichen Bienenhauses, das sich dicht an das Wohngebäude schloß, summten darüber wählerisch hin und her. Marie war ein Mädchen von einundzwanzig Jahren, groß und schlank, wie die Pappeln, die ihr Haupt über des Vaters Dach im Winde wiegten. dabei von einer Zartheit und Regelmäßigkeit der Gesichtszüge, der Hände und Füße, welche sonst unter Bauern selten gefunden wird. Besonders auffallend waren ihre Augen, in deren tiefem Blau tausend süße Geheimnisse zu schlummern schienen, und welche etwas weit von einander abstanden, so daß sie an die Rafael’schen Madonnenaugen erinnerten. Auch der hübsche, kleine Mund, welchen sie übrigens vortrefflich zu gebrauchen wußte, und das weiche, blonde Haar, das sie ganz ans der Stirne strich, trugen nicht das Wenigste bei zur Vollendung des Reizes ihrer Erscheinung. Heute ging Marie ungeduldig im Garten auf und ab, pflückte zuweilen eine späte Rose oder rieb die Finger an den Rosmarinstauden, lief aber noch öfter nach dem Zaun und schaute hinaus auf den Weg, der hier vorüberführte nach entfernter liegenden Gehöften. Plötzlich schien sie das gesehen zu haben, nach welchem sie schaute; sie eilte, glühend vor Freude, nach dem unteren Theil des Gartens, einem schattigen Baumstück. In demselben Augenblick sprang ein junger, etwas hagerer und langer Mann über die Hecke, ihr entgegen, und küßte sie zum Gruß auf die purpurrothe Wange. Dann selten sich Beide in den Schatten eines Apfelbaumes, dessen Zweige, von ihrer Last gebeugt, bis auf den Boden niederhingen, und so eine natürliche Laube bildeten, auf ein Gott weiß wie lange schon daliegendes Stück Bauholz. Der junge Mann war der Sohn des Amtmanns, gemeinhin der Amtsfritze genannt, und natürlich der Schatz Mariens, mit der er in die Schule gegangen war und zwei Kirchweihen hintereinander ausschließlich getanzt hatte. Jedermann im Dorf war dem braven, biederen Burschen gewogen, und er hatte sich selbst die Liebe seiner Altersgenossen zu erhalten gewußt, trottzdem daß er ein Studirter war und städtische Kleidung trug. Nur der alte Hofbauer brummte zuweilen, wenn Fritz von Andern gelobt ward, unverständliche Worte in das Kinn; einmal hatte eine der Dorffraubasen bei ihm pfiffigerweise darauf angespielt, daß wohl aus Marien und dem Amtsfritze ein Paar werden würde — aber der hatte er schön heimgeleuchtet! Seit dieser Zeit war den Liebenden der Muth sehr gesunken, und nur verstohlen wagten sie Zusammenkünfte unter vier Augen. Und sie liebten sich so sehr — so sehr, wie nur unverdorbene Naturen dies im Stand sind! Hand in Hand saßen sie unter dem Apfelbaum, dessen Blätter rauschten, als wollten sie das Zwiegespräch unhörbar machen. „Wie geht’s, Marie?“ fragte Fritz. „Schlecht genug,“ antwortete das Mädchen und zupfte am Schürzenbändel. „Denk’ nur, Fritze“ — und sie stockte und ward wieder purpurroth — „denk’ nur, Fritze, der Vater hat vom Heirathen geredet, und gesagt, es sei doch sonderbar, daß noch kein Freier bei mir angesprochen habe.“ „Glaub’s gern,“ lachte der Junge und klopfte dem Mädchen auf die Hand; „er weiß freilich nicht, was alle Leute wissen und daß kein Bursche im Dorfe mir es zu Leid thun würde, um dich zu freien. Nein, Marie, davor sind wir sicher — wenn nur kein Fremder kommt!“ „Aber einmal muß es der Vater doch erfahren,“ sagte das Mädchen. „Mir wird immer so angst. wenn ich daran denke.“ „Je nun, einerlei ist mir’s auch nicht,“ entgegnete der Amtsfritze. „Aber sieh’, liebste Marie, ich habe jetzt einen neuen Plan, und weil ich dir den mittheilen wollte, habe ich dich heute durch des Küsters Lotte hierher bestellt. Sieh, ich will ein neues Leben anfangen, das alte gefällt mir doch nicht mehr. Das ist der beste Weg, um dich zu kriegen — es müßte doch kurios zugehen, wenn mir eines Tags der Hofbauer, so sehr er auch ein alter Brummbär ist, die Hand seiner Tochter verweigern würde. „So.?“ sagte eine tiefe Stimme hinter den Beiden. Sie fuhren erschreckt empor, der Hofbauer stand hinter ihnen. Eine stattliche, gedrungene Gestalt, mit festen, markirten Gesichtszügen. Zornröthe färbte sein Antlitz — Marie hielt ihre Schürze vor die Augen, Fritz, der noch immer die Hand hielt, war so überrascht, daß er kein Wort hervorbringen konnte. „So, Mosjeh?“ sagte der Hofbauer und hielt dem Jüngling die Faust unter die Nase. „Er untersteht sich, mir meine Tochter stehlen zu wollen — hat Er das in der Stadt gelernt?“ „Aber bester Vater — „ „Den Teufel bin ich sein Vater — will Er einen Brummbär zum Vater habend? O ich habe lange schon so was gemerkt — gelt, heut’ hab’ ich Euch erwischt, ihr Vögel. Du Marie, gehst in’s Haus und wenn du den Platz verwendest — eine bezeichnende Geberde vollendete den Satz und Marie schickte sich gesenkten Hauptes an zu gehen; Fritz aber hielt ihre Hand fest. „Hofbauer“, sagte er, „das Mädchen ist mein!“ Dies war dem Alten zu viel — wie der Blitz hatte er ausgeholt und Fritz mit der flachen Hand einen schallenden Schlag in’s Gesicht gegeben. Der junge Mann ließ die Geliebte los, wie trunken schaute er eine Secunde mit wirren Augen ringsum, dann sprang er mit einem Wuthruf einen Schritt zurück, ergriff einen im Grase liegenden schweren Baumpfahl und schwang ihn mit beiden Fäusten über dem Haupt des Hofbauern. Er würde ihn getödtet haben, aber mit einem Angstschrei war Marie vor den Vater gesprungen und hielt die Arme hoch empor zur Abwehr. Einen Augenblick stand Fritz regungslos, dann sagte er ruhiger: „Hofbauer, daran sollt Ihr gedenken!“ zerschlug den Pfahl an einem Stamm, daß die Splitter umherflogen und sprang über die Hecke. „Na, das fehlte mir noch,“ brummte der Hofbauer, der nicht gewankt hatte und keinen Schritt gewichen war, „das fehlte mir noch, solch‘ einen Thunichtgut und Obenaus zum Schwiegersohn. Geh’ hinein, Mädchen — sieh’, wenn du nicht meine einzige Tochter wärst — aber eher soll es Feuer regnen auf mein Dach und mir Haus und Hof abbrennen, ehe ich meine einzige Tochter einem Schreibersjungen gebe!“ — Ungefähr um dieselbe Zeit ging es sehr lebhaft zu in dem Harmoniegarten des vom Dorfe etwa anderthalb Stunden entfernten Städtchens. Harmonie nannte sich die geslossene Gesellschaft der Honoratioren aus letzterem und der ganzen Umgegend; nur Honoratioren, vom pensionirten Rittmeister und dem Amtmann oben bis herab zum Steuerschreiber waren harmoniebefähigt und der gesammte disharmonische Plebs der Kleinbürger und Bauern streng ausgeschlossen. Einmal wöchentlich, im Sommer am Sonntag Nachmittag, war große Harmonie. Da fand sich zum „Kegelvergnügen“, zum Solo und Kreuzmariage zusammen was von der Honoration nur fahren, reiten und gehen konnte. Abends kamen die Weiber und Töchter nach, und dann gab es ein kleines „Tanzvergnügen“. Kurz, des Vergnügens war genug zu haben in der „Harmonie“. Heute war der Gartensaal des Gesellschaftshauses noch viel besuchter, als gewöhnlich. Rittmeisters hatten mehrere Herren aus Braunschweig mitgebracht, auch Acciser’s brachten fremde Gäste, — kurz, es waren neue Elemente unter die alten gerathen. Darum dauerte es auch recht lange, bis Alles in das gewohnte Geleise gerieth. Nur nach und nach fand sich das treue Kegelclübchen zusammen, das sich ein Paar fremde Eindringliche, noch dazu vortreffliche Schieber, mußte gefallen lassen; nach vielem Eintheilen und Suchen hatten sich die Kartenparthieen arrangirt, und bald war es im Saale ganz stille, und man hörte nur noch das Klappern der Marken, das Aufsetzen der Bierkrüge und das Gepaff der Schmaucher, denn die Honoratioren auf dem Land und in Städtchen rauchen Alle, und zwar aus Meerschaumköpfen, oder aus langen Pfeifen mit hornenen Abgüssen. Notiz für Solche, welche sich einmal in eine ähnliche Gesellschaft wagen wollen: Man braucht gerade nicht an besondere feinen Tabak gewöhnt zu sein, und muß mitrauchen, sonst erstickt man. Außer den beiden Kellnern, von welchen der Eine an Wochentagen ehrsamer Leinweber, der Andere Faßküper war, befand sich endlich Niemand mehr auf den Beinen, als der Amtmann, Fritzens Vater. Umsonst hatten ihn seine gewöhnlichen Partner zu einem Solo zu bereden versucht, er hatte geantwortet, es leide ihn nicht auf dem Stuhl, er fühle eine mäßige Aufregung und es ahne ihm, er werde nicht lange in der Gesellschaft bleiben dürfen. Jetzt ging er hastig in dem Saale auf und ab. Es war ein hagerer Mann, vielleicht 60 Jahre alt, aber außerordentlich rüstig und lebendig. Seine langen grauen Haare umsäumten ein höchst anziehendes Gesicht, dessen Lineamente Intelligenz und Festigkeit ausdrückten, in dessen grauen, tiefliegenden Augen ein fast unheimliches Etwas lag, welches ebenso sehr anzog, als abstieß. Er war ganz schwarz, beinahe altmodisch gekleidet, trug Reitstiefel mit Sporen über den Beinkleidern, und hielt in der rechten Hand fortwährend eine Reitpeitsche auf dem Rücken; die linke trug den Meerschaumkopf, dem er mehr Wolken rumblies, als nöthig war. Der Amtmann stand in der ganzen Gegend im Rufe der unerschütterlichsten Redlichkeit, Geradheit und teilnehmendsten Menschenliebe; aber dennoch hatte er nur wenige Freunde, und das Landvolk fürchtete ihn sogar. Das machte, weil zugleich von ihm die Sage ging, „er könne mehr als Brod essen.“ In der That war er als ein halber Zauberer verschrieen. Er fand jeden Dieb heraus, und hatte er ihn gefunden, und ihm eine Minute tu die Augen geschaut, so vermochte auch der hartnäcckigste Verbrecher nicht mehr zu läugnen. Wenn irgend ein Gegenstand auf unerklärliche Weise vermißt ward so fand gewiß der Amtmann ihn auf, und wenig hätte gefehlt, er wäre der gefährliche Rival des Wasenmeisters geworden, der den Hausarzt in den Ställen der Landleute mit vielem Erfolg für sich selber spielte. (Fortsetzung folgt). Das auf wechselseitige Liebesdienste begründete eheliche Glück. Gründliche Auskunft. Master Pimpleton. „Sagen Sie, uas sein das vor eine Schloß, uelche dort auf die Berg sitz?“ Lohn bedienter. Euer Gnaden, das ist eine Ruine, wie sie die alten Ritter gebaut haben !“ Biervisitation. Magistratsrath. „Guten Tag, Herr Vetter, müssen die Biervisitationen vornehmen. Ah, habens uns schon kommen seh’n!“ Aktuar. „Das Bier ist ja ganz frisch ang’stochen.“ Bräuer. „Ich werd’ den Herrn von der Polizei doch kein Bier vorsetzen, das schon drei Tage alt, und schon sauer ist; so viel Raison verstehe ich doch auch noch.“ Bevollmächtigter. „Ihr Bier, Herr Gevatter ist ganz gut. Herr Aktuar, schreibens nur alles Lob ins Protokoll.“ Die Laube. Es rankte Blüth’ um Blüthe sich Zu einer stillen Laube, Drin saßen Zwei so inniglich, Und oben girrte die Taube. Ein böser Wind, ein scharfer Nord Er kam dahergezogen; Die Taube schwang sich auf und fort, Wo ist sie hingeflogen? Die Blätter und die Blüten all’ Sie sind verweht, verwittert; Die Laube steht nun öd’ und kahl. Die Ranke schwankt und zittert. Und die sich einst so treu gesinnt, Wer weiß, wohin sie gingen? — O Wind und Lieb’, o Lieb’ und Wind, Wie schnell sind eure Schwingen. R. Reinick Papierschnitzeln. 29. Die Eidesleistung. Landrichter. „Es ist Ihm, wie er weiß, das decisorium in negativer Norm des rechtskräftigen thema probandum deferirt worden; ist Er bereit, diesen Eid zu leisten?“ Bursche. „Ja, Herr Landrichter, ich kann’s mit gutem Gewissen beschwören.“ Papierschnitzeln. Landrichter. „Er wird wissen, welche Strafen die Religion und das Gesetz auf den Meineid setzt?“ Bursche. „Ja, Herr Landrichter.“ Landrichter. „Also, sage Er mir Alles nach, was ich Ihm vorsage. Reck Er die Hände in die Höhe.“ Landrichter murmelt für sich, richtet dem Burschen die rechte Hand in die Höhe und spricht Folgendes, was der Bursche nachsagt: „Ich Nikolaus Latttenbacher, schwöre zu Gott dem Allwissenden einen Eid in meine Seele, daß das Kind, welches die ledige Margaretha Bauer von Oberndorf am 4. März 1847 geboren, diejenigen Merkmale nicht an sich trug, welche in Henkel’s Lehrbuch der gerichtlichen Medicin, 7te Ausgabe §. 90 verzeichnet sind.“ 30. „Gott’s Wunder Levi! tragst noch die Republik? Waaste nött, daß de Monarchie siegt?“ „Nu Vater, is doch aufgestande des ganze Volk!“ „Nu, so lass se stehen, ich aber sag Der, Du sollst Dich wieder setze, eh’r sie Dich setze. Bin ich doch alt und sprech aus Erfahrung, die ich gemacht hab’ in der Welt.“ 31. Höre Se, im erschte Nünberger Lager hat sich beim Lade e Kanon entzündt und dem Artillerischte die Aerm ewechgerisse, und so weit mer die hot flieche sehe, hawe se mit dem Ladstock alsfort noch die Ladung ansetze wolle. — 32. Aus dem Schulmeisterleben. Florian’s Numa-Pompilius. Gouvernante. „Uebersetzen Sie, Fräulein Almalie: Et Numa brûla d’amour.“ Amalie. „Und Numa brüllte vor Liebe.“ 33. Neutral. „Wie gefällt Ihnen, Herr Nachbar Sackreuther, das Ergebniß der Wahlmänner in unserm Wahlbezirk? Sind die Gewählten auch die Männer Ihrer Wahl?“ „Kann’s gerade nicht sagen, Herr Nachbar Sturzmann, habe anders gewählt. Hätten Andre wie ich gewählt, dann stände es um den Ruf unsrer armen Stadt besser.“ „Nun, wie haben denn Sie gewählt, wenn man fragen darf?“ „Sehen Sie! ich bin allzeit ein neutraler Mensch gewesen. Da hab’ ich halt zwei Linke und zwei Rechte gewählt. Ich wills mit Niemanden verderben!“ 34. I moanet holt, mia wähleten unsern Wirth af Müncha asi, der hot an Fisch-G’halter und laßt unsern Glauben g’wiß net z’ Grund geh; denn wenn der Glaubn obg’schafft wird, na bringt er koana Fisch mehr o! Heilig ist das Eigenthum. „Wen haben sie heut in der Arbeit?“ „Den armen Kerl, den Stessel — denk nur auf vier Jahr.“ „Warum denn —“ „Ach Dummheit — ein Gendarm hat ihn engagirt, und dann haben sie sich nicht gut gesprochen und da hat er dem Gensdarm eins übers Gesicht gekratzt — bloß so mit’n Taschenmesser.“ „Kann er sich denn da nicht rauslügen?“ „Was soll er denn sagen — er ist da, der Gendarm ist da, das Messer ist da und der Schmiß ist auch da!?“ „Nu, er hätt ja sagen konnen, er hat dem Gensdarm was auf’s Gesicht scheiben wollen.“ „Na was denn?“ „Nu — Nationalgut, oder heilig ist das Eigenthum — wie oft haben wir das schon geschrieben, und wie passend für so ein Gensdarmengesicht.“ === FB9-0213 Der Feuerreiter. (Fortsetzung.) Eine Zeitlang war der Amtmann fortwährend sehr unruhig in dem Saale auf und abgegangen. Plötzlich blieb er stehen, hob die Nase in die Luft, wie ein Hühnerhund, wenn er Witterung bekommt, und fragte dann laut: „Meine Herren — wer von Ihnen hat seinen Rock in Brand gesetzt — es brennt etwas, ich rieche es —“ Alle sprangen natürlich erschrocken von den Sitzen empor, aber trotz der sorgfältigsten Nachsuchung waren die Röcke heil und ganz, nicht einmal versengt. Der Amtmann nahm ungeduldig alle gutmütigen Scheltworte hin, welche die unterbrochenen Spieler ihm zuriefen, schüttelte nur den Kopf und trat dann an’s Fenster, stieß es auf, und schaute hinaus. Die weite Fläche der Landschaft lag im schönen Licht der Abendsonne friedlich und lautlos. Nirgends ein lebendes Wesen, nirgends etwas Auffallendes. „Ich gäbe viel darum,“ sagte er für sich, „wenn ich von hier aus die Richtung unseres Dorfes vor mir hätte. Gleichviel — ich täusche mich wahrscheinlich, wie schon oft!“ Und er setzte seine Wanderung fort. Aber nicht lange. Wie mit Zaubergewalt riß es ihn wieder an das Fenster, er hielt den Kopf hinaus, lauschte eine Minute lang, dann rief er: „Es brennt, es brennt wirklich!“ „Wo? Wo?“ schrieen alle Anwesende und verließen ihre Spieltische zum zweitenmale. „Hier in der Nähe, weiß nicht wo, will’s finden!“ schrie der Amtmann, lief zur Thüre hinaus und dem Stalle zu. Während sich im Saale verwunderte, erschreckte Gruppe bildeten, hatte er sein Pferd heraufgezogen, mit großer Gewandtheit sich darauf geschwungen und sprengte nun mit verhängten Zügeln durch das Städtchen in der Richtung seiner Heimath. „Was hat nur der Herr Amtmann,“ frugen Mehrere der Gäste. „Er ist ein Feuerreiter!“ entgegnete der zuletzt aus der Kegelbahn hereingetretene alte Rittmeister. Alle Eingeborenen nickten befriedigt mit dem Kopf und suchten nach Stock und Hut, aber die Fremden gaben sich noch nicht zufrieden. „Ein Feuerreiter?“ frugen sie; „aber bester Rittmeister, ist denn das eine Charge, und was für eine, und wie hat er es riechen können, daß es brennt?“ Der Rittmeister zuckte die Achsel und antworte mit geheimnißvoller Miene: „Die Sache ist sehr merkwürdig und wenig außerhalb unserer Gegend bekannt. Es gibt hier zu Land gewisse Leute, aber nur wenige, und sonderbarerweise nur Amtmänner und Schulzen, welchen eine Macht über jedes Feuer verliehen ist. Wenn sie das Gehöfte, in welchem es brennt, dreimal umreiten, dann sind alle übrigen Gebäude gerettet, aber dann müssen sie sich auch in schnellster Flucht vor dem Feuer zu retten suchen, das erzürnt, einen Raub aufgeben zu müssen, den kühnen Beschwörer so lang verfolgt, bis es diesem gelingt, ein Wasser zwischen sich und das nachschießende Element zu bringen. Wehe ihm, wenn ihm das nicht gelingt — man findet dann nichts mehr von ihm, als ein Häufchen Asche.“ „Unmöglich! Sehr poetisch! Aberglaube! Tollheit!“ riefen die Gäste lachend; „wer wird in unserer aufgeklärten Zeit noch an so etwas glauben?“ „Meine Herren,“ sprach der Rittmeister ziemlich ernst, „es muß etwas Wahres an der Sache sein. Sie haben selbst gesehen, wie eben der Amtmann —“ „Und Sie wollen uns glauben machen, daß es jetzt wirklich irgendwo in der Nähe brennt?“ „Hören Sie die Antwort!“ rief der Rittmeister. In demselben Augenblicke schrillte vom Thurm herab der Ruf der Feuerglocke, die Spritze rasselte durch die Gasse und das Feurjo! Feurjo! schallte markdurchschütternd aus hundert Kehlen. Wie anders war es geworden in dem vor wenigen Stunden noch so ruhigen, zufriedenen Dorfe! Die untergehende Sonne hatte einen Nebenbuhler gefunden, und warf beschämt riesige Schatten, während aus dem Dache einer Scheune, keine vierzig Schritte von dem Hofgut entfernt, eine wunderbare Feuersäule, umwogt von rothem wirbelndem Qualm, triumphirend gen Himmel schlug, als lecke sie nach den Wolken. Viele Menschen waren versammelt, in jeder Minute eilten neue hinzu, auch Spritzen waren genug vorhanden, aber Alles stand unthätig, Niemand versuchte zu löschen. Es wäre dies auch höchst unnöthig und nutzlos gewesen. Die Scheune, etwas abgelegen von den Gebäuden des Bauerngutes, zu dem sie gehörte, war noch zur Hälfte mit Stroh und Heu, außerdem mit Haidekraut und Reisigbündeln gefüllt gewesen, das Strohdach und das leichte Sparrenwerk brannte ohnedies wie Schwefel, und so flackerte eine Gluth empor, deren majestätische Schönheit eine wahre Ehrfurcht einflößte. Es war ein ergreifender Anblick, die Menschenmenge in lautlosem Anstarren der wunderbaren entfesselten Kraft des Elements versunken stehen zu sehen, Menschen zumal, auf welche sonst so leicht nicht eine Naturscene großen Eindruck macht. Dieser Bann löste sich erst, als der Eigenthümer der Scheune aus seinem Hause trat. Er war der älteste Mann der Gemeinde, ein hoher Achtziger, wohlhabend und besonders wegen seiner großen Frömmigkeit und Rechtschaffenheit geschätzt. Er brachte den Knechten, die mit den Spritzen gekommen waren, Brod und Branntwein. Ein Gemurmel der Theilnahme lief durch die Massen; der Greis hörte es, hob den Kopf und sagte laut: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! Ich danke Euch Nachbarn — aber Eure Hülfe ist hier nicht mehr nöthig, der Wind weht von meinem Hause ab. Drüben aber, beim Hofbauern, ist Hülfe nöthig. Gott schütze ihn und Andere!“ Aller Augen richteten sich nach dem Hofgut, dort war allerdings große Gefahr. Der Brand hatte jetzt seinen Gipfelpunkt erreicht, wie von dämonischen Kräften gepeitscht krümmten und bäumten sich die zischenden, pfeilgeschwinden Flammen, bald in himmelhohen Pyramiden schossen sie empor, bald rollten sie sich in dunkelrothe Knäuel zusammen, aus welchen Blitze zuckten; als sei noch eine Seele im todten Holz, so ächzten die Balken, welche die gierige Gluth zernagte und unheimlich raschelte und knisterte es im Inneren des Baues, als kämpften tausend Schlangen dort einen Vernichtungskampf. Das Hofgut war von dem Feuer so grell erleuchtet, daß man auch den kleinsten Gegenstand so deutlich wie am hellen Mittag erkennen konnte. Der Wind hatte sich erhoben und wehte einen Funkenregen hinüber auf die Dächer des Hofbauern; Milliarden kleiner, glänzender Sterne füllten die Luft, und wehe der Wohnung, in deren Strohdach sie sich so fingen, daß sie zu lebendiger Flamme angeblasen wurden! Der Hofbauer hatte die drohende Erscheinung nicht übersehen; seine Knechte standen auf den Dächern und breiteten über das Stroh nasse Laken, welche die Mägde unter Mariens Leitung hinaufwarfen, aber deren waren viel zu wenig, die Arbeit ging trotz allem Eifer nur langsam von Statten. Verzweiflungsvoll ging der Hofbauer auf und ab, aber nicht einen Schritt rascher, als gewöhnlich. Oft war er nach der Gartenseite gegangen und hatte ängstlich spähend den Weg hinabgeschaut — umsonst. Jetzt fingen die Nachbarn an, sich ein wenig zu rühren. Der Amtsfritze war in edlem Eifer, Alles vergessend, voran, und richtete die erste Sprite auf das Dach des Wohnhauses im Hofgut. Das Beispiel half zwar, aber die Arbeit schien nicht belohnt zu werden. Schon glimmte das Dach bald an dieser, bald an jener Ecke — die Leute an den Spritzen wurden lässig, und endlich gab ein feister Freibauer dem allgemeinen Gedanken Worte. „Wenn der Amtmann nicht bald kommt,“ sagte er, „so gebe ich für das Hofgut, wie es da ist, keine fünf Stüber.“ Und die Andern nickten dazu und hörten auf mit Pumpen. Umsonst bat und beschwor der Amtsfritze die Bauern, nicht einzuhalten — er wußte freilich, daß Alles nichts hilft, wenn ein Bauer einmal seinen Kopf aufgesetzt hat — er lief zum Hofbauer und wollte den bitten, seinen Einfluß aufzubieten — aber der stieß ihn rauh zurück, und rief ihm einen Fluch nach. Das Hofgut schien ihm unrettbar verloren, als plötzlich der Ruf: „der Amtmann, der Amtmann kommt !“ wie ein elektrischer Schlag durch Betheiligte und Zuschauer fuhr. Die letzteren traten scheu zurück, um dem Feuerreiter Platz zu machen. Und er kam! Auf schaumbedecktem Pferde flog er daher, der sonderbare Mann — wild flatterten seine grauen Haare im Winde und der Widerschein des Brandes schuf in seinen großen, runden Augen ein seltsam zuckendes Licht. Er hatte bald die Stätte der Gefahr erreicht. Niemand wagte es, den Feuerreiter zu grüßen — alle Herzen pochten in abergläubischer Angst und Vielen schlugen hörbar die Zähne zusammen. Nur der Amtsfritze lächelte und suchte sich Marien zu nähern, die am Hofthore auf dem Steine saß und ihr Schluchzen mit dem Tuch zu ersticken versuchte; aber der Hofbauer war vor sie getreten, hatte die Kappe vom Kopf genommen und hielt sie mit gefalteten Händen vor der Brust, in athemloser Erwartung. Der zaubergewaltige Feuerreiter säumte nicht eine Minute der Erholung, er begann sogleich sein geheimnisvolles Werk. Im schnellsten Rosseslauf umkreiste er die brennende Scheune. Schwierig war das Unternehmen, da galt es über einen Hag, dort über einen Graben zu setzen, in den lockeren Gartenbeeten versank des Pferdes Huf bis zur Fessel, das enge Mauerpförtchen ließ kaum den Reiter durch — aber es ward doch vollbracht. Einmal. Wie mit verdoppelter Wuth entfaltete jetzt das Feuer seine ganze Macht und Pracht stärker und riesenhafter, als je zuvor, die muthigsten Männer bebten bei dem Anblick der gewaltigen Lohe — aber der Amtmann nicht. Fort ritt er im selben Umkreis — und es war, als sei sein Pferd der dämonischen Macht des Reiters theilhaftig, denn es blies die Nüstern auf und schien Funken zu sprühen, die großen, schwarzen Augen wurden immer größer, und der magere, abgetriebene Rappe schien auf einmal die Flügel des Windes und die Kraft des Löwen bekommen zu haben. (Schluß folgt.) A – i und I – a. Auf dem Berg in Baumeszweigen Sitzt ein Faulthier so allein. Unten hin, in seligem Schweigen, Bummelt sacht ein Eselein. Horch ! da schallt es von dem Baume: A — i! A — i! laut in’s Thal. Aus dem süßen Bummlertraume Wachet Langohr auf zur Qual. Welch ein Mißlaut! wirst du schweigen! Ruft er eifernd, kampfbereit, Denn er wähnt, daß seinem Gleichen Dort statt I—a A—i schreit. I—a! I—a! mußt du schreien, Fahrt er fort in heiser’m Ton; Doch vergebens — denn vom neuen Tönt es: A—i! A—i! schon. Nun entbrennt ein Kampf der Töne. A—i her und I—a hin. Jeder für das Wahre, Schöne, Kämpft mit felsenfestem Sinn. Jeder wähnt, daß er das Rechte, Und der Andre Unrecht hat, Und so schrei’n im Wortgefechte Sie sich beide todesmatt. Endlich wird es stumm im Baume Und es folgt ein dumpfer Fall, Aus der Höhe freiem Raume Rollt es abwärts wie ein Ball. Zu des Esels matten Füßen Zuckt das Faulthier und erstarrt; Noch ein Blick hat ihm bewiesen, Welche Täuschung es genarrt. Und dem Esel steigt die Mähne Vor Entsetzen himmelwärts, Unter einer blutigen Thräne Bricht zum Tode ihm das Herz. Um ein Nichts hab’ ich gestritten, Um ein Nichts hab’ ich gesiegt, Um ein Nichts hat er gelitten, Der vollendet vor mir liegt ! Also jammert er in Tönen, Ohrzerreißend, durch das Thal; Und mit einem letzten Stöhnen Endet seine Todesqual. So um Worte und um Lehren, Beide wahr und beide recht, könnt Ihr täglich sehn und hören Ein gelehrtes Thiergefecht. Curiose Anfrage „Erlaubens, verzeihens, Herr Kunstmaler, könne’s ka weiblich Modell brauche?“ — Zweckmäßige Aenderung. „Jotte es is erschrecklich, was det ewige Trommeln meine Nerven anjreift; ich muß durch meinen Jemahl, den Herrn Jeheimrath, dahin wirken, daß die Tambours statt der Trommel Jitarren erhalten. Und sie müßten dann immer „An Alexis send’ ich dich“ spielen.“ Der schwäbische Bauer und die Preußen. „Jetz bin i froh, mei Herrgöttla, daß mir Schwaba net ra sind.“ Mißverständniß Metzgerknechte hetzen einige Hunde auf eine Kuh, diese rennt im Laufe einen schwäbischen Bauer nieder. „Ui faß — faß —.“ Der Bauer sich erhebend: „Gspäß sin Gspäß, aber a Kuah auf da Maa hetza, sin koi Gspäß mea!“ Sammlung der beliebtesten deutschen Volkslieder I. Das Lied vom Kunzenmord. War ein Mann der Kunz sich nann - te, War ein gar zu Und weil Je - der ihn so kann - te, Fing er strack zu gro - ber Mann; Drauf schlug er zum Zeit - ver - treib sau - fen an; mit der Faust auf sei - nem Weib. Diesses that sie sehr verdrießen Und es war Ihr unangenehm Daß sie solches leiden müssen Weil es gar zu oft geschehn. Darum ging sie einsmals durch Reißte bis nach Königsburg. Allhier that es ihr paßieren Daß ein junger Pursche war? Welcher Ihr That sehr scharmieren Er hieß Johann Heinrich Warth ! Mit dem Sie in mancher Nacht Alles Geld hat durchgebracht. Was war Jetzo anzufangen Denn kein Wirthe borgte mehr: Drum ist sie nach Hauß gegangen Kam zu Kunz und weinte sehr. Sprach zu Ihm Mein lieber Mann Nimm zum Weib mich wieder an. Diesser war es wohl Zufriedden Und darauf so schlief er ein. Sie hingegen that nicht ermüden Schlug mit der Axt den Kopf ihm ein. Nahm das Geld und fuhr davon, Doch jetzt kommt des Lasters Lohn? Denn es ward sogleich verrathen Was dem Kunze war geschehen Weil so grausamhafte Thaten Noch niemalen ward gesehn. Alles schrie; Daß Gott Erbarm? Auf die Spur ging ein Gendarm. Lang hat dieser suchen müssen, Bis er kam nach Königsburg Hier im Gasthaus zu den zwei Riesen Saß sie brachte das Geld durch? Auch Ihr Schatz der war dabei Der Gendarm fing alle drei. Als sie vor dem Richter stande Sprach er also Sie dann an; Diesses ist die grösste Schande Daß gemurxt Du Deinen Mann? Darauf brach man Ihr den Staab Führt Sie nach dem Richtplatz ab. Auf das Schaffot tratt Sie erschrocken Sprach; Ihr Mädchens hütet Sich, Lasset euch nicht von die Mannsleut verlocken Sonst ergeht es euch wie Mich. Diesses war Ihr letztes Wort. Klaps — man trug den Leichnam fort. W. H. Die Auswanderer, oder wunderbare Fahrten und Abenteuer der Herrn Barnabas Wühlhuber und Casimir Heulmeier in Amerika. (Fortsetzung.) Wühlhuber. „Herrgottssakrr — ist das auch an Fressen; un allweil denselben Speiszettel uf dene Malefiz-Bremer Schiff’: Montag. Erbssuppe mit Kartoffeln —“ Heulmaier. „Un Abends warmes Wasser.“ Wühlhuber. „Dienstag. Sauerkohl mit Kartoffeln —“ Heulmaier. „Un Abends warmes Wasser.“ Wühlhuber. „Mittwoch. Weiße Bohnensuppe mit Kartoffeln —“ Heulmaier. „Un Abends warmes Wasser.“ Wühlhuber. „Donnerstag. Reis mit Pflaumen —“ Heulmeier. „Un Abends warmes Wasser.“ Wühlhuber. „Freitag. Erbssuppe mit Kartoffeln —“ Heulmeier. „Un Abends warmes Wasser.“ Wühlhuber. „Samstag. Graupensuppe mit Pflaumen und Kartoffeln —“ Heulmeier. „Un Abends warmes Wasser.“ Wühlhuber. „Sonntag. Sauern Kohl mit Kartoffeln, wozu den Passagieren ein Stück Speck gezeigt wird —“ Heulmaier. „Un Abends warmes Wasser.“ === FB9-0214 Der Feuerreiter. (Schluß.) Wieder sauste der Feuerreiter vorbei — zweimal! Millionen pfeilspitze Flammen züngelten aus dem glühenden Ofen des der Vernichtung geweihten Gebäudes, sie sandten dichte Funkenschwärme hinüber nach dem Hofgut, als ob sie schadenfroh es mit sich reißen wollten in’s ewige Verderben — da kam der Feuerreiter schneller noch als vorher wieder an das Hofthor gesprengt — dreimal! Und zu gleicher Zeit brach mit furchtbarem Krachen das Gerippe der Scheune in sich zusammen, die schwarzen Mauern wankten, stürzten nach, eine ungeheure Feuergarbe stieg zum Himmel empor, dann war Gefahr und Brand vorbei und aus den Trümmern stieg nur noch der dichte blaue Qualm der verglimmenden Balken. Aber des Feuerreiters furchtbarste Aufgabe war zugleich gekommen — er hielt nicht an, er warf keinen Blick hinter sich — er hatte die Zügel des Rosset zwischen die Zähne genommen und mit Fersen und beiden Händen, mit entsetzlichem Geschrei das Thier antreibend, stob er davon, dem Bache zu. Und schrecklich — hinter den flüchtigen Rosseshufen her schossen lange, ringelnde Feuerschlangen — und weit, weit durch die Nacht sah man noch ihre leuchtenden Spuren. — — — In lautlosem Schweigen starrten die Dörfler bald hinaus in die dunkle Ferne, aus der ein schauerliches Hohngelächter herüber zu tönen schien, — bald hin nach der rauchenden Brandstätte. Jede Gefahr war vorbei — Hofgut und die übrigen Nachbarhäuser gerettet, Dank dem rechtzeitigen Eintreffen des Feuerreiters. Die Leute gingen leise mit einander flüsternd nach Hause; keiner wagte es, dem Amtmann zu folgen, um nachzusehen, ob derselbe etwa verunglückt sei. Viele sahen sogar scheu und mit bedauerndem Kopfschütteln nach dem Sohn des Hexenmeisters als beklagten sie ihn jetzt schon ob des Verlustes seines Vaters. Der Amtsfritze aber steckte sich mit den Kohlen der Trümmer eine Pfeife an und begab sich anscheinend ganz wohlgemuth auf den Heimweg. Vor seiner Hausthüre stand der Hofbauer, sonderbar bewegt, obgleich er es nicht wollte merken lassen. Lange wiegte er den Kopf in allerlei Richtungen hin und her, endlich nahm er die Zipfelmütze ab und sagte ganz laut: „Gelobt sei Gott — und der Amtmann. Ihm vergesse ich‘s nicht, und wenn er mich gleich auch einmal ungerecht gestraft hat, weil ich doch blos dem Schäfer ein paar Tatschen gegeben habe — heut’ hat er’s reichlich wieder gut gemacht, und mehr als das. Aber — und hier setzte er heftig die Zipfelmütze wieder auf und schlug mit der rechten Faust auf die flache Linke — aber Recht muß doch Recht bleiben, und kein Anderer hat den Brand gestiftet, als der Fritze!“ „Ach Jesus“ schrie da eine weibliche Stimme und ohnmächtig lag sein einziges Kind vor des Hofbauern Füßen. Ein wunderschöner, frischer Morgen folgte dem Abend des Brandes, der ohne des Amtmanns Zauberkunst so leicht dem ganzen Dorf verderblich hätte werden können. Der Hofbauer, der zunächst am meisten Ursache hatte, froh und dankbar zu sein, war in der allerverwirrtesten Gemüthsstimmung. Drinnen in der Stube lag Marie krank, oder doch in solcher Aufregung befangen, daß sie fortwährend zitterte und weinte, und von der sorgsamen Annelise um Alles nicht vom Lager entlassen wurde. Draußen dampften noch die Trümmer der Nachbarscheune und erinnerten ihn an seinen schwarzen Verdacht und an seine Schuld — genug, der sonst so entschlossene Mann vermochte heute lange nicht zu einem Entschluß zu kommen, trippelte hin und her, bis es ihm endlich gelang, mit einem Kernfluch sich Luft und etwas mehr von der alten Zuversicht in Gedanken und Handeln zu verschaffen. — „Recht muß zuletzt doch Recht bleiben!“ Diesen seinen Lieblingsspruch rief er aus, nachdem er einen guten Zug aus dem Nordhäuserkrug gethan, zog dann die hohen Stiefel an und ging zum Stall. Hier sattelte er selber den kräftigen Reitgaul aus einem Viergespann, wählte dann lange unter seiner eigenen Anzucht, bis er endlich einem prächtigen, dreijährigen Wallachen ein neues Halfter überwarf, sich auf sein Roß hob und mit dem zweiten als Handpferd im kurzen Fahrtrab hinauf ritt, den Weg auf’s Amthaus zu. Mancherlei Vorstellungen gingen ihm während des Rittes durch den Kopf. Er war im Begriff, bei dem Vater den Sohn als Verbrecher anzuklagen; er wußte sehr gut, daß der Amtmann ganz der Mann sei, der den Vater vergessen würde, wenn es galte Richter zu sein, aber wenn er dann wieder darüber nachdachte, daß er dem Vater großen Dank schuldig sei, daß er den Sohn, abgesehen von seinem Haß gegen die Federfuchser überhaupt, früher wohl leiden mochte, daß seine Tochter den letzteren über die Maßen liebe und daß er endlich keine anderen Beweise gegen ihn vorbringen könne, als unbestimmte Verdachtgründe — so ward es ihm so wirr und heiß im Kopf, daß er gar nicht mehr wußte, woran er eigentlich war. So ist’s bei den Bauern: Die Leute, welche in ihrer gewöhnlichen Sphäre die klarsten, zuverlässigsten und besonnensten sind, werden, daraus entrückt und in einen verwickelten Conflict verschiedener Pflichten und Gefühle gebracht, plötzlich wie die Kinder, unbeholfen und schwankend zum Erbarmen. Gerne wäre zuletzt der Hofbauer wieder umgekehrt, aber eine unwiderstehliche Macht, fast möchte man sagen, Scham vor sich selber, trieb ihn vorwärts. Mit niedergeschlagenen Augen ritt er in den Amtshof, ein Bursche trat ihm entgegen und hielt ihn. die Pferde. Erst, als er schon abgestiegen war, erkannte er in demselben den Amtsfritze, der in Bauernkleidern vor ihm stand; ohne eine Wort zu sagen, kehrte er ihm den Rücken, schritt in’s Haus und in die Amtsstube. In dieser waren schon viele Leute versammelt, der Amtmann saß mit dem Schreiber hinter dem Tisch und schien beschäftigt, ein Verhör anzustellen — aber er stand sogleich auf, als der Hofbauer eintrat, ging sehr freundlich auf denselben zu, gab ihm die Hand und sagte: „Ei das ist schön, alter Freund, daß Sie mich nach dem gestrigen Schrecken gleich selbst zu überzeugen kommen, wie wohl es bei Ihnen steht. Was macht Marie?“ „Hm, hm,“ räusperte sich der Hofbauer und scharrte verlegen mit den Füßen — „hm, das Mädchen hat den Schreck noch ein Bischen in den Gliedern, sonst stehts so ziemlich, danke der Nachfrage. Aber das ist’s eigentlich nicht, weshalb ich komme“. „Je nun, heraus mit dent Anliegen, Hofbauer, und kann ich‘s machen, so geschieht’s, das wißt Ihr.“ „Ja, ein Anliegen hab’ ich, Herr Amtmann,“ sagte der Hofbauer etwas herzhafter. „Seht, als Ihr gestern das Feuer beritten und mich vor großem Schaden mit Gottes Hülfe bewahrt habt, da dacht’ ich in meinem Sinn, das kann ein Gaul nicht lange aushalten, und des Amtmanns Rapp’ liegt gewiß drüben über’m Bach und streckt die Viere von sich —“ „Im Gegentheil,“ lachte der Amtmann, „er steht unten im Stall und der Haber schmeckt ihm trefflich.“ „Auch gut,“ erwiderte der Hofbauer; „oder noch besser — kurz, ich habe gedacht, du bringst dem Herrn Amtmann den dreijährigen Braunen, den soll er künftig reiten beim Feuer, und so hab’ ich ihn mitgebracht, und er steht schon im Stall. Herr Amtmann, einen besseren Gaul haben Sie noch nicht gehabt — und wenn’s an Heu fehlt, so wißt Ihr wo der Hofbauer wohnt.“ „Herzlichen Dank, mein guter, alter Freund,“ sagte der Amtmann gerührt und schüttelte wieder die harte Hand des Hofbauern. „Eure Gabe ist zwar allzu groß, aber ich nehme sie an, weil ich weiß, daß das Euch Freude macht. Jedenfalls bleibt Ihr zum Frühstück hier, Hofbauer, und —“ „Herr Amtmann, ich sollte fort, aber noch Eins brennt mir auf der Zunge — ich kann nicht anderes — es muß heraus — eine wichtige Sache —“ „Betrifft sie amtliche oder Familienangelegenheiten?“ fragte der Amtmann, aufmerksam werdend. „Alle beide, Herr Amtmann,“ entgegnete der Hofbauer stockend und ward roth bis über die Ohren. „Nun dann thut mir den Gefallen,“ lächelte der Amtmann, „und verschiebt Eure Mittheilung so lange, bis ich das Verhör beendigt habe, in welchem Euer Eintreten uns gerade unterbrochen hat. Nehmt Platz, alter Freund und laßt Euch die Zeit nicht lang werden.“ Der Hofbauer setzte sich auf einen Stuhl und wagte nicht die Augen zu erheben — es war ihm ganz wunderlich zu Muth. Da hörte er bekannte Stimmen — und siehe, sein alter Nachbar, der Besitzer der niedergebrannten Scheune, dessen Frau, eine Magd, mehrere Bauern waren anwesend. Dicht vor dem Tisch stand der Knecht des Nachbarn, ein junger, hellblonder Bursche, über dessen runde, rothe Wangen fortwährend dicke Thränenperlen rollten. „Da Ihr bekannt habt, Hansjörg,“ nahm der Amtmann sein Verhör wieder auf, „daß Eure Unvorsichtigkeit an dem Brandunglück Schuld ist, was auch durch viele Zeugen glaubhaft bestätigt wird, so gebt nochmals der Wahrheit die Ehre und sagt, wie die Sache sich zugetragen hat.“ Wie es bei diesen Worten dem Hofbauer um’s Herz ward, vermag Niemand zu beschreiben: ein Kind, welches zum ersten mal über einer Lüge ertappt wird, kann unmöglich verwirrter und beschämter sein. Aber zu seinem Lob mag es gereichen, daß eine ungeheuchelte Freude die überwiegende Regung in ihm war — ein Stein fiel ihm vom Herzen, und es war ihm, als habe er niemals den Fritze einer schlechten That fähig gehalten. Wäre der Junge gleich dagewesen — wer weiß, was der Hofbauer vor allen Leuten gethan hätte! Der Knecht erzählte unter Stottern und Weheklagen, wie er sich am gestrigen Nachmittag in der Scheune auf’s Heu gestreckt und dabei geraucht, in seiner Thorheit aber die brennende Pfeife in jenem versteckt habe, als sein Herr ihn plötzlich ge rufen. Er war verschickt worden, hatte die Pfeife ganz vergessen, und so war das Unglück geschehen. Der arme Bursche war so untröstlich über seine heillose Unvorsichtigkeit, jammerte so sehr über den Verlust seines Brodherrn, daß dieser, ein kinderloser Mann, zuletzt selber anfing, ein gutes Wort für ihn bei dem Amtmann einzulegen. Der aber konnte nur versprechen, in seinem Bericht an die Behörde alle Milderungsgründe anzuführen, tröstete übrigens den Knecht, dessen Strafe jedenfalls nicht schwer sein würde, und nachdem der Büttel den Uebelthäter in Gewahrsam gebracht, entließ er die Zeugen. „Nun Hofbauer,“ begann er sodann, und setzte sich vertraulich dicht neben diesen; „nun rückt herauf mit der Sprache, was habt Ihr mir Wichtiges mitzuteilen, welches das Amt und uns zugleich betrifft?“ Der Hofbauer konnte das Wort nicht finden. Während der gerichtlichen Verhandlungen hatte er fortwährend auf glühenden Kohlen gesessen, er war jetzt wie zerschlagen an allen Gliedern und gab keine Antwort. „Ei, ei!“ fuhr der Amtmann fort und lächelte pfiffig, „ich wette, Hofbauer, die Sache betrifft meinen Sohn, den Fritze.“ „Ja freilich — ih bewahre!“ rief der Hofbauer ganz erschrocken und fuhr halb von dem Stuhl empor — „der Fritze ist ein braver Mensch und — „ „Das ist er,“ sagte der Amtmann, „und ich habe nichts dagegen, daß er die Marie nimmt.“ — Jetzt war aber der Hofbauer erst recht aus den Wolken gefallen. „Ja, wie denn das?“ stotterte er mit weitaufgerisseneu Augen. „Je nun, alter Freund, was soll ich da lange Winkelzüge machen?“ sprach der Amtmann weiter und legte vertraulich seine Hand auf des Hofbauen Knie. „Daß die beiden Leutchen sich lieb haben, wußten wir längst, und da ist denn weiter nichts zu machen. Aber, daß es Euch so eilig sei, Hofbauer, daß Ihr sogar schon die Sache amtlich in Richtigkeit gebracht haben wollt, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Freilich, besser ist besser.“ Dem Hofbauern wirbelte der Kopf so, daß er in der That nicht mehr recht wußte, wo er war und was mit ihm vorging. Er antwortete gar nicht, sondern hustete nur. „Und es ist mir lieb,“ fuhr der Amtmann in seinem väterlichen Eifer fort, „daß es so gekommen ist. Der Fritze paßte nun und nimmermehr an den Schreibtisch, und er hat mir so lange dringend zugesetzt, bis ich meine Einwilligung gegeben habe, daß er umsatteln und ein tüchtiger Bauer werden darf.“ Der Hofbauer athmete tief auf, er hatte sich selbst wieder gefunden und als eben jetzt der Fritze in seiner neuen Tracht erwartungsvoll zur Thüre hereinschaute, so reichte er ihm die Hand und sagte: „Na, da soll er die Marie haben. Aber, hört, Amtmännchen, Eines müßt Ihr mir zu Gefallen thun: Lehrt doch dem Fritze ein Bischen Eure Kunst, denn ich hätte doch für mein Leben gern zum Schwiegersohn einen Feuerreiter!“ Die Ermordung des Agamemnon. Dramatische Scenen aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts. (Saal im Rococogeschmack. In der Mitte steht ein Badbüdchen. Aegisth tritt auf mit einem Dolch bewaffnet.) A e g i st h. Bald kommst du, grause Nacht, mit allen deinen Schrecken! Mir ist es wie dem Leu, dem seine Zähne blecken, Mein grausam Herze pocht, die Zunge riecht nach Blut Aus meinem Nasenloch erbraust die Zorneswuth, Gleich wie dem edlen Roß, wenn es zum Kampfe eilt, Pech, Schwefel, Höllendunst aus seinem Rachen heult. Hier steht das Büdchen schon, darin er baden wird, Der königliche Sproß, der Griechen Oberhirt. Er steigt in’s Büdchen ein, er steigt nicht mehr heraus, So gleichet er fürwahr der Schneck’ in ihrem Haus, Nur mit dem Unterschied, daß dieses wackre Thier Sein prächtig Hörnerpaar herausstreckt nach Begier. Doch still, ich hör’ es draus, als wollten Kerzen flimmern, O weh, nun geht es bald an’s Heulen und an’s Wimmern ! (Verbirgt sich hinter einer Tapete.) (Agamemnon und Klytemnestra treten auf, machen ein Kompliment und stellen sich einander gegenüber.) A g a m e m n o n. Wie freu ich mich so sehr, mein königlich Gemahl Euch wiederum zu sehn im alten Rittersaal! Doch sprecht, wie ist es euch ergangen seit der Zeit, Daß ich vom süßen Leib gewesen euch so weit? K l y t e m n e st r a. O königlicher Herr, verehrte Majestät, Wie einem braven Weib es aller Zeiten geht, Wenn sich das andre Theil in edler Kriegeslust Gerissen von des Weibs drangsalerfüllter Brust. A g a m e m n o n. Ei, ei, so müßt ihr mir, mein lieb Gemahl, nicht sprechen! Ich kenne dein Geschlecht mit allen seinen Schwächen: Hat sich der Bettgenoß entfernt in fremdes Land, Dann nehmen sie alsbald ein Mannsbild an die Hand. K l y t e m n e st r a. O königlicher Herr, ihr mir zu scherzen scheint? O, hättet ihr gesehn, was Thränen ich geweint, Ihr sprächet nicht also, daß euch mein Herze grollt — Doch wird das Wasser kalt, darin ihr baden wollt. A g am e m n o n. Ich danke dir, o Weib, für diesen Edelmuth. Fürwahr, es thut kein Ding nach einem Marsch so gut, Als wie ein trefflich Bad, dazu die Serviett, Daß man sich trocknen kann, wenn man es nöthig hätt’. (Steigt in’s Büdchen.) K l y t e m n e st r a. Entschuldige, Gemahl, die große Zärtlichkeit! Du siehst, das Büdchen ist für Einen fast zu weit? Erlaube, daß ich mit zu dir in’s Büdchen steige, Auf daß sich im Gespräch der schöne Tag verneige. A g a m e m n o n. So steig denn mit hinein, doch tritt mich nicht zu sehr, Denn meine Sohle brennt und ist von Blasen schwer. (Sie nehmen ein Fußbad.) A g a m e m n o n. Es ist doch angenehm, zu sitzen in dem Bad — K l y t e m n e st r a. Absonderlich, wenn man ein Weib zur Seite hat. A g a m e m n o n. Gib jetzt das Linnenzeug, daß ich mich trocknen thu, Und ist das abgemacht, so gehen wir zur Ruh. K l y t e m n e st r a. Mein süßester Gemahl, das Baden macht oft kalt, Ich habe drum für dich den Schlafrock hier bestallt. Sieh, was ich stets gesorgt für meinen lieben Mann, Doch zieh jetzunder auch den schönen Schlafrock an. A g a m e m n o n. Ich seh, ich bin dir doch kein unwillkommner Gast. So gib mir ihn denn her, den Schlafrock von Damast, Darein manch trefflich Bild ich eingewirkt seh, Den starten Herkulem, die schöne Galathe; Da sitzt auch Amor ja, das liebende Geflügel, Und drüben der Cyklop auf seinem Thränenhügel — (Aegisth tritt plötzlich hervor und stellt sich mit aufgehobenem Dolch vor den König.) A g a m e n o n. O weh, was kommt denn da aus der Tapetenthür, So viel ich sehen kann, mit einem Dolch herfür? Gleichwie aus dem Gewölk der Mond tritt, wenn er voll — A e g i st h. Das ist derjenige, der dich ermorden soll. Ja, deines Lebens Licht ist gänzlich abgebrannt, Der letzte Funke stirbt von meiner Mörderhand, Es ist vorbei mit dir, Mycena’s Majestät, Dieweil dich das Geschick trifft aus der Wandtapet. (Ermordet den König, dann gegen die Wandtapete gewendet) O Wandtapet, wie sehr bedank ich mich bei dir Du dientest mir als Schild für meine Mordbegier! K l y t e m n e st r a. O glücklicher Aegisth — A e g i st h. O seliges Gemahl! K l y t e m n e st r a. Doch komm jetzund herauf aus diesem garst’gen Saal. A e g i st h. Ja, komm! Die Nachtigall lockt in den stillen Garten, Dort den geschornen Phöb in Wonne zu erwarten. (Ab.) Eine Auferweckung der Todten durch Sympathie. „Weeßt du, wie man enen todte Croate wieder lebendig mache kann?“ „Ne! Des kann man ja nich‘!“ „Versteht sich, das kann man wohl; da nimmst du, wenn der todte Croat no e junger Kerle war, en gute kaiserliche Vierundzwanziger und legst ihn bei SonneUntergang uf sei Grab, nachha kommt der junge Croat, wenns finschter werd, aus sein Grab ruf und stiehlt ihn; ischt aber der, den Du aufwecke willscht, e Alter, mußt Du schon zwe Vierundzwanziger nehme und e Glas Schnaps dazu, sunst greifts ihn nimmer a ! So aber werd er so g’wiß wieder lebendig, als ich Maier heeß!“ Die Kinder vom Hause. Traumeier. „Nun Herr Holzhuber, weil Sie also so gut sein wollen, meine Tochter in Dienst zu nehmen, so will ich‘s Ihnen halt nochmals empfohlen haben, sie ist, ich darfs schon sagen, ein braves Mädel, und wird gewiß pünktlich und eifrig im Dienst sein.“ — Holzhuber. „Nun das ist recht, dafür wirds aber bei mir auch gehalten sein, wie das Kind im Haus, mein Wort drauf. Adje, Herr Traumeier.“ Traumeier (zurThüre hereintretend.) „Ja! Um Gotteswillen, was ist denn das!! Sie haben mir ja versprochen meine Tochter zu halten, wie’s Kind im Haus!“ Holzhuber (fortprügelnd.) „No, das g’schieht ja auch, wie Er jetzt selbst sieht.“ — Recognition. Assessor. „Kennt Er diese Schweine und woher?“ Damnifikat. „Dös san dieselben, die mir gestohlen worden san.“ Assessor. „Schreiben Sie, Herr Actuar: „Das sind eben jene vierzehn Schweine, die ich bei meiner gestrigen eidlichen Vernehmung im Kopfe hatte.“ Es kommt doch vor. Professor. „Sehen Sie, meine Herrn, hier habe ich Gelegenheit. Sie auf die merkwürdige Eigenthümlichkeit aufmerksam zu machen, daß der schwarze Farbstoff, der die Haut des Negers schwarz macht, auch in den Nieren abgesondert wird.“ Die Zuhörer. „Ah, ah!“ Patient. „Verzeihen, Herr Professor, das kommt von dem schwarzen Zahnpulver, mit dem ich mir heute morgen die Zähne geputzt habe.“ Professor (ohne die Fassung zu verlieren). „Wohl möglich — in diesem Fall — aber ich versichere Sie, meine Herren, es kommt doch bei vielen Negern vor, wie ich Ihnen gesagt habe.“ Der Adler und der Rabe. Durch einen Zufall gelang es einmal dem Fuchsen, dem Adler die Jungen zu rauben. Der Adler schwor Rache und entschloß sich, nicht mehr zu ruhen, bis der Fuchs derselben unterlegen sei. Da es ihm aber nicht gelang, dem schlauen Fuchsen beikommen zu können, so versammelte er alle Vögel, um sich mit ihnen zu berathen. Sie kamen zu dem Entschluß, daß der Rabe den ersten Feldzug gegen den Fuchsen unternehmen sollte. „Flattere,“ sprach der Adler zum Raben, „öfters leise um die Höhle des Fuchses, und wenn du ihn einmal vor derselben schlafend findest, so nahe dich ihm behutsam und hacke ihm die Augen aus!“ Der Rabe verneigte sich, und versprach, diese Mission vollziehen zu wollen. „Ein schöner Auftrag!“ zwitscherten die Vöge. unter einander. „Wie, du bist doch der ewige Lobredner des Adlers, unseres Königs,“ sagte der Eine zum Papagei. Laß doch hören, was du über diesen Auftrag wohl sagen kannst!“ „Was ich darüber sagen kann,“ versetzte der Papagei, „das ist ganz einfach. Ich bewundere in tiefster Ehrfurcht die Weisheit unseres Königs. Er kennt alle seine Diener, und weiß, in welchen Stücken er sich auf sie verlassen kann.“ — Der Papagei. Es war einmal ein Fürst, der ein großer Liebhaber der Vögel war. Er verwendete viele Sorgfalt auf sie und besuchte sie alle Tage, um sich mit ihnen zu unterhalten. Ein junger Mensch war eigens dazu aufgestellt, die Thiere zu pflegen und zu unterrichten. Zur bestimmten Stunde besuchte der Fürst wieder einmal seine Lieblinge. Ein Papagei, der erst seit etlichen Tagen das Glück genoß, Mitglied dieser Gesellschaft zu sein, begrüßte den Fürsten mit dessen Namen und schrie: „ Alexander! Alexander!“ „Es ist sonderbar,“ sprach der Fürst, „der Vogel kennt mich?“ „Ich bitte um Vergebung, Eure Hoheit!“ entgegnete der Aufseher. „Ich habe den Vogel dieses Wort erst sprechen gelehrt. Er begrüßt aber Jeden, der zu ihm tritt, und ihm Zucker gibt, mit dem Namen „Alexander.“ Wollen Eure Hoheit die Probe machen, so werden Sie sich überzeugen, daß es so ist.“ Die Höflinge waren dem ehrlichen Vogelabrichter nicht sehr verbunden für die Lehre, welche er durch den Papagei dem Fürsten gab. — — — Zu viel und zu wenig. „So ‘ne gebratene Gans is doch a recht dummer Vogel. Eine’ is zu wenig un zwei sin ‘rer z’viel.“ Die Auswanderer, oder wunderbare Fahrten und Abenteuer der Herrn Barnabas Wühlhuber und Casimir Heulmeier in Amerika. Heulmaier. „Hörn’ se mei kuter Herr Kapitän, sin se doch so kut un lassen se uns doch e Gläschen Wein zukommen für Geld un’ kute Worte —“ Wühlhuber. „Sehn ‘se’n den verfluchte Arischtokrate — er giebt Ihne nit emol e Antwort un weist Ihne de Buckel.“ Kapitän. „Sie erlauben meine Herren, daß ich mich einlade —“ Heulmaier. „Herr Jeses, jetzt nimmt der uns unser letztes Wärschtchen — sehn se emal den Communisten an“ — Wühlhuber. „Erlaubens, verzeihens, Herr Capitän, gehört des aach zu de Pflichte von ‘nem Bremer Schiffscapitän, daß er de arme Auswandrer de letzte Zippel Worscht wegfrißt?“ === FB9-0215 Noch ein Brief aus Schleswig-Holstein. Gelibte Aeltern und Geschwüster! Recht ungeheier sehr habe ich mich gefreit über euern Brif und das alle miteinander recht munder sind und wohl. Ich bin Gott sei dank auch munder und gesunt aber Pfi Teifel — die Annerl sollte sich doch schämen. Erst laufe ich ihr so lange nach und thue schön mit ihr und sie mit mir und jetzt schreibt ihr mir, daß sie auf einmal den alten Amtsdiner Greifelshubner zum Manne nehmen will. So ein alter rothharichter, motenfrasigter Strunk sollte sich auch schämen, einen öhrlichen Soltaten sein Mädel hinter den Ricken gerade under der Nase wegzufuksen. Und die Annerl solls auch schon noch bereien, aber sagts ihr, prigeln wollte ich Sie darum noch nicht, nur den Amtsdiner. Ihr wüßt noch das ich hinten am Ente in meinen Brife in den linken Schenkel geblesirt wurde und dieserhalb die Eroberunk von Goltding nicht mitmachen konnte, was hol mich der Teifel mich sehr geärchert hat und gar nicht hibsch ist. Aber mein Lantsmann der Wetschbacher ist mit dabei gewessen und hat es mir hahrklein erzöhlt. Schämen sollten sich die Leite in Goltdings wie Sie es gemacht haben. Denket euch, Steige haben Sie aus den Fenstern auf unsere Kamerathen geworfen und warmes Wasser und heißes Oel. Das Donnerwetter soll die Kärle regiren aber unsre Trubben haben cs Ihnen auch terb ansagt und die ganse Gesällschaft zum Teifel geschikt. — Wetschbacher hat so ein Goltdingricher mit einem Stein grade auf dem Schakoh gedroffen, welcher ein Loch und Wetschbacher eine große Bäule auf den Kopf gekriegt hat und mit den infamichten heißen Oele haben Sie auch Wetschbachern auf seine beßte Montuhr drei große Fläcke gemacht, was gar nicht wider herausgeht. Gott stöh mir bei, ich hette Alles nidergeschosen was ich gekriegt hette und die ich nicht erwüscht hette, die hette ich hohl mich der Teifel auch nidergeschosen. Liebe Aeltern und Geschwüster — wuntern Sie sich nicht das ich mir ein Bischen das Flugen angewehnt habe, aber das geht nun einmal im Krige bei den Soldaten nicht anders. Bei uns flugt Alles, der Gehneral, der Magohr, der Leidenant, am mährsten aber der Korberal und so ein bisgen Flugen ist zu Zeiten manchmal recht gut und erwermt einen so gut wie ein guter Schnabs. Nun also wider auf mich zu kommen wissen sie wohl noch das ich bei Dipplen einen Hieb kriegte und in das Schbidahl gebracht wurde. Aber in so einen Schbidahle ist ein rechtes Elent und wenn einer halbgesund hinein kommt muß er erst dadrinne recht krank werden, denn es liegen gar so viele drinne und es riecht auch recht ibel wie Sie liebe Aeltern und Geschwister sich leicht denken kennen werden. Also entlich rickte ich wider in die Armeh ein und mußte mit noch einer Partie schwer Verwunteter die aber alle wider gesunt waren unsern Korbs nachrücken. Es ging also nach Jüdland, aber was das für eine Dummheit ist das Land Jüdland zu nennen und sind doch gar keine nicht darinnen nemlich Jüden. Das auch so etwas die Landkardenmacher noch nicht wissen, was doch Gott steh mir bei recht einfeldig ist. Und die närschen Stäte und Därfernamen, nein das ist doch zum Todlachen. Das heißt immer Hunderup, Alledrup, Hintentrup, Vornetrup, Hopptrup, Aastrup, mit einen Wort allemal heist es „Trup“ oder „Rup“ und unser Leidenant hat deshalb gesagt, das wäre ein „ruppigtes Land.“ Und die Bauern, der Teufel soll Sie hohlen sind alle sehr reich aber wollen nichts nich herausgeben und schimfen wie die Atfokaten und unser Magohr der uns doch auch recht schimft troz der Errungenschaaften was doch sehr gemeine ist. Aber ein recht mehschandes Leben ist das Krigsleben, gar nicht einmal hat man sein Bißchen Ruhe nicht und wie wir ankamen hieß es auch gleich wider: jezt missen wir den infahmeten Kerl, den Generall Nübe mit seiner gansen Armeh fangen. Ich war erst mortswilde das es sollte schon wider in das Gehfecht gehen weil mich mein Schädel wo mich der Denenkuhjohn hineinkehaun hatte immer noch schmärzte aber ich gewöhnte mich dadran und fing nun an mich ortentlich zu freien, das ich sollte jezt einmal mitmachen, wo man etwas Kriegsgefangene fangen kennte. Da ich meiner Sache gewis sein wollte steckte ich mir noch einen dichtigen Strück in mein Dornister damit ich die Denen die ich fangen sollte festbinten konnte. Ich hatte es gans absonterlich auf den Gehnerall Nübe abgesähn, denn in der lezten Zeit hatte ich grausahm viel Kuhrasche gekriegt was man Muth nennt. Wir gehen also gans kanipahlisch auf dieses Näst Schkanterbarg oder Schandenbarg, ich weis nicht genau wie es ausgesprochen wird, loss und denken schon wir haben die ganse Gesellschaft Denen und den Mußjeh Nübe Wohlgebohren, im Sacke. Aber wie der liebe Gott den Schaden besah war das Nest leer und der Teifel hatte sie gehohlt. Das war aber auch wider nicht wahr wie wir nun auf einmal höhrten; denn da hieß es, das die Preißen den Gehnerall Nübe mit der ganzen Gesellschaft hatte ausreisen lassen. Wie wir das höhrten waren wir donnerwetterswild denn das ist doch eine Sinde und Schante die Sie vor allen Erzengeln nicht verandworten kennen wenn es wahr ist und schämen missen Sie sich noch obendrein. Auch waren wider edliche die Alles blos auf einen General Brettwitz oder wie er er sonst hiß schoben, wenn es wahr ist soll den auch der Teifel hohlen. Nun hieß es aber auch wider der Kenig von Preisen were ein heimlicher Tutzbruder und Freind von den Kenig von Dehnemarkt den auch der Teifel hohlen soll. Auf einmal höhren wir daß die Spitzpubengehsichter die Denen die ein Donnerwätter rehjieren soll so ein ganzem Schok Hessen bei einer Rehkochnoszierung gefangen hatten. Na, aber da haben wir einmal geslugt das es fast gottloos war und wir selber erschraken. In Zeit von ein Baar Minuten waren wir schon auf den Beinen und machten den Denen nach. Wir erwischten Sie auch balde und nun ging aber der Teifel loos. Jeder fogt auf seine eichene Faust und ich habe um mich geschlagen wie nicht gescheit. Höhren Sie nun libe Aeltern und Geschwister was ich Alles für Wunten auf die Denen geschlagen habe. Erstens habe ich dreimal geschosen und keinen gedroffen. Dann habe ich einen mit das Bachonette hinten in dem Dornister gestogen und oben zum Schakoh wider herauf, dann habe ich einen den ganzen Schakoh mit den Säbel endzweigehauhen und einen die ganse Nahse reine ab wie damals Petrus dem das Ohr was mir eichentlich leit that, aber es war ein böser Kerl und ich habe ihn dann noch gefangen. Nun aber fingen die Denen an auszureisen und wir hatten unser Schok Hessen wider und auch noch zwei Schok solche unverschämte Denen gefangen. Das war einmal ein Guhbel und ein Krahwal das es eine Freide war. Wir zogen nun mit Muhsik in unser Kwarthür zurück wo es wider recht langweilig war. Da kam eines Morgens ein Kuhrier mit der Nachrücht das der Kenig von Preisen eine okdrohgerührte Verfassung gemacht hette. Na, ich verstant gar nichts davon aber wir wurden nun kohmantirt zur Newieh und sollten schrein: Es läbe die okdrohgerührte Verfassung aber wir konnten Alle nicht schreien, denn es war ein Hundewetter und uns klaberten vor Frohst die Zehne das man das Zehneklabern viel weider und deidlicher höhrte als die neie Verfassung die ein Atjudeante vorlaß was sehr langweilig und gar nicht aufhören wollte. Ich verstehe zwar eigentlich nicht was das ist eine okdrohgerührte Verfahsung, aber unser Korberal sagte, der Kenig von Preißen wollte Sie auf gans Deutschland aufzwingen, damit man nun entlich einmal einich werten sollte. Aber das geht doch den Kenig nichts an und wir wollen nun einmal in Deutschland nicht einich sein. Und so gescheid bin ich auch obgleichlich ich nur ein Soltate bin, wenn wir sollen zur Einigkeit gezwungen werden, so wollen wir erst recht nicht, was auch gans recht is. Den andern Tag denken Sie sich meine Freide auf den Aercher werde ich zum Obersten geruhfen und der sagt mir, daß ich mich immer gut und höflich aufgefihrt und dapfer gewesen were, also were ich auch von jezt an — Korberal aber immer noch Ihr lieber Sohn, denn ich kenne keinen Stols nicht. Wir bliben einiche Zeit in dem lankweilichen Neste, dem Aashus, dann hies es auf einmal wir sollen mit vor die Festung Friederizicha riken und belagern helfen. Das kam uns grade recht und wir mahrschirrten den andern Tag ab. Aber war das ein hundsfittisches Wetter, was man eigentlich gar kein Wetter nennen sollte denn es stirmte und rägnete gans misehrawel und wir musten doch immer fort. Da lief einen aber der Rägen oben bei der Halzbinte hinein und unten zum Stifeln wider herauf und so stark das man selbst mit fortfliesen konnte. Endlich kamen wir vor Friederizcha an und sollten nun mit belagern. Ich wußte nun noch gar nicht wie man das Ding machte, aber es ist weiter gar nichts nicht und man braucht sich blos hinzulegen und aufzupassen, das Niemand aus und in die Festung kommt was sehr langweilig ist. Hier ging nun auch das vermahledeite Bühwuakleben wieder an, wo man die Nacht unter freiem Himmel in allen Sorten Wetter schlafen muß, was der Teifel hohlen soll und sehr unangenähm ist. Ich kriegte auch bald einen derben Stockschnubfen, und einen dicken Baken worüber man mich immer auslachte und konnte ich freilich auf den dicken Backen die Flinte nicht anlegen und schiesen, was mir recht lieb war, denn ich schiese nicht gern und haue lieber aber dann hau ich auch dichtig zu. Wir hetten nun gerne ein Bischen mit die Kanonen in die Festung geschosen oder gestirmt, aber da hies es immer, wir sollten noch warten, bis die Preisen kemen, ja aber die kamen immer nicht und der Herr Gehneral Brettwitz ließ uns allemal sagen wir sollten nur noch ein Paar Tage warten. Da lagen wir nun und hielten Maulaffen feil und die Denen setzten sich gans ruhig, auf die Wälle, rauchten Tobak und lachten uns aus. Unsre Ofiziehre sagten immer, an der ganzen Zehgerung were blos die alte Boletik von Außen schuld. Na, ich konnte dariber nich urtheulen, denn ich hatte von den alten Weibe noch gar nie nichts gehört und kenne Sie nicht, aber wenn Sie wirklich alt ist, sollte man auch keine Umstende wit ihr machen. Alles was wir zu thun hatten, war hechstens Baderulligiren und Schansenkraben, was eine sehr schmutzige Arbeit ist und wobei besonders die Stifeln sehr leiten und endzwei gehen. Was mich auch noch so von den Denen ärcherte, war das Sie immer nach uns schoßen, wenn wir gans friedlich Schansen machten und noch dazu mit Spitzkugeln, was sehr niederträchhtich isi. Die Dinger sind wie die Hasselnüsse aber von Blei und gehen überall durch. Ein Kamerathe hat sogar gesagt, sie gingen auch um die Ecke, was sehr merkwürdig ist. Als ich wieder einmal Abende bei einer Baderullige war und wir sehr nahe an die Festung kamen, brachen auf einmal ein ganzer Trubb heraus und auf uns zu. Wir aber nicht faul zogen von Leder und baukten mortmäßig drauf loos. Die Denen sahen auch bald das mit uns schlecht Kürschenesen were und gaben Versengeld. Diesmal dachte ich mußt Du aber auch Deinen Mann aufs Korn nehmen den die Kerle schonen unsereinen auch nicht. Ich suche mir also einen recht dicken denischen Veltwäbel aus, ziele und — (aber erschröcken sie nicht, liebe Eltern und Geschwister, denn es knallt) — und Puff! liegt der Kerl da und ist tod. Ich also hin und will ihm noch den Garraus machen, da springt der Kerl wie ich noch fünf Schnitte von ihm endfernt bin ganz gesund auf nimmt seine Flinte und versezt mir ehe ich dreie zählen konnte mit der Bachohnette einen Stig in das rechte Bein und reist aus Dies ist also ein Beispül wie sich diese Denen verstellen und was Sie für ein nidertrechtiches Volk sind. Ich wurde wieder in das Schbidahl gebracht, doch war meine Wunde nicht gefehrlich. In der nächsten Nacht geht auf einmal ein Mordschbekdakel los, da wird geschossen, geschrien, gelaufen, das einen fast hören und sähn verging. Wir die Verwundeden werden auf Wagen gebakt und fortgefahren. Es dauert auch nicht lange so kommt die ganse Armeh geschlagen nach. Denkt Euch, waren die Denen hindertikischer Weise aufgebrochen und hatten unsre freilich schwache Armeh geschlagen, was keine Kunst aber sehr schlecht war. — Wir waren Alle withend und haben den Gehneral Brettwitz zehnmillionenmal zum Teifel gewinscht, denn wenn wir hetten die Festung bombardiren dirfen oder stirmen, so hetten wir die ganse Denengesellschaft in das Meer gejagt aber so mußten wir warten, bis die Denen Versterkung genug hatten um uns zum Teifel zu jagen. Die ältesten Soldaten haben vor Wuthigkeit geheilt aber es half nichts und wir tresteten uns damit, diese Niderlage bald wider auszugleichen. Auf einmal kommt drei Tage drauf die Nachricht, das Preisen ohne Umstende einen Friden abgeschlosen hat, das uns die Haare sammt den Schakohs zu Berge standen. Nun denkt Euch liebe Eltern und Geschwister, ist das nicht zum Teifel hohlen wer da nicht flugt, der muß gar kein Mensch nicht sein. Wir freiten uns schon, das nechstemal den Denen ein dichtiges auswischen zu kennen, da komt dieser Fride der eine wahre Schante ist und den Preißen gans alleine abgeschlosen hat ohne die andern Deutschen zu fragen, wo gleich ein Tonnerwerter neinschlagen soll. Nun denken Sie sich wie der Fride ungefehr für uns laudet. 1. Bleiben der Kenig von Dehnemarkt und Kenig von Preißen gute Freinde, was eine Schante ist. 2. Zahlen die Deutschen alle Krigs- und Endschetigunkskosten auch für die Schiffe die bei Eckengferde in die Luft geschosen worden sind, was ungefehr, wie unser alter Korberal sagt auf den Mann 39 Kreizer magt. Aber da kann sich der Kenig von Preisen auf den Kobf stellen, ich zahle gewis nicht und soll ein — ich hätte bald wider geflugt. 3. Darf jetzt jeder Dene jeden deutschen einen Efel nennen aber das lasse ich mir nicht gefallen, hohl mich der Teif — oh we des war schon wider geflugt ich kann aber nichts dafor, denn das ist eine Schante für gans Deutschland. Es sind noch eine Mänge solcher Barakrafen, und immer einer schlächter als der andre, einige weis auch gar Niemant nicht was erst recht schoffel ist. Ich aber weis was ich mache. Ich bin von den Bachohnetstig wider gesunt und in 3 Wogen ist meine Dinstzeit alle, dann nehme ich Abschiet und gehe in schlöswichsche Dinste, denn iber so einen Friden scheme ich mich und nähme ihn gar nicht an. Also atje liebe Aeltern und Geschwüster, wenn wider etwas basirt schreibe ich, aber Hohl mich der Teifel ein öhrlicher Kerl bin ich und Euer lieber Sohn Korberal Carl Strumpbacher II. Rechiment III. Kombani. Der treue Bräutigam. „Liebste, himmlisch Jeanette, ist meine Braut noch zu Hause?“ „I bitt’ Ihne, Herr Baron, gebens a Ruh’ — sie is ja gleich im Nebenzimmer drin.“ Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Schöne liegt so nah. Commissär. „Kurz und gut, Sie derfen a mal ned nein nach Rom, und was wollten’s denn eigentlich drinn?“ Künstler. „Ich möchte die Peterskirche seh’n und einige Kunstwerke copiren.“ C o m m i s s ä r. „Peterskirchen? Die hab’n wir hier selber, da brauchens ned so weit zu reisen. Was das für Ausreden wären.“ — Geschmacks-Entwicklung in den Bauerntrachten durch den Einfluß der französischen Mode. Bauernmädchen aus der Umgegend von Landshut im Jahre 1836. Bauernmädchen aus der Umgegend von Landshut im Jahre 1849. Gewissenhafte Erledigung der Unterstützungs-Bittgesuche. Präsident. „Was will Sie? — Wer ist Sie?“ Frau. „Ich bin die Frau des bereits dreißig Jahre dienenden und nun schon seit längerer Zeit kränkelnden Amtschreibers Unglück, und bitte Eure Excellenz fußfällig, das von meinem Manne bereits eingereichte Unterstützungsgesuch gnädigst berücksichtigen zu wollen.“ Präsident. „So! — hat Ihr Mann nicht ohnehin schon einen schönen Gehalt von jährlichen 400 fl.?“ Frau. „Bitte Eure Excellenz gnädigst erwägen zu wollen, daß wir neben den ordentlichen auch noch viele außerordentliche Ausgaben für Medikamente u. dgl. und zehn Kinder zu unterhalten haben.“ Präsident. „Ei, was gehen denn den Staat Eure Kinder an? Hat Euch denn der Staat zum Heirathen gezwungen, oder hiezu Verhaltungsmaßregeln vorgeschrieben? Oder seid IIhr etwa schon verheirathet auf die Welt gekommen? Da hätte der Staat überhaupt viel zu thun, wenn er jedem seiner Bediensteten ein gemächliches Leben sichern müßte; au contraire ist es jedes Bediensteten strengste Pflicht, sich möglichst einzuschränken und seinen Haushalt so zu ordnen, daß nie die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, um nicht in die Lage versetzt zu werden, den Staat mit derlei Betteleien behelligen zu müssen. Adieu.“ Präsident. „Ah! Bon jour, Mademoiselle Julie! Mit was kann ich dienen?“ Julie. „Ach Excellenz! kaum vermag ich noch zu sprechen. Das ist eine Schmach, die ich nicht überlebe. Denken Sie sich Excellenz: Mein Vater hat, wie Sie selbst wissen, noch immer, seit vielen Jahren her, jedesmal zu einer Badereise eine namhafte Unterstützung erhalten. Um nun auch der nächsten Bade-Saison standesgemäß anwohnen zu können, ging ich selbst zu dem Herrn Rath Schreibmaier, der Referent in dieser Sache ist, um das Gesuch meines Papas mündlich zu unterstützen; — aber was glauben Euer Excellenz? — Anstatt meiner Bitte zu entsprechen, bemerkte er mir geradezu, daß der Papa, als nur mit einem Kinde versehen, ohnehin ein schönes Einkommen von jährlich 2000 fl. habe, und daß man zur Zeit, weil der treffende Fond zu sehr derangirt sei, nur auf die wahrhaft dürftigen und gering besoldeten Bittsteller Bedacht nehmen könne. — Nun bitte ich Eure Excellenz zu ermessen, welche Calamität dadurch unserem Hause bevorsteht, zumal wir schon alle Bekannte und Verwandte von unserem Eintreffen zur Saison bereits avertirt haben. — Nein! das halte ich nicht aus. Wenn nun Eure Excellenz hier nicht ins Mittel treten, so — —“ Präsident. „Nun, nun. beruhigen Sie sich, mein Fräulein. Ich kenne diesen Herrn Referenten, der liebe Mann ist nur durch die letzten Ereignisse ein wenig zu ängstlich geworden; ich werde ihn aber sogleich präpariren und ihm begreiflich machen, daß es ja des Staates heiligste Pflicht ist, seine Bediensteten zu unterstützen und ihnen in jedem Falle hilfreich unter die Arme zu greifen. — Gehen Sie nun getrost nach Hause, mein Fräulein. — Adieu, mein schönes Kind! Auf baldiges Wiedersehen im Bade.“ — Die Auswanderer, oder wunderbare Fahrten und Abenteuer der Herrn Barnabas Wühlhuber und Casimir Heulmeier in Amerika. (Fortsetzung.) „Davon steht abber nix im Contract, daß mer Tag un Nacht in dem dunkle Loch Wasser schöppe muß.“ „Ja sähn se Wühlhuberchen, de Pumpe is voll Drech —“ „Ah was Pumpe un nix z’fresse dazu — Herrgott is das a Leb’n auf so ‘nem Malefiz-Schiff!“ — „Ach Kott, ich wollte ich wäre widder heeme — der Mensch is doch manchmal recht dumm —“ „Halte’ se’s Maul — ‘s is mer doch noch viel lieber ich muß e Pumpe abgebe un Tag un Nacht bis am Nabbel im Wasser stehe, wenn ich nur ke Kerch und ke Hoschaisen mehr seh.“ Reisebilder. Von F. Crum. Nro. 5. Smyrna, den 30. Mai 1849. (Haremscene bei Jussuf, maestro sarto in Smyrna, gebürtig von Regensburg.) Jussuf. „Nein, da hast du mir jetzt mit dem G’wand schon a rechte Ueberraschung bereitet zu meinem Namensfest, Fatimeh! — wo du’s nur her hast? und wie du dich gleich so gut dreinschickst und s’ Schweiferl auch so nachziehst! — Ja du bist schön, Fatimeh! Wahrhaftig, da kann man sagen, wie der Dichter sagt: „Du bist wie von Cypressenholz, dein Mund ist mit Perlen passepoilirt und der Wohlgeruch deiner Gazellenaugen beschämt den Glanz des Sonnenaufgangs“ — „Wart! am Dreifaltigkeitssonntag nach der Mosche führ ich dich a so auf’n Corso — du Gazellerl, du g’schmachs!“ === FB9-0216 Der billige Schweinetransport. Eine tragische Geschichte aus dem Lande Hadeln, erzählt von G. J. F. Hansen. Wenn man so den Halbhufner Jan Peter Timm aus Wurstdorf mit seiner treuen hannoverschen Physiognomie, in deren Mitte eine kurze Bröselpfeife hängt, ansieht, so sollte man gar nicht glauben, daß dieser Jan Peter Timm mit den blauen, halboffnen Augen, den emporgezogenen Brauen und der herunterhängenden Unterlippe zu etwas Andrem im Stande wäre, als in gemessnen Zwischenräumen seine Tabakswolken auszustoßen — die Pfeife auszuklopfen, wieder zu stopfen und zu verdampfen — und doch ist dieser selbige Jan Peter Timm es, dem wir manche schnurrige Geschichten verdanken. Eine davon will ich gleich erzählen, und wer sie gelesen hat und kommt später einmal nach Wurstdorf, der kann sich von jedem Kinde den Helden derselben zeigen lassen und ihn sich einmal d’rauf recht genau ansehn, was er aus dieser Physiognomie herausstudiren könne. (NB. Ist dieser verehrliche Leser ein Schüler des Herrn Professor Gall, so mag er auch den Schädel des Jan Peter Timm als Forscher betasten.) Aber zur Säche! — Wiederholt besagter Halbhufner Jan Peter Timm war auf dem Jahrmarkte in Otterndorf, der Hauptstadt des Landes Hadeln und Wursten, gewesen, wo er seinen holsteinischen Fuchs-Klepper vortheilhaft verkauft und ein ziemlich korpulentes Schwein eingehandelt hatte. Nachdem er sich beim Wirth „zur blauen Henne,“ wie gewöhnlich, in eine gemüthliche Stimmung versetzt hatte, machte er sich auf den Weg nach dem heimathlichen Wurstdorf, das fast zwei Meilen von Otterndorf entfernt liegt. Als er den lärmenden Markt der Stadt verlassen hatte, schlug es vom Kirchthurm 6 Uhr. So schritt Jan Peter Timm unverdrossen, das Leitseil in der Hand, hinter seinem Schwein her — sein Brösel brannte ja, sein Tabaksbeutel enthielt reichlichen Stoff zu eventuellen nachfolgenden Ladungen — gewiß dachte Jan Peter Timm, wenn es auch nicht seinen Lippen enthaucht ward, doch in den Tiefen seines Gemüthes an das schöne Lied: „Was frag’ ich Viel nach Geld und Gut, wenn ich zufrieden bin—“ und die Klänge dieses gedankenschweren Sanges durchzitterten die Saiten seiner Seele, wie der Abendwind leis durch eine Aeolsharfe wallt!! — Aber ach! es kam eine schwarze Wetterwolke, den lachenden Ideenhimmel Ian Peter Timm’s zu trüben — — — Das Schwein, bisher der stumme Zeuge seiner erhabenen Gefühle, zeigte allmählig einen leisen Anflug von Melancholie! Ob vielleicht die Phantasie dieses Wesens durch das rauhe Gewirre des Otterndorfer Markte zu sehr erregt war, oder ob im Wirthshause „zur blauen Henne“ ein unangenehmes Begegniß seine Stimmung getrübt hatte — wer möchte dies zu entscheiden wagen?! — — Gewiß ist, daß allmählig diese Schwermuth sich deutlicher zu offenbaren anfing, und daß zuletzt die Ermattung des Geistes den sonst blühenden Körper überwältigte. Nämlich gerade als Jan Peter Timm mit seinem Schweine in dem einsamen Walde des Dobrok sich befand, sank seine Errungenschaft plötzlich nieder, und alle Ermahnungen, selbst die schlagendsten Beweise für die Zweckmäßigkeit des Weitergehens von Seiten des Inhabers, vermochten nicht, sie aus dem status quo zu bewegen. — „Was thun?“ dachte einst der alte Heide Zeus, als ihn ein Poet ähnlich in Verlegenheit brachte — „was thun?“ dachte auch sein Nachkomme, der Halbhufner Jan Peter Timm—? War auch die „Welt nicht weggegeben,“ so kam sie ihm doch in diesem Augenblick bedeutend größer vor als zu anderen Zeiten — es war 8 Uhr, fing schon an zu dämmern und das heimische Wurstdorf noch „en goode Piep Tabak,“ ungefähr zwei Stunden entfernt, daneben in weiter Umgegend kein Haus zu finden, — da aber ward es Licht, d. h. in Jan Peter Timm! — Er packte das müde Schwein bei den Hinterbeinen, und zerrte, zog und stieß es in das Dickicht. Hier kniete er vor dem Thiere nieder, zog mit größter Gemüthsruhe sein großes Taschen- oder Käse-Messer hervor und — horribile dictu — erstach — — sich? — nein, das Schwein! Dann holte er mit gewaltiger Hand eine Menge von dürrem Gestrüpp und Blättern herbei und bedeckte damit das todte Thier — kehrte an den verlassenen Weg zurück und eilte dem wohlbekannten Dorfe zu. — Als er in die Thür der Wohnstube trat, kam ihm sein besseres Ich, das ihn ungeduldig erwartet hatte, mit der Thranlampe in der Hand entgegen — prallte aber zurück als es die Blutspuren an Händen und Kleidern Jan Peter Timm’s erblickte. — „Jan Peter, wat häst Du dahn?“ rief sie aus, „Du süst je ut, as wenn Du Een umbrocht harst —“ „Dat häw ik ook“ — brummte der Ehegemahl, und warf sich auf die Ofenbank. „Herr Jedi, wat för Een denn?“ — „Mien Reis’gefährten — aber, wat geiht Di dat an, giw mi wat to eeten,“ antwortete mürrisch Jan Peter Timm. Frau Timmen starrte ihre andere Hälfte groß an — „Wat har he Dir denn dahn?“ fragte sie außer sich. „He wull je nie wat ik wull,“ lautete die Antwort. Diese unerschütterliche Ruhe ihres Eheherrn, bei dem sie gerade keinen Spaß gewohnt war, brachte die Frau in Todesangst. Sie rannte aus der Hofthür und schrie nach besten Kräften. „Mien Mann is verrückt worr’n, mien Mann is verrückt — —“ Mehrere Nachbarn, von dem Lärmen geweckt, erschienen in ihrem Nachtcostüme. Als sie in die Kammer traten, saß Jan Peter Timm am Tisch und verzehrte in großer Ruhe sein Abendessen, das er sich selbst herbeigeholt hatte. „Naber, Naber“ — sagten die Nachbarn, und schüttelten den vermeintlich Wahnsinnigen beim Arme — „Du büst doch sunst en vernünftiger Keerl — kumm, besinn’ Die doch“ — aber dieser ließ sich durchaus nicht stören, blieb ruhig bei seiner früheren Erzählung, und endlich schlichen die Bauern den verlassenen Lagerstätten zu, indem sie ihre Hoffnung aussprachen, er werde wohl über Nacht sich besinnen. — Am andern Morgen hieß es in ganz Wurstdorf, der Halbhufner Jan Peter Timm habe seinen Reisegefährten in einer Anwandlung von Wahnsinn umgebracht, und seine Ehefrau selbst sei kaum seinem Blutdurst entflohen. Die alten Frauen des Dorfes entwickelten mit großer Wonne beim Kaffee die möglichen Folgen dieser unerhörten That, die Männer, die zum Pflügen ausgingen, standen im Vorübergehen hie und da still und kopfschüttelten bedenklich — aber Herr Adam Nössel, der ehrsame Büttel, hatte kaum dies Faktum vernommen, als er in seinen Amtsrock fuhr und sich mit gravitätischer Miene, „jeder Zoll ein Büttel,“ in das Gehöfte Jan Peter Timm’s begab. — Dieser blutige Verbrecher war eben im Begriff, durch das Feld lustwandelnd den Stand des Getreides zu mustern, als Herr Adam Nössel am Hofthor erschien. Von hier aus, in gemessener Entfernung, denn mit solchen Geisteskranken ist nicht zu spaßen, begann der Büttel sein Examen. Zu seiner großen Freude gestand Jan Peter Timm Alles, außer dem Attentat auf seine Ehefrau, ein. Zu seiner Freude, denn so wie der Arzt sich an einem seltnen Krankheitsfall innerlich erquickt, sei es auch auf die Gefahr eines Menschenlebens hin — so gereichte dieser eigentümliche casus in der amtlichen Tätigkeit des Herrn Adam Nössel diesem zu besondrer Genugtuung. Diese stille Seelenwonne ward natürlich noch gesteigert, als der Verruchte ihm unweigerlich aufs Gerichtszimmer folgte. — Hier nun stellte der Herr Gerichtsassessor natürlich ein hübsch genaues Examen mit den gehörigen Querfragen an, dessen Resultat war: „Der Halbhufner Jan Peter Timm sei mit seinem Reise „gefährten, einem Otterndorfer, von mittlerer Statur, „blondem Haar und kleinen grauen Augen auf dem „Dobrok in Meinungsverschiedenheit gerathen, und habe „ihn umgebracht und eingescharrt.“ Als hierauf der Herr Gerichtsassessor noch den Delinquent ten fragte, ob er Willens sei, die Stelle auf dem Dobrok anzugeben, wo die haarsträubende That geschehn sei erwiderte dieser: „Worum dat nich?“—So fuhr denn am Morgen desselbigen Tages noch eine Untersuchungss-Commission, bestehend aus dem Herrn Gerichtsassessor, einem Secretario und zweien Beisitzenden nebst Herrn Adam Nössel und dem Verbrecher nach dem Dobrok ab.— Man kam an die bewußte Stelle des Waldes. Jan Peter Timm leitete die Commission in das Gebüsch — wahrhaftig, man fand den Haufen von Gestrüpp, unter dem die Leiche lag! Alles schaudert — „Adam Nössel,“ sagte mit schwacher Stimme der Gerichtsassessor, „thun Sie, was Ihres Amtes ist!“ Man glaube nicht, daß der Büttel Furcht kannte! Er harte zwei Jahre Casernendienst gethan, kannte also die Gefahren und das Fürchterliche des Krieges, war darauf zwanzig Jahre Bediente bei dem Herrn Gerichtsassessor gewesen — welche Schule! — und war jetzt seit zwölf Jahren Büttel zu Wurstdorf. — Furcht kannte er nicht, nur eine gewisse Pietät bemeisterte sich seines Gemüthes. Jetzt aber — die heilige Pflicht des Amtes rief — ganz Europa sah auf ihn — mit Todesverachtung trat er näher und begann den Haufen abzudecken. — Bald ward ein Fuß des Schweines sichtbar — der Herr Gerichtsassessor schob die Brille weiter auf die Nase und rief: „Seltsam!“ — der Sekretarius neigte sich vorüber und sagte: „Wirklich seltsam !“ Die Herren Beisitzenden rückten sich näher und hauchten: „Seltsam in der That — —“ Aber als nun das Unerhörte geschah, und der Cadaver des Schweins den Blicken der Kommission enthüllt ward — da — prallte der Herr Gerichtsassessor zurück und rief fragend: „Ein Schwein — ?!“ Der Sekretarius machte ein ähnliches Manoeuvre und antwortete: „Wirklich ein Schwein—!“ Die Herren Beisitzenden reckten die Köpfe und echo’ten: „Ein Schwein, in der That — —“ Herr Adam Nössel legte seinen Stockknopf an das Kinn und bestätigte: „Wie die Herren bemerken, ein Schwein.“ — Und Jan Peter Timm? Nun, hätte man den in diesem Augenblicke beobachtet, so würde man gesehen haben, wie ein zephyrähnliches Lächeln seine Mundwinkel umspielte — aber nur einen Augenblick — dann stand er wieder unverändert, wie ein Baumstamm unbewegt, da! — „Welche unerhörte Frechheit.“ schrie der Herr Gerichtsassessor, als er sich wieder im vollen Bewußtsein des gehörigen Muthes fühlte; „welche Verletzung meiner Autorität, eine Verhöhnung meiner Würde“ — — und so fuhr er fort, mit Ciceronianischer Beredsamkeit seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, worin ihn Sekretarius und Beistände bestmöglich unterstützten. Dann ward das Schwein, gewissermassen das corpus delicti, auf den Wagen gepackt und man fuhr wieder nach Wurstdorf zurück. — Daß hier die halbe Einwohnerschaft die Zurückkommenden mit aufgesperrten Augen empfing, läßt sich denken: ebenso, wie daß Alles beim Anblick des todten Schweins statt einer Menschenleiche, in ein wieherndes Gelächter ausbrach. Die Commission saß da auf dem Wagen, bald die Augen gen Himmel, bald zur Erde wendend. — Jan Peter Timm blieb in derselben unerschütterlichen Gemüthlichkeit, und nickte sogar einigen Bekannten unter der Menge zu. — — Was war der Schluß dieser Begebenheit? — Der Herr Gerichtsassessor forderte Genugtuung — aber was war anzufangen? Ian Peter Timm erwiderte auf alle Vorstellungen: „Ik höw je nich sägt, dat et en Minsch wesen wör.“ — Ein viele Bogen umfassender Bericht von dieser Schandthat ward an die oberste Behörde abgesandt, nebst Anlage des Protokolls; der Gerichtsassessor — das ward mir von einer vertrauten Freundin seiner Ehegemahlin mitgetheilt, aber nach Einführung der „Oeffentlichkeit und Mündlichkeit“ habe ich nicht zu fürchten, indiscret zu erscheinen — also: der Gerichtsassessor sprach allnächtlich im Traum von „100 Thalern Brüche, vier Wochen auf Wasser und Brod etc.“ — Endlich kam das Antwortschreiben ! — Aber ach ! Nichts von dem Gehofften war darin zu finden. In ziemlich dürren Ausdrücken ward ausgesprochen, „daß sich leider in der Sache Nichts thun lasse, da der Halbhufner Jan Peter Timm in keiner seiner Aussagen sich einer Unwahrheit schuldig gemacht habe.“ Zum Schluß ward aber noch der gute Rath hinzugefügt: „zur Vermeidung derartiger Mißverständnisse solle man lieber in Zukunft vorerst untersuchen, ob das fragliche Individuum dem Menschen- oder dem Thiergeschlechte angehöre, widrigenfalls man sich die unangenehmen Folgen selbst zuzuschreiben habe!“ — Jan Peter Timm also war ungefährdet im Besitze seines Schweins geblieben und ruhte auf seinen Lorbeeren aus. Er hatte erreicht, was er wollte: nämlich das Schwein war ihm ohne Mühe von seiner Seite und umsonst zwei Stunden Weges transportirt vor seine Hausthür: und noch jetzt, so oft er sich an den fetten Schinken und geräucherten Würsten des bewußten Schweines labt, denkt er selbstgefällig an die gelungne List, die er Allen als Ersparungsmittel in ähnlichen fällen empfiehlt — und die ehernen Züge seines Angesichts wellen sich zu einem süßen Lächeln! — Auch ein Sacktuch. Landrichter. „Aber liebe Frau, Ihr Mann besteht darauf und will es im Nothfalle eidlich erhärten, daß er sie nur mit seinem Sacktuche ein wenig gehauen habe, und mit einem Tuche, selbst wenn es zusammengedreht ist, kann man Einen doch nicht so zurichten, wie sie zugerichtet ist!?“ Bauersfrau. „Nit? no da schaugens a mal des Sacktüchel von mein Mann an!“ Kunstbegriff. „Sie Harfenistin, wer ist denn das nette Mädchen dort mit der Pfeife im Munde?“ — „Ach die! das ist eine Künstlerin, die arbeitet blos auf dem Seil’.“ So erklärt sichs. „Exzellenz, seit 18 Jahren bin ich bereits Rechtspraktikant, und ich begreife nicht, woran der Fehler liegt. das ich bei Anstellungen schon öfters übergangen wurde; meine Zeugnisse sind alle empfehlend und auch mein Herr Landrichter ist mit mir sehr zufrieden.“ — „Wie? sehr zufrieden? das scheint mir nicht, er gab Ihnen noch jedesmal die III. Note.“ „Herr Landrichter, eben komme ich vom Minister: Sie hintergingen mich schrecklich, versicherten mich stets Ihrer völligen Zufriedenheit, und gaben mir jedesmal die III. Note“ „Ja, mein Lieber, das kann doch nicht anders sein: die I. Note behalte natürlich ich für mich, die II. gebührt dem Assessor, und dann kommen gleich Sie. mehr können Sie gewiß nicht verlangen.“ Bettlerkatechismus „Ihnen mein Herr danke ich recht schön für den Kreuzer, den Sie mir geschenkt haben, die übrigen Herren aber, welche mir nichts gegeben haben, kann der Teufel holen wenn er will!“ Es muß wohl für zwei sein. Geh’ ich spazieren so ganz allein Auf zierlichen Wegen im Mondenschein, Und denk’ ich dabei an meine Maid, So scheint mir der Weg für mich allzubreit; Er muß wohl für zwei sein! Und komm’ ich nach Hause ins Stübchen mein, Da finde ich mich so einsam, allein, Und denk ich im Herzen der golden Maid, Da erscheint mir mein Stübchen für mich zu weit; Es muß wohl für zwei sein! Und setz’ ich mich nun an den Tisch allein. So will mir nicht munden der perlende Wein; Und gedenk ich dabei an die liebliche Maid, So scheint mir wieder der Tisch zu breit; Er muß wohl für zwei sein! Und tret’ ich nun in mein Kämmerlein Und bin ich so ganz, so ganz allein, Und träum ich dann von der Herzliebsten mein, Scheints Kämmerlein viel zu groß zu sein; Es muß wohl für zwei sein! E. P. T — l. Heirathsanträge durch die Zeitung. „Ein sehr solider Mann in den besten Jahren, von einnehmendem Aeußern, Geschäftsmann, der ein anständiges Vermögen besitzt, sucht sich mit einem nicht mehr ganz jungen Mädchen oder Wittwe zu verheiraten, die über einige Tausend Gulden zu verfügen hätte. Darauf Reflektirende wollen sich brieflich an die Redaktion wenden.“ — „Ein gebildetes Frauenzimmer im schönsten Lebensalter, liebenswürdigen Charakters und freundlichen, hingebenden Wesens, im Besitze eines baaren Vermögens von 5000 fl. wünscht eine gleichgestimmte Seele zu finden, welche ihr den Weg durch dieses Erdenthal versüßen könnte. — Offerte brieflich durch die Redaktion.“ — Der solide Mann in den besten Jahren macht sich des andern Tages auf den Weg, das gebildete Frauenzimmer im schönsten Lebensalter zu besichtigen. „Also Sie sind das gebildete Frauenzimmer im schönsten Lebensalter, von liebenswürdigem Charakter und freundlichem, hingebenden Wesen ? !“ — „Also Sie sind der solide Mann, in den besten Jahren und von einnehmendem Aeußern?!!“ Herr Gurkenkümmel aus Leipzig in Schottland. Herr Gurkenkümmel.„Sagen’s emal, mei’ kuter Fihrer, regnet’s denn in diesem hundskemeinen Lande das ganze Jahr?“ Der Hochländer. „Nau, Seer, oft es sneit auk.“ Die Freunde. „Aber lieber Eduard, das freut mich herzlich, daß Du hier, seit Du von uns zu Haus fort bist, schon so viele Freunde hast, die sich angelegentlich nach Deinem Befinden erkundigen.“ „Ach Mama, solche Freunde wünsche Dir nicht, denn es sind meine — Gläubiger!“ Die Auswanderer, oder wunderbare Fahrten und Abenteuer der Herrn Barnabas Wühlhuber und Casimir Heulmeier in Amerika. (Fortsetzung.) „Herr Jefes, der scheene Slip, den mer de Lowise beim Abschiede zum Andenken geschenkt hat, is wees Kott hin — Alles is zerweecht. Das därfte mer nich noch e Mal passiren, sonst wärde, wees Kott, der Kapitän verklagt —“ „Was nutzt jetzt des Geschwätz? — mit all’ Ihrem Geflenn leime se ke Kiste z’samme. — Da habe se widder die teufelmäßig schlechte deutsche Institutione — jetz is mer um sei bische Eigenthum gebracht, aber keener vun die zweehundert deutsche Färschte giebt Ihne e Kreizer hervor“ — „Sehn se mei kuter Wühlhuber — s’ Eigenthum is doch was werth — Sie ham immer von Vernichtung des Eigenthums gesprochen — jetz’ is es vernichtet.“ — Schluß des neunten Bandes.